Lineare Algebra

Teilgebiet der Mathematik
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Die Lineare Algebra (auch Vektoralgebra) ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit Vektorräumen und linearen Abbildungen zwischen diesen beschäftigt. Dies schließt insbesondere auch die Betrachtung von linearen Gleichungssystemen und Matrizen mit ein.

Vektorräume und deren lineare Abbildungen sind ein wichtiges Hilfsmittel in vielen Bereichen der Mathematik. Außerhalb der reinen Mathematik finden sich Anwendungen u. a. in den Naturwissenschaften und in der Wirtschaftswissenschaft (z. B. in der Optimierung).

Die lineare Algebra entstand aus zwei konkreten Anforderungen heraus: einerseits dem Lösen von linearen Gleichungssystemen, andererseits der rechnerischen Beschreibung geometrischer Objekte, der so genannten analytischen Geometrie (daher bezeichnen manche Autoren Lineare Algebra als Lineare Geometrie).

Geschichte

Die Geschichte der modernen linearen Algebra reicht zurück bis in die Jahre 1843 und 1844. 1843 erdachte William Rowan Hamilton (von dem der Begriff Vektor stammt) mit den Quaternionen eine Erweiterung der komplexen Zahlen. 1844 veröffentlichte Hermann Grassmann sein Buch Die lineale Ausdehnungslehre. Arthur Cayley führte dann 1857 mit den 2×2-Matrizen eine der grundlegendsten algebraischen Ideen ein.

Lineare Gleichungssysteme

Als lineare Gleichungssysteme bezeichnet man eine Zusammenfassung von Gleichungen der Art

 
 

Derartige Gleichungssysteme erhält man aus vielen alltäglichen Fragestellungen, beispielsweise:

In welchem Verhältnis muss man eine 30%-ige Lösung und eine 60%-ige Lösung mischen, um eine 40%-ige Lösung zu erhalten?

Der wesentliche Abstraktionsschritt der linearen Algebra besteht nun darin, die linken Seiten als eine Funktion   der Unbekannten   aufzufassen:

 

Dann wird die Lösung des Gleichungssystems zu der Aufgabe: Finde ein  , so dass

 

gilt. Das Übereinanderschreiben ist dabei lediglich ein Formalismus, um mit mehr als einer Zahl gleichzeitig umgehen zu können.

Statt   schreibt man auch einfach die relevanten Zahlen in Form eines Rechtecks auf und nennt das Objekt eine Matrix:

 .

Man stellt fest, dass die Funktion   spezielle Eigenschaften hat, sie ist eine lineare Abbildung. Ist   eine Lösung für das Gleichungssystem  , und   eine Lösung des Gleichungssystems  , so ist

 

eine Lösung von  . Man kann das auch in der Form   schreiben. Ist weiter   irgendeine reelle Zahl, so ist  ; dabei ist

 .

Siehe auch: Lineares Gleichungssystem

Analytische Geometrie

Der andere Ursprung der linearen Algebra findet sich in der rechnerischen Beschreibung des 2- und 3-dimensionalen (euklidischen) Raumes, auch „Anschauungsraum“ genannt. Mit Hilfe eines Koordinatensystemes können Punkte im Raum durch Tripel   von Zahlen beschrieben werden. Der Abbildungtyp der Verschiebung führt zum Begriff des Vektors, der Richtung und Betrag der Verschiebung angibt. Viele physikalische Größen, beispielsweise Kräfte, haben stets diesen Richtungsaspekt.

Da man auch Vektoren durch Zahlentripel   beschreiben kann, verschwimmt die Trennung zwischen Vektoren und Punkten: einem Punkt   entspricht sein Ortsvektor, der vom Koordinatenursprung nach   zeigt.

Viele der in der klassischen Geometrie betrachteten Abbildungstypen, beispielsweise Drehungen um Achsen durch den Ursprung oder Spiegelungen an Ebenen durch den Ursprung, gehören zur Klasse der linearen Abbildungen, die schon oben erwähnt wurde.

Siehe auch: Analytische Geometrie

Vektorräume und lineare Algebra

Der Begriff des Vektorraumes entsteht als Abstraktion der obigen Beispiele: Ein Vektorraum ist eine Menge, deren Elemente Vektoren genannt werden, zusammen mit

Diese Addition und die Skalarmultiplikation müssen noch einige einfache Eigenschaften erfüllen, die auch für die Vektoren im Anschauungsraum gelten.

Man könnte sagen, dass Vektorräume gerade so definiert sind, dass man von linearen Abbildungen zwischen ihnen sprechen kann.

In einer weiteren Verallgemeinerung kann man die reellen Zahlen durch andere Körper ersetzen.

