Populismus
Populismus (v. lat.: populus = Volk) ist eine Bezeichnung für eine opportunistische (populistische) Politik, die sich vor Allem nach dem Willen der Masse richtet. Der Begriff unterstellt die Ersetzung konkreter Lösungsvorschläge durch Schlagworte, die Emotionen in der Bevölkerung aufgreifen.
Der Duden spricht von einer opportunistischen Politik, welche "die Gunst der Massen zu gewinnen sucht". Im Sprachgebrauch der europäischen Massenmedien schwingt oft der Vorwurf mangelnder Verantwortung und Nachhaltigkeit mit, der seinerseits von Politikern insbesondere in Wahlkämpfen geäußert wird. Kleinere Parteien sind von diesen Vorwürfen häufiger betroffen als Volksparteien, und Rechtsparteien etwas häufiger als Linksparteien.
Im politischen Leben der USA werden dem Begriff Populismus weniger Vorbehalte als in Kontinentaleuropa entgegengebracht.
Politischer Begriff
Als Populist wird ein Politiker bezeichnet, der durch Schlagworte und konkrete (aber vielfach undurchführbar erscheinende) Versprechungen um die Gunst des Wählers buhlt. In Europa wird Populisten oft vorgeworfen, dass es ihnen mehr um Erfolg als um die politische Zukunft des Landes gehe, und somit unterstellt, dass die politischen Maßnahmen und Äußerungen die anstehenden Probleme nicht nachhaltig lösen. In vielen anderen Ländern hingegen, wie den USA, ist der Populismus allgemein anerkannt. Der Vorteil des Populismus liegt darin, dass der Wähler konkretere Wahlmöglichkeiten hat. Die Gefahr dabei ist, dass Menschen, die sich kaum mit Politik beschäftigen, Parteien oder Politiker wählen, die sie nicht wählen würden, wenn sie besser informiert wären.
Populistische Themen sind also solche, zu denen viele Wähler einen direkten Bezug haben, wie Steuern und Abgaben, Kriminalität, der Straßenverkehr oder das Asylrecht und das Ausländerrecht.
Wissenschaftlicher Begriff
Der wissenschaftliche Gebrauch des Begriffs Populismus ist problematisch, da er viele unterschiedliche Phänomene umfasst und nicht klar definierbar ist. Dennoch wird versucht, den Einfluss des Populismus auf die Demokratie zu erforschen.
Links- und Rechtspopulismus
Populismus ist oftmals eine Strategie und kann mit linken und rechten Inhalten gefüllt werden. In jüngerer Zeit wurden vor allem rechtsgerichtete Politiker als Populisten bezeichnet, die z.B. durch Ausfälle gegen Minderheiten bzw. Immigranten oder überzogene Forderungen nach Gesetz und Ordnung auffallen. Häufig appellieren sie an das Sicherheits-Bedürfnis der Bürger, bisweilen auch an ihren Nationalstolz. Aber auch der deutschen Linkspartei wurde in den letzten Jahren zunehmend der Vorwurf des Populismus gemacht, z.B. im Zusammenhang mit Sozialpolitik. Im deutschen Sprachraum werden folgende Politiker relativ oft des (negativ verstandenen) Populismus bezichtigt:
- Deutschland: Ronald Schill (früherer Hamburger Innensenator, rechts) oder Gregor Gysi & Oskar Lafontaine (beide v.a. Ostdeutschland/links)
- Österreich: Jörg Haider (früher FPÖ jetzt BZÖ, siehe auch EU-Sanktionen anno 2000), Heinz-Christian Strache (FPÖ)
- Schweiz: Christoph Blocher (SVP, Bundesrat seit 2003).
- Andere EU-Länder: Jean-Marie Le Pen (Frankreich), Silvio Berlusconi (Italien), José Luis Zapatero (Spanien), Andrzej Lepper (Polen), Viktor Uspaskich und Rolandas Paksas (Litauen).
