Atmung

Gasaustausch durch die Lunge
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Atmung (lat.: respiratio) bezeichnet in der Biologie:

  • die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid durch Lebewesen und den Transport dieser Gase im Organismus (äußere Atmung),
  • die Reduktion des Sauerstoffs zu Wasser in Mitochondrien unter gleichzeitiger Oxidation organischer Substanzen, wobei ein großer Teil der freigesetzten Energie in Form von energiereichen Biomolekülen (meistens ATP) gespeichert wird (innere Atmung oder Zellatmung),
  • in einem weiteren Sinn, der auch die anaerobe Atmung bei Bakterien umfasst, die Oxidation eines energiereichen Stoffs (Reduktans), beispielsweise Glucose, unter Reduktion eines externen Elektronen-akzeptierenden Stoffs (Oxidans, beispielsweise Sauerstoff), wobei ein (großer) Teil der freiwerdenden Energie dieser Redoxreaktion durch Synthese energiereicher Moleküle chemisch gespeichert wird.

Äußere Atmung

Roentgenaufnahme eines weiblichen Alligator mississippiensis bei der Atmung.

Als äußere Atmung wird der Gasaustausch mit der äußeren Umgebung und die ihn unterstützenden Transportprozesse zusammengefasst. Folgende Komponenten können unterschieden werden, sie können auch in Kombination vorkommen.

Gasaustausch

Von Gasaustausch ist nur die Rede bei gasförmigen Substraten, also nicht bei Eisen-, Nitrat-, Fumarat- oder Schwefelatmung.

Der Gasaustausch erfolgt primär immer über Diffusion. Dies ist ein Vorgang der Physik, bei dem sich Substanzen durch zufällige Bewegung räumlich verteilen: Von Bereichen mit hoher Konzentration breiten sie sich zu Bereichen mit niedrigerer Konzentration aus, bis im Idealfall überall die gleiche Konzentration herrscht. Bei mehrzelligen differenzierten Organismen sind oft spezielle Organe als Teil der äußeren Atmung für den Gasaustausch verantwortlich. Die Lunge ist anatomisch für den Gasaustausch optimiert, indem sie durch die Lungenbläschen (Alveolen) über eine große Oberfläche mit geringer Diffusionsstrecke verfügt (siehe erstes Ficksches Gesetz). CO2 diffundiert dabei 20-mal besser als Sauerstoff: Zwar ist der Diffusionskoeffizient für CO2 in der Alveolarmembran aufgrund der größeren Molekülgröße etwas schlechter, dafür ist die Löslichkeit 24-mal größer, was einen ebensovielmal größeren Konzentrationsunterschied bedeutet.

Das Lungenemphysem erzeugt eine Diffusionsstörung durch Verkleinerung der Austauschfläche. Das Lungenödem erzeugt eine Diffusionsstörung durch Vergrößerung der Diffusionsstrecke. Störungen der Oxygenierung des Blutes können zudem durch zu geringe oder falsch verteilte Durchblutung der Lunge entstehen. Isolierte respiratorische Störungen äußern sich in Hypoxie ohne Hyperkapnie, da die CO2-Diffusion aus den genannten Gründen noch gut funktioniert, wenn die Sauerstoffdiffusion längst deutlich eingeschränkt ist. Respiratorische Störungen können bei intakter Atempumpe ventilatorisch kompensiert werden: Dabei wird durch vertiefte Atmung der Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen erhöht, was den Konzentrationsunterschied und damit die Diffusionsgeschwindigkeit erhöht. Dabei muss jedoch ein erniedrigter CO2-Partialdruck in den Alveolen in Kauf genommen werden, der sich auf das Blut überträgt und den Säure-Basen-Haushalt stört (respiratorische Alkalose). Die symptomatische Therapie von Gasaustauschstörungen erfolgt durch Gabe von Sauerstoff.

Zusammensetzung der Ein- und Ausatemluft beim Menschen

Inspiratorische Fraktion Gas Exspiratorische Fraktion[1]
78 % Stickstoff 78 %
21 % Sauerstoff 17 %
0,04 % Kohlenstoffdioxid 4 %
1 % Edelgase 1 %

Einatmungsluft von atmosphärischer Luft gemittelter Zusammensetzung. Schon in von Menschen genutzten Innenräumen mit – zugunsten von Heizung oder Kühlung, und Schutz vor Wind und Staub – begrenzter Lüftung liegen höhere CO2-Konzentrationen vor. MIK-Wert = 0,30 % CO2, Arbeitsplatzgrenzwert AGW (ersetzt den früher gebräuchlichen MAK-Wert) = 0,50 % CO2.