Siehe auch: Vektorraum

Verwandte Begriffe

In gewisser Weise ist der Begriff des Vektorraums bereits zu allgemein. Man kann jedem Vektorraum eine Dimension zuordnen, beispielsweise hat die Ebene Dimension 2 und der Raum Dimension 3. Es gibt aber Vektorräume, deren Dimension nicht endlich ist, und viele der bekannten Eigenschaften gehen verloren. Es hat sich aber als sehr erfolgreich erwiesen, unendlichdimensionale Vektorräume mit einer zusätzlichen topologischen Struktur auszustatten; die Untersuchung topologischer Vektorräume ist Gegenstand der Funktionalanalysis.

Der Rest dieses Artikels beschäftigt sich mit dem Fall endlicher Dimensionen.

Vektoren und Matrizen

Vektoren können durch ihre Komponenten beschrieben werden, die (je nach Anwendung) als (hier 3-dimensionaler) Spaltenvektor

 

oder (hier 4-dimensionaler) Zeilenvektor

 

geschrieben werden.

In der Literatur werden Vektoren unterschiedlich von anderen Größen unterschieden: Es werden Kleinbuchstaben, fettgedruckte Kleinbuchstaben, unterstrichene Kleinbuchstaben oder Kleinbuchstaben mit einem Pfeil darüber benutzt. Dieser Artikel verwendet Kleinbuchstaben.

Eine Matrix wird durch ein 'Raster' von Zahlen angegeben. Hier ist eine Matrix mit 4 Zeilen und 3 Spalten:

 

Matrizen werden meistens mit Großbuchstaben bezeichnet.

Einzelne Elemente eines Vektors werden bei Spaltenvektoren in der Regel durch einen Index angegeben: Das 2. Element des oben angegebenen Vektors a wäre dann a2=7. In Zeilenvektoren wird manchmal eine Hochzahl verwendet, wobei man aufpassen muss, ob eine Vektorindizierung oder ein Exponent vorliegt: Mit dem obigen Beispiel b hat man etwa b4=7.

Matrixelemente werden durch zwei Indizes angegeben. Dabei werden die Elemente durch Kleinbuchstaben dargestellt: m2,3=2 ist das Element in der 3. Spalte der 2. Zeile.

Der verallgemeinerte Begriff dieser Gebilde ist Tensor, Skalare sind Tensoren 0. Stufe, Vektoren Tensoren 1. Stufe, Matrizen Tensoren 2. Stufe. Ein Tensor n. Stufe kann durch einen n-dimensionalen Zahlen-Würfel repräsentiert werden.

Matrizen spezieller Form

In der linearen Algebra ist es oft erforderlich, Matrizen mittels elementarer Zeilenumformungen oder Basiswechsel auf eine spezielle Form zu bringen. Wichtig sind dabei folgende Formen:

Endomorphismen und quadratische Matrizen

Bei der Darstellung einer linearen Abbildung – wie unter Matrix beschrieben – gibt es den Sonderfall einer linearen Abbildung   eines endlich-dimensionalen Vektorraums auf sich selbst (eines sog. Endomorphismus). Man kann dann dieselbe Basis   für Urbild- und Bildkoordinaten verwenden und erhält eine quadratische Matrix  , so dass die Anwendung der linearen Abbildung der Linksmultiplikation mit   entspricht. Die zweimalige Hintereinanderausführung dieser Abbildung entspricht dann der Multiplikation mit   usw., und man kann alle polynomialen Ausdrücke mit   (Summen von Vielfachen von Potenzen von  ) als lineare Abbildungen des Vektorraums auffassen.

Invertierbarkeit

Analog zur Rechenregel   bei Zahlen ist die nullte Potenz einer quadratischen Matrix die Diagonalmatrix   mit lauter Einsen auf der Diagonalen, sie entspricht der Identitätsabbildung jedes Vektors auf sich selbst. Negative Potenzen einer quadratischen Matrix   lassen sich nur berechnen, wenn die durch   gegebene lineare Abbildung invertierbar ist, also keine zwei unterschiedlichen Vektoren   und   auf denselben Vektor   abbildet. Anders ausgedrückt, muss für eine invertierbare Matrix   aus   stets   folgen, das lineare Gleichungssystem   darf also nur die Lösung   haben. Zu einer invertierbaren Matrix   existiert eine inverse Matrix   mit  .

Determinanten

Eine Determinante ist eine spezielle Funktion, die einer quadratischen Matrix eine Zahl zuordnet. Diese Zahl gibt Auskunft über einige Eigenschaften der Matrix. Beispielsweise läßt sich an ihr erkennen, ob eine Matrix invertierbar ist. Eine weitere wichtige Anwendung ist die Berechnung des charakteristischen Polynoms und damit der Eigenwerte der Matrix.

Es gibt geschlossene Formeln zur Berechnung der Determinanten, wie den Laplace’schen Entwicklungssatz oder die Leibniz-Formel. Diese Formeln sind jedoch eher von theoretischem Wert, da ihr Aufwand bei größeren Matrizen stark ansteigt. In der Praxis kann man Determinanten am leichtesten berechnen, indem man die Matrix mit Hilfe des Gauß-Algorithmus in obere oder untere Dreiecksform bringt, die Determinante ist dann einfach das Produkt der Hauptdiagonalelemente.

