Mykorrhiza

symbiontische Pilze im Wurzelwerk
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Als Mykorrhiza (vom altgriechischen μυκης (mykes) = Pilz und ριζα (rhiza) = Wurzel) bezeichnet man eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen, in der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt ist.

Die Mykorrhizapilze liefern der Pflanze Nährsalze und Wasser und erhalten ihrerseits einen Teil der durch die Photosynthese der (grünen) Pflanzen erzeugten Assimilate. Die Mykorrhizapilze verfügen über ein im Vergleich zur Pflanze erheblich größeres Vermögen, Nährstoffe und Wasser aus dem Boden zu lösen. Häufig wird die Wasser-, Stickstoff- und Phosphat-Versorgung der infizierten Pflanzen verbessert, weiterhin bietet die Mykorrhizierung einen gewissen Schutz vor Wurzelpathogenen und erhöht allgemein die Trockenresistenz der Pflanzen, was vor allem an extremen Standorten von Vorteil sein kann.

Zum optimalen Wachstum sind viele Pflanzenarten auf spezifische Mykorrhizapilze angewiesen. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist jedoch weitgehend unklar, warum der Mykorrhizapartner immer als Mutualist auftreten sollte. Symbiosen sind generell anfällig für Ausbeuter und Täuscher (engl. "cheater"), denn es ist immer kostengünstiger für den täuschenden Partner, die Vorteile der Partnerschaft zu nutzen (z.B. freier Kohlenstoff von der Pflanze) und keine Gegenleistung (z.B. Nährstoffe) zu liefern. Neuere Konzepte in der Mykorrhiza-Pflanzen-Symbiose gehen daher von einem Gradienten der Beziehungen aus, der von Mutualismus bis zu striktem Parasitismus reicht. Auch Pflanzen versuchen, von Mykorrhizapilzen zu profitieren, ohne Gegenleistungen zu erbringen. Mykorrhiza-Parasiten unter Pflanzen findet man unter Orchideen und chlorophyllfreien Schmarotzerpflanzen. Die Mechanismen der gegenseitigen Manipulation und Täuschung zwischen Symbiosepartnern ist eines der spannendsten Forschungsgebiete moderner Ökologie.

Mykorrhizapilze gehören zu einem wesentlichen Bestandteil des Ökosystems des Tropischen Regenwaldes.

Es wird vermutet, dass die Mykorrhiza überhaupt erst die Landbesiedelung der ersten terrestrischen Pflanzen ermöglichte. Weltweit gibt es ca. 200 Arten von VA-Mykorrhizapilzen (siehe unten), die mit ca. 90% aller Landpflanzenarten in Symbiose stehen. Eine solche unspezifische Symbiose kann sich wohl nur schwer nachträglich entwickelt haben.

Begon, Harper und Townsend schreiben in ihrem "Lehrbuch der Ökologie" (1986) sogar: "Die meisten höheren Pflanzen haben keine Wurzeln, sie haben Mykorrhizen." (im engl. Original: "Most higher plants do not have roots, they have mycorrhizae.") Das Zitat stammt vom amerikanischen Pflanzenpathologen Stephen William und lautet im Original: '...in agricultural field conditions, plants do not, strictly speaking, have roots, they have mycorrhizas.'


Systematik

Aufgrund spezifischer Eigenschaften werden die Mykorrhizen traditionell in drei verschiedene Klassen eingeteilt:

  • Ektomykorrhiza: Der Mykorrhizapilz umhüllt die Saugwurzeln der Pflanzen und dringt in interzelluläre Bereiche der Wurzelrinde ein. Diese Form der Mykorrhiza ist typisch für Bäume aus den Familien der Birken-, Buchen-, Kiefern-, Weiden- und Rosengewächse. Pilzpartner sind meist Ständerpilze aus den Ordnungen Boletales und Agaricales, in seltenen Fällen Schlauchpilze wie die Trüffel und spezielle Becherlinge wie der Zedern-Sandborstling. Während die meisten Pflanzenpartner an geeigneten Standorten auch ohne Pilz gedeihen können, gibt es unter letzteren einige, die obligat auf Pflanzen als Partner angewiesen sind. Es wird angenommen, dass sehr viele Großpilze zur Ektomykorrhiza fähig sind - bei uns in Mitteleuropa über 1.000 Arten aus den Gattungen Schleierlinge, Täublinge & Milchlinge, Ritterlinge, Schnecklinge, Wulstlinge & Knollenblätterpilze, Pfifferlinge.
  • Endomykorrhiza: Ein Teil der Hyphen des Pilzes dringt in die Zellen der Wurzelrinde des Pflanzenpartners ein. Letztere sind überwiegend Kräuter, Stauden und Gräser, nur in seltenen Fällen Bäume. Gewächse folgender Familien stehen fast immer mit einem Pilzpartner in Symbiose: Heidekraut-, Wintergrüngewächse und Orchideen. Die symbiotischen Pilze sind zumeist Ständerpilze aus der Ordnung Tulasnellales, sowie deren anamorphe Formen Rhizoctonia und Orcheomyces. Zumindest bei Orchideen ist diese Form der Endomykorrhiza obligatorisch für ihre Entwicklung.
  • VA-Mykorrhiza (vesikulär-arbusculäre M.), eine besondere Form der Endomykorrhiza: typisch für die häufigste Art von Mykorrhiza sind die Bildung von Vesikeln - d. h. im Wurzelgewebe der Partnerpflanze bilden sich dickwandige Pilzzellen - und Arbuskeln - das sind verzweigte, zarte Hyphen in Bäumchenform innerhalb der Wurzelzellen. Diese Art der Mykorrhiza wird nur von wenigen Arten der Familie Endogonaceae aus der Klasse der Zygomycetes gebildet. Die Zahl der Pflanzen, die von der VA-M. profitieren können, ist jedoch sehr groß. Darunter sind viele Nutzpflanzen, deren durch VA-M. gesteigerte Phosphat-Versorgung sich steigernd auf ihren Ertrag auswirken kann. In jüngster Zeit spricht man eher von Arbuskulärer Mykorrhiza und ordnet die beteiligten Pilze den Arbuskulären Mykorrhizapilzen und der neu geschaffenen Abteilung der Glomeromycota zu [1].

Eine andere Einteilung unterscheidet zwischen fünf mutualistischen (Ekto-, Ekt-Endo-, arbutoider, ericoider und V/A-) und zwei antagonistischen (Orchideen- und monotropoider) Mykorrhizen (nach Smith & Read 1997, verändert).

Gemeinsam ist allen drei Formen, dass pilzliche Hyphen den Boden durchziehen und Nährstoffe zu den Pflanzen transportieren.