Atomkern

positiv geladener innerer Teil eines Atoms
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Der Atomkern bildet den Kern des Atoms.

Stark vereinfachende Darstellung eines Helium-Atoms: Zwei Elektronen umkreisen einen Atomkern aus zwei Protonen und zwei Neutronen.

Kenntnisse über die Eigenschaften von Atomkernen sind zum Verständnis beispielsweise der Radioaktivität, der Kernspaltung (Kernkraftwerk, Kernreaktor, Atombombe) und der Kernfusion (Kernfusionsreaktor, Wasserstoffbombe) notwendig.

Von dem lateinischen Wort für Kern (nucleus) leitet sich der Begriff nuklear ab. Er bezeichnet Dinge oder Wirkungen, die mit Eigenschaften oder mit Reaktionen von Atomkernen zusammenhängen, beispielsweise nukleare Strahlung, nuklearer Reaktor, nuklearer Abfall, nukleare Bombe, nukleare Granate, Nuklearmedizin. Eine Atomkernsorte heißt zur Unterscheidung von einem einzelnen Kern Nuklid.

Aufbau des Atomkerns

Bestandteile

Der Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen, die zusammen auch Nukleonen genannt werden. Er befindet sich, anschaulich gesprochen, im Zentrum des Atoms und ist etwa 100.000-mal kleiner als die Elektronenhülle, konzentriert aber in sich mehr als 99,9 % der Masse des gesamten Atoms. Die Gesamtzahl der Nukleonen im Kern heißt deshalb auch Massenzahl.

Datei:Atom schematisch.jpg
Schematische Darstellung des Atoms. Nicht maßstäblich.

Mit steigender Massenzahl nimmt allgemein die Dichte des Materials zu. Beispielsweise "wiegt" Lithium (Massenzahl 6 und 7) 0,53 g/ml, Gold (Massenzahl 197) dagegen 19,3 g/ml. Sogenannte schwere Atomkerne gehören also zu auch umgangssprachlich/technisch schweren Elementen.

Neutronen besitzen keine elektrische Ladung. Protonen sind jedoch positiv geladen. Infolgedessen ist der Atomkern elektrisch positiv geladen und kann über die Coulombkraft negativ geladene Elektronen an sich binden. Da die elektrische Ladung des Elektrons bis auf das Vorzeichen gleich der Ladung des Protons ist, muss ein nach außen hin elektrisch neutrales Atom ebenso viele Elektronen in der so genannten Elektronenhülle besitzen, wie Protonen im Kern. Atome mit einer unterschiedlichen Anzahl von Protonen und Elektronen sind nach außen hin elektrisch geladen und werden Ionen genannt.

Eine Atomkernsorte (Nuklid) ist durch bestimmte Zahlen von Protonen und Neutronen bestimmt. Die Zahl der Protonen heißt Ordnungszahl oder Kernladungszahl. Sie bestimmt, zu welchem Element das Atom gehört. Nuklide gleicher Ordnungszahl werden als Isotope bezeichnet. Die Zahl der Neutronen hat nur geringeren Einfluss auf die chemischen Eigenschaften des Atoms, ist aber für die Stabilität oder Instabilität (Radioaktivität) des Kerns entscheidend. Nuklide mit gleich vielen Protonen und Neutronen, aber unterschiedlichem innerem Anregungszustand werden Isomere genannt. Bezeichnet werden Nuklide mit dem chemischen Elementsymbol und der Massenzahl, wie z.B. das häufigste Kohlenstoffisotop C-12 oder das häufigste Eisenisotop Fe-56 (bei Isomeren noch mit einem Zusatz wie "i"). Noch vollständiger ist die Schreibweise mit Massenzahl und Ordnungszahl, 126C oder 5626Fe.

Kernkraft und Coulombkraft

Die positiv geladenen Protonen im Kern stoßen sich gegenseitig aufgrund der Coulombkraft ab. Da der Kern jedoch trotzdem nicht auseinander fliegt, muss im Kern eine weitere Kraft existieren, durch die sich die Nukleonen gegenseitig anziehen und die stärker ist als die Coulombkraft. Diese Kraft wird als Starke Wechselwirkung oder Kernkraft bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem umgangssprachlichen Ausdruck "Kernkraft" für Kernenergie!). Die Kernkraft ist sehr kompliziert und bis heute nur näherungsweise beschrieben. Ihre Aufklärung ist unter anderem Gegenstand der Kernphysik. Gesichert ist allerdings die sehr kurze Reichweite der Kernkraft, die von der Größenordnung des Nukleon-Durchmessers (etwa 1 fm = 10 -15 m) ist. Sie bewirkt, dass es keine beliebig großen Kerne gibt, denn ein Proton an der "Oberfläche" eines großen Kerns spürt Anziehung nur von seinen nächsten Nachbar-Nukleonen, Coulomb-Abstoßung hingegen von allen anderen Protonen des Kerns. Sind genügend viele andere Protonen vorhanden, überwiegt daher schließlich die Abstoßung.

Bindungsenergie

Die Bindungsenergie ist anschaulich die Arbeit, die aufgewandt werden müsste, um den Kern in seine einzelnen Nukleonen zu zerlegen. Die Bindungsenergie pro Nukleon - also Bindungsenergie geteilt durch Massenzahl - ist in verschiedenen Kernen verschieden. Kerne mit geringerer Bindungsenergie wandeln sich durch radioaktiven „Zerfall“ in fester gebundene Kerne um; nur etwa 270 der insgesamt bekannten über 1000 Nuklide sind stabil.

