Dampflokomotive (Bauart)

Typisierung nach Treibachsen, Laufachsen und Rahmen
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Nach Bauarten werden bei Dampflokomotiven ihre technischen Varianten und die Varianten ihres äußerlich formgebenden Aufbaus unterschieden.

Begriff

Die heute noch in Deutschland anzutreffende Unterscheidung zwischen Einheitslokomotiven und Sonderbauarten ist bei internationaler Betrachtung nicht sinnvoll. In der über zweihundertjährigen Geschichte der Dampflokomotiven seit Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es, bis ins 21. Jahrhundert, immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, den Aufbau von Dampflokomotiven zu optimieren. Wenn auch die ersten Dampflokomotiven in den verschiedenen Ländern und Kontinenten meistens Importmodelle waren, so gab es doch bald in allen technisierten Staaten eigene Weiterentwicklungen und eine eigene Industrie, die Dampflokomotiven baute. Dies führte zu einer großen Zahl von verschiedenen Bauarten und eine Standardbauart gab es höchstens vorübergehend im nationalen Zusammenhang.

Die aus Westernfilmen so berühmte Bauart 4-4-0 "American Type" wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Der Bau der deutschen Einheitslokomotiven war in Westdeutschland eine Episode von nur 34, wenn auch erfolgreichen, Jahren: 1925 wurden die ersten Maschinen der Baureihen 01 und 02 fertiggestellt, im Jahr 1959 beschaffte die Deutsche Bundesbahn die letzte Maschine der Baureihe 23. Insgesamt wurden 39 Einheitsbaureihen in Deutschland entwickelt.

Geschwindigkeit und Fahrstabilität

Bauart Crampton

 
Dampflokomotive

Die "Crampton"-Dampflokomotive hat nur eine weit hinter dem Kessel angeordnete Treibachse mit großen Rädern von bis zu 2,15 m Durchmmesser (in Europa). Sie wurde 1843 von Thomas Russell Crampton erdacht. Er verfolgte die Absicht, die Nachteile der von Stevenson entwickelten "Long-Boiler" (Langkessel) zu vermeiden. Diese ragten vorne und hinten über die Achsen hinaus und neigten damit bei hohen Geschwindigkeiten zum Nicken und Entgleisen. Bei dieser Bauart ließen sich bei tiefer und damit stabiler Lage des Langkessels dennoch große Treibräder für hohe Geschwindigkeiten verwenden. Die Crampton hatte stets nur eine angetriebenen Achse.

In den USA baute W. Norris um 1847 für die Camden & Ambay Railroad 7 Maschinen dieses Typs mit einem Treibraddurchmesser von sogar 2,42 m. Der überlange Kessel wurde von sechs Laufrädern getragen. Lokomotiven der Bauart Crampton erreichten die für damalige Zeit unvorstellbare Geschwindigkeit von 120 km/h.

Nachteilig ist bei dieser Konstruktion, dass nur ein verhältnismäßig geringes Gewicht auf den beiden Treibrädern liegt. Damit ist auch die Zugkraft gering und die Treibräder neigen zum Schleudern (Durchdrehen). Dennoch war die Crampton zwischen 1850 und 1900 vor allem in Frankreich und auch in Süddeutschland (z.B. Lokomotive "Die Pfalz") mit einer Stückzahl von über 300 Lokomotiven sehr verbreitet.

Kurvengängigkeit trotz hoher Leistung

Bauart Garratt

Dampflok Typ Garrat
Dampflok Typ Garrat

Der Name Garratt geht auf den Ingenieur Herbert William Garratt zurück, der zusammen mit der Firma Beyer, Peacock & Co. Ltd. in Manchester diese Bauart der Lokomotiven entwickelte. Die erste Garratt wurde 1909 für die North-East Dundas Tramway in Tasmanien gebaut.
Die "Garratt"-Dampflokomotive wurde unter der Anforderung entwickelt, auf kurvigen Schmalspur-Gleisen genügend Zugkraft für schwere Züge aufzubringen. Dazu wurden Garratts mit zwei separaten Fahrwerken mit jeweils eigener Dampfmaschine gebaut. Das vordere Fahrwerk wurde unter einem vorausfahrenden Rahmen mit Wassertank montiert, das hintere Fahrwerk unter dem hinteren Tender mit einem weiteren Wassertank und dem Treibstoffbehälter. Der Kessel einschließlich dem Führerhaus stützte sich auf einem brückenartigen Rahmen mit dessen Enden über Drehzapfen auf den beiden Fahrwerken ab. Durch die tiefe Lage über dem Gleisbett sind, verglichen mit den Bauarten Mallet oder Meyer, sehr große Kesseldurchmesser möglich, die zu äußerst leistungsfähigen Maschinen auch im Bereich der Schmalspurbahnen geführt haben. Der Erfolg der Garratts ließ Konstrukteure bei Beyer Peacock von Super-Garratts mit jeweils einem Mallet-Triebwerkspaar unter jedem Tender träumen. Das Patent wurde erteilt, die Maschinen kamen allerdings nie über die Planungsphase hinaus.

