Verzierung (Musik)

Abwandlung der Hauptnoten eines Musikstückes
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Es gibt in der Musik eine Reihe von Verzierungen oder Ornamenten (frz.: agréments). Es handelt sich dabei um Zusätze zum „eigentlichen“ Notentext, meistens in Form spezieller Zeichen. Beim Ausführen der Verzierungen bleibt dem Interpreten ein je nach Epoche verschieden großer Raum zur Improvisation.

Verzierungen sind zu unterscheiden von harmonisch-melodisch motivierten Tonhöhenänderungen wie dem Vorhalt.

Geschichte

Verzierungen dienen in der Musik - wie in anderen Künsten auch - als Schmuck, belebendes Element oder sind ein Spiel mit Formen. Musikalische Verzierungen sind demnach in weiterem Sinne überall und immer dort zu finden, wo musiziert wird. Eine regelrechte Verzierungskultur und Verzierungskunst entwickelte sich jedoch erst seit dem 16./17. Jahrhundert - naturgemäß immer in der Nähe zum Hofe, dem Ort, wo Prunk, Schmuck, pompöse Feste zu Hause waren und zu dessen ständigem Begleiter die Musik gehörte.

So finden sich Verzierungen, von denen es beinahe unübersehbare Mengen verschiedener regionaler Ausprägungen gibt, weniger in geistlichen Werken, als vielmehr etwa in der Kammermusik, in (Solo-)Konzerten, eben jener Musik, die am oder für den Hof gemacht wurde.

Besonders im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung, der Blütezeit der Künste und der geistreichen Konversation, war die Verzierung durchaus ein Aperçu auf musikalischer Ebene. Frankreich als zu jener Zeit kulturell stilprägende Nation wartete mit dem größten und am feinsten ausgearbeiteten Fundus an Verzierungen auf, während im gleichfalls europaweit vorbildgebenden Italien die Verzierungen stark durch Improvisation geprägt waren.

Eine Theorie besagt, dass sich auf dem Cembalo verschiedene Arten von Trillern zusammen mit anderen Spielweisen entwickelten, um den Mangel des rasch verklingenden Tons auszugleichen. Seit Ende des 17. Jahrhunderts werden manche Verzierungen wie zum Beispiel Triller auch als Manieren bezeichnet. Carl Philipp Emanuel Bach widmet diesen in seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen ein umfassendes Kapitel.

Ab der Wiener Klassik wurde die improvisatorische Verzierung des Notentextes durch den Interpreten immer bedeutungsloser, da Komponisten ihre Vorstellungen immer exakter notierten.

Im 20. Jahrhundert sind vor allem aus der afroamerikanischen Musik (Jazz, Spiritual, Gospel, Rhythm 'n' Blues, Blues, Rock) viele neue Varianten und vor allem rhythmische Neuerungen entstanden, die sich bisher kaum in der Notation niedergeschlagen haben.

Arten von Verzierungen

Langer Vorschlag

Ein langer Vorschlag (Appoggiatura) bringt zuerst den Ton der notierten Vorschlagnote, dann den Hauptton, beide verhältnismäßig gleich lang. Der Hauptton fängt um die Dauer des Vorschlags verzögert an.

Notation Ausführung
   

Ein langer Vorschlag hat meistens die Funktion eines Vorhalts.

Kurzer Vorschlag

Ein kurzer Vorschlag (Acciaccatura) wird als kleine, am Hals durchgestrichene Note vor der normal großen Hauptnote notiert. Der Hauptton fängt um die Dauer des Vorschlags verzögert an.

Notation Ausführung
   

Ein mögliches Stilmittel in der Klavierspieltechnik ist, beide Noten gleichzeitig anzuschlagen. Dann muss die Vorschlagnote aber zuerst beendet werden.

Doppelvorschlag

Der Doppelvorschlag besteht in zwei kurzen Vorschlagnoten nacheinander.

Schleifer

Der Schleifer besteht in drei oder mehr kurzen Vorschlagnoten.

Tremolo

Eine weitere Möglichkeit der Verzierung ist die rasche Wiederholung eines Tons (Tremolo).

  • Das Streichertremolo wurde im 17. Jahrhundert entwickelt.
  • Der bei Schlaginstrumenten wie der Pauke übliche Wirbel kann z. B. auch auf Xylophon und Klavier angewendet werden.
  • Bedeutend ist die Tonrepetition auch für die Spielweise der Balalaika.
  • Im Gesang des 17. Jahrhunderts (vor allem in Italien) waren ebenfalls Tonrepetitionen zu Verzierungszwecken üblich.
  • Bei Blasinstrumenten heißen Tonrepititionen auch Flatterzunge, abgekürzt „Flz.“
  • Oft werden Tonrepetitionen in Ermangelung eines eindeutigen Abkürzungszeichens exakt notiert.

Aus harmonischer und melodischer Sicht sind Tonrepetitonen keine Verzierung und entsprechen Haltetönen bzw. dem Orgelpunkt.