Zellatmung

Bei der Zellatmung wird zwischen aerober und anaerober Form unterschieden. Aerobe Atmung gibt es erst, seit elementarer Sauerstoff in der Atmosphäre und im Wasser zur Verfügung steht. Seine Bildung geht auf die ersten photosynthetisch aktiven Prokaryoten zurück, wahrscheinlich Vorläufer der heutigen Cyanobakterien. Vorher und in sauerstoffarmer Umgebung kann/konnte nur eine anaerobe Atmung stattfinden.

Etliche Organismen sind zu mehreren Atmungstypen befähigt. So kann beispielsweise Escherichia coli unter anaeroben sowie aeroben Bedingungen leben. Andere Organismen beherrschen nur einen Atmungstyp. Säugetiere, zu denen auch der Mensch zählt, sind obligate Aerobier, sind also auf Sauerstoff zum Leben angewiesen.

Bei der Oxidation energiereicher Verbindungen (anorganische Stoffe oder organische Stoffe wie Glucose) werden Elektronen in gebundener Form freigesetzt. Diese werden durch eine in der Regel lange Kette von Redoxreaktionen, aus denen Energie zur Bildung von ATP abgezweigt wird, schließlich auf einen terminalen Elektronenakzeptor übertragen (Atmungskette). Letzterer ist bei der aeroben Atmung stets Sauerstoff, bei anaerober Atmung kommen verschiedene organische und anorganische Stoffe als Elektronenakzeptor vor.

Aerobe Atmung

Bei der aeroben Atmung wird Sauerstoff benötigt. In der Regel werden organische Verbindungen wie Kohlenhydrate oder Fettsäuren oxidiert und in einer Atmungskette schließlich auf O2 als terminalen Elektronenakzeptor übertragen. Wenn Glucose als Substrat genutzt wird, dann wird bei der aeroben Atmung Kohlenstoffdioxid und Wasser produziert. Das Redoxpotential E0' beträgt 0,82 V. Die Summengleichung lautet:

 
Aus einem Molekül Glucose und sechs Molekülen Sauerstoff werden sechs Moleküle Kohlenstoffdioxid und sechs Moleküle Wasser

Mikroorganismen können zur Energiegewinnung nicht nur organische, sondern auch anorganische Stoffe oxidieren. So nutzt beispielsweise das Archaeon Acidianus ambivalens Schwefel in einer Schwefeloxidation gemäß:[2]

 

Die Oxidation von Ammoniak (NH3) kommt bei Bakterien und Archaeen vor.[3][4] Dabei wird Ammoniak zu Nitrit (NO2) oxidiert:

 

Anaerobe Atmung

Bei der anaeroben Atmung, welche nur von Prokaryoten betrieben wird, werden die aus der Oxidation eines Energieträgers gewonnenen Elektronen anstatt auf Sauerstoff auf andere externe, reduzierbare Substrate übertragen. Dies darf nicht mit Formen der Gärung verwechselt werden, bei welcher die Elektronen auf Stoffwechselendprodukte übertragen werden und somit die Möglichkeit der Elektronentransportphosphorylierung nicht besteht.

Die verschiedenen anaeroben Atmungen werden anhand des „veratmeten“ Substrates oder der Stoffwechselendprodukte klassifiziert.

In die Tabelle wurde nur eine Auswahl anaerober Atmungstypen aufgenommen (weitere siehe Hauptartikel):

