Das Linux Professional Institute (LPI) gilt als weltweit führendes professionelles Zertifizierungsprogramm der Linux-Gemeinschaft. Das LPI entwickelt professionelle Zertifizierungen für das Betriebssystem GNU/Linux, unabhängig von Software- oder Schulungsanbietern (also weitgehend distributionsunabhängig). Bisher wird ein Zertifizierungsprogramm, Linux Professional Institute Certification (kurz LPIC), angeboten, das sich an Systemadministratoren richtet; über weitere Zertifizierungsprogramme, etwa für Anwender oder Entwickler, wird nachgedacht.
Das mehrstufige Prüfungsprogramm des LPI wird weltweit durch Prüfungszentren von Pearson VUE und Prometric angeboten. Bei den Prüfungen handelt es sich um Multiple-Choice-Fragen mit einer oder mehreren richtigen Antworten und um "fit best"-Fragen, bei denen man die richtige Antworten eintippen muss. Man kann seit Mitte 2004 die Prüfungen für den Level 1 in Englisch, Deutsch und Japanisch, die Prüfungen für Level 2 weiterhin nur auf Englisch durchführen. Eine Prüfung zum Level 3 ist in Vorbereitung. Zur Vorbereitung auf die Prüfungen werden keine konkreten Angaben gemacht, sondern nur Prüfungsziele genannt und deren Inhalte kurz zusammengefasst. Es gibt keine Pflichtkurse oder vorgeschriebene Literatur, allerdings zertifiziert das LPI im Sinne einer Qualitätssicherung im Rahmen des "LATM"-Programms (LPI Approved Training Materials) Lernmaterial auf Vollständigkeit und didaktischen Sinn. Damit ist aber keine Empfehlung verbunden. Viele Kandidaten nutzen zur Vorbereitung LATM-Unterlagen oder im Buchhandel erhältliche Bücher, kostenlos oder frei verfügbares Studienmaterial aus dem Internet, und andere nur die klassischen Linux-Howtos und -Manuals. Das LPI hat weltweit seit dem Start im Jahr 2000 mehr als 35.000 Level-1- und Level-2-Zertifizierungsprüfungen ausgeliefert.
LPIC-Zertifikate sind prinzipiell unbegrenzt gültig; allerdings legt das LPI Zertifikatsinhabern "dringend nahe", sich spätestens alle 10 Jahre zu "rezertifizieren" (und unterfüttert das damit, den Status von Zertifikaten, die seit dem 1. September 2004 erworben wurden, 10 Jahre später auf inaktiv zu setzen; früher erworbene Zertifikate gelten in jedem Fall auf Lebenszeit). Ursprünglich sollte gar keine Rezertifizierung verlangt werden; der Sinneswandel des LPI beruhte darauf, dass es eine Akkreditierung bei der National Organization for Competency Assurance (NOCA), einer Qualitätssicherungs-Organisation für Zertifikatsanbieter, erreichen wollte. Zu den Voraussetzungen einer solchen Akkreditierung gehört ein Rezertifizierungs-Mechanismus. - Eine Rezertifizierung erreicht man entweder durch das erneute Ablegen der für das Zertifikat ursprünglich erforderlichen Prüfungen oder durch das Ablegen eines höherwertigen LPIC-Zertifikats, in welchem Fall die 10 Jahre auch für die niedrigeren Zertifikate neu gestartet werden (Über eine spezielle geraffte "Rezertifizierungs-Prüfung" wird beim LPI nachgedacht). In jedem Fall zählen die 10 Jahre ab der ersten Prüfung für das betreffende Zertifikat. Das heißt konkret, jemand, der am 2. September 2004 die Prüfung LPI101 abgelegt hat und am 1. März 2005 LPI102, bekommt ein LPIC-1-Zertifikat, das bis zum 1. September 2014 rezertifiziert werden sollte. Er kann in diesem Zeitraum entweder die LPI101- und -102-Prüfungen neu ablegen oder aber LPIC-2 in Angriff nehmen; besteht er etwa LPI201 am 1. April 2006 und LPI202 am 1 Juni 2006, dann bleiben sowohl sein LPIC-1- als auch sein LPIC-2-Zertifikat bis zum 31. März 2016 aktiv. Nach dem erfolgreichen Erwerb eines Zertifikats muss man mit der Rezertifizierung übrigens mindestens zwei Jahre warten.
Die größten Sponsoren des LPI sind IBM, Bradford Learning, Linux Magazine, Linuxcare, Maxspeed, SGI, SuSE Linux und Turbolinux, Novell, Hewlett-Packard, Linuxjournal und Wave Technologies.
Ablauf der Prüfung
Die Reihenfolge der beiden Prüfungen (x01 und x02, siehe unten) ist beliebig. Die Prüfungen werden an einem PC in einem - entweder von einer Person oder einer Kamera - überwachten Raum vorgenommen. Es gibt eine kleine Anzahl vorgekochter Fragenkataloge, die jeweils aus einem großen Vorrat von Fragen geschickt so ausgewählt wurden, dass gewisse psychometrische Bedingungen erfüllt sind (sie werden auch hin und wieder neu zusammengestellt, um den Veröffentlichern von brain dumps das Leben schwerer zu machen). Als Prüfling bekommt man einen dieser Fragenkataloge vorgelegt, wobei die Fragen auch zufällig durcheinandergewürfelt sein können. Man kann Fragen überspringen und innerhalb der Zeitspanne jederzeit die Antworten korrigieren. Nach dem Ende der Prüfung bekommt man sofort mitgeteilt, ob man die Prüfung bestanden hat.