Der Triller besteht aus der eigentliche Note und seiner benachbarten Note, die in raschem Wechsel erklingen. Er beginnt vor 1800 auf dem oberen Nebenton, danach auf dem Hauptton.

Notation Ausführung
Datei:Trillnotation.png Datei:Trilexecutionstart.png

Will man ab 1800 einen Triller mit dem Nebenton beginnen muß man einen kurzen Vorschlag hinzufügen. Eine chromatische Veränderung notiert man über dem Trillerzeichen mit den Veränderungszeichen # oder b, sonst an der Vorschlagsnote. Über die Dauer der Hauptnote wird ein mehrfacher schneller Wechsel zwischen Hauptton und oberem Nebenton gespielt. Die Bilder entsprechen dem Gebrauch nach 1800.

Der wohl früheste Beleg, daß ein Triller wahlweise mit der oberen bzw. unteren Nebennote oder mit der Hauptnote begonnen werden kann, findet sich bei Bernard Viguerie: "L'art de toucher le piano-forte" (Paris, ca. 1796):

"Le tremblement ou trille qu'on appelle aussi quoiqu'improprement cadence, est un agrément qui se fait en battant alternativement le son de la note qui porte le signe avec celui de la note supérieure. Le principe anciennement établi etoit de commencer le tremblement par la note supérieure à celle qui portoit le signe; maintenant l'usage est de le commencer, soit par la note supérieure, soit par la note même, soit enfin par la note inférieure; cela dépend du goût de l'éxecutant, amoins que l'auteur, par le moyen d'une ou deux petites notes, n'ait expliqué la manière dont il entend qu'on le commence." (S. 29)

Die Klavierschule von Bernard Viguerie war allerdings außerhallb von Paris kaum bekannt. Der zeitlich nächste Beleg für eine "moderne" Ausführung des Trillers findet sich erst wieder bei Johann Nepomuk Hummel in seiner "Anweisung zum Pianofortespiele" (Wien 1828):

"Man ist hinsichtlich des Trillers bisher beim Alten stehen geblieben, und begann ihn immer mit der obern [sic!] Hülfsnote, was sich wahrscheinlich auf die ersten, für den Gesang entworfenen Grundregeln gründet, die späterhin auch auf Instrumente übergegangen sind. [...] Der Triller fängt also (ist es nicht anders bestimmt vorgeschrieben) mit der Hauptnote an, und endigt sich auch stets mit derselben 1.); soll er von oben oder von unten anfangen, so muss dieses durch ein Zusatznötchen von oben, oder von unten bemerkt werden 2.)." (Zitiert nach der 2. Aufl. Wien 1838, S. 394, §. 3 ff.)

Zu welchem Zeitpunkt sich in der Klaviermusik Hummels "moderne" Auffassung als allgemeingülig durchgesetzt hat, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Zumindest sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich noch beide Ausführungen möglich.

Siehe auch: Vibrato

Shake

Der Shake ist eine vor allem im Bigband-Jazz gebräuchliche Verzierung, die wie ein Triller aus schnell abgewechselten Tönen besteht, diese haben aber einen größeren Intervallabstand. Die Notation ist nicht eindeutig. Es wird wie beim Triller eine Schlange über der Note notiert.

Pralltriller und Mordent

Notation Ausführung
Datei:Upperandlowermode.png Datei:Upperandlowermord.png
  • Pralltriller: kurzer Hauptton, oberer kurzer Nebenton, langer Hauptton
  • Mordent: kurzer Hauptton, unterer kurzer Nebenton, langer Hauptton

Doppelschlag (Gruppetto)

Notiert durch ein auf dem Rücken liegendes, gespiegeltes S über der Note.

Notation Ausführung
Datei:Turnnotation.png Datei:Turnexecution.png
Datei:Doppelschlag.png
Doppelschlag
  • (links:) Längerer Hauptton (vordere Note), kurzer oberer Nebenton, kurzer Hauptton, kurzer unterer Nebenton, längerer Hauptton, hintere Note.
  • (rechts:) Kurzer oberer Nebenton, kurzer Hauptton, kurzer unterer Nebenton, langer Hauptton (im Bild oben wegen des Zusammenhangs kurz, weil eine Viertelnote recht kurz ist).

Vorzeichen werden für den oberen Ton darüber, für den unteren darunter angebracht.

Vorsicht: Der Doppelschlag zwischen den Noten ist mehrdeutig (teilweise bei Abwärtsbewegung sogar umgekehrt). Die Abbildung zeigt fünf Beispiele teils mit Alterationen.

Nachschlag

 
Not. und Ausf. Einfacher Nachschlag
  • Einfacher Nachschlag Not. Eine kleine am Hals durchgestrichene Vorschlagnote wird mit

einem Bindebogen an die vorhergehende Note angebunden. Ausf. Bei der Ausfürung verkürzt sich die vorhergehende Note um die Dauer der Nachschlagnote und entgengesetzt zum Vorschlag fängt die hintere Note auf der Zählzeit an.

