Zersiedelung

Stadtentwicklung
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Unter Zersiedelung versteht man den Bau von Gebäuden außerhalb geschlossener Ortschaften. Maßgeblich vorangetrieben wurde die Zersiedelung der Landschaft durch landwirtschaftliche Betriebe und Industrie. Das Auto spielt eine wesentliche Rolle bei der Zersiedelung von Städten, die hauptsächlich durch Straßenbau vorangetrieben wurde. Um die Zersiedelung und somit den Landschaftsverbrauch aufzuhalten, werden Bebauungspläne aufgestellt, die die Bebauung nur in bestimmten Gebieten vorsehen.

Zersiedelung ist eine zunehmend unaufhaltsame Entwicklung, die wegen ihrer weitgreifenden Folgen hoch umstritten ist.Der Trend zur Speckgürtelbildung macht sich schon seit Jahrzehnten bemerkbar und beschleunigt sich seit Anfang der 90er Jahre. Die Zersiedelung befindet sich im Begriff, die Stadtbilder Mitteleuropas grundlegend zu verändern.

Zersiedlung ist ein flächenhaftes, teilweise unkontrolliertes Wachstum von Siedlungsbereichen in die Landschaft hinein.Dabei wird das Landschaftsbild, meist negativ, beeinträchtigt. Es ist Aufgabe der Raumordnung, der Zersiedlung entgegen zu wirken

Im Stadtbereich beeinflussen viele Faktoren das Voranschreiten der Zersiedelung. Vorrangig sind dabei der Straßenbau und die Raumordnung. Es bleibt umstritten, inwiefern es sinnvoll oder möglich ist, der Zersiedelung entgegenzuwirken.

Kritiker sind der Meinung, dass Zersiedelung vor allem noch mehr Zersiedelung bewirkt, also einen Teufelskreis darstellt, und deshalb frühzeitig bekämpft werden sollte. Maßnahmen städtischer Behörden wie die Förderung von Industrieparks und Großeinkaufszentren stoßen deshalb oft auf Widerstand. Befürworter sagen jedoch, dass solche Maßnahmen Arbeitsplätze schaffen.

Andere Maßnahmen, die dazu dienen, die Symptome der Zersiedelung einzubremsen, wie z.B. Park and Ride, können diese jedoch noch attraktiver machen und beschleunigen. Umstritten ist auch die in der Verkehrspolitik weitverbreitete Ideologie der Versorgung bestehender Nachfrage, da Straßenbau in vielen Fällen wiederum zu neuer Nachfrage führt. Laut einer Studie des VCÖ kann es ohne einen Stopp des Straßenbaus im Großraum Wien zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel zu einem massiven Wachstum des Autoverkehrs kommen.

Der dezentrale Lebensraum

Der Vormarsch des Autos macht die geographische Trennung von Arbeit und Schlafplatz attraktiver, und bewirkt eine Vergrößerung von Wirtschaftzonen, da sich Unternehmen außerhalb der Stadtgrenze ansiedeln. Die klare Grenze zwischen Stadtzentrum, Vorstadt und unbebautem Land verschwimmt dadurch. Es stehen nach der Erschließung vormals unbrauchbarer Grundstücke gesamtwirtschaftlich mehr Ressourcen zur Verfügung. Die Dezentralisierung bewirkt eine Entspannung überforderter Ressourcen in Stadtzentren.

Der Traum des großen Hauses im Grünen ohne Verlust des städtischen Arbeitsplatzes treibt vor allen Familien in den Speckgürtel. Diese Lebensart erleichtert auch die gleichzeitige Erwerbstätigkeit von zwei Ehepartnern, was sich wiederum auf die Konjunktur positiv auswirkt. Durch die immer längeren Wege in diesen Lebensraum verbringen die Menschen aber auch immer mehr Zeit im Auto, in manchen Gebieten mehr als 20 Stunden pro Woche.

Die Verkehrsproblematik

Obwohl die Themen Umwelt und Lärm als Gegenargument autofreundlicher Stadtplanung nicht mehr so sehr im Vordergrund stehen wie vor einigen Jahren, da Autos umweltschonender und Straßen leiser werden, stößt diese immer noch wegen ihrer Auswirkungen auf den Verkehr auf heftige Kritik. Die Kapazität von Stadtautobahnen liegt weit unterhalb der von öffentlichen Verkehrsmitteln wie U-Bahnen. Solche sind in Zersiedlungsgebieten jedoch meist unrentabel, da diese eine zu niedrige Bevölkerungsdichte aufweisen. Trotz des dezentralen Aufbaus von Ballungsräumen sind Verkehrsengpässe an bestimmten Knotenpunkten unvermeidbar. Stau ist eine fast immer vorhersehbare Begleiterscheinung voranschreitender Zersiedelung. In manchen Ballungsräumen wie Südostengland hat sich die Lage bereits derart verschärft, dass Staus zu jeder Tageszeit anzutreffen sind.

Die Sozialproblematik

Eine der umstrittensten Folgen der Zersiedelung ist deren negative Auswirkung auf das soziale Gefüge und auf die Lebensqualität. Da Zonen mit niedriger Bevölkerungsdichte und Trabantenstädte oft nicht im Stande sind, ein breites Angebot an Dienstleistungen bereitzustellen, und da viele öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, Schwimmbäder oder Parks oft nicht vorhanden sind, sehen sich die Einwohner gezwungen, für die meisten Tätigkeiten lange Wege zurückzulegen, meist mit den PKW. Es kommt zur Ausgrenzung von Einwohnern, die dazu nicht instande sind. Betroffen sind vor allem Minderjährige, Behinderte, Ältere oder sozial schwache Personen. Die Lage wird oft dadurch verschärft, dass die Straße, die um urbanen Lebensraum auch als eine Art Plattform öffentlichen Zusammenlebens fungiert, im Zersiedelungsgebiet zur reinen Transportader verkommt und eher als zusätzliche Barriere wirkt. Die hohe Abhängigkeit vom PKW kann auch die Gesundheit gefährden, da Betroffene zu Bewegungsmangel neigen. Kaufkraftabfluss von städtischen Hauptstraßen in einige wenige Rieseneinkaufszentren kann auch zu einer Verödung des Stadtbildes und Verlust an Vielfalt führen. Städtische Gebiete, die vormals aus einer Mischung sozialer Schichten bestanden, erleben durch die Abwanderung reicherer Einwohner in den Speckgürtel eine zunehmende Ghettoisierung was soziale Unruhen bewirkt. Das Gegenteil, also die Bildung von Vorstadtghettos, wie besonders in Frankreich zu beobachten, kann auch eine Folge sein.

Eine Sonderform dieser Entwicklung hin zur Ghettoisierung ist die zunehmende Anzahl von sogenannten geschlossenen Wohnanlagen (z.B. Country Clubs) insbesondere in den USA und in Entwicklungsländern, in Ansätzen aber auch bereits in Europa. Diese "Privatviertel" werden in vielen Fällen in landschaftlich attraktiven Gebieten gebaut, haben durch ihre großen Grundstücke einen extrem hohen Landschaftsverbrauch und fördern die Segregation nach sozialen Schichten. Daher sind sie nicht unumstritten.