Mit dem Begriff der neurobiologische Schizophreniekonzepte werden Ideen und Theorien beschrieben, die sich mit den vornehmlich von Naturwissenschaftlern erstellten Beschreibungen und Klassifizierungen der Schizophrenie als Krankheit beschäftigen.
Einleitung
Die Frage der Ätiologie und Pathogenese der Schizophrenie ist in der modernen medizinischen Forschung ein mit großem Aufwand betriebenes Gebiet. Es wurden Ursachenforschungen in vielen Bereichen durchgeführt. Die hier vorzustellenden betreffen in erster Linie die Genetik, die Neurochemie und Neuropharmakologie, die morphologischen Befunde und die sonstigen organischen Faktoren. Die psychosozialen Faktoren der Schizophrenie-Entstehung werden in einem eigenen Artikel behandelt.[1]
Genetik
Historische Aspekte
Die Tradition der modernen genetischen Forschung im Bereich der Schizophrenie geht auf den umstrittenen deutschen Genetiker Ernst Rüdin [2] [3] zurück. Rüdin war lange Jahre Leiter der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (kurz DFA), der Vorläuferorganisation des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München. Die DFA wurde 1917 auf Initiative von Emil Kraepelin gegründet und 1924 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft angegliedert. Rüdin war ab 1918 Leiter der Genealogisch-Demographischen Abteilung der DFA und ab 1931 geschäftsführender Direktor der gesamten DFA. Er ist durch seine einflussreiche Mitarbeit an dem so genannten Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von ärztlicher Seite hauptverantwortlich für die Zwangssterilisation von mehreren hunderttausend Menschen in der Zeit des Dritten Reiches. Die argumentative Grundlage für diese Gesetzgebung und ihre kriminelle Praxis waren unter anderem die von Rüdin und anderen angestellten emprischen Untersuchungen über die Vererblichkeit seelischer Erkrankungen. Rüdin gilt hier als ein zu dieser Zeit international anerkannter Pionier [4].
Familienstudien
Die grundlegendsten Aussagen zur Genetik der Schizophrenie betreffen die familiäre Häufung der Erkrankung. Zwar treten 80% der Schizophrenien sporadisch auf, das Erkrankungsrisiko ist jedoch bei Verwandten schizophren Erkrankter deutlich erhöht. Bei einem Lebenszeitriskio von ca 1% für die Durchschnittsbevölkerung beträgt das Risiko eines Geschwisters eines Schizophrenen ca 10%, das eines zweieiigen Zwillingsgeschwisters ca. 14% und das eines eineiigen Zwillingsgeschwisters ca. 46%. Diese Daten zeigen von Studie zu Studie teilweise große Unterschiede, die vermutlich im wesentlichen auf das Studiendesign zurück gehen. Alle Arbeiten zur Frage der familiären Häufung der Schizophrenie zeigen aber einen Trend zu einem deutlich erhöhten Risiko in Abhängigkeit zum Verwandschaftsgrad. Der Vererbungsmodus der Schizophrenie ist unklar. Ob ein Unterschied zwischen der familiären gegenüber der sporadischen Form der Schizophrenie besteht ist nicht gesichert.[5]
Humangenetik der Schizophrenie
Zur Frage der molekularen Genetik der Schizophrenie wurden zahlreiche Studien durchgeführt. Die genetischen Studien beruhen im wesentlichen auf zwei Ansätzen: Koppelungsstudien und Assoziationsstudien. Das Prinzip der Kopplung beruht darauf, das ein "Krankheitsgen" mit einem "Markergen" gekoppelt ist. Das heißt einfach, das die entsprechenden Gene auf einem Chromosom eng benachbart sind. Kopplungsanalysen lassen sich sinnvoll bei Erkrankungen mit Mendelschem Erbgang einsetzen. Bei Assoziationsstudien sucht man nach beliebigen Sequenzvarianten, die mit einem Merkmal gemeinsam vererbt werden. Diese Art von genetischen Studien wird bei Untersuchungen bevorzugt, bei denen man prüfen will, ob ein vermutetes Kandidatengen mit einer Erkrankung im Zusammenhang steht. Eine genetische Assoziation zu einer Erkrankung kann aber auch zu einem nicht-codierenden Genabschnitt bestehen. Assoziationsstudien haben eine geringere Aussagekraft als Koppelungsstudien. Zur Übersicht:[6] [7][8]
Bislang gibt es keine Studie, die definitiv einen genetischen Marker, gleich welcher Art, für die Schizophrenie identifizieren konnte. Es gibt allerdings einige "vielversprechende" Genregionen:
- als "heißer" Kandidat galt die Region 1.4 im Chromosom 1, die aufgrund einer partiellen Trisomie 5 bei einer Familie mit zwei schizophren Erkrankten festgestellt wurde.[9]
- bei einer Reihe von Familien mit schizophren Erkrankten fand sich eine partielle Translokation des Chromosoms 11 in der Nähe der Genregion, bei der sich Gene für den D2-Rezeptor, Tyrosinkinase und NCAM fanden.
