Claude Jade

französische Schauspielerin (1948-2006)
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Claude Jade (* 8. Oktober 1948 in Dijon) ist eine französische Schauspielerin.


Leben und Filmkarriere

Die als Claude Marcelle Jorré geborene Tochter des Professorenpaares Marcel Jorré und Marcelle Schneider begeisterte sich früh für die Bühne. Bereits als 15jährige begann sie ihre Ausbildung am Conservatoire d'Art Dramatique in Dijon, wo sie 1964 einen Preis für ihre Agnès in Molières Schule der Frauen erhielt. 1966 trat sie an der Comédie Bourgogne auf und erhielt für ihre Ondine den Prix de comédie. Sie setzte ihre Bühnenausbildung am Pariser Théâtre Edouard VII fort. Neben größeren Rollen in TV-Serien (Rosette in Prunelle, Sylvie in Les oiseaux rares, Liliane in Allô Police) hat sie erste Engagements in Paris bei ihrem Lehrer Jean-Laurent Cochet und kurz darauf bei Sacha Pitoëff.

François Truffaut

Am Théâtre Moderne wird sie in einer Aufführung von Luigi Pirandellos Heinrich IV von François Truffaut entdeckt. Bereits in ihrem Debutfilm Geraubte Küsse spielt sie 1968 die Hauptrolle als Christine Darbon an der Seite von Truffauts alter ego Antoine Doinel alias Jean-Pierre Léaud. Unvergessen die poetische Szene, in der sie zeigt, wie man einen Zwieback bestreicht, ohne ihn zu zerbrechen. In den Fortsetzungen Tisch und Bett (1970) und Liebe auf der Flucht (1979) ist sie die "bessere Hälfte" des Ehepaares Antoine und Christine Doinel. Truffaut gibt Claude Jade in den Fortsetzungen den stärkeren Part des Paares, das sich in seiner Naivität gleicht, in der Form der Liebe jedoch unterscheidet: Die dem bürgerlichen Leben kritisch gegenüber stehende Christine liebt Antoine mit all seinen Macken, während der wiederum vor allem sich selbst liebt. Im autobiographischen Charakter des Zyklus finden sich auch Zitate zur Liebesbeziehung zwischen Truffaut und Claude Jade, die sich zu einer engen Freundschaft bis zum Tod des Regisseurs entwickelte (siehe Antoine-Doinel-Zyklus).

Während der Dreharbeiten zu "Geraubte Küsse" gerät Claude Jade am 12. Februar 1968 an die Spitze der Demonstrationen für den Erhalt der Cinémathèque Française. Sie führt mit Truffaut, Léaud, Michel Simon, Claude Berri und Daniel Cohn-Bendit die ersten Demonstration für Henri Langlois an. Die Ereignisse jener Zeit gipfelten im Pariser Mai 68. Im Juni 68, kurz vor dem Traualtar, trennten sich Truffaut und die sechszehn Jahre jüngere Claude Jade (siehe Autobiographie Baisers envolés).

Imagewandel

Die Truffaut-Filme prägen ihren Typus als liebevoll-sanfte moderne junge Frau im Gegenwartskino, den sie als Manette in der Historienkomödie Mein Onkel Benjamin keck variiert: Sie treibt Partner Jacques Brel mit ihrem Drängen auf Heirat und dem Bestehen auf ihre Jungfräulichkeit zur Verzweiflung, bis sie ihm - ohne Trauschein - in die Verbannung folgt. Diesem Image setzt sie immer wieder ambivalente Figuren entgegen: Die einem Mörder (Gérard Barray) verfallene Cécile im symbolbrächtigen Der Zeuge, die skrupellose Eléonore in der poetischen Dreiecksgeschichte Das Schiff auf der Wiese oder die reizvolle Mörderin Julie in Das böse Vergnügen. In Benoît Lamys Sozialsatire Trautes Heim vollzieht ihre orientierungslose und unsympathische Claire einen Wandel von der gehorsamen Altenpflegerin zur auf Konventionen pfeifenden Kommunardin. Ähnlich ihre Laura, Filmtochter Annie Girardots in Kerzenlicht, die gegen ihre Mutter rebelliert und zum durchgebrannten Vater (Jean Rochefort) hält. Provokationen und Verletzungen bestimmen ihren Charakter und erst nach Verzauberung durch die Liebe (mit Bernard Fresson) hält Laura zur Mutter.

Dennoch sind es vor allem die positiven Heldinnen, in denen sie das Publikum sehen will (Der Abbé und die Liebe, Ein Pauker zum Verlieben). Der Belgier Jacques Faber nutzt diesen Widerspruch für die Doppelrolle Anne/Juliette in seinem Film Le choix (1975): als kreuzbrave Partnerin und als lebenslustige Versuchung. Eine weitere Doppelrolle übernimmt sie 1982 im Kriegsdrama Lise et Laura als von der Gestapo ermordete Lise und deren Dekaden später deren Witwer (Michel Auclair) begegnendem Ebenbild Laura. Zwielichitig ist in späteren Rollen vor allem ihre Alice in René Férets Thriller L'homme qui n'était pas là" (1987).

Claude Jade verkörpert neben mythologischen Figuren ("Sheherazade", "Pallas Athene" und "Helena") wiederholt historische Persönlichkeiten wie Louise de La Vallière (Le château perdu), Lucile Desmoulins (La passion de Camille et Lucile Desmoulins) und Inessa Armand (in Sergej Jutkewitschs Lenin in Paris).

