Unter der ersten Republik versteht man in der Geschichte Portugals den Zeitraum von 1910 (Fall der portugisischen Monarchie) bis 1926 (Militärputsch des Generals Gomes da Costa). Dieser Artikel ist Teil des Hauptartikels zur Geschichte Portugals in dem die Geschichte des Landes bis zum Fall der Monarchie beschrieben ist. Die Geschichte des Landes nach dem Militärputsch findet sich in dem Artikel über den Estado Novo.
Vorgeschichte: Die Agonie der Monarchie
1861 war mit König Peter V. der letzte im Volk wirklich beliebte König jung und unerwartet an einer Fieberepidemie gestorben. Seinen beiden Nachfolger Ludwig I. und Karl I. gelang es nicht, die Sympathien ihrer Untertanen für sich zu gewinnen.
1873 wird im benachbarten Spanien nach der Abdankung von Amadeus von Savoyen die Republik ausgerufen. Diese Enwicklungen hatten natürlich auch ihre Auswirkungen auf Portugal, die Anhänger der Republik fühlten sich gestärkt und gründeten 1876 die erste Republikanische Partei. Die konservative Regierung von António Maria de Fontes Pereira de Melo von der Regenerationspartei nahm das neue politische Phänomen zu Anfang nicht richtig ernst, ja unterstützte z.T. sogar die Kandidaturen republikanischer Kandidaten, da sie hoffte, so ihre Hauptgegner von der Progressiven Partei zu schwächen.
Eine Reihe von Krisen (so z.B. eine außenpolitische Krise mit England wegen sich widersprechender Kolonialansprüche im südlichen Afrika, die deutlich die Schwäche des portugiesischen Staates demonstrierte) und wirtschaftliche Probleme (Staatsbankrott 1891) führen zu einem Anwachsen republikanischer Strömungen, die innerhalb kurzer Zeit zum Massenphänomen wurden. 1881 erschien die Zeitung O Século ("das Jahrhundert") zum ersten Mal, die Republikaner verfügten damit auch über ein publizistisches Sprachrohr.
Die Reaktion der Regierung und der Monarchen schwankte zwischen hilflosen Entgegenkommen und autoritärer Härte. 1888 wird mit Teófilo Braga, dem späteren ersten Präsidenten, zum ersten Mal ein republikanischer Abgeordneter in die Cortes, das portugiesische Parlament gewählt. Auch wenn das Wahlsystem die Republikaner stark benachteiligte, u.a. da das Wahlrecht an einen gewissen Mindestbesitz gebunden war, und deshalb überhaupt nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung wahlberechtigt war (ähnlich dem Dreiklassenwahlrecht in Preussen), gelang es den Republikanern seitdem ständig durch einige Abgeordnete im Parlament vertreten zu sein.
Die innenpolitische Krise spitzt sich zu, als die Regierung von João Franco (1906 - 1908) nach einer anfängliche konzilianten Haltung gegenüber dem Republikanern, zunehmend autoritärer wurde und sie durch Pressenzensur und Verhaftungen zu verfolgen begann. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als am 1. Februar 1908 König Karl und sein Thronfolger Ludwig Philipp in Lissabon einem Attentat zum Opfer fallen. Der neue König Emanuel II. versucht es wieder mit einer liberaleren Politik, viele der antirepublikanischen Maßnahmen des João Franco werden wieder zurückgenommen. Es war jedoch zu wenig, zu spät.
Neben ihrer eigenen Stärke half den Republikanern auch die Schwäche der Monarchisten. Diese waren untereinander heillos zerstritten, was den Republikanern natürlich in die Hände spielte. Neben den traditionellen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden großen Parteien der Monarchie, der Regenerationspartei und der Progressiven Partei, kamen noch Streitigkeiten innerhalb der politischen Lager. Beide Parteien teilten sich in der Endphase der Monarchie in verschiedene sich feindlich gegenüber stehende Strömungen, ein Teil der Mitglieder der Progressiven Partei wanderte sogar in das Lager der Republikaner ab.
Der Übergang von der Monarchie zur Republik, die provisorische Regierung unter Teófilo Braga
1909 Jahr setzten sich auf dem Parteikongreß der Republikanischen Partei die radikalen Kräfte durch, die bewaffnete Revolution war nun das offizielle Ziel der Partei. Am 3. Oktober 1910 wird Miguel Bombarda, ein Psychiater und Vordenker der republikanischen Bewegung, von einem psychisch kranken ehemaligen Patienten ermordet. Auch wenn die Tat anscheinend keinen politischen Hintergrund hatte, führt sie zu Aufständen in Lissabon und anderen großen Städten des Landes.
