Rotwelsch

deutscher Soziolekt
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Rotwelsch (oder Gaunersprache) ist ein Sammelbegriff für Geheimsprachen oder Soziolekte sozialer Randgruppen auf Basis des Deutschen, wie sie früher besonders bei Landstreichern, fahrenden Handwerkern und anderen Vertretern der 'classes dangereuses' verbreitet waren. Zu den Gründen für den Gebrauch des Rotwelschen gehört, sich als Mitglied einer Gruppe den anderen Mitgliedern zu erkennen zu geben, die Kommunikation zwischen den Mitgliedern gegen Aussenstehende, insbesondere gegen die staatliche Obrigkeit abzuschirmen, sowie bei Gruppen, die sich aus Sprechern unterschiedlicher sprachlicher Herkunft zusammensetzen, die Verständigung in den für die gemeinsame Berufsausübung oder Lebenspraxis wichtigen Angelegenheiten durch die Einhaltung eines vereinbarten Codes mit relativ festgelegten Bedeutungen zu sichern.

Die Bildung der rotwelschen Soziolekte beruht lexikalisch auf Entlehnung aus Dialektvarianten und anderen Soziolekten des Deutschen, aus dem Hebräischen und Jiddischen, aus dem Romani und aus Nachbarsprachen des Deutschen, ferner auf Bedeutungsübertragung und Bedeutungsverschiebung, Bildung neuer Komposita, Affigierung, Suffigierung und Permutation (u.a. Verlan, Kedelkloppersprook).

Heute hört man Rotwelsch noch bei reisenden Handwerkern sowie bei den Landstreichern, Berbern und Bettlern. Auch in einigen fränkischen und schwäbischen Gemeinden, wo fahrendes Volk angesiedelt wurde, existieren noch viele Begriffe aus dem Sprachschatz des Rotwelschen, so zum Beispiel in Schillingsfürst und Schopfloch (Franken).

Viele rotwelsche Begriffe fanden Eingang in die Umgangssprache.

Zur Gaunersprache gehört in gewissem Sinne auch das Zinken.

Beispiele

  • ankobern -> anmachen
  • baldowern -> nachforschen
  • fechten -> betteln
  • Hoch -> vornehm
  • Kachnitrümmer -> Hühnerfrikassee
  • Krauter -> Chef eines (kleinen) Handwerkbetriebes
  • Kreuzspinne -> Weste
  • Platte machen -> auf der Straße leben, im freien nächtigen
  • Puhler -> Polizist (Ursprung des Begriffes 'Bulle')
  • schenigeln -> arbeiten
  • Schleimige Kermies -> Regenwurm
  • Schokelmei -> Kaffee
  • Sore -> Diebesgut, Hehlerware
  • Stachelingo -> Igel
  • Stapeln -> Betteln
  • Stenz -> Wanderstock des Handwerksburschen
  • wo der Bartl de Most herholt -> eine Erklärungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass die beiden Wörter "Bartl" und "Most" auch Entstellungen sein könnten, zweier hebräischer Wörter, die über das Rotwelsche ins Deutsche gelangt sind. "Bartl" wäre dann verfremdet aus "Barsel" abgeleitet - das eigentlich Eisen heißt, aber auch im biblischen Hebräisch schon eiserne Geräte wie Pfannen oder Waffen oder Werkzeuge bezeichnen kann. In diesem Fall wäre es wohl das Brecheisen, denn "Most" hätte sich entwickelt - nach dieser Erklärung - hebräisch "Moos", das bedeutet Geld. Also "wo man mit dem Brecheisen an Geld kommt".
  • Wolkenschieber -> Barbier

andere Gaunersprachen

Literatur

  • Roland Girtler: Rotwelsch. Böhlau, Wien 1998, ISBN 3-205-98902-3
  • Friedrich Kluge: Rotwelsches Quellenbuch ("Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen"; Bd. 1; mehr nicht erschienen). DeGruyter, Berlin 1987, ISBN 3-11-010783-X (Repr. d. Ausg. Straßburg 1901.
  • Günter Puchner: Kundenschall. Das Gekasper der Kirschenpflücker im Winter. Dtv, München 1976, ISBN 3-423-01192-0
  • Klaus Siewert (Hrsg.): Rotwelsch-Dialekte. Symposium Münster 10.-12. März 1995. Harrassowitz, Wiesbaden 1996, ISBN 3-447-03788-1
  • Siegfried A. Wolf: Wörterbuch des Rotwelschen. Deutsche Gaunersprache. Buske, Hamburg 1994, ISBN 3-87118-736-4
  • L. Günther: Deutsche Gaunersprache und verwandte Geheim- und Berufssprachen, 1919, Reprint, Reprint-Verlag Leipzig, ISBN 3-8262-0714-9

Siehe auch

Wiktionary: rotwelsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Lottegorisch (Carlsberg), Manisch, Masematte (Münster), Mattenenglisch, Sintitikes, Töddensprache, Gefängnis-Jargon, Hundeshagen (Kochum)