- Lateinamerika: Hugo Chávez (Präsident Venezuela), Evo Morales (Präsident Bolivien)
Populismus als Strategie
Hier geht es um die Frage, wie Inhalte der Politik weitergegeben und präsentiert werden. Merkmale von Populismus als Strategie sind emotionale Kampagnen, in denen vereinfachende Lösungen auf komplexe Probleme gegeben werden.
Oftmals beinhaltet diese Form des Populismus eine opportunistische Politik, deren Hauptziel es ist, hohe Wähleranteile zu erhalten. Dies kann zu einer profillosen Politik führen. Parteiführer, die öfters als "Populisten" bezeichnet werden, sehen sich freilich auch als jene Politiker, die Tabuthemen berühren oder gewisse Erscheinungen bürgerferner Politik bekämpfen.
Oft wird auch jede politische Forderung polemisch als Populismus bezeichnet, die dem echten oder vermuteten Mehrheitswillen der Bevölkerung entspricht, aber im Widerspruch zu eigenen Zielsetzungen steht, besonders wenn diese unpopulär sind, aber (tatsächlich oder vorgeblich) aus "höherer Einsicht" resultieren. Dies wird von Kritikern als gestörtes Verhältnis zur Demokratie gewertet.
"Populism" in den USA
In den USA gab es während des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert mehrere politische Parteien, die sich selbst als populistisch bezeichneten (Populist Party, People's Party). Diese waren vor allem im ländlichen Süden und Westen erfolgreich.
Ideologisch waren die Populisten vom erweckerischen Protestantismus beeinflusst. Die Populisten sahen im einfachen und ländlichen Leben einen Idealzustand, der durch die fortschreitende Industrialisierung gefährdet sei. Der unverdorbene, ehrliche, religiöse und bescheidene "Common Man" der bäuerlichen Gesellschaft wurde idealisiert, die Stadtbevölkerung (dekadente und korrupte Oberschicht, moralisch verkommene und atheistische Unterschicht) verteufelt.
Die Populisten bekämpften gleichermaßen "Big Business" (die großen Trusts und Banken der Ostküste), "Big Gouvernment" (die Zentralregierung in Washington) und "Big Labor" (die an Einfluss gewinnenden Gewerkschaften).
Zu den Forderungen der Populisten gehörten verbilligte Kredite für kleine Farmer, die umfassende Einführung von Direktwahlämtern, das Alkoholverbot sowie der Stopp (v. a. nicht-protestantischer) Einwanderung.
Medien
Auch manchen Massenmedien wie in den USA dem Fernsehsender Fox News, in England dem Boulevardblatt The Sun, in Deutschland der Bildzeitung oder in Österreich der Kronen Zeitung wird der Vorwurf des Populismus gemacht.
Wirkmechanismen
Populismus bietet einfache Lösungen an, die für den Laien gefühlsmäßig gut klingen, auch wenn der Experte abwinken mag: Häufig werden z.B. harte Strafen für Verbrecher gefordert, selbst wenn kriminologische und psychologische Untersuchungen dem widersprechen. Es wird der Stammtisch bedient, ein holzschnittartiges Bild der Wirklichkeit entworfen, einfache, einprägsame Slogans und Lösungen werden angeboten, um so mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, als es einer bedächtigen, aber eigentlich realistischeren Darstellung von Zwischentönen gelänge.
Literatur
- Frank Decker (Hrsg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv? Wiesbaden 2006
- Susanne Frölich-Steffen/Lars Rensmann (Hrsg.): Populisten an der Macht. Populistische Regierungsparteien in West- und Osteuropa. Wien 2005
- Florian Hartleb: Rechts- und Linkspopulismus - Eine Fallstudie anhand von Schill-Partei und PDS, Wiesbaden 2004, ISBN 3-531-14281-X
- Paul Taggart: Populism. Buckingham, Philadelphia 2000
- Frank Decker: Der neue Rechtspopulismus. Leske + Budrich, Opladen 2004
- Werz, Nikolaus (Hrsg.): Populismus. Populisten in Übersee und Europa. Leske + Budrich, Opladen 2003
Weblinks
- Franz Walter: "Linkspopulismus - Vergreisung als Chance" (Kommentar auf Spiegel online, 31.06.2006)