Möhrendorfer Wasserschöpfräder

zehn Wasserschöpfräder an der Regnitz bei Möhrendorfer
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Die zehn Möhrendorfer Wasserschöpfräder an der Regnitz gehören zu den letzten ihrer Art in Mitteleuropa und sind ein einmaliges Kulturdenkmal. Sie schöpfen mit am Rad befestigten Holzeimern das wärmere und sauerstoffreiche Oberwasser aus dem Fluss in ein Rinnensystem zur Bewässerung der Felder und machen dadurch die anliegenden Wiesen besonders ertragreich.

Wasserschöpfräder – im Vordergrund das Schmiedsrad, im Hintergrund das Rinig-Rad

Geschichte

 
Das Vierzigmannrad mit Stauwehr (Flügel)

Die Wasserschöpfräder in Möhrendorf sind bereits für den Anfang des 15. Jahrhunderts belegt. Im Jahre 1805 waren an der Regnitz zwischen Fürth und Forchheim auf einer Länge von ca. 25 Flusskilometern noch etwa 190 solche Wasserräder in Betrieb, so viele wie an keinem anderen Fluss in Mitteleuropa. Gemäß der in Teilen heute noch gültigen Baiersdorfer Wasserordnung aus dem Jahre 1693 dürfen diese nur von 1. Mai bis 30. September betrieben werden. Die wuchtigen Holzkonstruktionen, die an Mühlräder erinnern, werden heutzutage von ehrenamtlichen Helfern zu Beginn der Sommersaison aufgestellt und am Ende der Saison abgebaut und eingelagert. (Siehe auch Regnitz).

Die zehn Räder und ihre Paten

Derzeit sind zehn Wasserschöpfräder in Betrieb.[1]

Jedes Wasserschöpfrad hat einen Sponsor, der mit seinem Team das Rad im Frühjahr aufbaut, während der Saison prüft und wartet, im Herbst wieder abbaut und im Winter auseinanderbaut, trocknet, einlagert und vor allem beschädigte Holzteile repariert oder erneuert. Die Räder sind nummeriert, flussaufwärts, entsprechend der Flusskilometrierung. Die Kilometrierung beginnt an der Mündung, da wo die Regnitz in den Main-Donau-Kanal mündet. Sieben Räder stehen am linken Flussufer, drei am rechten Ufer. Nur das Vierzigmannrad ist als Doppelrad mit Kümpfen an beiden Radkränzen in Betrieb.

Nr. Name Paten Pos km li/re Kümpfe Bemerkungen
1 Wässerwiesenrad Freie Wähler Möhrendorf[2] 49,641468° N, 11,006517° O 39,65 links 24 REWE
2 Vierzigmannrad Gemeinde Möhrendorf[3] 49,637873° N, 11,004591° O 40,00 rechts 2 x 18 Tisch und Bank, Storch-Biotop
3 Rinnigrad CSU Möhrendorf 49,636977° N, 11,004333° O 40,05 links 24
4 Schmiedsrad Wasserwirtschaftsamt Nürnberg 49,637232° N, 11,004921° O 40,10 rechts 24 Parkplatz, Tafel
5 Weidackerrad Harald Rudolph, Landwirt 49,635375° N, 11,006112° O 40,20 rechts 24 Parkplatz
6 Schloßangerrad Grünes Bürgerforum Möhrendorf[4] 49,63502° N, 11,005875° O 40,21 links 24 [5]
7 Kleines Schäferrad Verein Zufriedenheit, Oberndorf 49,629172° N, 11,006984° O 41,20 links 24 Sitzbank, Oberndorf
8 Kennerleinsrad Hans Rudolph, Landwirt 49,626344° N, 11,006741° O 41,60 links 24
9 Altes Schäferrad Burschenverein Renner 49,625085° N, 11,003373° O 41,88 links 24
10 Bauernrad Erlanger Stadtwerke 49,623755° N, 11,000494° O 42,15 links 24 Naturerlebnispfad Station 10/1

Aufbau

Eine Wasserschöpfrad-Anlage besteht aus der Stauanlage, der Radstatt, dem Schöpfrad und dem Bewässerungssystem.

Stauanlage

 
Stauanlage

Die Stauanlage oder der „Flügel“ ist ein kleines schräg im Fluss liegendes Wehr, das den Fluss etwa 10 cm aufstaut. Es leitet das Wasser zur Radstatt. Am Flussgrund liegt der „Grundbaum“, ein schwerer Eichenbalken 50 x 35 cm, meist mehrere Balken entsprechend der Länge des Wehres. Im Grundbaum werden alle 75 cm Vierkant-Löcher ausgestemmt. Durch jedes zweite Loch wird eine etwa 3 Meter lange „Nadel“ in den Flussgrund getrieben und dadurch der Baum fest verankert. Die Verlegung eines Grundbaumes dauert trotz modernen Hydraulikgeräten fast zwei Wochen. Der Grundbaum hat eine Lebensdauer von etwa 100 Jahren, da er ständig unter Wasser liegt.

