Ein Arbeiter- und Bauernstaat ist nach marxistisch-leninistischer Auffassung ein Staat, in dem die Arbeiterklasse (im Klassenbündnis mit den werktätigen Bauern) über die zu enteignende Kapitalistenklasse (beziehungsweise über deren Reste nach der Enteignung) herrscht. In diesem Staat wird die Wirtschaft vergesellschaftet und staatlich geplant. Eine oft verwendete Bezeichnung dafür ist auch Arbeiterstaat.
Lenin propagierte in seiner Streitschrift „Staat und Revolution“ aus dem Jahre 1918, dass der Staat „das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze“ ist. Er beruft sich dabei auf Karl Marx: „Nach Marx ist der Staat ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ der Unterdrückung der einen Klasse durch die andere, ist die Errichtung der ‚Ordnung‘, die diese Unterdrückung sanktioniert und festigt, indem sie den Konflikt der Klassen dämpft.“ Der bürgerlich-parlamentaristische Staat ist somit, nach Lenin, der Staat der Kapitalistenklasse. Dieser muss in der Revolution zerschlagen werden und durch einen neuen Staat, den Staat der Arbeiter („das als herrschende Klasse organisierte Proletariat“) ersetzt werden. Der Arbeiterstaat sei jedoch nur eine Übergangsphase, er existiere nur solange, wie er für die „Diktatur des Proletariats“ (Marx) gebraucht würde. Das Hauptziel des Arbeiterstaates bestehe somit darin, die klassenlose Gesellschaft zu erreichen, d.h. den Kommunismus.
Um übermäsige Machtkonzentrationen zu verhindern, sollten zahlreiche Maßnahmen durchgeführt werden:
- Die Reduzierung der Gehälter aller Amtspersonen im Staat auf das Niveau des „Arbeiterlohnes“
- Vereinfachung des Staatsapparats, so dass die „Funktionen jedem Nichtalphabeten zugänglich sind“.
- Völlige und jederzeitige Wählbarkeit und Absetzbarkeit ausnahmslos aller beamteten Personen
- Staatliche Körperschaften sollen vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit sein (Aufhebung der Gewaltenteilung)
Der Arbeiter- und Bauernstaat lehnt den Parlamentarismus ab, stattdessen existiere ein sozialistisches Rätesystem, dass von einer kommunistischen Partei angeführt wird. Der Arbeiterklasse wird in diesem Sozialismus, in dem sie der Produktionsmittel nicht länger beraubt sei, eine führende Rolle im gesellschaftlichem Entwicklungsproeß zugeschrieben. Später im Kommunismus (klassenlose Gesellschaft) existiere schließlich kein Staat mehr, da auch keine Klassen existieren, d.h. der Staat sterbe nach der Theorie ab, wenn er nicht mehr notwendig sei. Dies sei aber nur denkbar, wenn überall auf der Welt die Arbeiterklasse die Macht hätte.
Bereits Karl Marx hatte das Bündnis der Arbeiter und Bauern postuliert. Und aufgrund der historischen Rückständigkeit Russlands, das eher ein Agrarland statt ein entwickeltes Industrieland war, sprach sich Lenin für einen „Klassenpakt“ mit der Bauernschaft aus. Die Selbstbezeichnung Sowjetrusslands und späterer sozialistischer Länder war deswegen Arbeiter- und Bauernstaat; so bezeichnete sich auch die DDR als Arbeiter- und Bauernstaat. Im Artikel 1 der DDR-Verfassung war der sozialistische Staat als „politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ definiert.
Hammer und Sichel ist das Symbol für den leninschen Arbeiter- und Bauernstaat . Es befand sich auf der Staatsflagge der Sowjetunion, war eines der beiden Staatssymbole und wird von vielen kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt verwendet.
Ursprünglich sollte der Arbeiter- und Bauernstaat "demokratisch" sein. Die Erfahrungen vieler Menschen in den „realsozialistischen“ Staaten zeigten ein anderes, problematischeres Bild. Besonders zur Regierungszeit Stalins entwickelte sich der Arbeiterstaat zu einer politischen Unterdrückungsmaschinerie, die keinerlei Opposition zuließ. Unter Stalin wurden nach und nach alle demokratischen Errungenschaften abgebaut.
Kritisiert wurde die Idee vom Arbeiterstaat vor allem von den Anarchisten, die die sofortige Abschaffung jeden Staates nach einer Revolution fordern.
Siehe auch
Sowjet, Diktatur des Proletariats, Soziale Klasse, Produktionsverhältnisse, Zentralverwaltungswirtschaft