- es gibt eine fragliche Assoziation eines Polymorphismus des 5-HT-2A-Rezeptors mit einem bevorzugten Ansprechen auf Clozapin.
- Aufgrund von Häufungen von Veränderungn auf Geschlechtschromosomen wurde die rekombinierende pseudoautosomale Region der Geschlechtschromosomen untersucht, ohne das definitive Ergebnisse gefunden wurden.[10]
Neuere Befunde betreffen die Chromosomen 6, 8, 13 und 22. Marker auf dem Chromosom 18p betreffen möglicherweise schizophrene und affektive Psychosen.[11] [12]
Neurochemie und Neuropharmakologie
Aus Plausibilitätsgründen werden für die psychopathologischen Phänomene ähnliche neuronale Korrelate angenommen wie für die normalen psychischen Funktionen. Allerdings ist aufgrund der Vielfalt der Symptome der Schizophrenie nicht davon auszugehen, das es ein spezifisches neurochemisches Störungsmuster gibt. Seit der Entdeckung der Neuroleptika konzentriert sich ein großer Bereich der wissenschaftlichen Ursachenforschung zur Schizophrenie auf die Frage, welche Bedeutung das dopaminerge System im Gehirn des Menschen für die Entstehung der Schizophrenie hat. In den letzten Jahren werden zunehmend auch andere Transmittersysteme untersucht. Dies hat unter anderem seine Ursache in der Entdeckung der so genannten atypischen Neuroleptika.
Dopamin
Das Wirkprinzip der klassischen Neuroleptika ist die Blockade der Dopaminrezeptoren im Gehirn. Dadurch kommt es zu einer verminderten Aktivität der durch das dopaminerge System versorgten Nervenzellverbände.
Anatomie der dopaminergen Systeme
Es gibt im menschlichen Gehirn vier dopaminerge Systeme:
- das nigro-striatale System,
- das tubero-infundibuläre System
- das meso-limbische System
- das meso-frontokortikale und meso-hippokampale System
Das nigro-striatale System ist eine Verbindung dopaminerger Neuronen aus dem Hirnstamm zu den Basalganglien. Störungen des nigro-striatalen Systems führen bei der Parkinsonerkrankung zu Bewegungsstörungen. Bei der Einnahme von Neurolpetik kommt es zu ähnlichen Symptomen.
Das tubero-infundibuläre System besteht aus dopaminergen Neuronen, die die Prolaktinsekretion regeln. Die Einnahme von Neuroleptika führt nicht selten zu einer Erhöhung des Prolaktins im Serum und entsprechender Nebenwirkungen.
Das meso-limbische System ist für die Regulation von Affekten verantwortlich.
Die meso-frontokortikalen und meso-hippokampalen Systeme werden für Prozesse im Bereich von Kognition und Gedächtnis verantwortlich gemacht.
Die Rezeptorfamilien
Es gibt zwei verschiedene Dopaminrezeptorenfamilien, die mit den Abkürzungen D1 und D2 bezeichnet werden. Die D1-Familie enthält die zwei Subtypen D1 und D5. Die D2-Familie enthält die drei Subtypen D2, D3 und D4. Für die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika sind hauptsächlich die D2-Rezeptoren verantwortlich.
Die Dopaminhypothese der Schizophrenie
Carlson und Snyder postulierten vor über zwanzig Jahren die Hypothese, das psychotische Symptome durch einen Überschuss an Dopamin verursacht werden[13]. Eine Blockade der Dopaminrezeptoren wird dann wie im Falle der Neuroleptika psychotische Symptome mildern. Die Dopaminhypothese kennt zwei Haupt-Probleme:
- schizophrene Minussymptome werden durch eine Dopaminblockade verstärkt. Aus diesem Grund postulierte Tim Crow die Existenz zweier verschiedener Schizophrenieformen (Typ I und Typ II)[14].
- Die klinische Wirkung der Neuroleptika setzt nicht so schnell ein, wie die pharmakologische Wirkung.