Alternativ dazu werden auf Messen und anderen Veranstaltungen Prüfungen angeboten, die auf Papier stattfinden. Hier bekommt man einen ausgedruckten Fragenkatalog und einen Antwortbogen, auf dem man die mutmaßlich richtigen Antworten kenntlich macht. Diese Antwortbögen werden vom LPI zentral ausgewertet, und man wird dann normalerweise einige Wochen später über den Erfolg der Prüfung benachrichtigt.
Erst bei Erreichen der Mindestpunktzahl beider Prüfungen bekommt man das Zertifikat (inkl. einer kreditkartengroßen Zertifikats-Karte) aus Brampton, Ontario, Kanada (wo sich der Hauptsitz des LPI befindet) zugeschickt.
Fällt man durch, kann man die Prüfung nach frühestens einer Woche wiederholen (und bekommt dann einen anderen Fragenkatalog vorgelegt). Fällt man zum zweiten Mal durch, muss man vor dem nächsten Versuch mindestens 90 Tage warten. Das gilt auch für alle weiteren Versuche.
Zertifikat LPIC-1 ("Junior Level Administration")
Um dieses Zertifikat zu erhalten, müssen die Prüfungen 101 und 102 bestanden werden, die mittlerweile in diversen Sprachen (auch Deutsch) zur Verfügung stehen. Früher konnte man zwischen zwei Varianten der Prüfung 101 wählen, die entweder Fragen zum Paketmanagement mit rpm (Red Hat, SUSE, Mandriva, ...) oder aber mit dpkg (Debian, Ubuntu, Xandros, ...) enthielten. Seit 2006 ist das aber nicht mehr möglich; es werden beide Bereiche geprüft. Für jede der Prüfungen stehen 90 Minuten Zeit zur Verfügung.
Prüfung 101
Anzahl der Fragen: 60
Mindestpunktzahl: 460
Themen:
- Hardware
- Installation & Paketmanagementsysteme
- Konsolenbefehle
- Dateisysteme, Devices
- X Window System
- Paketmanagement: rpm und dpkg
Prüfung 102
Anzahl der Fragen: 72
Mindestpunktzahl: 490
Themen:
Zertifikat LPIC-2 ("Intermediate Level Administration")
Um dieses Zertifikat zu erhalten, müssen die Prüfungen 201 und 202 bestanden werden. Diese Prüfungen gibt es auf Englisch, Japanisch und seit dem 3. Mai 2006 auch in Deutsch. Man hat für die Prüfungen jeweils 90 Minuten Zeit (120 Minuten, wenn in der Prüfung „Pilotfragen“ vorkommen, die LPI-intern noch keine Punktbewertung haben; solche Fragen zählen für das Prüfungsergebnis nicht mit, sondern werden gestellt, damit man sich ein Bild davon machen kann, wie schwierig sie sind).
Prinzipiell ist es möglich, Prüfungen auf LPIC-2-Niveau abzulegen, bevor man das LPIC-1-Zertifikat erworben hat. Allerdings bekommt man das LPIC-2-Zertifikat selbst erst, wenn man über ein aktives LPIC-1-Zertifikat verfügt.
Prüfung 201
Anzahl der Fragen: ca. 60-70 (90 mit Pilotfragen)
Mindestpunktzahl:
Themen:
- Kernel
- Systemstart
- Dateisystem
- Hardware
- Datei- und Dienstefreigaben
- Systemverwaltung
- Systemanpassung und Automatisierung
- Problemlösungen, Fehlersuche
Prüfung 202
Anzahl der Fragen: ca. 60-70 (90 mit Pilotfragen)
Mindestpunktzahl:
Themen:
- Netzwerkkonfiguration
- Mail & News
- DNS
- Webdienste
- Verwaltung von Netzwerk-Clients
- Systemsicherheit
- Lösen von Netzwerk-Problemen
Zertifikat LPIC-3 ("Senior Level Administration")
Dieses Zertifikat befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Der Status ist auf dieser Seite einzusehen.
Prüfungskosten
Jede Prüfung kostet rund $ 100 (US) bzw. 110 €. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer und ggf. Kosten und/oder Gebühren des Prüfungszentrums. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf ca. 150 €. Auf speziellen Veranstaltungen, wie etwa dem LinuxTag, kann die Prüfung als "Papierprüfung" zu einem erheblich günstigeren Preis abgelegt werden (in der Regel 50 €). Man sollte dabei allerdings etwaige zusätzliche Reise- bzw. Unterbringungskosten in Betracht ziehen genau wie die Tatsache, dass man sich in einem Prüfungszentrum in der Regel wesentlich besser konzentrieren kann als auf einer Großveranstaltung. Auf den Veranstaltungen werden möglicherweise auch nicht alle erhältlichen Prüfungen angeboten bzw. die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Literatur
- Peer Heinlein: LPIC-1. 1. Auflage. Open Source Press, April 2004, ISBN 3-937514-02-3
- Anselm Lingnau, Thomas Erker, Tobias Elsner, Michael Küpper (Linup Front GmbH): LPI-Level 1. mitp-Verlag, März 2004, ISBN 3-8266-1449-6. Leseproben (Das Buch ist in der mitp-Reihe "Trainingsbuch SuSE Linux" erschienen, hat aber nicht speziell mit SUSE zu tun)
- Ross Brunson: Exam Cram 2: LPIC 1, Que, September 2004, ISBN 0789731274 (englisch)
- Jeffrey Dean: LPI Linux Certification in a Nutshell. O'Reilly & Associates, 1. Mai 2001, ISBN 1565927486 (englisch; gegenüber der aktuellen Prüfung veraltet)
- Angie & Jason Nash: LPIC 1 Certification Bible. John Wiley & Sons, 1. Juli 2001, ISBN 0764547720 (englisch; gegenüber der aktuellen Prüfung veraltet)