Garratt-Loks waren vor allem in Afrika, Asien, Australien und Brasilien verbreitet. Hauptproduzent war Beyer, Peacock & Co. Ltd., worauf sich auch die häufig verwendete Bezeichnung Beyer-Garratt erklärt. Unter Lizenz bzw. nach Ablaufen des Patents wurden sie auch von anderen Herstellern gebaut, u.a. von den Henschel-Werken in Kassel. Heute sind Garratts wieder bei Museumsbahnen im Einsatz, zum Beispiel bei der Welsh Highland Railway.

Bauart Mallet

 
Mallet-Dampflokomotive

Die "Mallet"-Dampflokomotive wurde 1884 von dem Schweizer Anatole Mallet entwickelt.
Sie hat zwei eigenständige Fahrwerke. Das hintere Fahrwerk ist auf normale Weise mit dem Rahmen verbunden. Das komplette vordere Fahrwerk mitsamt einem eigenen Rahmen und eigener Kolbendampfmaschine ist dagegen beweglich über einen Drehzapfen mit dem Hauptrahmen der Lokomotive verbunden.

Mallet-Lokomotiven finden bzw. fanden Verwendung sowohl bei Berg- und Schmalspurbahnen als auch bei Vollbahnen im schweren Güterzugdienst. Hier wurden sie vor allem in den USA zu den größten jemals gebauten Dampflokomotiven. Charakteristisch für die Bauart Mallet ist auch die Arbeitsweise der Dampfmaschine mit Verbundwirkung.

Bei der Harzer Schmalspurbahn befanden sich um das Jahr 2000 noch betriebsbereite Mallet-Lokomotiven.

Bauart Meyer

 
Meyer-Lokomotive

Die Meyer-Lokomotive wurde beispielsweise von der Sächsische Maschinenfabrik, vorm. Richard Hartmann AG in Chemnitz gebaut. Sie hat, wie die Mallet-Lokomotive, zwei getrennte Fahrwerke, die aber beide kurvenbeweglich unter dem Kessel sitzen. Bei der Meyer-Lokomotive wird ebenso wie bei der Mallet-Lokomotive die Verbundwirkung angewandt.

Meyer-Lokomotiven im Einsatz findet man noch bei der Preßnitztalbahn.

Antrieb auf möglichst vielen Achsen ohne Kuppelstangen

Getriebelokomotiven Bauart Hunslet, Shay, Climax und andere

Datei:Climax Lokomotive.jpg
Getriebelokomotive Bauart Climax

Bei Getriebelokomotiven geschah der Antrieb der Treibachsen (alle Achsen waren angetrieben) über Zahnradgetriebe. Kleine Getriebelokomotiven wurden vor allem bei der Holzgewinnung eingesetzt, bei denen die Bahnen oft nicht auf Eisenschienen, sondern auf runden Holzbohlen liefen, die Form der Räder war den Felgen von Kraftfahrzeugen nicht unähnlich, die Reibung entsprechend gering. Ein anderer Einsatzort waren provisorisch schlecht verlegte Gleise mit engen Kurven und steilen Steigungen. Unter diesen Bedingungen mussten alle Achsen angetrieben sein.

Dampfmotorlokomotiven

Dampfmotorlokomotiven besaßen als Antriebsaggregat keine Dampfmaschine im eigentlichen Sinn, sondern schnelllaufende Dampfmotoren. Es gibt unter anderen folgende Bauarten von Dampfmotorlokomotiven: Bauart Shay, Bauart Climax und Bauart Heisler.

Unter die Rubrik Dampfmotorlokomotiven fällt auch die von Henschel 1941 an die Deutsche Reichsbahn abgelieferte Schnellzugdampflokomotive mit Einzelachsantrieb der Baureihe  . Diese Lokomotive hatte die Achsfolge 1' D0 1'. Jede der 4 Treibachsen wurde von einem eigenen Zweizylinder V-Dampfmotor angetrieben. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 175 km/h, bei einem Treibraddurchmesser von nur 1250 mm. Die Lokomotive hatte eine Stromlinienverkleidung nach Art der Baureihe  . Es wurde jedoch nur eine einzigste Lokomotive gebaut, die sich nach einigen anfänglichen Problemen sehr gut bewährt hat. Sie wurde während des 2. Weltkriegs durch Bombemsplitter beschädigt und nach dem Krieg im Herstellerwerk wieder instand gesetzt um danach als Kriegsbeute in die USA verbracht zu werden, wo sie auf Ausstellungen gezeigt wurde. Sie wurde nicht mehr in Betrieb genommen und 1952 verschrottet.