 
Darstellung der Kernspaltung auf einer Gedenkmünze

Auf Unterschieden der Bindungsenergie pro Nukleon beruht auch der Energiegewinn oder -verlust bei Kernreaktionen, also insbesondere die Möglichkeit, Energie im technischen Maßstab aus Kernreaktionen zu gewinnen.

Alpha-Zerfall, Spontanspaltung

Wegen des oben genannten Reichweitenunterschieds der Kräfte verringert sich die Bindungsenergie pro Nukleon zu hohen Massenzahlen hin. Daher tritt bei manchen Nukliden mit Massenzahlen oberhalb etwa 140 Alpha-Zerfall auf, oberhalb etwa 230 auch Spontane Spaltung. Beide Zerfallsarten führen zu Nukliden mit geringeren Massenzahlen.

Beta-Zerfall

Die Bindungsenergie pro Nukleon hängt auch ab vom Zahlenverhältnis der Neutronen zu den Protonen. Leichte Kerne sind am stabilsten bei etwa gleichen Anzahlen der beiden Nukleonenarten, schwere dagegen etwa bei Neutronenzahl/Protonenzahl = 1,5. Weicht das Verhältnis zu weit vom Optimum ab, wandelt sich der Kern durch Beta-Zerfall in einen fester gebundenen Kern gleicher Massenzahl um.

Kernmodelle

Im Vergleich zur Atomphysik mit dem quantenmechanischen Atommodell, wo lediglich die elektromagnetische Wechselwirkung eine Rolle spielt, existiert in der Kernphysik kein Modell zur umfassenden Beschreibung aller Vorgänge im Atomkern. So gibt es verschiedene Modelle für unterschiedliche Fragestellungen. Ähnlich dem Schalenmodell in der Atomphysik gibt es auch in der Kernphysik ein Schalenmodell, das es erlaubt, die Energiezustände eines einzelnen Nukleons trotz fehlendem Zentralpotenzial in einem mittleren Potenzial zu berechnen. Die meisten angeregten Zustände eines Atomkerns können jedoch nur durch die kollektive Anregung mehrerer Nukleonen erklärt werden. Für die Beschreibung solcher Zustände kann man das kollektive Modell heranziehen. Die Eigenschaften von großen Atomkernen werden durch ein vibrierendes Tröpfchenmodell beschrieben.

Neben diesen beiden gängigen Modellen gibt es weitere (das folgende orientiert sich stark an Flügge 1957):

  • das Fermigas-Modell (auch uniformes Modell). In diesem Modell werden die Nukleonen trotz der starken Wechselwirkungen als frei beweglich postuliert. Der Kern hat in diesem Modell unendliche Ausdehnung, womit die Wellenfunktionen der einzelnen Nukleonen flache Wellen sind;
  • das optische Modell (auch complex potential well model oder cloudy crystal ball model) erlaubt die quantenmechanische Betrachtung von Kernreaktionen, indem der Kern als lichtbrechendes Medium vorgestellt wird;
  • das Alphateilchen-Modell. Alphateilchen sind stabile Untereinheiten innerhalb des Kerns;
  • das vereinte Modell (mit dem kollektiven Modell als Spielart).
  • das potential well model;
  • das compound nucleus model.

Modelle des Atomkerns fallen in zwei Kategorien:

  • starke Wechselwirkungsmodelle: der Atomkern wird als Ansammlung von eng gepaarten Nukleonen verstanden (Tröpfchenmodell, Alphateilchen-Modell und partiell auch das optische Modell, compound well model);
  • unabhängige Teilchenmodelle: die Nukleonen bewegen sich relativ frei im Kern (Fermigas-Modell, optisches Modell, Schalenmodell, potential well model).

Zwischen den einzelnen Modellen lassen sich folgende Beziehungen aufstellen:

  1. Das Schalenmodell ist eine Verfeinerung des Fermigas-Modells;
  2. Das Fermigas-Modell und das Tröpfchenmodell basieren auf diametral entgegengesetzten Annahmen, erklären jedoch beide nukleare Eigenschaften wie die Bindungsenergien;
  3. Das optische Modell ist ein Hybrid zwischen potential well und compound nucleus model;
  4. Schalenmodell und vereintes Modell sind äquivalent.

Jedes der genannten Modelle ist nur für einen bestimmten nuklearen Phänomenbereich anwendbar. Es gibt keine konsistente Theorie, die alle nuklearen Phänomene umfasst.

Literatur

  • T. Mayer-Kuckuck, Kernphysik, Verlag: B.G. Teubner Stuttgart, 1994, 6. durchgesehene Auflage, ISBN 3-519-03223-6
  • B. Povh, K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche, Teilchen und Kerne, Springer-Verlag Heidelberg, 1994, 2. neu bearbeitete und erweiterete Auflage, ISBN 3-540-58172-3
  • S. Flügge (Hersg.), Handbuch der Physik, Band XXXIX: Bau der Atomkerne, Göttingen: Springer-Verlag, 1957.

Siehe auch

Videos

[1] aus der Fernseh-Sendereihe alpha-Centauri (ca. 15 Minuten). Erstmals ausgestrahlt am  .