Slum

übervölkertes und verwahrlostes Elendsviertel einer Stadt
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Ein Slum ist ein verwahrloster, verfallener Teil einer Stadt. Im ursprünglichen Sinne bezeichnet der Begriff heruntergekommene Kernstadtgebiete, die oft vor dem Verfall von der Mittel- oder Oberschicht bewohnt wurden. Umgangssprachlich werden heute jedoch generell übervölkerte und verwahrloste Teile von Städten, die gewöhnlich von sehr armen Leuten bzw. städtischen Zuwanderern bewohnt werden, als Slum bezeichnet und damit die informellen Siedlungen, d.h. randstädtische Elendsviertel eingeschlossen. Charakteristisch sind eine heruntergekommene Bausubstanz und schlecht ausgebaute Infrastruktureinrichtungen.

Slum in Jakarta, 2004
Slum in Jakarta
Datei:Glasgow-slum.png
Slum in Glasgow, 1871

Vorkommen

Slums finden sich in den meisten großen Städten der Welt.

Meistens sind Slums durch hohe Armutsrate und Arbeitslosenrate gekennzeichnet. Sie Kennzeichnen sich oft durch konzentration sozialer Probleme wie Kriminalität, Drogenmissbrauch, Alkoholismus und Verzweiflung. In vielen armen Ländern sind sie aufgrund der schlechten sanitären Bedingungen Brutstätten von Krankheiten.

Die Entstehung von Slums wird im wesentlichen durch zwei Phänomene begünstigt. Zum einen wird durch starken Zuzug (z.B. Landflucht) in Ballungsräume und dem damit verbundenen demographischen Wandel innerhalb eine Zeitraums von weniger als einer Generation die Möglichkeiten zur Assimilierung der neuen Bevölkerung in die Stadt verunmöglicht. Zum anderen tendiert die städtische Bevölkerung dazu, sich zu ihresgleichen zu gesellen. Durch innerstädtische Wanderungsbewegungen erfolgt damit eine Segregation in verschiedene Nachbarschaften. Diese beiden Phänomene begründen für sich aber die Entstehung von Slums noch nicht. Sie führen in einer ersten Stufe zur Bildung von Ghettos. Die Siedlungsbereiche der schwächsten Bevölkerungsgruppen in diesem Gefüge können sich aber im Lauf der Zeit zu Slums verwandeln. Die Rolle der innerstädtische Verkehrswege bei dieser Entwicklung ist ambivalent, da deren eigentlicher Zweck – nämlich Stadtteile zu verbinden - in der Praxis von deren Trennungswirkung übertönt wird. Im besonderen gilt das für höherrangige Straßen deren Querung für Bewohner ohne Fahrzeug erschwert wird und die so zu innerstädtischen Stadtmauern werden.

Nicht alle Siedlungen, die äußerlich von einem westlich geprägten Beobachter als Slum interpretiert werden, erfüllen bei näherer Betrachtung die Kriterien, die einen Slum kennzeichnen. Städteplaner attestieren manchen Favelas (z.B. im Umfeld von Caracas) bereits urbane Qualitäten, die man in mittelalterlichen Stadtkernen findet. Dazu gehören funktionierende Nachbarschaften, kurze Wege, moderate Durchmischung von Wohn- und Gewerbenutzungen – kurzum die Gestaltung der Umwelt in einem menschlichen Maß. Das kommt nicht von ungefähr, da der materielle Mangel der Bewohner dazu führt, dass den Maßstab sprengende Bauten gar nicht errichtet werden können. Wesentlich an diesen Stadtteilen ist die hohe Bebauungsdichte bei gleichzeitig guter Außenraumqualität. Sie wird vor allem durch das Fehlen oder auch Ausschließen des Autoverkehrs erzielt. Wozu sollte man für Auto planen, wenn man sie sich ohnehin nicht leisten kann. Man darf sich dabei aber nicht von sozialromantischen Vorstellungen blenden lassen; natürlich gibt es auch dort – so wie in den alten mittelalterlichen Stadtkernen Europas noch vor 70-100 Jahren hygienische Probleme die gelöst werden müssen (z.B. fehlende Kanalisation).

