Die Siebenbürger Sachsen sind eine deutschsprachige Minderheit in Rumänien, im Landesteil Siebenbürgen. Während 1910 bis zu 250.000 Siebenbürger Sachsen in Siebenbürgen (die Statistik der Evangelischen Kirche A.B. schließt immer auch Andersethnische ein) lebten, sind es im Jahr 2004 noch etwa 15.000 Angehörige dieser Minderheit mit weiter fallender Tendenz. Die Mehrzahl ist nach 1945 in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert. Das Durchschnittsalter beträgt etwa 69 Jahre.
Geschichte
1150 kamen die ersten Siedler von der Mosel (keine Sachsen im eigentlichen Sinne), vermutlich im Zuge der deutschen Ostsiedelungen in die Region (auch Hospites Theotonici genannt). Sie trugen wesentlich zur Erschließung und Bevölkerung Siebenbürgens, der transsilvanischen Alpen oder der Ostkarpaten bei.
Geisa II. (Géza II.), der König der Ungarn, hatte Mitte des 12. Jahrhunderts seinen Einflussbereich Richtung Osten (Siebenbürgen) ausgeweitet. Schon sein Vorgänger Stephan hatte deutsche Siedler ins Land geholt. Die deutschen Siedler sollten neben den Széklern, die schon vorher in Siebenbürgen ansässig waren, einen "Grenzverhau" für das ungarische Hinterland bilden, waren doch damals Einfälle der Tataren noch häufig. (Der letzte große Tatarensturm erfolgte 1241.)
Alternativ entwickelte der Hermannstädter Historiker Horst Klusch in seinem 2001 bei Kriterion, Bukarest, erschienenen Buch "Zur Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen" die These, daß die Siebenbürger Sachsen das Fürstentum von Süden besiedelt hätten, nachdem sie als im Donauraum versprengte Reste des I. Kreuzzuges in Siebenbürgen Asyl erhalten hätten: 1096 wurde der "Volkskreuzzug" genannte Kriegszug unter Führung des Peter von Amiens aufgerieben. Klusch begründet seine These nachvollziehbar mit einer Reihe historischer und etymologischer Untersuchungen.
Wegen dieser exponierten Stellung erhielten die Sachsen, wie schon früher die Székler, Sonderrechte: Geisa II. versicherte eine völlige Territorialautonomie, die auch später in dem „Goldenen Freibrief (Andreanum)“ unter Andreas II. erneuert wurden. Neben der freien Nutzung von Gewässern und Wäldern sowie Zollfreiheit waren die Siedler weder dem Adel noch der Kirche untertan.
Durch diese großzügigen Sonderrechte gelockt, kamen viele Familien aus dem Maas-Mosel-Raum, Flandern, Thüringen, Bayern und dem Rheinland, um in Siebenbürgen ein neues Leben zu beginnen. (Die zweite Welle deutschsprachiger Einwanderer setzte im Barock, zu Zeiten der Gegenreformation ein. In Siebenbürgen, das damals den Status eines Fürstentums hatte, war nämlich allen Glaubensfreiheit zugesichert.)
Die Bezeichnung „Siebenbürger Sachsen“ geht wahrscheinlich auf ein sprachliches Missverständnis zurück, denn es war nicht ein Sachse zwischen den Siedlern. Die Siedler nämlich waren „Sassen“, also Ansässige oder „Saxones“ (lat. Siedler) und diese Worte klingen ähnlich der ungarischen Bezeichnung für Sachse (szász, gespr.: ßaaß). (Die deutschsprachige Minderheit in Ungarn wird bis heute als schwäbisch bezeichnet, obwohl die meisten Gruppen aus dem bairischen Dialektgebiet gekommen waren: Die ersten jedoch waren aus dem Gebiet um Ulm eingewandert, waren also Schwaben.)
Gründe für die Einwanderung
Die Lebensbedingungen der Siedler in ihrer Heimat waren schlecht: Der Boden war knapp und deswegen auch die Lebensmittel. In Siebenbürgen war Platz genug. Mit für jene Zeit revolutionären Wirtschaftsweisen (z.B.: Dreifelderwirtschaft) produzierten sie Überschuss an Lebensmitteln, den sie bis nach Westeuropa und Vorderasien verkauften. Des weiteren wurde mit dem Abbau der Bodenschätze begonnen.
