Juan Luís Vives (Johannes Ludwig Vives) (* 6. März 1492 in Valencia,† 6. Mai 1540 in Brügge) war ein spanischer Humanist, Philosoph und Lehrer.
Vives Eltern waren zum Christentum übergetretene Juden. Dem Vater wurde von der spanischen Inquisition ein Rückfall zum Judentum vorgeworfen, sein Prozess endete mit der Todesstrafe.
Vives studierte von 1509 bis 1512 Philosophie und Theologie an der Sorbonne in Paris, wo er mit den Gedanken des Humanismus in Kontakt kam. 1512 zog er von Paris nach Brügge, wo er die Tochter einer spanischen Kaufmannsfamilie unterrichtete und 1524 heiratete. Ab 1516 hielt sich Vives hauptsächlich in Leuven (Löwen) auf, wo er schließlich eine Lehrerlaubnis an der Katholischen Universität erhielt. In dieser Zeit lernte er Erasmus von Rotterdam kennen, den er sehr bewunderte und dessen Bekanntschaft für ihn die vollständige Hinwendung zum Humanismus bedeutete. Mit dessen Hilfe erstellte er einen umfangreichen Kommentar zu Augustinus von Hippos De Civitate Dei. Das Werk wurde 1522 veröffentlicht.
Vives bemühte sich um die Nähe des kaiserlichen Hofes, wurde aber im Rahmen seiner Bewerbungen um Hoflehrertätigkeiten Opfer einiger Intrigen, die ihm die Arbeit unmöglich machten. Während seines bis 1523 andauernden Aufenthaltes in Löwen verfasste er bereits mehrere Schriften, in denen er sich gegen die Scholastik und den mit Aristoteles verbundenen Autoritätsglauben aussprach, während er selbst verstärkte Forschung mit neuen, eigenen Experimenten forderte. Doch aufgrund der im Mittelalter vorherrschenden Meinung, Aristoteles hätte bereits das gesamte Wissen zusammengetragen, waren Experimente damals verpönt und Vives erregte mit seinen Ansichten Anstoß.
1523 wurde er von dem englischen Kardinal Thomas Wolsey zu einem Besuch auf der Insel aufgefordert. Vives wurde an den englischen Hof gerufen, wo er die Tochter von Heinrich VIII., spätere Königin Maria I., unterrichtete. Für sie arbeitete er den Studienplan De ratione studii puerilis epistolae duae (1523) aus. Vives genoss hohes Ansehen und wurde von Heinrich VIII. als hervorragender Humanist gefördert. Er residierte am Corpus Christi College in Oxford, wo er seinen Doktor der Rechtswissenschaften machte und Philosophie- und Griechisch-Vorlesungen hielt. Der Aufenthalt in England wurde nur von kurzen Besuchen in Brügge zum Zwecke seiner Heirat mit Margarete Valdaura, 1524, unterbrochen, wobei seine Frau jedoch in Brügge wohnen blieb.
In den Folgejahren versuchte Vives, die Politik Heinrichs VIII. zu beeinflussen. So verurteilte er die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den christlichen europäischen Nationen und machte auf die aktute Gefahr durch die Türken in verschiedenen Briefen an die europäischen Monarchen sowie den Papst aufmerksam. Vives setzte besonders hohe Hoffnungen in Kaiser Karl V. ("Habsburger Friedenskaiser").
Doch 1527 kam es zum Zerwürfnis mit dem englischen König. Er verlor die königliche Protektion, nachdem er sich gegen des Königs Scheidung von Katharina von Aragón ausgesprochen hatte, wobei er Partei für die verstoßene Ehefrau und gegen Heinrich VIII. ergriff. Für sechs Wochen wurde er deswegen unter Hausarrest gestellt und anschließend aus dem Lande verwiesen.
Nach Brügge zurückgekehrt litt er nun finanzielle Nöte, die erst durch eine kleine Rente von Kaiser Karl V. gemildert wurden. Er lebte von da an bis zu seinem Tod in Brügge, mit einer zwischenzeitlichen Flucht vor der Pest nach Lille und anschließend nach Paris sowie einer Beratertätigkeit bei der Herzogin von Nassau, 1537-39.
