Bäcklund-Transformation

Transformation in nichtlinearen Differentialgleichungen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. April 2018 um 04:17 Uhr durch InternetArchiveBot (Diskussion | Beiträge) (InternetArchiveBot hat 2 Archivlink(s) ergänzt und 0 Link(s) als defekt/tot markiert. #IABot (v1.6.5)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Bäcklund-Transformationen (im Englischen auch Baecklund oder Backlund geschrieben) sind Transformationen der abhängigen und unabhängigen Variablen in nichtlineare Differentialgleichungen, die es ermöglichen Lösungen einer Gleichung oder Lösungen verschiedener Gleichungen miteinander zu verbinden. Sie sind in der Theorie der Solitonen wichtig.

Bäcklund-Transformationen werden nach Albert Bäcklund benannt, der sie in mehreren Arbeiten in den Mathematischen Annalen von 1875 bis 1882 behandelte[1][2], und zusätzlich manchmal nach Sophus Lie, der sie ebenfalls um 1880 in der Differentialgeometrie benutzte. Eine Zusammenfassung früherer Arbeiten gab Édouard Goursat[3] und Jean Clairin[4][5] gab Anfang des 20. Jahrhunderts eine Methode zur Erzeugung von Bäcklund-Transformationen an. Danach wurde es ruhig um die Methode, die eine Renaissance ab den 1970er Jahren in der Theorie der Solitonen (Lösungen nichtlinearer Differentialgleichungen) erlebte.

Bäcklund-Transformationen für die Sinus-Gordon-Gleichung, die schon im 19. Jahrhundert in der Differentialgeometrie (Flächen negativer Krümmung) betrachtet wurde, waren schon länger bekannt (von Bäcklund selbst), für die Korteweg-de-Vries-Gleichung gaben zuerst Hugo Wahlquist und Frank Estabrook 1973 eine solche Transformation an.[6] Eine Ableitung mit der Methode von J. Clairin gab George Lamb[7], der 1967 auch Multi-Soliton-Lösungen der Sinus-Gordon-Gleichung mit Bäcklund-Transformationen gewann[8], wobei die Sinus-Gordon-Gleichung diesmal in der Theorie ultrakurzer Laserpulse auftrat. Die Methode lieferte (neben der Inversen Streutransformation und der direkten Methode von Ryōgo Hirota) Methoden zur Lösung von nichtlinearen Evolutionsgleichungen, wobei sie meist auf Gleichungen in zwei unabhängigen Variablen angewandt wurde, doch sind auch Transformationen für mehr Variablen bekannt (wie für die KP-Gleichung).

Definition

In der ursprünglichen Definition[9] verbanden Bäcklund und Lie die Gleichungen von zwei Flächen  ,   im  , ihrer partiellen Ableitungen und den unabhängigen Koordinaten   bzw.   durch vier Gleichungen (Bäcklund-Transformationen):

 , (j=1,...,4)

wobei   die partielle Ableitung nach   andeutet und entsprechend für  . Die Gleichungen verbanden in damaliger Sprachweise zwei Flächenelemente. Eine der beiden Flächengleichungen   oder   war bekannt und man suchte die andere, wobei zusätzlich die Integrabilitätsbedingung:

 

herangezogen wurde (bzw. die analoge Integrabilitätsbedingung für  ). Von Goursat und Clairin wurde dies darauf erweitert, dass auch die zweiten Ableitungen in die Relationen einfließen konnten. In modernen Anwendungen sind   meist Lösungen von nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen (der gleichen Differentialgleichung oder verschiedenen), die miteinander über Bäcklundtransformationen verbunden werden.

Eine moderne geometrische Formulierung von Bäcklund Transformationen erfolgt über den Jet-Bündel-Formalismus, in dem Systeme partieller Differentialgleichungen als Untermannigfaltigkeiten eines Jet-Bündels betrachtet werden.[10][11]

Beispiel Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen

Ein einfacher Fall einer Bäcklund Transformation sind die Cauchy-Riemann-Differentialgleichungen zwischen Realteil   und Imaginärteil   einer holomorphen Funktion über   (die unabhängige komplexe Variable   habe Realteil   und Imaginärteil  ):

 

In diesem Fall sind sie Bäcklund-Transformationen zur Laplace-Gleichung  , die sowohl   als auch   als Lösung hat, damit die Integrabilitätsbedingungen   (und analog für  ) erfüllt sind.

Erfüllt   die Laplacegleichung, kann man umgekehrt über die Bäcklundtransformation ein   finden, dass ebenfalls die Laplacegleichung erfüllt. Der Fall ist hier sehr einfach gelagert, da die Transformationen und die zugehörige invariante Differentialgleichung linear sind.

Beispiel Sinus-Gordon-Gleichung

Die Lösung   der Sinus-Gordon-Gleichung:

 

kann durch eine Bäcklund-Transformation

 

(mit Parameter  ) mit einer anderen Lösung der Sinus-Gordon-Gleichung   verknüpft werden. Da hier Lösungen derselben Gleichung miteinander verknüpft werden spricht man von Auto-Bäcklundtransformation.