Türkeneinfälle
Der Reichtum Siebenbürgens an Bodenschätzen (z.B.: Gold, Silber, Tellurerze, Blei, Kupfer, Zinkerze, Steinsalz, Eisen) lockte die Türken an. Im 15. Jahrhundert gab es etwa fünfzehn Türkeneinfälle mit Brandschatzungen, Menschenraub, Erpressungen, Mord und Verwüstungen ganzer Landstriche.
1437 schlossen sich die Székler, der ungarische Adel und die Sachsen zu einer Dreinationen-Union (Unio trium nationum) zusammen, um gemeinsam gegen die Türken vorzugehen. Mit Hilfe eines organisierten Kundschafterdienstes und koordinierter Militäraktionen errang die Union 1479 den entscheidenden Sieg auf dem Brodfeld. Außerdem wurde ein in Europa einmaliges Netz von befestigten Kirchenburgen und Städten aufgebaut. In Notsituationen fand die Bevölkerung in den Kirchenburgen Platz. Die Kirchenburgen hatten Wehrtürme, mehrere Wehrgeschosse und einen Verteidigungsraum.
Nach einer Ruhepause mit kleineren Einfällen drangen die Osmanen wiederum vor und erreichten Wien im Jahre 1529 (siehe Erste Türkenbelagerung). Nicht zuletzt infolge der Machtkämpfe zwischen Fürst Johann Zápolya und Palatin István Báthory zerfiel Ungarn in drei Teile und wurde 150 Jahre von Türken beherrscht. Siebenbürgen blieb zwar ein selbstständiges Fürstentum, war aber tributpflichtig.
Siebenbürgen im Wandel der Zeiten
Nach dem Sieg des habsburgischen Herrschergeschlecht am Ende des 17. Jahrhunderts gelangte Siebenbürgen unter habsburgische Herrschaft.
Am Ende des 18. Jh. erklärte Kaiser Joseph II. im Zuge seiner „Revolution von oben“ alle im „Goldenen Brief“ fixierten Rechte für null und nichtig. Die ständische Verfassung und die jahrhundertlange Autonomie wurden endgültig aufgehoben. Kurz vor seinem Tod machte er einige seiner Reformen wieder rückgängig. Die Sachsen sanken zu einer ethnischen und konfessionellen Volksgruppe ab.
1848 griff die Wiener Märzrevolution auf Siebenbürgen über. Ein Bürgerkrieg brach aus. Mit russischer Hilfe gelang es Österreich 1849, die ungarischen Revolutionäre zu schlagen und Siebenbürgen zu erobern.
Durch den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich fiel Siebenbürgen 1867 Ungarn zu, worauf die Selbstverwaltung endgültig aufgehoben wurde. Der ungarische Staat traf zahlreiche Maßnahmen zur Magyarisierung der verschiedenen Minderheiten im Staatsgebiet. Von all den deutschsprachigen Minderheiten schafften es die Siebenbürger Sachsen durch einen großen sozialen und kulturellen Zusammenhalt, diesen Bestrebungen am ehesten zu entgehen. Hierzu trugen neben den kirchlichen Institutionen, welche eng mit dem deutschen Schulwesen der Siebenbürger Sachsen verbunden waren, und auch die verschiedenen sozialen Verbände der Sachsen bei (Schwester-, Bruder- und Nachbarschaften).
Siebenbürger Sachsen und Rumänien im 20. Jahrhundert
1918 bis 1944
Am Ende des Ersten Weltkriegs wurde Siebenbürgen, besonders durch das Engagement der dortigen Rumänen, Rumänien zugeordnet. Die Siebenbürger Sachsen und die anderen Deutschen der Region unterstützten dieses Anliegen, da sie sich von einem neuen Großrumänien eine bessere Minderheitengesetzgebung versprachen. Die Siebenbürger Sachsen, welche sich bereits vor 1918 im Verhältnis zu Ungarn und Rumänen in der Minderheit befunden hatten, wurden durch den forcierten Zuzug von Rumänen nach Siebenbürgen noch stärker marginalisiert.