Nach Verabreichung einer ausreichenden Dosis eines Neuroleptikums sind spätestens nach zwei Stunden alle Dopaminrezeptoren besetzt. Die antipsychotische Wirkung setzt aber häufig erst ein, wenn ein Neuroleptikum über Tage oder gar Wochen eingenommen wird. Deshalb vermutet man als antipsychotischen Wirkmechanismus nicht die Rezeptorblockade selbst sondern den verzögert einsetzenden Depolarisationsblock.[15]
Amphetamin und Dopamin
Die Einnahme von Amphetamin wirkt euphorisierend. Nimmt man Amphetamine länger ein, können psychotische Symptome auftreten. Amphetamin bewirkt eine Freisetzung von Dopamin hemmt die Inaktivierung desselben. Amphetaminpsychosen sprechen sehr schnell auf die Gabe von Neuroleptika an. Diese Beobachtungen stützen die Dopaminhypothese.
Dopamin und Dopaminrezeptoren
- Messungen der Dopaminkonzentrationen bei schizophren Erkrankten Menschen ergaben sehr widersprüchliche Ergebnisse. Vermutlich trägt der Dopaminüberschuß, der eine Schizophrenie verursacht nicht wesentlich zu den messbaren Konzentrationen bei.
Dopaminmetabolite
- Der Dopaminmetabolit Homovanillinsäure kann im Liquor gemessen werden. Seine Konzentration korreliert mit der Einnahme von Neuroleptika.
- Bei schizophrenen Patienten wurde in post-mortem-Studien eine Erhöhung der D2-Rezeptoren im Gehirn gefunden. Diese hat nach heute übereinstimmender Meinung ihre Ursache in der Einnahme von Neuroleptika bei den betreffenden Personen.
Zahlreiche Studien befassten sich mit dem Nachweis von an D2-Rezeptoren gebundenen radioktiv markierten Neuroleptika bei Patienten und Probanden. Die Ergebnisse dieser Studien lassen folgende Schlussfolgerungen zu: bei den üblichen Dosierungen typischer Neuroleptika werden 70-80% der Rezeptoren blockiert. Es gibt dabei keine Unterschiede zwischen Respondern und Non-Respondern. Klassische Neuroleptika blockieren dabei auch D1-Rezeptoren, atypische unter anderem auch Serotonin-Rezeptoren.
Glutamat
Seit über 15 Jahren wird auch eine Glutamat-Hypothese der Schizophrenie diskutiert. Ein starkes Argument für diese Hypothese ist die Existenz eines analogen Phänomens zur Amphetaminpsychose, der Glutamatpsychose durch Phencyclidin (PCP). Die psychoseauslösende Wirkung des Phencyclidins ist seit langem bekannt. Vor allem das PCP-Derivat Ketamin, das in der Tiermedizin und früher auch in der Kinderheilkunde für Narkosen eingesetzt wurde, kann akute Psychosen auslösen. PCP kann bei gesunden Probanden nicht nur Positiv- sondern auch Negativ-Symptome auslösen. Die PCP-Psychose gilt daher als ideales Modell für die Schizophrenie.
Zur Neuroanatomie der glutamergen Neurone ist zu bemerken, das es sich beim Glutamat um den wichtigsten Neurotransmitter der cortikalen Neurone handelt. Es sind bislang acht glutamerge Rezeptoren identifiziert worden. Sie teilen sich in zwei Gruppen: drei ionotrope und fünf metabotrope Rezeptoren. Von allen Glutamat-Rezeptoren ist der NMDA-Rezeptor der psychiatrisch interessanteste. Er ist auch am intensivsten untersucht. Zur Übersicht vergleiche: [16].
Serotonin
Die Bedeutung des Serotonins als Transmitter für die Entstehung der Schizophrenie ergibt sich ähnlich wie bei den Transmittern Dopamin und Glutamat aus der Beobachtung, das bestimmte Drogen, in diesem Fall LSD und Meskalin, Psychosen auslösen können und dabei an den Serotonin-2A-Rezeptor binden. Dabei ist bemerkenswert, das Schizophrene Patienten die LSD-Psychosen nicht so erleben, wie ihre autochtonen Symptome. Dies schränkt den Wert der LSD-Psychose als Modellpsychose für die Schizophrenieforschung ein. Osmond und Symythies stellten 1952 die Transmethylierungshypothese der Schizophrenie auf.[17] Diese besagt, das körpereigene Substanzen in psychose-auslösende Stoffe, ähnlich dem LSD umgebaut würden. Diese Hypothese gilt als nicht belegt.
