Emanuel Ringelblum

polnischer Historiker, legte im Warschauer Ghetto das Untergrundarchiv Oneg Szabat an
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Dr. phil. Emanuel Ringelblum (* 12. November 1900; † März 1944) war ein polnisch-jüdischer Historiker, Politiker, Pädadoge und Publizist, der unter der deutschen Herrschaft im Generalgouvernement das Untergrundarchiv Oneg Szabat des Warschauer Ghettos aufbaute und leitete.

Leben

Emanuel Ringelblum wurde am 21. November 1900 in Buczacz als Sohn eines Lehrers im damals österreichischen Galizien geboren. Diese Stadt liegt heute in der westlichen Ukraine in der Oblast Ternopil. Kindheit und Jugend verbrachte er in Nowy Sącz. 1927 promovierte er an der Universität Warschau mit einer Arbeit über die Geschichte der Juden im Mittelalter.

In den politisch bewegten Jahren der jungen Republik Polen trat er der linkszionistischen Partei Linke Poale Zion bei und wurde schnell zu einem ihrer führenden Vertreter. Er propagierte einen proletarischen Palästinismus, der die Gründung eines sozialistischen jüdischen Territoriums in Palästina auf der Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens mit der dortigen arabischen Bevölkerung anstrebte.

Mehrere Jahre arbeitete er als Geschichtslehrer an jüdischen Schulen. 1938 wurde er als Vertreter des Joint Distribution Committee in das Auffanglager Zbąszyń (bis 1918: Bentschen) an der Grenze zu Deutschland geschickt, um die dorthin Ende Oktober 1938 vertriebenen 6.000 polnischen und staatenlosen Juden caritativ zu betreuen.

Emanuel Ringelblum wurde am 7. März 1944 mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn und anderen Untergetauchten in seinem Versteck aufgestöbert. Einige Tage später wurden alle, zusammen mit den polnischen Beschützern, im Warschauer Pawiak-Gefängnis von Deutschen erschossen.

Das Ringelblum-Archiv

Am 22. Juli 1942 begann die Große Aussiedlung der Warschauer Juden in das Vernichtungslager Treblinka. Anfang August sicherten die Mitarbeiter des Untergrundarchivs ihre wertvollen Bestände: zehn wasserdichte Metallkisten für Dokumente wurden angefertigt und im Keller einer ehemaligen Schule im Ghetto eingemauert. Ein mithelfender 18jähriger Schüler schrieb noch rasch seinen Lebenslauf und sein Vermächtnis:

Ich möchte den Augenblick erleben, wenn die Schätze, die wir hier verstecken, ausgegraben werden und die Welt die ganze Wahrheit erfährt. Glücklich sei, wem das Schicksal diese Leiden erspart hat! Und wir werden uns fühlen wie Veteranen mit Orden auf der Brust, wie die Weisen, die in die Zukunft schauen.

Nach der Befreiung begannen überlebende Mitarbeiter Ringelblums mit der Suche nach dem verborgenen Untergrund-Archiv. Im September 1946 wurden die zehn Blechkisten mit 1208 Archivalien tief unter den Trümmern des Hauses wieder gefunden. Im Dezember 1950 wurden bei einer weiteren Suchaktion zwei große Milchkannen mit 484 Archivalien geborgen. Von der dritten Abteilung des Archivs fanden sich an anderer Stelle nur eine Anzahl halbzerstörter Blätter. Der vierte und letzte Teil mit Ringelblums letzten Arbeiten aus den Jahren 1943 und 1944 war noch während des Kriegs bei polnischen Freunden versteckt worden und wurde später an das Museum der Ghettokämpfer im Kibbuz Lochamei Hagetaot (Israel) abgegeben.

Eine umfassende Edition der Dokumente des Ringelblum-Archivs ist in Arbeit.

Literatur

  • Emanuel Ringelbaum: Notes from the Warsaw Ghetto, New York 1958.
  • Joseph Kermish (Hrsg.): To Live with Honor and Die with Honor. Selected Documents from the Warsaw Ghetto Underground Archives "O.S." ("Oneg Shabbath"). Yad Vashem, Jerusalem 1986.
  • Ruta Sakowska: Die zweite Etappe ist der Tod. NS-Ausrottungspolitik gegen die polnischen Juden, gesehen mit den Augen der Opfer. Ein historischer Essay und ausgewählte Dokumente aus dem Ringelblum-Archiv 1941-1943. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 3894680776.