Beispiel Liouville-Gleichung

Eine Lösung   der nichtlinearen Liouville-Gleichung

 

kann über eine Bäcklund-Transformation von   zu  :

 

(mit einem Parameter  ) in eine Lösung   der linearen Gleichung:

 

transformiert werden und umgekehrt. Statt einer nichtlinearen Differentialgleichung muss man hier nur eine viel einfachere lineare Differentialgleichung lösen.

Beispiel Korteweg-de-Vries-Gleichung

Betrachtet wird eine Methode, mit Hilfe von Bäcklund-Transformationen neue Lösungen der Korteweg-de-Vries-Gleichung zu erhalten, wenn eine Lösung u schon bekannt ist (Auto-Bäcklund-Transformation).

Die KdV-Gleichung ist:

 

Gesucht wird folgendes Differentialgleichungspaar, wobei u, w Lösung der KdV Gleichung seien.[12]

 
 

wobei die Funktionen P, Q nur von den angegebenen Variablen, nicht von den partiellen Ableitungen von w abhängen, und   eine Konstante ist. Außerdem wird verlangt dass

  (Integrabilitätsbedingung).

Das Finden solcher Bäcklund-Transformationen ist nicht einfach. Hier liefert die Wahl

 
 

eine Bäcklundtransformation, denn aus der Integrabilitätsbedingung folgt, dass w, u die Gleichung:

 

für alle k erfüllen und aus der Ableitung dieser Gleichung nach   folgt, dass   die KdV-Gleichung erfüllt.

Hat man nun eine Lösung, kann man damit unendlich viele weitere konstruieren. Man startet zum Beispiel mit   und erhält:

 
 

Die Lösung ist   (mit  ), die 1-Solitonenlösung der KdV-Gleichung. Setzt man diese ein, erhält man die 2-Solitonenlösung usw. Explizit (mit dem   dem Sekans Hyperbolicus):

 

Führt man die Funktion   nach Estabrook und Wahlquist ein mit   ergibt sich:

 

die von derselben Form ist wie die Gleichung der ersten Näherung. Hier kann man nun eine weitere Lösung   einsetzen (oben wurde sie außer Acht gelassen da sie nicht beschränkt ist, hier wird sie aber in den Ansatz für   im Nenner eingesetzt) und man erhält die 2-Soliton-Lösung.

Robert Miura benutzte 1968 eine Bäcklund-Transformation, um die Hierarchie unendlicher vieler Konstanten der Bewegung bei der KdV-Gleichung zu erhalten.[13][14] Er schuf damit auch Verbindungen von der KdV-Gleichung zur sogenannten modifizierten KdV-Gleichung  .

Literatur

  • C. Rogers, W. Shackwick: Bäcklund transformations and their applications, Elsevier, Academic Press 1982
  • C. Rogers, W. K. Schief: Backlund and Darboux Transformations, Cambridge University Press 2002
  • R. Miura (Hrsg.): Bäcklund Transformations, the Inverse Scattering Method, Solitons, and Their Applications. New York: Springer-Verlag, 1974.
  • G. Lamb: Bäcklund transformations at the turn of the century, in R. M. Miura (Hrsg.), Bäcklund transformations, Springer, Lecture notes in Mathematics 515, 1976, S. 69–79

Einzelnachweise

  1. Bäcklund, Zur Theorie der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung, Mathematische Annalen, Band 17, 1880, S. 285–328, SUB Göttingen
  2. Bäcklund, Zur Theorie der Flächentransformationen, Mathematische Annalen, Band 19, 1882, S. 387–422, SUB Göttingen
  3. Goursat, Lecons sur l´intégration des equations aux derivées partielles du second ordre, Band 2, 1902
  4. Clairin, Sur les transformations de Baecklund, Annales scientifiques de l'École Normale Supérieure, Sér. 3, 19 (1902), p. 3-63, numdam (Memento des Originals vom 18. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.numdam.org
  5. Clairin, Sur quelques équations aux dérivées partielles du second ordre, Annales de la Faculté des sciences de Toulouse : Mathématiques, Sér. 2, 5 no. 4, 1903, S. 437–458, numdam (Memento des Originals vom 18. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.numdam.org
  6. Wahlquist, Estabrook, Backlund transformations for solutions of the Korteweg-de-Vries equation, Phys. Rev. Lett., Band 31, 1973, S. 1386
  7. G. L. Lamb, Bäcklund transformations for certain nonlinear evolution equations, J. Math. Phys., Band 15, 1974, S. 1257–1265
  8. Lamb, Propagation of ultrashort laser pulses, Phys. Lett. A, Band 25, 1967, S. 181–182
  9. Zum Beispiel C. Rogers, W. F. Shadwick, Bäcklund transformations and their applications, Academic Press 1982, S. 15
  10. C. Rogers, W. F. Shadwick, 1982, Kapitel 2
  11. Felix Pirani, D. C. Robinson, W. F. Shackwick, Local jet bundle formalism of Bäcklund transformations, Reidel 1979
  12. Die Darstellung folgt E. Infeld, G. Rowlands, Nonlinear Waves, Solitons and Chaos, Cambridge UP 1990, S. 196ff. In der Literatur finden sich auch andere Bäcklund-Transformationen der KdV.
  13. Miura, Korteweg-de-Vries equation and generalizions 1, 2, J. Math. Phys., Band 9, 1968, S. 1202, 1204
  14. Infeld, Rowlands, loc. cit., S. 191