Atmungstypen
Atmungstyp Organismen „wesentliche“ Reaktion
aerobe Atmung obligate und fakultative Aerobier (z. B. Eukaryoten) O2 → H2O
Eisenatmung fakultative Aerobier, obligate Anaerobier (z. B. Desulfuromonadales) Fe3+ → Fe2+
Nitratatmung fakultative Aerobier (z. B. Paracoccus denitrificans, E. coli) NO3 → NO2
Fumaratatmung fakultative Aerobier (z. B. Escherichia coli) Fumarat → Succinat
Sulfatatmung obligate Anaerobier (z. B. Desulfobacter latus) SO42− → HS
Thiosulfatatmung z. B. Ferroglobus H2S2O3 → 2 H2S
Methanogenese (Carbonatatmung) methanogene und obligate Anaerobier (z. B. Methanothrix thermophila) CO2 → CH4
Schwefelatmung fakultative Aerobier und obligate Anaerobier (z. B. Desulfuromonadales) S → HS
Veratmung von Arsenat Pyrobaculum AsO42− → AsO3
Acetogenese (Carbonatatmung) homoacetogene und obligate Anaerobier (z. B. Acetobacterium woodii) CO2 → CH4

Atmung bei Pflanzen

Auch photoautotrophe Organismen (Pflanzen im weitesten Sinn), die ihre Energie insgesamt durch Photosynthese gewinnen, decken ihren Energiebedarf durch aerobe Atmung, wenn die Photosynthese nicht möglich ist, so nachts und in Teilen bzw. Entwicklungsstadien, die keine aktiven Chloroplasten enthalten (etwa Wurzeln oder keimende Samen). Die dabei veratmeten Substanzen stammen letztlich aus der Photosynthese und werden aus anderen Teilen der Pflanze geliefert oder wurden zuvor als Reservestoffe gespeichert.

Während die Luft über 20 % Sauerstoff enthält, nimmt Wasser nur wenig davon auf, insbesondere bei höheren Temperaturen. Algen und andere im Wasser lebende Pflanzen können ihn durch Diffusion aus dem umgebenden Wasser aufnehmen, da sie eine große Oberfläche und keine undurchlässige Cuticula haben. Sumpfpflanzen, die teils untergetaucht wachsen, und manche Wasserpflanzen bilden spezielle Belüftungsgewebe (Aerenchym), um insbesondere ihre Wurzeln mit Sauerstoff zu versorgen.

Eine nur bei Pflanzen vorkommende Variante der Atmung, bei der keine Energie gewonnen (per ATP), sondern Wärme entwickelt wird, wird als cyanidresistente Atmung bezeichnet, weil sie durch Cyanide nicht beeinträchtigt wird. Bedeutend ist sie bei vielen Aronstabgewächsen, deren dadurch stark erwärmte Blütenstände vermehrt Duftstoffe zur Anlockung von Bestäubern aussenden. Ein weiterer formal als Atmung im Sinne einer Umkehrung der Photosynthese zu bezeichnender Vorgang ist die Photorespiration, die immer neben der Photosynthese stattfindet und deren Effektivität reduziert. Sie wird als Relikt aus der erdgeschichtlichen Zeit gedeutet, als der Sauerstoffgehalt der Luft noch recht niedrig war.[5][6]

Siehe auch

Literatur

  • Lexikon der Biologie: Atmung. Spektrum, Heidelberg 1999.
  • Jane Reece & al.: Campbell Biologie. 10. Aufl., Pearson, Hallbergmoos 2016, Kapitel 9 und 43.5 bis 43.7.
Commons: Atmung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Atmung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. ohne Wasserdampf, berechnet nach: Stefan Silbernagl, Agamemnon Despopoulos: Taschenatlas der Physiologie. 6. korrigierte Auflage. Thieme, 2003, ISBN 3-13-567706-0, S. 107.
  2. Imke Schröder, Simon de Vries: Respiratory Pathways in Archaea. In: Paul Blum (Hrsg.): Archaea: New Models for Prokaryotic Biology. Caister Academic Press, 2008, ISBN 978-1-904455-27-1, S. 2f.
  3. Sergej Nikolaevitch Winogradsky: Ueber die Organismen der Nitrification. In: Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft Zürich. Band 36, 1891, S. 176–208.
  4. S. Leininger, T. Urich, M. Schloter, L. Schwark, J. Qi, G. W. Nicol, J. I. Prosser, S. C. Schuster, C. Schleper: Archaea predominate among ammonia-oxidizing prokaryotes in soils. In: Nature. Vol. 442, 2006, S. 806–809.
  5. Lexikon der Biologie: Atmung. Spektrum, Heidelberg 1999.
  6. Lexikon der Biologie: Atmungswärme. Spektrum, Heidelberg 1999.