Im Frühjahr wird dann das eigentliche Wehr gebaut. Dazu werden „Docken“, Vierkant-Hölzer aus Eiche, in die noch freien Löcher des Grundbaumes gesteckt. Zwischen den Docken werden „Flügelbretter“ befestigt, 3 x 20 cm, 3 Meter lang, an denen sich dann das Wasser staut. Der Aufbau der Wehre im strömenden Fluss ist eine harte Arbeit. Im Herbst werden dann die Flügelbretter und die Docken wieder entfernt und eingelagert.

Radstatt

 
Radstatt:
6 Pfähle, 2 Jochbalken, 2 Stege.
Hier zusätzlich mit Lager und Welle.

Die „Radstatt“ oder „Radstube“ ist das Untergestell für das Schöpfrad und bleibt ganzjährig im Flussbett verankert. Sie besteht aus zwei im Wasser stehenden Teilen. Jeder Teil besteht aus drei Eichenpfählen, die parallel zum Ufer beziehungsweise zur Fließrichtung des Flusses im Wasser stehen. Die Pfähle wurden früher mit einer Ramme eingerammt, heute werden sie mit einem Bagger etwas 1 Meter tief in den Flussgrund gedrückt. Dazu muss manchmal eine Steinschüttung als Arbeitsplattform in den Fluss eingebracht und anschließend wieder entfernt werden. Auf den drei Pfählen liegt der „Jochbalken“ aus Kiefernholz. So entstehen ein landseitiges und ein flussseitiges Joch. Beide werden durch zwei Stege stabil miteinander verbunden.

Schöpfrad

Das Schöpfrad ist gleichzeitig der Wasserantrieb der Anlage und das Fördergerät für das Bewässerungs-Wasser. Insgesamt besteht ein Wasserschöpfrad aus über 500 Teilen. Sie werden durch mehr als 300 Holzkeile und Holznägel und 76 Spann- und Fassringe zusammengehalten. Außer Wellenzapfen und Spannringen an der Welle und den Fassringen an den Kümpfen sind alle Teile aus Holz.

Das Schöpfrad besteht aus folgenden Teilen:

Welle
Die etwa 35 cm dicke Welle aus Eichenholz hat an jedem Ende einen Stahl-Spannring als Schutz gegen Aufsplitterung und einen Stahlzapfen. Die Stahlzapfen werden in einem Lagerbock („Anwelle“) aus Eichenholz gelagert. Dadurch entsteht ein Gleitlager Metall auf Holz mit Wasserschmierung. Die Welle hat an jedem Ende drei rechteckige Durchbrüche zur Aufnahme der drei Arme für den Radkranz.
Arme
 
2 x 3 Arme = 2 x 6 Speichen
Je drei „Arme“ bilden die sechs Speichen für einen Radkranz. Die Arme sind aus Eiche gefertigt. Der mittlere Arm ist gerade, die zwei anliegenden leicht gekrümmt, damit sie am äußeren Ende genau zum Umfang des Radkranzes fluchten. Sie werden durch die Welle gesteckt, zentimetergenau ausgerichtet und mit Eichenkeilen für die kommenden fünf Monate fest verkeilt. Die Arme sind etwa 4 Meter lang, die Speichen also 2 Meter und bilden zusammen mit dem Radkranz ein Rad mit etwa 4 Meter Durchmesser.
Radkranz
Das Schöpfrad hat zwei Radkränze. Je sechs „Kümmerlinge“ werden jeweils zu einem Radkranz verbunden. Dazu werden sie einzeln auf die Speichen gesteckt und untereinander mit „Schetterbrettern“ und „Schetternägeln“ zu einem Radkranz verbunden. Die Kümmerlinge werden aus passend krumm gewachsenem Kiefernholz gefertigt.
Schaufelbretter
 
Schaufelbrett
und Wasserband mit Froschkeil
Jedes Schöpfrad wird von 24 Schaufelbrettern angetrieben. Sie werden auf beiden Seiten mit je einem „Wasserband“ und einem „Froschkeil“ befestigt. Wasserbänder sind Bänder aus Eichenholz, die einige Zeit in heißem Wasser gekocht werden, um sie in die gewünschte Form biegen zu können. Sie werden um das senkrecht auf dem Radkranz liegende Schaufelbrett gelegt, die Enden durch eine Bohrung im Radkranz gesteckt und von hinten mit dem einem Rundholzzapfen verkeilt. Bei einigen Rädern werden heute aus Zeitmangel die Eichenbänder duch Bänder aus Eisen ersetzt.
Schöpfeimer
 
