Der Royle-Pfeifhase (Ochotona roylei) ist eine Säugetierart aus der Familie der Pfeifhasen (Ochotonidae) innerhalb der Hasenartigen (Lagomorpha). Ihr Verbreitungsgebiet befindet sich im Himalaya und reicht von Pakistan über Nordindien und Nepal bis in die Volksrepublik China.
Royle-Pfeifhase | ||||||||||||
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![]() Royle-Pfeifhase (Ochotona roylei) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Ochotona roylei | ||||||||||||
(Ogilby, 1839) |
Merkmale
Allgemeine Merkmale
Der Royle-Pfeifhase ist ein mittelgroßer Pfeifhase mit einer Körperlänge von 15,0 bis 20,4 Zentimetern bei einem Gewicht von 130 bis 180 Gramm.[1] Er hat im Sommer ein dunkel- bis eisengraues oder dunkel graubraunes Fell, auf den Schultern befinden sich braune bis rotbraune Flecken. Die Bauchseite ist weiß bis grauweiß oder dunkler grau und die Oberseite der Füße ist weiß, grauweiß oder weiß mit sandfarbenem Einschlag. Im Winter ist die Rückenfärbung heller grau.[1] Die Ohren erreichen eine Länge von 26 bis 32 Millimeter und sind damit vergleichsweise groß. Sie sind im Vergleich zu O. macrotis etwas schmaler und auf der Innenseite nur mit kurzen Haaren ausgestattet.[2] Die Hinterfüße sind 25 bis 34 Millimeter lang.[1]
Merkmale des Schädels
Die Schneidezahn- und Gaumenfenster des Schädels verschmelzen bei dieser Art zu einem einzelnen Fenster. In Form und Größe entspricht der Schädel des Großohr-Pfeifhasen (Ochotona macrotis), ist jedoch etwas weniger gebogen.[1]
2 | · | 0 | · | 3 | · | 2 | = 26 |
1 | · | 0 | · | 2 | · | 3 |
Die Tiere besitzen wie alle Pfeifhasen im Oberkiefer jeweils zwei Schneidezähne (Incisivi) gefolgt von einer längeren Zahnlücke (Diastema) sowie von drei Vorbackenzähnen (Praemolares) und von zwei Backenzähnen (Molares). Im Unterkieferast sind nur ein Schneidezahn sowie nur zwei Prämolaren vorhanden, dafür drei Molares. Insgesamt besitzen die Tiere also 26 Zähne.[1]
Verbreitung
Der Royle-Pfeifhase ist im Himalaya verbreitet, das Verbreitungsgebiet reicht von Norden Pakistans über Nordindien im Bundesstaat Jammu und Kashmir und Nepal bis in die Provinz Xizang in der Volksrepublik China.[3]
Die Höhenverbreitung der Tiere reicht von 2400 bis 4300 Meter[3], bei gemeinsamen Vorkommen mit Ochotona macrotis bevorzugt letzterer höhere Lagen.[4]
Lebensweise
Der Royle-Pfeifhase lebt in den Talregionen des Gebirges, der Lebensraum ist durch humusreiche Böden mit Rhododendren, Himalaya-Zedern oder Kiefernwäldern geprägt.[1] Er ist weitgehend dämmerungsaktiv am Abend und Morgen und ernährt sich generalistisch von Pflanzenteilen, wobei er weniger häufig als andere Arten Heuhaufen anlegt.[1] Er lebt territorial in Familiengruppen aus einem Elternpaar und deren Jungtieren in Dichten von etwa 12,5 Tieren pro Hektar.[3] Die vokale Kommunikation ist ausgeprägt und besteht vor allem aus leisen Rufen; die Tiere können jedoch auch hohe Pfiffe ausstoßen.[1]
Fortpflanzung
Im Vergleich zu anderen Arten ist die Reproduktion gering. Die Weibchen haben eine Tragzeit von etwa 30 Tagen und bringen vom Frühjahr bis zum Spätsommer ein bis zwei Würfe mit durchschnittlich zwei bis drei Jungtieren pro Wurf zur Welt.[1] Die Tiere erreichen ein Alter von bis zu drei Jahren, bereits nach einem Jahr produzieren sie eigenen Nachwuchs.[3]
Beziehung zu anderen Tierarten
Der Royle-Pfeifhase lebt in Nepal in einer engen Beziehung (Symbiose) mit der Schuppentimalie (Pnoepyge albiventer). Beide Arten nutzen gemeinsam die Heuhaufen der Pfeifhasen und leben dicht beieinander. Dabei nutzen beide Arten unterschiedliche Nahrungsquellen im Umfeld der Haufen.[5]