Freie Sicht dem Lokführer

Camelback und andere Lokomotiven mit dem Führerstand in der Mitte

Bei Camelback-Lokomotiven (wörtlich übersetzt Kamelrücken) handelt es sich um einen Maschinentyp, der in den USA entwickelt wurde. Der Führerstand befand sich wie ein Sattel über dem Kessel. Dies hatte folgenden Hintergrund: Die Maschinen wurden in Gegenden der USA benutzt, in denen Anthrazitkohle abgebaut wurde. Diese Kohle hat einen hohen Energiegehalt, gibt die Energie aber nur langsam ab. Deshalb brauchte man große Feuerrostflächen und damit eine große Feuerbüchse. Der Lokführer hätte nur schwer um sie herum auf die vor ihm liegende Strecke sehen können.
Was den USA recht ist, ist den Europäern billig: ab 1884 baute die belgische Firma Cockerill drei Lokomotiven mit dem Führerstand in der Mitte. Das in Belgien gültige Lichtraumprofil ließ allerdings einen Führerstand über dem Kessel nicht zu. Also baute man ihn auf die rechte Seite des Kessels, was wiederum den Blick auf die linke Seite der Strecke stark einschränkte. Die Rostfläche betrug bei diesen Lokomotiven 6,7 m², die Feuerbüchse wurde durch 2 Heizer über 3 Feuertüren beschickt. Die Heizer und der Lokführer verständigten sich über ein Sprachrohr. Den Maschinen war kein entscheidender Erfolg beschieden, erst wurden sie zu einem etwas konventionelleren Format umgebaut. Die letzten beiden Maschinen wurden wärend des ersten Weltkriegs abgebrochen.

Der Wirtschaftlichkeit verschrieben...

Tramway- oder Kastenlokomotive

Auf Lokalbahn- und straßenbahnähnlichen Strecken kamen diese kleinen Lokomotiven zum Einsatz. Um die Betriebskosten zu reduzieren, wurden sie überwiegend in Ein-Mann-Bedienung gefahren. Da die Strecken häufig sehr enge Kurvenradien aufwiesen, hatten sie meist einen sehr kurzen Achsstand. Daher wurde ein stehender Kessel bevorzugt.

Auf Touristen- und Museumsbahnen stehen einzelne Fahrzeuge noch im Betrieb, z.B. bei der Chiemseebahn oder in den Niederlanden bei De Gooische Stoomtram.

Weblink
Beschreibung der Chiemseebahn-Lokomotive

Moderne Dampftechnik

Unter dem Motto modern steam baut die DLM AG im schweizerischen Wintertur, der vorerst letzte Hersteller von Dampflokomotiven Dampfmaschinen für Dampfschiffe und Dampflokomotiven.
Moderne Dampflokomotiven zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Befeuerung mit leichtem Heizöl oder Dieselöl, rauchfreie Verbrennung, ein Heizer ist auf der Lokomotive nicht mehr notwendig;
  • Vollisolation von Kessel, Dampfleitungen und Zylinder, dadurch kann die Lokomotive einige Zeit ohne Kesselbefeuerung stehen und ist schnell wieder einsatzbereit;
  • die Verwendung von Rollenlagern statt der früher üblichen Gleitlager reduziert den Unterhaltsaufwand und schont die Umwelt;
  • die Lokomotiven können mit einer Wendezugsteuerung ausgestattet werden;
  • Abgaswerte, die denen einer Diesellokomotive zu vergleichen, oder sogar günstiger sind.

Die Technik hat sich in der Praxis bereits bei einigen neu gebauten Zahnradlokomotiven der Brienz-Rothorn-Bahn (Schweiz), der Montreux-Glion-Rochers-de-Naye-Bahn (Schweiz) und der Schafbergbahn (Österreich) bewährt. Versuche für Vollbahn-Lokomotiven mit moderner Dampftechnik werden auch mit der werkseigenen Umbaulok 52 8055 NG vorgenommen. Vollkommen neugebaute Vollbahn-Lokomotiven mit dieser Technik existieren noch nicht, werden aber angeboten.