Kümpfe
Die Schöpfeimer oder „Kümpfe“ transportieren das Bewässerungs-Wasser aus dem Fluss ins Bewässerungssystem. Die Kümpfe werden in alter Handwerkstradition der Küfer bis auf die drei eisernen Spannreifen komplett aus Holz gefertigt. Die Kümpfe werden mit je zwei Kumfnägeln aus Eichenholz am Radkranz befestigt. Damit die Kümpfe beim Ausgießen das Wasser in den Trog schütten können, müssen sie etwas schräg von Radkranz weg zeigend befestigt werden. Das erreicht man dadurch, dass der Ausguss des hinteren Kumpfes auf dem unteren Bauch des vorderen Kumpfes liegend befestigt wird. Der vordere Kumpfnagel und der sich auf dem vorderen Kumpf abstützende hintere Kumpf und der Radkranz bilden so ein stabiles Dreieck. Dazu werden je zwei Kumpfnägel durch einen Kumpf gesteckt und in den dahinterliegenden Radkranz getrieben und dort mit Eichenkeilen fixiert.
Ein einfaches Schöpfrad trägt 24 Kümpfe am landseitigen Radkranz. Ein doppeltes Schöpfrad trägt 36 oder 48 Kümpfe, je 18 oder 24 landseitig und 18 oder 24 flussseitig. Jeder Eimer fasst gut 30 Liter, transportiert aber nur etwa 10 Liter bis ganz nach oben. Ein Rad schöpft also 240 (Einzelrad), 360 (kleines Doppelrad) oder 480 Liter (Doppelrad) je Umdrehung.

Bewässerungssystem

 
Entleerung in Trog und Rinne

Jedes Wasserschöpfrad versorgte ein ausgedehntes Bewässerungsnetz. Manchmal waren auch mehrere Schöpfrader gemeinsam an einem System beteiligt. Die Kümpfe schöpfen das Wasser aus dem Fluss. Am oberen Scheitelpunkt der Raddrehung, etwa 4 Meter über Wasserspiegel, schütten sie das Wasser aus. Ein großer Gießtrog fängt es auf und leitet es über eine hölzerne Ablaufrinne in die Bewässerungsgräben. Ein System bestand aus vielen Gräben und Kanälen, zwischen denen mit Schützen oder Schiebern der Wasserfluss verteilt oder umgelenkt werden konnte. [6]

Ein einfaches Wasserrad schöpft pro Tag etwa 1400 Kubikmeter Wasser oder 1'400'000 Liter.

Die Bewässerung ermöglichte statt nur einer nun drei Mahden (Ernten) von Heu und Grummet im Jahr. Das Wasser fließt aus den Kümpfen (Eimern) des Schöpfrads in eine hölzerne Rinne und dann in ein ausgedehntes Grabensystem. Da ein Rad durchaus 8 ha Wiesen verschiedener Eigentümer bewässern konnte, waren die Wässerungszeiten der einzelnen Grundstücke minutiös festgelegt.[7]

Wasserschöpfrad als Gemeindewappen

Ein stilisiertes Wasserschöpfrad befindet sich im Gemeindewappen von Möhrendorf, ebenso im Wappen des Landkreises Erlangen-Höchstadt, dem Fürther Stadtteil Stadeln und der Gemeinde Hausen (bei Forchheim).[8]

Literatur

  • Ralf Dürschner: Die Möhrendorfer Wasserschöpfräder – Geschichte, Zweck, Technik und Zukunft. Verlag Solare Zukunft, 2001, ISBN 3-933634-08-3 (vergriffen)
  • Ralf Dürschner: 600 Jahre Wasserschöpfräder - Künstliche Bewässerung im Rednitz-Regnitz-Becken. Verlag Solare Zukunft, 2013, Broschüre 32 Seiten, ISBN 978-3-933634-33-7
  • Konrad Kupfer: Die fränkischen Wasserschöpfräder. Palm & Enke, 1931.

Einzelnachweise

  1. Chronik der Gemeinde Möhrendorf, zu beziehen bei der Gemeindeverwaltung
  2. Langjähriger Vorbesitzer des Wassserwiesenrades war Hans Rentsch, Landwirt
  3. Langjähriger Vorbesitzer des Vierzigmannrades war der Stammtisch Kohlmann
  4. Langjähriger Vorbesitzer des Schloßangerrades war die Gemeinde Möhrendorf
  5. gebaut 1856, als nach dem Bau des „Ludwigskanals“ das Wegrad und das Weidackerrad auf die Wasserrechte für je 12 Kümpfe verzichteten.
  6. Weitere Details in: Die Chronik der Gemeinde Möhrendorf.
  7. Schöpfräder und Wiesen, in: Stadt-Land-Fluss, Erlangen und die Regnitz
  8. Link unter den Wappen in der Wappen-Galerie führt zum Kapitel "Heraldik" der betreffenden Gemeinde