Systematik
Der Royle-Pfeifhase wurde als eigenständige Art den Pfeifhasen (Gattung Ochotona) und der Untergattung Conothoa zugeordnet.[6] Die wissenschaftliche Erstbeschreibung stammt von William Ogilby aus dem Jahr 1839, der ihn als Lagomys roylei bezeichnete[7] und nach dem Botaniker John Forbes Royle benannte.[8]. Als Terra typica gab Ogilby den „Choor Mountain“ etwa 100 Kilometer nördlich von Saharanpur in Punjab, Indien, an.[7][6]
Phylogenetische Systematik einiger Pfeifhasen nach Yu et al. 2000[9]
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Phylogenetische Systematik einiger Pfeifhasen nach Niu et al. 2004[10]
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Wie bei den meisten Pfeifhasen ist auch beim Royle-Pfeifhasen die systematische Einordnung aufgrund der großen Ähnlichkeiten der Arten schwierig und veränderte sich entsprechend über die Zeit mehrfach.[6] Zeitweise wurde der Großohr-Pfeifhase (Ochotona macrotis) dem Royle-Pfeifhase als Unterart zugeschlagen; aufgrund von morphologischen und ökologischen Unterschieden in den Regionen, in denen beide Arten sympatrisch vorkommen, wurde der Artstatus des Großohr-Pfeifhasen jedoch bestätigt.[11] Auch der Himalaya-Pfeifhase (Ochotona himalayana) und der Forrest-Pfeifhase (Ochotona forresti) sowie der Nubra-Pfeifhase (Ochotona nubrica) (als Synonym O. hodgsoni) wurden zeitweise als Unterarten des Royle-Pfeifhasen behandelt, werden heute jedoch als eigene Arten betrachtet.[6]
Im Jahr 2000 wurde auf der Basis von Sequenzen der mitochondrialen DNA der Royle-Pfeifhase als Schwesterart des Großohr-Pfeifhasen identifiziert, beide zusammen bildeten entsprechend dieser Ergebnisse die Schwestergruppe aus dem Ladakh-Pfeifhasen (Ochotona ladacensis) und dem Koslow-Pfeifhasen (O. koslowi). Gemeinsam mit dem Forrest-Pfeifhasen (Ochotona forresti) und dem Rotohr-Pfeifhasen (Ochotona erythrotis) wurden diese Arten als „Mountain group“ zusammengefasst, während die klassische Aufteilung nach Untergattungen als paraphyletisch verworfen wurde.[9] 2004 erschien eine phylogenetische Analyse auf der Basis der Sequenz des Cytochrom b, bei der das Schwestergruppenverhältnis von Großohr- und Royle-Pfeifhase bestätigt wurde, der Ladakh-Pfeifhase sich jedoch als basale Schwesterart eines Taxons aus O. koslowi, O. rutila, O. iliensis, O. roylei und O. macrotis erwies; die gesamte Gruppe zuzüglich einigen weiteren Arten wurde in eine „Surrounding Qinghai-Tibet Plateau Group“ eingeordnet.[10] Nach der Überarbeitung der Taxonomie durch Andrei Alexandrowitsch Lissowski 2013 auf der Basis kraniometrischer Merkmale und der Sequenz des Cytochrom b wurden einige Details der phylogenetischen Einordnung geändert, die nahe Verwandtschaft der Arten wurde jedoch bestätigt. Lissowski stellte diese Arten entsprechend gemeinsam in die Untergattung Conothoa.[12] Er betrachtet allerdings den Himalaya-Pfeifhase nicht als eigenständige Art und beschreibt ihn als Synonym des Royle-Pfeifhasen.[7]
Insgesamt werden zwei Unterarten unterschieden, die Nominatform O. r. roylii und O. r. nepalensis.[6][3][7]
Gefährdung und Schutz
Angaben zur Größe des Bestandes liegen bisher nicht vor. Die Art ist jedoch weit verbreitet und ernsthafte Gefährdungsursachen sind bisher nicht erkennbar, so dass der Bestand als stabil eingeschätzt wird. Die International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) stuft den Royle-Pfeifhasen daher als ungefährdet (least concern) ein.[3]
Belege
- ↑ a b c d e f g h i Royle's pika. In: Andrew T. Smith, Yan Xie: A Guide to the Mammals of China. Princeton University Press, 2008; S. 285–286. ISBN 978-0-691-09984-2.
- ↑ Joseph A. Chapman, John E. C. Flux (Hrsg.): Rabbits, Hares and Pikas. Status Survey and Conservation Action Plan. (PDF; 11,3 MB) International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), Gland 1990; S. 47–48. ISBN 2-8317-0019-1.
- ↑ a b c d e f Ochotona roylei in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2012.2. Eingestellt von: Andrew T. Smith, C. H. Johnston, 2008. Abgerufen am 30. Dezember 2012.
- ↑ Ochotona macrotis in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2012.2. Eingestellt von: Andrew T. Smith, C. H. Johnston, 2008. Abgerufen am 29. Dezember 2012.
- ↑ Bhaiya Khanal: New Report on the Symbiotic Relation of Ochotona roylei (Lagomorpha: Ochotonidae) and Scaly Breasted Wren Babbler (Pnoepyge albiventer) at Ganesh Himalaya Area of Central Nepal. Our Nature 5, 2007; S. 37–40.
- ↑ a b c d e Don E. Wilson & DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Ochotona roylei in Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference (3rd ed).
- ↑ a b c d A.A. Lissovsky: Forrest's Pika - Ochotona forresti. In: Don E. Wilson, T.E. Lacher, Jr., Russell A. Mittermeier (Herausgeber): Handbook of the Mammals of the World: Lagomorphs and Rodents 1. (HMW, Band 6), Lynx Edicions, Barcelona 2016; S. 58. ISBN 978-84-941892-3-4
- ↑ Bo Beolens, Michael Grayson, Michael Watkins: The Eponym Dictionary of Mammals. Johns Hopkins University Press, 2009; S. 351-352; ISBN 978-0-8018-9304-9.
- ↑ a b Ning Yu, Changlin Zheng, Ya-Ping Zhang, Wen-Hsiung Li: Molecular Systematics of Pikas (Genus Ochotona) Inferred from Mitochondrial DNA Sequences. Molecular Phylogenetics and Evolution 16 (1), Juli 2000; S. 85–95. doi:10.1006/mpev.2000.0776.
- ↑ a b Yidong Niu, Fuwen Wei, Ming Li, Xiaoming Liu, Zuojian Feng: Phylogeny of pikas (Lagomorpha, Ochotona) inferred from mitochondrial cytochrome b sequences. Folia Zoologica – International Journal of Vertebrate Zoology 53(2), 2004; S. 141–155. (Volltext).
- ↑ Don E. Wilson & DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Ochotona macrotis in Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference (3rd ed).
- ↑ Andrey A. Lissovsky: Taxonomic revision of pikas Ochotona (Lagomorpha, Mammalia) at the species level. In: Mammalia 2014; 78(2): 199–216. doi:10.1515/mammalia-2012-0134
Literatur
- Joseph A. Chapman, John E. C. Flux (Hrsg.): Rabbits, Hares and Pikas. Status Survey and Conservation Action Plan. (PDF; 11,3 MB) International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), Gland 1990; S. 47–48. ISBN 2-8317-0019-1.
- Royle's pika. In: Andrew T. Smith, Yan Xie: A Guide to the Mammals of China. Princeton University Press, 2008; S. 285–286. ISBN 978-0-691-09984-2.
Weblinks
- Ochotona roylei in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2012.2. Eingestellt von: Andrew T. Smith, C. H. Johnston, 2008. Abgerufen am 30. Dezember 2012.