Slums die aus der Landflucht heraus entstanden sind, sind sozial wie technisch ähnlich organisiert, wie die dörflichen Strukturen in der Heimat der Landflüchtigen. Stadtplaner scheitern hier regelmäßig an der Unmöglichkeit eine agrarisch geprägte Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit stadttauglich zu machen. Das liegt aber z.T. auch daran, das sich die idealtypischen Vorstellungen einer Stadt nach der Charta von Athen v.a. für die postindustriellen Städte nicht praktikabel sind.

Multizentrale Städte mit kleinen selbstorganisierenden, aber durchmischten Nachbarschaften sind am ehesten geeignet gegenseitige Verantwortung der Bevölkerung zu bilden und zu fördern und so dazu beizutragen, dass aus ärmlichen Stadtvierteln keine Slums werden, sondern sukzessive eine Verbesserung des Standards erreicht wird. Wesentlich dabei ist natürlich auch, das Bildungsniveau der Bevölkerung zu erhöhen (Hilfe zu Selbsthilfe).

Die Slums heutiger westlicher Großstädte sind nicht mit den aus der Landflucht entstandenen Slums voriger Jahrhunderte oder auch Slums in der Dritten Welt zu vergleichen. Sie sind meist vorwiegend aus der Segregation von Nachbarschaften entstanden. Die weitere Folge ist eine sukzessive Zurücknahme der öffentlichen Infrastruktur aus diesen Gebieten. Slums dieser Art entstehen vorwiegend in Städten mit hohem Flächenverbrauch – die also mit ihrer Infrastruktur wie mit einer zu kurzen Bettdecke verfahren. Wächst irgendwo etwas neues, so wird die Infrastruktur dort knapper, wo sich die Schwächsten der Bevölkerung befinden. Auch hier könnte durch ähnliche technische Lösungsansätze eine Verbesserung der Situation erzielt werden – allerdings mit dem Vorteil, dass die dortige Bevölkerung prinzipiell bereits städtisch geprägt ist.

Von derartigen Slumbildungen bleiben jedoch die Großstädte allein nicht verschont, da bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (in den USA 20-30 Jahre früher) die Stadtflucht einsetzte. Damit stehen nun ehemals dörfliche Gemeinden vor ähnlichen Problemen, wie Städte. Das Leben als Pendler ist heute für viele Arbeiter und Angestellte Realität. Das Ende der Finanzierbarkeit dieses Lebensstils ist jedoch absehbar und damit auch der Niedergang ländlicher Schlafstädte.

Viele Regierungen der Welt versuchen, das Problem der Slums zu lösen, indem sie die bauanfälligen alten Gebäude abreißen und sie durch moderne, meistens stark verdichtete Wohnsiedlungen mit besseren sanitären Anlagen ersetzten. Solche Lösungsversuche scheitern jedoch oft, da sie nur bedingt auf die sozialen Probleme der Bevölkerung wirken.

In Indien spricht man so von bazars, im Mittleren Osten von compounds, in Peru von gurios als Bezeichnung für Slums, während Marginalsiedlungen in Argentinien Villa Miserias, in Brasilien Favelas und in der Türkei Gecekondu genannt werden.

In Deutschland wurden in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg sog. Trabantenstädte gebaut, die sich als städtische Fehlplanungen herausstellten und aufgrund mangelnder Lebensqualität das Publikum, das man sich als Zielgruppe vorstellte, nicht großartig angesprochen haben. Dadurch wurden Wohnungen zu Sozialwohnungen umfunktioniert oder durch die niedrigen Mietpreise für Einkommensschwache lukrativ. Gleichzeitig entstanden ganze Siedlungen durch den sozialen Wohnungsbau, ohne über die Folgen nachzudenken. Alte Wohnsiedlungen in den Innenstädten hingegen werden aufgrund der hohen Grundstückswerte gerne frühzeitig saniert oder zu Gewerbegebieten umfunktioniert. Die Folge ist, daß man soziale Brennpunkte in Deutschland vergleichsweise selten in Form von Slum-Vierteln in den Innenstädten findet, dafür in fehlgeplanten Vororten um so häufiger.

Vielfach scheinen auch diese Städte an den Mobilitätsbedürfnissen der Bewohner vorbeigeplant zu sein. Großartige Straßenachsen und schlechte ÖPNV-Anbindungen runden hier das negative Bild einer oftmals autogerechten Stadt ab, die dem Menschen keine Idenifikationsmöglichkeit und keine Möglichkeit zur emotionalen Aneignung offen läßt.

Siehe auch

Commons: Slums – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien