St.-Victor-Kirche (Victorbur)

Kirchengebäude in Ostfriesland, Niedersachsen, Deutschland
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Die jüdische Gemeinde in Esens bestand über einen Zeitraum von rund 300 Jahren von ihren Anfängen im 17. Jahrhundert bis zu ihrem Ende am 23. Oktober 1941.

Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Esens

17. Jahrhundert bis 1668

Das Harlingerland bestehend aus den alten Ämtern Esens, Stedesdorf und Wittmund war bis zu seiner Vereinigung mit der Grafschaft Ostfriesland im Jahre 1600 ein selbständiges Territorium.

Die Wittmunder Judengemeinde scheint die älteste im Harlingerland gewesen zu sein. Jedenfalls mußten die Juden aus Esens und Neustadtgödens ihre Toten anfangs auf dem Judenfriedhof in Wittmund beisetzen. Sie waren verpflichtet, diesen Friedhof mit zu unterhalten.

Ob es in Esens bereits vor 1600 Juden gab ist sehr zweifelhaft. Erst für das Jahr 1637 gibt es einen ersten dokumentarischen Nachweis über Schutzgeldzahlungen des Juden Magnus Phibelmans an den Grafen von Ostfriesland. Phibelmans war aus Emden Zugezogen, wahrscheinlich, weil die Schutzgeldzahlungen in Esens erheblich niedriger als in Emden waren. Das Gründungsjahr der jüdischen Gemeinde in Esens ist unbekannt.

Wahrscheinlich gehörten die Juden der Stadt zunächst der Gemeinde in Wittmund an. Ab 1686 gab es in Esens einen gemieteten Versammlungsraum, der als Synagoge genutzt wurde.

Jüdischer Friedhof

Um 1690 war der jüdische Friedhof in Wittmund voll belegt. Nun sollten die ostfriesischen Schutzjuden auf Grund einer herrschaftlichen Anweisung des Fürsten Christian Eberhard von 1690 eigene Friedhöfe an ihren Wohnorten anlegen. 1701 kaufen die Ältesten der jüdischen Gemeinde von Esens (Moses Benjamin und David Josephs) einen Garten des Bürger und Chirurgen Johann Adam Müller, doch verhinderte die Esenser Kanzlei die Beisetzung eines wenig später verstorbenen Kindes auf diesem Grundstück. Anfang Februar 1702 kaufte die Esenser Judengemeinde ein anderes kleines Grundstück, das damals „weit außer der Stadt gelegen ist“. Vermutlich handelte es sich dabei um den bis heute am Mühlenweg erhaltenen jüdischen Friedhof. Damit erfolgte die endgültige Loslösung von der jüdischen Gemeinde in Wittmund. 1858 wurde der Friedhof erweitert, eingefriedet und mit einem Eingangstor versehen worden. Dieses wurde in den folgenden Jahren während des Winters in der Synagoge aufbewahrt wurden, damit es nicht „verdorben oder durch böse Leute ruiniert werde“. [1] Die letzte Beerdigung erfolgte am 31. März 1938. Der Friedhof wurde im Jahre 1940 völlig verwüstet. Die meisten Grabsteine wurden zerschlagen und bei Ausbesserungsarbeiten am Mühlenweg in Schlaglöchern verwendet.


Synagoge

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Planungen, ein eigenes Synagogengebäude zu errichten und ab 1756 verhandelte die Gemeinde mit dem Magistrat der Stadt. Dieser war bereit, ein Grundstück zu stellen. Infolge des siebenjährigen Krieges verarmte die jüdische Gemeinde in Esens jedoch derart, dass an den Bau einer Synagoge vorerst nicht mehr zu denken war. Dies gelang erst im Jahr 1827, als an der Burgstraße eine Synagoge errichtet wurde, welche am 15. Februar 1828 feierlich eingerichtet wurde. Diese Synagoge scheint, abgesehen von kleinen Reparaturarbeiten, bis zu ihrer Zerstörung n der "Reichskristallnacht" baulich kaum verändert worden zu sein.

Schulgebäude

1819 erwarben die Esenser Juden ein Gebäude, welches als Schulgebäude und Wohnung für den Lehrer diente. Vorher erfolgte der Unterricht der Kinder in Privaträumen. Im Jahre 1827 wurde dann hinter der Synagoge an der Burgstraße ein neues Schulhaus mit einer Wohnung für den Synagogendiener. Als dieses Schulhaus wegen Baufälligkeit abgebrochen werden musste, errichteten die Esenser Juden 1899 an seiner Stelle ein neues Gemeindehaus mit einer Wohnung für den jüdischen Kultusbeamten, einem Schulzimmer und dem Ritualbad. In diesem Gebäude sollten auch die Gemeindeversammlungen stattfinden. Am 1. Mai 1899 bezog als erster Kultusbeamter der Lehrer, Vorbeter und Schächter August Gottschalk das Haus. Durchschnittlich besuchten etwa 10 bis 15 Kinder mehrerer Jahrgänge die jüdische Volksschule, wo sie gemeinsam in dem einzigen Klassenraum Unterricht erhielten. Das Schulzimmer war von den übrigen Räumen völlig getrennt und durch einen separaten Eingang über den Vorraum zu erreichen.

Nachdem August Gottschalk im Jahre 1927 gestorben war, wurde die jüdische Volksschule in Esens wegen zu geringer Schülerzahl geschlossen. Die wenigen jüdischen Kinder besuchten fortan die allgemeine Volksschule oder die Mittelschule in Esens. Ihren Religionsunterricht erhielten sie allerdings weiterhin in diesem Raum, zunächst von Lehrer Hartog aus Wilhelmshaven; später zog der Religionslehrer Abraham Bronkhorst in das jüdische Gemeindehaus ein.

Als am 10. November 1938 Esenser Nationalsozialisten die Synagoge abbrannten, blieb das benachbarte Gemeindehaus unversehrt. Dieses Gebäude war gerade während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufs engste mit dem Schicksal der Esenser Juden verbunden, insbesondere nachdem die Anordnung in Kraft trat, wonach Juden in bestimmten Häusern zu konzentrieren seien. Von 1938-40 wohnten hier, auf engstem Raum zusammengepfercht, mehrere jüdische Familien, die man gezwungen hatte, ihre Häuser und Grundstücke zu verkaufen. Für viele Juden war dieses "Judenhaus" letzte Station in Esens, bevor sie ihren Weg in die Emigration oder - über manche Zwischenstation - in die Vernichtungslager antreten mußten. Das ehemalige jüdische Gemeindehaus wurde nach 1940 an einen Privatmann verkauft und weiterhin als Wohnhaus genutzt. 1985 kaufte die Stadt Esens das Haus, um es nach einem seit langem bestehenden Bebauungsplan abzureißen und an seiner Stelle Parkplätze anzulegen. Durch eine Privatinitiative des „Ökumenische(n) Arbeitskreis(es) Juden und Christen in Esens e.V.“, gelang es, das Haus zu retten und in ihm eine Gedenkstätte und Ausstellung zur neueren Geschichte der Esenser Juden aufzubauen. Diese wurde 29. August 1990 als „August-Gottschalk-Haus“ der Öffentlichkeit zu übergeben.


1933 bis 1940

Exodus, Vertreibung und Ermordung

Nachkriegszeit

Erwerbstruktur

Wie im übrigen Ostfriesland auch, lebten die meisten Juden vom Schlachtergewerbe oder vom Handel mit Textilien, vom Hausierhandel, einige vom Geld- oder Pfandleihgeschäft. Die Zünfte nahmen keine Juden auf. Da es in Esens keine Schlachterzunft gab, unterlagen Juden in diesem Beruf keinen Beschränkungen. Eine Besonderheit innerhalb der ostfriesischen Grafschaft stellte ein Jude aus Esens dar. Er und seine Nachkommen durften als einzige in Ostfriesland das Glaserhandwerk ausüben. Dieses Einseitige Berrufsbild änderte sich während des gesamten Zeitraums des Bestehens der jüdischen Gemeinde kaum. In Hannoverscher Zeit kamen noch ein Fuhrmann, ein Bürstenbinder und ein Lohgerber hinzu. Um 1930 gab es in Esens zwei große jüdische Textilgeschäfte: „Julius Frank Wwe. u. Co." und „Geschwister Weinthal“. [2]

Gemeindeentwicklung

Jahr Gemeindemitglieder
1645 32 Personen
1690 8 Familien
1707 73 Personen
1711 94 Personen
1744 87 Personen
1816 105 Personen
1840 124 Personen
1871 118 Personen
1905 89 Personen
1925 76 Personen
1933 80 Personen
1939 30 Personen
1940 9. März 0 Personen

Gedenkstätten

Datei:Judenstrasse-kl.jpg
Die Judenstraße in Emden, von 1933 - 1998 Webergildestraße, heute Max-Windmüller-Straße
  • Gedenkstein an der Stelle des alten Friedhofes am Mühlenweg.
  • Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge in der Burgstraße.
  • Gedenkstätte mit Dauerausstellung zur Geschichte der ostfriesischen Juden im „August-Gottschalk-Haus“, dem ehemaligen jüdischen Gemeindehaus.
  • Die Stadt Esens hat zwei Straßen nach ehemaligen jüdischen Familien bzw. Persönlichkeiten benannt, die „Weinthalslohne“ und die „Siegfried-Herz-Lohne“.

Zitatquellen

  1. http://www.alemannia-judaica.de/esens_friedhof.htm
  2. Herbert Obenaus (Hrsg.), Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen ISBN 3-89244-753-5

Siehe auch

Literatur

  • Gerd Rokahr: Die Juden in Esens. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Esens von den Anfängen im 17. Jahrhundert bis zu ihrem Ende in nationalsozialistischer Zeit.. Aurich 1987
  • Herbert Reyer, Martin Tielke (Hrsg.): Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland. Aurich 1988, ISBN 3-925365-40-0
  • Das Ende der Juden in Ostfriesland. Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlaß des 50. Jahrestages der Kristallnacht. Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1988, ISBN 3-925365-41-9