Welt im Spiegel

Kolumne in der Satire-Zeitschrift pardon
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Welt im Spiegel (WimS) war 1964 - 1976 eine doppelseitige Rubrik in der im Frankfurter Verlag Bärmeier & Nikel erscheinenden satirischen Monatszeitschrift "pardon".

Hier veröffentlichten, auch unter verschiedenen Pseudonymen, vor allem ihre drei Erfinder Robert Gernhardt, F. W. Bernstein (= Fritz Weigle) und Friedrich-Karl Waechter kurze Texte, in denen sie mit fast allen journalistischen und literarischen Gattungen von der einfachen Meldung über den Kommentar, das Interview und das Tagebuch bis zum Feuilleton, Gedicht und Aphorismus spielten. Außerdem zeichnete sich WimS durch zahlreiche selbstständige (z. B. "Jochen" von F. K. Waechter) oder illustrative Zeichnungen, Comic Strips (z. B. "Schnuffis Abenteuer" von R. Gernhardt) oder (verfremdete) Fotos aus. Im Kopfteil dieser "pardon"-Beilage erschien das triviale lateinische Motto: PRO BONUM - CONTRA MALUM (Für das Gute, gegen das Böse).

Die Beliebtheit dieser Rubrik erklärt sich aus der Vielfalt der Themen und Formen auf engstem Raum, aus dem Gegensatz zwischen täuschend echtem Ernst und dessen implosionsartiger Beseitigung durch absurde Prämissen und Schlußfolgerungen sowie aus dem stupenden Reichtum an visuellen Effekten und intellektueller Akrobatik. Der hier geballt versammelte Nonsens(e) hat trotz aller Abseitig- und Hirnrissigkeit stets auch Bezug zur medialen Realität (wie schon im Titel und seiner Gestaltung angedeutet), wenngleich hauptsächlich das spielerische Moment, die geniale zeichnerische Phantasie und die lustbetonte Tendenz zum kontrollierten Wahnsinn seitens der drei Stammautoren dem "pardon"-Leser einmal im Monat die ersehnte mentale Entladung und kurzfristige Befreiung aus seinem (alt-)bundesrepublikanischen Alltag brachten.

Der redaktionsintern gebrauchte Ausdruck "verWimSen" bezeichnete die Umsetzung von realen Personen, Ereignissen, Meldungen und Meinungen auf die Ebene eines höheren Blödsinns, der wiederum den alltäglichen Wahnsinn erst erträglich machte. Dabei setzten die sprachgewitzten Autoren bei ihren Lesern sowohl eine umfassende Allgemeinbildung als auch überdurchschnittliche geistige Beweglichkeit und nicht zuletzt eine gewisse Toleranz gegenüber bisher in der deutschsprachigen Literatur seit Morgenstern, Ringelnatz, Eugen Roth usw. nicht gewagten Kalauern voraus.

Alle Ausgaben von "WimS" sind als Reprint bei Zweitausendeins, Frankfurt/Main 1979 und in zahlreichen weiteren Auflagen erschienen:

Robert Gernhardt, F. W. Bernstein, F. K. Waechter: Welt im Spiegel. WimS 1964 - 1976.

Das Buch enthält außerdem Beiträge zur Vor- und Wirkungsgeschichte von "WimS".