Zwei Tage später wird eine provisorische Regierung unter Führung des Republikaners Teófilo Braga gebildet, am 6. Oktober 1910 in Porto die Republik ausgerufen.
Braga war überzeugter Republikaner und bereits ein bedeutender Schriftsteller, Intellektueller und Literaturwissenschaftler. Mit seiner Berufung an die Spitze der Provisorischen Regierung hatte man gehofft, eine überparteiliche Regierung bilden zu können.
Die neue Regierung ist strikt antiklerikal, sämtliche Jesuitenkloster werden aufgelöst, die Gefängnisse in Lissabon füllen sie mit katholischen Priestern und Ordensbrüdern. König Emanuel II. verläßt das Land und erreicht am 17. Oktober 1910 sein Exil in England. Der Religionsunterricht wird verboten, ebenso alle religiösen Bezüge bei Staatsakten, die Adelstitel werden aufgehoben. Der apostolische Nuntius verläßt unter Protest Lissabon. Das Tragen religiöser Habits in der Öffentlichkeit wird verboten, die Zivilehe und die Ehescheidung eingeführt.
Nach Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung 1911, bei denen das Wahlrecht zum ersten Mal auf alle erwachsenen männlichen Portugiesen ausgedehnt wurde und die von der Republikanischen Partei mit großer Mehrheit gewonnen werden, wird eine neue Verfassung verabschiedet. Die Monarchie wird nun auch offiziell beendet, ein Zweikammerparlament wird gegründet. Die Verfassung sah keine direkte Wahl des Präsidenten durch das Volk vor, der Präsident sollte vielmehr vom Parlament gewählt werden. Er hatte auch nicht die Befugnis, das Parlament aufzulösen. Mit der Verabschiedung der Verfassung endet die provisorische Regierung Teófilo Bragas, Manuel de Arriaga wird erster verfassungsmäßiger Präsident der Republik.
Die Präsidentschaft Manuel de Arriagas, Putsch und Diktatur der Schwerter
João Chagas wird erster Ministerpräsident. Seine Regierung hält allerdings nur drei Monate, bereits im Dezember 1911 übernimmt die zweite republikanische Regierung unter Augusto de Vasconcelos die Macht. Ebenfalls bereits 1911 erlebt das Land den ersten monarchistischen Aufstand, der allerdings niedergeschlagen werden kann. In Porto und Lissabon werden Universitäten gegründet, das jahrhundertealte Monopol der Universität von Coimbra ist damit gebrochen.
Mit dem “Gesetz der Teilung” wird die Trennung von Staat und Kirche festgeschrieben. Das Gesetz versuchte allerdings auch, die katholische Kirche der Aufsicht des Staates zu unterstellen und führte so automatisch in den Gegensatz mit dem Vatikan. In einer eigenen Enzyklika „lamdudum in Portugal“ (24. Mai 1911) verdammt der Vatikan das neue Gesetz. Später werden auch die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen. Die Kirchenfrage sollte die ganze Politik der frühen Republik bestimmen.
Streiks wurden legalisiert, eine Streikwelle erschütterte das Land und entfremdete so das Bürgertum der neuen Republik. Afonso Costa, der den radikalen Flügel der Republikanischen Partei anführt, gelingt es, sich auf dem Parteitag vom Oktober 1911 durchzusetzen. Die Republikanische Partei nennt sich in Demokratische Partei (PD) um und wird fortan von Afonso Costa geführt. Besonders der harte Antiklerikalismus Costas ruft auch innerhalb der Partei viel Kritik hervor. Im Februar 1912 verläßt António José de Almeida, der mit der neuen Richtung der Partei nicht einverstanden ist, zusammen mit einigen gemäßigten Anhängern die Demokratische Partei und gründet die Evolutionisten (PRE). Zwei Tage später verläßt auch Brito Camacho die Demokraten und gründet die Unionistische Partei. Damit hatte sich die alte Republikanische Partei in drei Strömungen gespalten. Die Demokraten standen für den linken, radikalen Teil des Parteienspektrums, die Unionisten markierten das Zentrum, die Evolutionisten die gemäßigten Konservativen.