  • Doppelter Nachschlag
Datei:Nachschlag.png
Not. und Ausf. Doppelter Nachschlag

Not. Zwei kleine Vorschlagnoten werden mit einem Bindebogen an die vorhergehende Note angebunden. Ausf. Bei der Ausfürung verkürzt sich die vorhergehende Note um die Dauer der beiden Nachschlagnoten und entgengesetzt zum Vorschlag fängt die hintere Note auf der Zählzeit an.

Portamento

Zwischen zwei Tönen eines größeren Intervalls wird eine kurze chromatische Verbindung oder ein kurzes gleitendes Glissando gespielt, die näher am zweiten Zielton liegt. Notiert wird es durch einen verbindenden Strich zwischen den zwei Noten.

Rip

Es wird eine schnelle aufsteigende, oft dramatisch akzentuierte Figur gespielt, nicht zwangsläufig eine chromatische. Es wird einfach ein nach oben führender Bogen hinter die Note gesetzt, nach der der rip anfangen soll.

Drop-off

beim Drop-off wird eine schnell absteigende Figur gespielt. Notation ist ein Bogen nach unten hinter der Note nach der der drop off beginnen soll.

Fall

Der Fall (engl.) ist in Jazz und Popmusik üblich. Statt den Ton anzustimmen, wird seine Anfangshöhe nur angedeutet, um dann sofort in eine unbestimmte Tiefe zu sacken.

Slide

Wie Vorschlagnote, Aber ein noch kürzerer Rutscher von der Vorschlagnote zum Hauptton. Teilweise werden beide gleichzeitig (z.B. mit dem Daumen) angeschlagen und nur die Slide-Note dann losgelassen. Der Effekt besteht eher im Loslassen des Vorschlagtons. Siehe auch Kurzer Vorschlag.

Crushed Note

Eine ganze Tonfolge, oft ein Akkord von unten nach oben, wird vor dem Hauptton abgerollt. Wie beim slide gibt mehr das Loslasssen der Töne den Effekt.

Hammering

ist eine im Pop gebräuchliche Verzierung, im großen und ganzen ein kurzer Vorhalt oder slide in einem Dreiklang, und wurde von der Gitarre auf das Klavier übertragen. Es ist fraglich ob Hammering ein allgemeingültiger Begriff für diese Art der Verzierung ist. Hauptsächlich in Dur gespielt, hört man oft folgende Hammerings, auch in arpeggierter Form:

  • G-Dur Sextakkord: Kurzer Vorschlag von der Sekunde a rauf zur Terz h. Der Tonabstand ist eine große Sekunde.
  • G-Dur Sextakkord: Kurzer Vorschlag von der Sexte e runter zur Quinte d. Der Tonabstand ist eine große Sekunde.
  • G-Dur Sextakkord: Kurzer Vorschlag von der None a runter zur Oktave g. Hier None a und Oktave g nicht Sekunde a und Prim g weil der Akkord in der ersten Umkehrung auftritt. Der Tonabstand ist eine große Sekunde
  • G-Dur Quartsextakkord: Kurzer Vorschlag von der Sekunde a zur Terz h rauf.Der Tonabstand ist eine große Sekunde.
  • G-Dur Quartsextakkord: Kurzer Vorschlag von der Quarte c runter zur Terz h. Der Tonabstand ist eine kleine Sekunde.
  • G-Dur Grundstellung: Kurzer Vorschlag von der Sekunde a zur Terz h rauf.Der Tonabstand ist eine große Sekunde.

Die gewählte Tonart G-Dur ist nur beispielhaft. Auffällig ist das Überwiegen großer Sekunden. Der interessanteste und typischste Klang ist dann auch der Quart-Terzvorschlag mit der kleinen Sekunde. Hammering wird vor allem auch in melodiösem Akkordbrechungsspiel angewendet. So z. B eine I-V-IV-I Akkordfolge in Dur mit entsprechend Sekund-Terz-Vorschlag (I), Sekund-Terz-Vorschlag(V), Sekund-Terz-Vorschlag (IV), alle drei in Grundstellung und None-Oktave-Vorschlag (I-Sextakkord)). Als Arpeggioverbindungen der Akkorde bieten sich beispielsweise Sekundvorschlag als Hammering, dann zwei Achtel Terz, Sekunde und Viertel Grundton des vorhergehenden Akkordes an. Rhythmische Varianten und Abfolgewechsel sind möglich.

Tip: Ausprobieren.Wenn es wie Popsong klingt ist es richtig. Sonst auf der Diskussionsseite nachfragen.

Roll

(so ähnlich wie Crushed Note)

Literatur

  • Riemann Sachlexikon Musik, Schott Verlag
  • Grundlagen der Musik, Hans Renner, Reclam
  • Jazz Improvisation, David Baker, Alfred. Zu alten und neuen Verzierungen und anderen Stilmitteln z. B. silence(!), und für alle Instrumente, auf englisch. (Über Notenversand bestellen)
  • 1000 Tips für Keyboards, Jacky Dreksler, Quirin Härle, Voggenreiter. Zum Hammering und im Pop gebräuchlichen Verzierungen.

Siehe auch