Morphologische Befunde
Nichtfunktionelle Bildgebung
- Pneumencephalographie
Bereits in den 50er Jahren wurden von Gerd Huber sogenannte pneumenzephalographische Untersuchungen bei Patienten mit Schizophrenie durchgeführt. Dabei entdeckte Huber die Ventrikelasymetrie bei Schizophrenen.
- Computertomographie und Kernspintomtographie
Seit der Erfindung der Computertomographie und der ersten CT-Studie bei schizophrenen Patienten durch Johnstone 1976 wurden über 200 CT/MRT-Studien bei diesen Patienten durchgeführt. Diese Untersuchungen haben bewiesen, das Menschen mit einer Schizophrenie links betont erweiterte Seitenventrikel haben. Die Untersuchungsbefunde deuten darauf hin, das es keine Untergruppe von Patienten mit einer Ventrikelerweiterung gibt. Es gibt zudem keine eindeutige Korrelation der Ventrikelweite zu irgendeinem spezifischen Symptom. Zudem ist dieses Phänomen nicht schizophrenie-spezifisch, es findet sich auch bei Patienten mit affektiven Störungen. Die Ventrikelerweiterung scheint genetisch determiniert zu sein. Zumindest findet sich bei den Patienten keinerlei Korrelation zu irgendeinem untersuchten weiteren Phänomen (Alter, Geschlecht, Behandlung, Soziale Gruppe etc.). Allerdings finden sich die Ventrikelerweiterungen auch bei den nahen Verwandten der Patienten. Bislang gibt es noch keine Ergebnisse von prospektiven Studien zur Frage des Erkrankungsrisikos bei Ventrikelerweiterung. Die Ursache des Phänomens liegt vermutlich in einer Verringerung der Anzahl der Zellen, die den Ventrikelräumen benachbart sind. Teilweise geht die Ventrikelerweiterung auf das Konto von Volumenminderungen im Bereich des Hippokampus.
Funktionelle Bildgebung
- PET- und SPECT-Untersuchengen
Der bekannteste Befund aus Untersuchungen mittels funktioneller Bildgebung ist das 1971 entdeckte Phänomen der Hypofrontalität bei schizophrenen Patienten. Franzen et al. beobachteten in ihrer Pionier-Studie eine Minderung der frontalen Hirndurchblutung. Die frontale Minderperfusion beträgt bei allen seither durchgeführten Studien 1-8%. Das Phänomen ist schon sehr bald mit der Vermutung verknüpft worden, das bei Schizophrenen der frontale Cortex eine dopaminerge Minderaktivierung zeigt. Es ist dann nahe liegend anzunehmen, das eine Art Gegenregulationsbemühung der frontalen Neurone zu einer dopaminergen Übersteuerung führt. Der durch die Hypofrontalität verursachte relative Dopaminüberschuß im limbischen System und in anderen cortikalen Regionen könnte dann zu den psychotischen Symptomen der Schizophrenie führen.
- fMRT- und MRS-Studien
Auch mithilfe der funktionellen Kernspintomographie wurde die Minderaktivierung des dorsolateralen präfrontalen Kortex bestätigt [18]. Besonders eindrucksvoll war der Nachweis, das Patienten, die Stimmen hören eine Aktiverung im primären akustischen Cortex zeigen [19]. Mithilfe der Kernspinspektroskopie wurde ebenfalls ein verminderter Energieumsatz im Frontalhirn von schizophrenen Patienten gefunden. Hierzu kam die Phosphor31-MRS zum Einsatz. Mithilfe der Wasserstoff-Spektroskopie kann man die neuronenspezifischen Substanzen NAA und den Marker für degenerative Prozesse Cholin nachweisen. Bei schizophrenen Patienten konnte übereinstimmend im Hippokampus eine Reduktion des NAA gefunden werden, bei unveränderten Werten für Cholin. Das bedeutet, das die Minderaktivierung des Hippokampus bei Menschen mit einer Schizophrenie nicht auf degenerative Prozesse zurück zuführen ist.
Neuropathologische Befunde
- Limbisches System
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, das es bei Menschen mit einer Schizophrenie im Bereich des Hippokampus und der Amygdala Volumenminderungen bis zu 15% gibt. Volumenminderungen im Bereich des Thalamus sind beobachtet worden, die Befunde sind aber nicht so signifikant. Veränderungen sind auch im Breich des Gyrus cinguli beschrieben worden.