Internationale Karriere

Ihr Debüt in "Geraubte Küsse" begründet früh ihre internationale Karriere: Alfred Hitchcock engagiert sie 1968 für die Rolle der Agententochter Michèle Picard in seinem Agententhriller Topas. Sie verweigert den exclusiven 7-Jahres-Vertrag mit der Universal, um weiterhin in Frankreich arbeiten zu können. Der non-exclusive Vertrag wird nach der Finanzkrise der Universal Studios - wie bei Kolleginnen wie Katharine Ross - annulliert.

Die Französin setzt ihr Talent international in amerikanischen, italienischen, belgischen, deutschen, japanischen (Kita no Misaki) und sowjetischen Filmen (Lenin in Paris, Teheran 43) ein.

Neben Léaud, Brel, Pierre Brasseur, Jean-Pierre Cassel, Robert Hossein, Jacques Perrin, Michel Serrault, Michel Bouquet, Jean Yanne, Pierre Richard u.a. sind ihre internationalen Filmpartner John Forsythe, Frederick Stafford, Gianni Morandi, Juri Kajurow, Go Kato, Duilio del Prete, Curd Jürgens, Armen Dschigarchanjan, Harald Kuhlmann, Barry Stokes und David Marshall Grant.

Fernsehen

Neben dem Kino ist sie vor allem fürs Fernsehen tätig, wo sie als gerissene Serienmörderin Hélène in Monsieur seul überrascht, im Horrorfilm Schach dem Roboter als Penny einem unheimlichen Grafen das Handwerk legt, in La grotte aux loups als Solange eine Mordserie aufklärt und mit großem Erfolg als Véronique d'Hergemont die couragierte Heldin des zum Kult avancierten Sechsteilers Die Insel der 30 Tode ist.

Für das Fernsehen entstehen neben Literaturadaptationen (u.a. Zwischen Tod und Leben) auch Verfilmungen von Theaterstücken (u.a. Ein Sommernachtstraum, Volpone). Claude Jade begibt sich in TV-Rollen u.a. in die Schizophrenie ("Nous ne l'avons pas assez aimée") oder als moderne Heldin in die Abgründe der Mythologie ("Une petite fille dans les tournelos"). Das Fernsehen führt sie auch nach Deutschland, wo sie 1982 die Hauptrolle in Gabi Kubachs Rendezvous in Paris spielt. Von 1998 bis 2000 ist sie als Anna Chantreuil die Heldin der Serie Cap des Pins. Außerdem war Claude Jade in Deutschland in Serien wie Der Hitchhiker, Das große Geheimnis oder Kommissar Moulin zu erleben.

Jahrtausendwende

Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet Claude Jade fast ausschließlich fürs Fernsehen (Neben ihrer zu dieser Zeit wohl populärsten Rolle als Anna in Cap des Pins in Serien wie La tête en l'air, Fleur bleue, Une femme d'honneur, Navarro, Julie Lescaut, La Crim (2004), Groupe Flag (2005). Rare Kinorollen sind seitdem die verständnisvolle Teeniemutter Gabrielle, die vom Gatten betrogen wird (Tableau d'honneur, 1992), die lesbische Caroline, der Michel Serrault in Jean-Pierre Mockys Bonsoir (1994) die Erbschaft rettet, und die schiffrüchige Gouverneursgattin Reine Schmaltz in Das Floß der Medusa (1998). Im neuen Jahrtausend folgen u.a. das Drama Das Findelkind, der Episodenfilm Drogenszenen und Julien Donadas Kurzfilm San Remo. Außerdem widmeten sich zwei TV-Sendungen der Karriere der Schauspielerin, die auch als Jury-Präsidentin und -Mitglied bei Filmfestivals auftritt. Seit Ende der 90er Jahre übernimmt sie neben Rollen bei TV und Theater auch häufig Parts in Hörspielen auf France Culture.

Theater

Am Theater ebenfalls eine feste Größe, spielte Claude Jade kontinuierlich in Paris, Lyon und Nantes in Stücken u.a. von Luigi Pirandello ("Heinrich IV"), Jean Giraudoux ("Intermezzo", "Der trojanische Krieg findet nicht statt"), Sacha Guitry ("Je t'aime"), Honoré de Balzac ("Der Macher"), William Shakespeare ("Ein Sommernachtstraum"), Jacques Deval ("Il y a longtemps que je t'aime"), Ben Johnson ("Volpone"), Jean Racine ("Britannicus"), Vladimir Volkoff ("Das Verhör"), Henry de Montherlant ("Port-Royal"), Marcel Aymé ("Die Mondvögel"), James Joyce ("Die Verbannten"), Michel Vinaver ("Verschwunden ohne ein Wort") und Alfred de Musset ("Lorenzaccio"). So begeistert sie 2006 das Pariser Publikum in der Titelrolle von Jacques Rampals "Célimène und der Kardinal".

Auszeichnungen

Neben Theaterpreisen ("Prix de Comédie") wurde sie 1970 mit dem Révélation de la nuit du Cinéma, 2000 in West Palm Beach mit dem New Wave Award für ihre Rolle in der Filmwelt und 2002 in Puget-Théniers mit dem Prix Réconnaissance du Cinéma ausgezeichnet. Seit 1998 ist Claude Jade Trägerin der Medaille "Ritter der Ehrenlegion"

Literatur

2004 erschien Claude Jades Autobiographie Baisers envolés bei "Éditions Milan" (224 Seiten).

In der zuvor erschienen Truffaut-Biographie von Antoine de Baeque und Serge Toubiana wird die Liebesbeziehung zwischen Regisseur und Schauspielerin beschrieben. Das Buch erschienen im vgs-Verlag.

Claude Jade schrieb Beiträge in weiteren Büchern, so in in Hitchcock von Bruno Villien und in Frenchie goes to Hollywood von Henri Veyrier.

Filmographie (Auswahl)