1944 bis 1990
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges stand Großrumänien auf der Seite von Deutschland. Damals wurden auch die Siebenbürger Sachsen besonders in die nationalistische Politik des Reiches eingebunden. Diese besondere Nähe zum Reich bekamen die Sachsen nach dem Umschwenken der Rumänen auf die Seite der Alliierten im Jahre 1944 besonders zu spüren. 1944 flüchteten einige Siebenbürger Sachsen nach Österreich und Deutschland. Viele der in Rumänien verbliebenen wurden in sowjetische Zwangsarbeitslager deportiert. Die Überlebenden wurden dann nach Deutschland gebracht und der Großteil kehrte von dort in die alte Heimat zurück. Die so entstandenen Familienkonstellationen und ebenso die Minderheitenpolitik der neuen kommunistischen Regierung führten zu einer schrittweisen Auswanderung der Siebenbürger Sachsen aus Rumänien. Von ursprünglich 248.000 Personen (1941) sind 91.000 bis 1948 entweder in den Westen ausgewandert oder umgekommen. 1989 zählte man noch 95.000 Sachsen (40% der Population von 1910). Vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1992 emigrierten weitere 75.000 Personen. Auf diese Weise verlor die ethnische Minderheit beinahe ihren Zusammenhalt.
Die Siebenbürger Sachsen und weitere deutschsprachige Gruppen im heutigen Rumänien werden durch das DFDR vertreten (Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien).
Siebenbürger Sachsen als Gemeinschaft
Während sich die Siebenbürger Sachsen im Laufe der Geschichte bis zur Wende im Jahre 1989 als starke Gemeinschaft verstanden, welche sich erfolgreich gegen Assimilation wehrte, wird heute (2003) äußerst kontrovers über das eigene Selbstverständnis diskutiert.
Sprache
Die siebenbürgische Mundart ist wie das im Luxemburg gesprochene "Luxemburgisch" (Letzebuergesch) und das Trierische eine Moselfränkische Mundart.
Die Dialekte werden erfasst und beschrieben im Siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch und im Nordsiebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch
Autoren/Schriftsteller
- Hans Bergel Tanz in Ketten, Wenn die Adler kommen, Gesichter einer Landschaft
- Karin Gündisch Weit, hinter den Wäldern, Im Land der Schokolade und Bananen, Das Paradies liegt in Amerika
- Josef Haltrich Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen
- Georg Maurer
- Adolf Meschendörfer Die Stadt im Osten, Der Büffelbrunnen
- Oskar Pastior
- Oskar Paulini
- Stephan Ludwig Roth
- Eginald Schlattner Der geköpfte Hahn, Rote Handschuhe, Das Klavier im Nebel
- Dieter Schlesak
- Wolf von Aichelburg
Weblinks
- Siebenbürger Sachsen - gestern, heute, morgen. Von einer festen Burg zu einem offenen Club
- Siebenbürger Sachsen: Ein Porträt
- Die Siebenbuerger Sachsen
- Agnethler.de - Infos zu Siebenbürgen: Geschichte, Evangelische Kirche A. B., Wappen, Orte & Persönlichkeiten.
- Herkunft und Zukunft der Siebenbürger Sachsen - von Dr. mult. Harald Zimmermann
- Siebenbürgen Institut - Wissenschaflichliches Institut für Geschichte, Literatur Siebenbürgens
- Siebenbürgen Community - Austauschplattform für Siebenbürger Sachsen und an Rumänien Interessierten
- Karte der sächsischen Siedlungen im 16 Jhd.
- Geschichte der Siebenbürger Sachsen von G.D. Teutsch
- Interview- und Porträt-Portal
- Verein der Siebenbürger Sachsen Böblingen e.V.
- "Kritische Blätter zur Geschichtsforschung und Ideologie" - eine breite Auswahl kritischer Betrachtungen über die NS-Zeit der Rumäniendeutschen
- - "Chronologie der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" 1940-1944" - stellt alle Tätigkeitsbereiche der NS-Volksgruppe dokumentarisch dar
- Eine Ansiedlungstheorie Inklusive ZipDatei zur Theorie von Horst Klusch
- Kochbuch mit alten Rezepten auf http://siebenbuerger-bb.de