Er veröffentlichte zahlreiche Werke, die zumeist die herrschende Schulmeinung kritisierten. Das bedeutendste Werk dieser Zeit ist De Causis Corruptarum Artium. Vives konnte sich den Ruf des Begründers der modernen Pädagogik erarbeiten. Sein pädagogisches Hauptwerk De tradendis disciplinis (1531) leitete den Fortschritt der Wissenschaften mit ein. Vives stand ein für echtes Sachwissen, Erkenntnisse der Naturwissenschaften und die Nutzbarmachung der Natur für den Menschen. Er foderte die Abschaffung jeglicher veralterter Methoden im Erziehungs- und Lehrwesen und deklarierte sich damit eindeutig als Gegner der Scholastik. Vives vertrat die Ansicht, die Wissenschaft sei in ihrem Fortschritt eine Bestätigung des Christentums.
Desweiteren setzte er sich für die umfangreiche Erziehung der Frauen ein. Die Frau habe ein Recht auf Erziehung und Bildung, was das Studium der klassischen Sprachen Latein und Griechisch beinhalte. Mit seinen Werken erregte der Humanist großes Aufsehen; bald erschienen Übersetzungen dazu. Ein Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit war die Schrift De anima et vita (1538), sein psychologisches Hauptwerk, welche noch heute als Vorläufer der empirischen Psychologie angesehen wird.
Weitere Anliegen Vives' waren die Versorgung der Armen als nicht alleinige Aufgabe der Kirche, die vollständige Versorgung der Bevölkerung durch den Staat bis hin zu Arbeitsmöglichkeiten. Lediglich für Gedanken der Reformation konnte sich Vives nie begeistern und er lehnte eine Spaltung der Kirche strikt ab. Ziel müsse sachliche und friedliche Diskussion sein, denn es bestünde stets die Gefahr von Zwistigkeiten zwischen (der Freiheit der) Wissenschaft und kirchlicher Macht. Jede Form von Radikalität lehnte er - auch in Hinblick auf die Inquisition - ab.
Vives, konsequenter Gegner der Scholastik, ständig bemüht, alle Erkenntnisse aus der Natur zu ziehen, erkannte die Mänger der Wissenschaften seiner Zeit und setzte sich für neue Methoden in Bildungswesen und als erster für die Bildung der Frau ein. Im 16. und 17.Jh. gehörte er neben Erasmus von Rotterdam zu den meist gelesenen Autoren. Seine Popularität galt für die gesamte Neuzeit, danach sank das Interesse daran stark ab - bis zum Ende des 19.Jahrhunderts.
Werke
- De subventione pauperum 1526
- De Europae dissidiis et bello turcico 1526
- De officio maritii 1529
- De concordia et discordia in humano genere 1529
- Liber de pacificatione 1529
- De disciplinis libri 1531 (7 Bücher De causis corruptarum artium und 5 Bücher De tradendis disciplinis)
- Exercitationes animi ad deum 1535
- De Aristotelis operibus censura 1537
- De anima et vita 1538
Literatur
- Markus Wriedt: Art. Vives, Juan Luis. In: Theologische Realenzyklopädie 35 (2003), S. 173-177
- Christian Kahl: Art. Vives, Juan Luis. In: BBKL 24 (2005), Sp. 1493-1512
- Gregorio Mayáns y Siscar veröffentlichte eine komplette Zusammenstellung seiner Werke (Valencia, 1782).
- Adolfo Bonilla y San Martin: Luís Vives y la filosofla del renacimiento (Madrid, 1903)
- AJ Namèche: "Mémoire sur la vie et les écrits de Jean Louis Vives" in Mémoires couronnis par l'Académie Royale des sciences et belles-tettres de Bruxelles (Brüssel, 1841), vol. xv.
- A. Lange: Artikel in Encyklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtswesens (Leipzig, 1887), vol. ix.;
- Berthe Vadier: Un Moraliste du XVIieme siècle: Jean-Louis Vives et son livre de l'éducation de la femme chrétienne (Genf), 1892)
- G. Hoppe: Die Psychologie von Juan Luís Vives (Berlin, 1901).
Quelle
- Encyclopædia Britannica 1911
Personendaten | |
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NAME | Vives, Juan Luís |
KURZBESCHREIBUNG | spanischer Humanist und Lehrer |
GEBURTSDATUM | 6. März 1492 |
GEBURTSORT | Valencia |
STERBEDATUM | 6. Mai 1540 |
STERBEORT | Brügge |