Wahlbetrug war an der Tagesordnung. Da das Parlament nicht aufgelöst werden konnte, wechselten sich instabile Regierungen in rascher Folge ab. Zwischen 1910 und 1926 hatte die Republik 45 Regierungen.
Im Oktober 1912 kommt es zum zweiten monarchistischen Aufstand. Die beiden verfeindeten Linien des Königshauses, die Anhänger des Hauses Braganza (Legitimisten), die einem Abkömmling des nach dem Miguelistenkrieg ins Exil gezwungenen König Michael die Treue halten, und die Anhänger des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha (Konstitutionalisten), die dem abgesetzten König Emanuel II. unterstützten, verbünden sich im englischen Exil gegen die Republik (Vertrag von Dover). 1913 kommt die Demokratische Partei unter Afonso Costa an die Macht, die auch die Wahlen gegen Ende des Jahres gewinnt. In Lissabon verüben Monarchisten eine Reihe von Bombenattentaten. Im Juni 1913 erschüttert eine Streikwelle das Land, die Zentralen einer Reihe von Gewerkschaften werden durch die Regierung geschlossen. Im Dezember 1914 übernimmt Azevedo Coutinho ebenfalls von den Demokraten nach seinem Wahlsieg den Posten des Ministerpräsidenten.
Das Klima zwischen den politischen Parteien war zu diesem Zeitpunkt bereits vergiftet. Zusätzlich geschwächt wurde die Regierung noch durch die sehr kontrovers geführte Diskussion, ob Portugal auf Seiten der Entente in den ersten Weltkrieg eintreten sollte. Präsident de Arriaga versucht vergeblich zwischen den einzelnen Fraktionen zu vermitteln und sieht schließlich keine andere Möglichkeit mehr, als General Joaquim Pimenta de Castro zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Dieser löst im ersten Militärputsch gegen die neue Republik am 25. Januar 1915 das Parlament auf (Diktatur der Schwerter – Ditadura das Espadas). Von radikalen Demokraten wird er binnen vier Monaten gestürzt. José Ribeira de Castro wird neuer Ministerpräsident. Durch den Sturz der Militärregierung wird auch Präsident d’Arriaga mitgerissen, er muß zurücktreten, Teófilo Braga wird erneut Übergangspräsident bis eine neue Präsidentenwahl abgehalten werden kann. Diese findet am 5. Oktober 1915 statt, zum neuen Präsidenten wird Bernardino Machado gewählt.
Die erste Präsidentschaft Machados, Eintritt in den ersten Weltkrieg
Nach dem Sieg der Demokratischen Partei bei den Wahlen von des Juni 1915 wird Afonso Costa Ende November erneut Ministerpräsident. Er befiehlt im Februar 1916 alle deutschen Handelsschiffe in portugiesischen Gewässern zu beschlagnahmen, daraufhin erklärte das Deutsche Reich dem Land am 9. März 1916 den Krieg, Portugal trat damit offiziell in den ersten Weltkrieg ein. Durch den Krieg gezwungen, bildet sich eine Koalitionsregierung, die sog. "Regierung der geheiligten Einheit" (governo da sagrada união), in der alle Flügel der ehemaligen Republikanischen Partei vertreten sind. Ministerpräsident wird der Evolutionist José de Almeida, Afonso Costa wird Finanzminister. Zwar weigert sich Brito Camacho in die Regierung einzutreten, seine Unionisten spalten sich aber und ein Teil, geführt von Egas Moniz, unterstützt die neue Regierung. Anfang 1917 werden die ersten portugiesischen Soldaten an die Westfront geschickt.
Demonstrationen der Bauern gegen die Regierung führten im Mai 1917 zu zwei Toten in Porto, am 12. Juni 1917 wird der Ausnahmezustand ausgerufen. In diese Zeit fallen auch die Marienerscheinungen von Fátima und die republikanisch zentristische Partei wird gegründet.
Die Soldaten an der Westfront machen mit einem Pamphlet, „der Rolle der Unehre“ (Rol de deshonra) auf sich aufmerksam, in dem den demokratischen Politikern Versagen vorgeworfen wird. Am 5. Dezember 1917 kommt es schließlich zu einer Militärrevolte in Lissabon. Hauptmann Sidónio Pais stürzt die Regierung und übernimmt mit einer Militärjunta die Macht. Afonso Costa wird auf der Flucht verhaftet, das Parlament aufgelöst, Präsident Machado muß ins französische Exil gehen.