- Area entorhinalis
Die Area entorhinalis ist bei schizophrenen Patienten intensiv untersucht worden und die Befunde sind sehr umstritten. Einzelne Arbeitsgruppen haben die Befunde sehr gut dokumentiert, andere konnten sie nicht reproduzieren. Im Einzelnen handelt es sich um die Beobachtung von abnorm und rotiert gelagerten Neuronen. Das Hauptproblem dieser Untersuchungen ist die geringe Fallzahl: insgesamt wurden bislang bei kaum mehr als zwei Dutzend Patienten post-mortem Studien zu diesem Zweck durchgeführt.
- Migrationsstörungen
Ähnliche Veränderungen wie in der Area entorhinalis wurden teilweise auch im Hippocampus gefunden. Man vermutet, das die Ursache dieser rotiert gelagerten Neurone Migrationsstörungen sind. Da man solche Veränderungen auch bei schizophrenen Opfern der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki fand, wurden Studien mit der Fragestellung durchgeführt, ob Menschen mit einer Schizophrenie gehäuft Mutationen im Bereich der DNA-Reperatursysteme haben. Diese Studien haben kein positives Ergebnis erbracht. Zu der Annahme einer genetisch bedingten oder früh erworbenen Migrationsstörung passen allerdings Beobachtungen, das später schizophren Erkrankte als Kinder überdurchschnittlich häufig neurologische Defizite zeigen (motorische Ungeschicklichkeit oder atavistische Reflexe wie das Fingerspreizphänomen).
Sonstige organische Faktoren
Geburtskomplikationen
Mednick und Schulsinger haben Anfang der 60er Jahre behauptet, das Geburtskomplikationen ein Risikofaktor für Schizophrenie sei. Die bislang angestellten Untersuchungen ergaben aber, das das Erkrankungsrisiko durch Geburtskomplikationen um maximal 1% steigt. Gelegentlich wurde die Vermutung geäußert, das umgekehrt die genetische Disposition zur Schizophrenie mit Reifungsstörungen einhergeht und dann sekundär möglicherweise zu Geburtskomplikationenen führt.
Infektions- und Immunhypothesen
Die Infektions- und Immunhypothesen gehen auf Wagner-Jauregg zurück. Dieser erhielt den Nobelpreis für Medizin für seine Malaria-Experimente (Impfmalaria) bei psychotischen Patienten mit einer Lues. Es gibt keine soliden Daten, die diese Hypothesen belegen. Weder sind bei schizophrenen Patienten im Rahmen von postmortalen Untersuchungen Hinweise für das Vorliegen einer entzündlichen Erkrankung des ZNS gefunden worden, noch gibt es konsistente Ergebnisse bei Untersuchungen auf spezifische Antikörper gegen neurotrope Viren oder fremder DNA. Natürlich schließen die negativen Befunde nicht aus, dasd Infektionen mit Erregern vorliegen, die sich ins Genom integrieren, oder die sich nur intrazellulär vermehren (Borrellien). Es gibt allerdings epidemiologische Daten, die für die Infektionhypothese sprechen: Retrospektiv fand man, das das Erkranken der Mutter eines späteren Patienten an einer Virus-Grippe während Grippeepidemien zu der Zeit des zweiten Trimenon das Risiko des Ungeborenen später an einer Schizophrenie zu erkranken erhöhen. Auch gibt es ein Überwiegen der Wintergeburten von schizophrenen Patienten auf der Nordhalbkugel, was mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko der Mutter in der Zeit des zweiten Trimenon für Virusinfektionen einhergeht.
Zusammenfassung
Fasst man diese Befunde zusammen, ergibt sich aus neurobiologischer Sicht ein überraschend einheitliches Bild. Die Schizophrenie hat eine genetische Komponente, wobei allerdings völlig unklar ist, wie diese genetische Komponente aussieht. Die Rezeptor/Transmitter-Studien legen nahe, das nicht eines sondern mehrere funktionelle Systeme bei der Entstehung der Schizophrenie beteiligt sind. Die morphologischen Untersuchungen zur Schizophrenie zeigen, das es eine degenerative Komponente der Erkrankung gibt. Funktionelle Untersuchungen geben deutliche Hinweise darauf, das die psychotischen Symptome mit Fehlfunktionen der konventionellen funktionellen Systeme des Gehirns zusammenhängen (auditorischer Cortex und Stimmenhören). Bei der Schizophrenie spielen Umweltfaktoren sicher eine Rolle, aber Infektionen scheinen nicht dazu zu gehören. Die Vorstellung, das bei der Schizophrenie zwei Krankheitsprozesse eine Rolle spielen, ist naheliegend: degenerative Prozess sind möglicherweise die Ursache für die Negativsymptome und die Hypofrontalität könnte für die Positivsymptomatik verantwortlich sein.
Wiki-Links
Quellen
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