Berechnung von Potenzen mittels Diagonalisierung

Motivation: Die Fibonacci-Folge   ist definiert durch die rekursive Formel  ,   und  , was gleichbedeutend ist mit

 

und

 ,

also mit der nicht rekursiven Formel

 ,

in der die  -te Potenz einer Matrix   vorkommt.

Das Verhalten einer solchen Matrix bei Potenzierung ist nicht leicht zu erkennen; hingegen wird die  -te Potenz einer Diagonalmatrix einfach durch Potenzierung jedes einzelnen Diagonaleintrags berechnet. Wenn es nun eine invertierbare Matrix   gibt, so dass   Diagonalform hat, lässt sich die Potenzierung von   auf die Potenzierung einer Diagonalmatrix zurückführen gemäß der Gleichung   (die linke Seite dieser Gleichung ist dann die  -te Potenz einer Diagonalmatrix). Allgemein lässt sich durch Diagonalisierung einer Matrix ihr Verhalten (bei Potenzierung, aber auch bei anderen Operationen) leichter erkennen.

Fasst man   als Matrix einer linearen Abbildung auf, so ist die Transformationsmatrix   die Basiswechselmatrix zu einer anderen Basis  , also   (wobei die Identitätsabbildung   jeden Vektor auf sich selbst abbildet). Dann ist nämlich  .

Im oben genannten Beispiel lässt sich eine Transformationsmatrix   finden, so dass

 

eine Diagonalmatrix ist, in der der goldene Schnitt   vorkommt. (Hieraus erhält man schließlich die Formel  .)

Definition des Eigenwerts

Wie kommt man von der Matrix   auf die Zahl  ? An der Diagonalmatrix erkennt man sofort, dass

 ,

es gibt also einen Vektor   ungleich Null, der durch Multiplikation mit der Diagonalmatrix komponentenweise vervielfacht (genauer: ver- -facht) wird:  .   heißt wegen dieser Eigenschaft ein Eigenwert der Matrix   (mit Eigenvektor  ). Im Fall von Diagonalmatrizen sind die Eigenwerte gleich den Diagonaleinträgen.

  ist aber auch zugleich Eigenwert der ursprünglichen Matrix   (mit Eigenvektor  ), die Eigenwerte bleiben bei Transformation der Matrix nämlich unverändert. Die Diagonalform der Matrix   ergibt sich also aus deren Eigenwerten, und um die Eigenwerte von   zu finden, muss man untersuchen, für welche Zahlen   das lineare Gleichungssystem   eine von Null verschiedene Lösung   hat (oder, anders ausgedrückt, die Matrix   nicht invertierbar ist).

Die gesuchten Zahlen   sind genau diejenigen, die die Determinante der Matrix   zu Null machen. Diese Determinante ist ein polynomialer Ausdruck mit   (das sogenannte charakteristische Polynom von  ); im Falle der oben genannten 2-mal-2-Matrix   ergibt dies die quadratische Gleichung   mit den beiden Lösungen   und  . Die zugehörigen Eigenvektoren sind Lösungen der linearen Gleichungssysteme   bzw.  , aus ihnen erhält man dann die Transformationsmatrix  .

Diagonalisierbarkeit

Ob eine Matrix diagonalisierbar ist, hängt vom verwendeten Zahlbereich ab.   ist z. B. über den rationalen Zahlen nicht diagonalisierbar, weil die Eigenwerte   und   irrationale Zahlen sind. Die Diagonalisierbarkeit kann aber auch unabhängig vom Zahlbereich scheitern, wenn nicht "genügend" Eigenwerte vorhanden sind; so hat etwa die Jordanform-Matrix

 

nur den Eigenwert 1 (als Lösung der quadratischen Gleichung  ) und ist nicht diagonalisierbar. Bei genügend großem Zahlbereich (z. B. über den komplexen Zahlen) lässt sich aber jede Matrix diagonalisieren oder in Jordansche Normalform transformieren.

Da die Transformation einer Matrix dem Basiswechsel einer linearen Abbildung entspricht, besagt diese letzte Aussage, dass man zu einer linearen Abbildung bei genügend großem Zahlbereich stets eine Basis wählen kann, die "auf einfache Weise" abgebildet wird: Im Fall der Diagonalisierbarkeit wird jeder Basisvektor auf ein Vielfaches von sich abgebildet (ist also ein Eigenvektor); im Fall der Jordanform auf ein Vielfaches von sich plus evtl. den vorigen Basisvektor. Diese Theorie der linearen Abbildung lässt sich auf Körper verallgemeinern, die nicht "genügend groß" sind; in ihnen müssen neben der Jordanform andere Normalformen betrachtet werden (z. B. die Frobenius-Normalform).

Literatur

Wikibooks: Lineare Algebra – Lern- und Lehrmaterialien