Deutscher Tierschutzbund
Der Deutsche Tierschutzbund e.V. wurde im Jahre 1881 als Dachorganisation der Tierschutzvereine und Tierheime in Deutschland gegründet mit Sitz in Bonn. Er verfolgt den Tierschutzgedanken und setzt sich gegen den Missbrauch von Tieren ein. Er ist als Interessenverband in der Lobbyliste des Deutschen Bundestages registriert (Nr. 1076).[1]
Deutscher Tierschutzbund e.V. (DTSchB) | |
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Zweck: | Tierschutz, Tierschutzrecht, Naturschutz, Umweltschutz, Lobbyarbeit[1] |
Vorsitz: | Thomas Schröder |
Gründungsdatum: | 1881 |
Mitgliederzahl: | 800.000[1] |
Mitarbeiter | 205 (2023) |
Sitz: | Bonn |
Website: | www.tierschutzbund.de |

Geschichte
Der erste deutsche Tierschutzverein wurde vermutlich 1837 von dem evangelischen Pfarrer Albert Knapp in Stuttgart gegründet. In rascher Folge entstanden entsprechende Vereine im Gebiet des übrigen Deutschen Bundes. 1881 (nach anderen Angaben 1884[2]) wurde der Verband der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches gegründet, der als Dachverband und „Zentralorgan“ der deutschen Tierschutzvereine, auch im Ausland, dienen sollte. Der Verband konnte bis 1913 immerhin 222 der 413 deutschen Tierschutzvereine als korporative Mitglieder gewinnen.[3] Von seiner Gründung bis zu seinem Tod 1927 war der Kölner Kaufmann Otto Hartmann Vorsitzender. Der Verband bezeichnete sich zeitweise auch als Otto Hartmann-Bund.
Im Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (§ 360 Nr. 13) wurde nur als Übertretung mit Strafe bedroht, wer „öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder misshandelt.“ Geschützt wurde also nur das Empfinden der Menschen, nicht das Tier an sich. Die Tierschutzvereine forderten daher eine weitere Verstärkung des Tierschutzes und insbesondere auch eines Verbots der Vivisektion. 1885 wurden in Preußen mit dem Gossler-Erlass die vorhandenen Bestimmungen zur Vivisektion neu formuliert und moderat verschärft. Erst 1930 kam es mit dem sogenannten Grimme-Erlass des preußischen Innenminister Adolf Grimme zu einer weiteren Verschärfung der Vorschriften, die aber dem Verband der Tierschutzvereine bei weitem nicht genügte.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde am 24. November 1933 das Reichstierschutzgesetz verabschiedet, dass wesentlich durch die Vorarbeiten der deutschen Tierschutzvereine geprägt war. Es gehörte zu den zentralen frühen Gesetzgebungsmaßnahmen der Anfangszeit des Regimes und wurde auch intensiv propagandistisch begleitet. Tierschutz wurde von den Verbandsvertretern teilweise antisemitisch (vgl. Schächten) und biologistisch begründet, was zu einer ideologischen Nähe des nun als Reichstierschutzbund[4] bezeichneten Verbandes zu den Nationalsozialisten führte.[5] Ab 1938 war der Reichstierschutzbund gesetzliche Spitzenvertretung des Deutschen Tierschutzes, der Leiter des Reichstierschutzbundes musste Vereinsgründungen auf lokaler Ebene bewilligen.[6] 1945 wurde der Reichstierschutzbund aufgelöst.
Der Deutsche Tierschutzbund e. V. in seiner heutigen Form wurde 1948 gegründet. Auf personeller Ebene blieb man dabei dem Vorgänger Reichstierschutzbund verbunden.[7] Tierschutz wurde auf Basis einer moralischen Verpflichtung im Hinblick auf das menschliche Gegenüber betrieben. Mit dem Aufkommen der Tierrechtsbewegung in Deutschland bildeten sich daher seit den 1980er Jahren zahlreiche neue Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, die teilweise einen deutlich radikaleren Ansatz in Bezug auf Tierrechte haben.[8]
Selbstverständnis, Aufgaben und Ziele
Sein Selbstverständnis fasst der Verband so zusammen:[9]
„Jedes Mitgeschöpf hat Anspruch auf Unversehrtheit und ein artgerechtes Leben. Wir wollen, dass dieser Anspruch für alle Tiere verwirklicht wird – in der Wirtschaft, der Forschung, im Privathaushalt und wo immer der Mensch mit Tieren Umgang hat. Wir wollen, dass Tiere in ihren natürlichen Lebensräumen geschützt werden. Tier-, Natur- und Artenschutz sind für uns untrennbar miteinander verbunden. Der praktische Einsatz zum Wohl aller Tiere und die Förderung des Tier- und Naturschutzgedankens sind zentrale Aufgaben des Deutschen Tierschutzbundes.“
Hauptaufgaben sind die fachliche und finanzielle Unterstützung in Richtung Tierschutz und die Förderung des Tier- und Naturschutzgedankens. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Deutschen Tierschutzbundes ist der kontinuierliche Lobbyismus. Inhaltlich gesehen setzt sich der Deutsche Tierschutzbund aktuell für eine Änderung der Jagdgesetzgebung auf Bundes- und Länderebene ein, um der tierschutzwidrigen Tötung von Wildtieren zu begegnen und tritt für eine Novellierung der Gesetzgebung im Natur- und Artenschutz ein, um u. a. den internationalen Handel mit wildlebenden Tierarten weitestgehend zu beschränken. Er fordert Alternativen zur industriellen Massentierhaltung, wirbt für eine artgerechte Haltung und warnt vor der negativen Auswirkung auf das Klima durch beispielsweise Überdüngung, Überweidung und Brandrodung.
Rückblickend schreibt sich der Deutsche Tierschutzbund aufgrund seiner Aktivitäten folgende rechtliche Veränderungen als seine Erfolge in Deutschland zu:
- Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches: Tiere gelten infolge einer auf das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht zurückgehenden Änderung seit 1990 nicht nur als „Sachen“ (§ 90a BGB)
- Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz (Art. 20a GG)
- Deutschlandweite Reduzierung der Fahrtintervalle bei Tiertransporten auf maximal acht Stunden
- Stufenweises Tierversuchsverbot für Kosmetika in der Europäischen Union[10]
- Abschaffung der EU-Exportsubventionen für die Ausfuhr lebender Rinder zur Schlachtung in Drittländern
Struktureller Aufbau
Derzeitiger Präsident des Verbandes ist Thomas Schröder. Wolfgang Apel, der zuvor 18 Jahre das Amt des Präsidenten innehatte, wurde 2011 zum Ehrenpräsidenten gewählt.
Die Verbandszentrale befindet sich in Bonn. Bei ihr sind Geschäftsführung, Mitgliederbetreuung und Pressestelle sowie das Deutsche Haustierregister angesiedelt. Mit mehr als 730 angeschlossenen örtlichen Tierschutzvereinen in 16 Landesverbänden und über 520 vereinseigenen Tierheimen vertritt der Verband mehr als 800.000 Tierschützer.
Fachliche Grundlagen der Tierschutzarbeit bearbeitet die Akademie für Tierschutz in Neubiberg bei München. Sie unterhält ein Forschungslabor zur Weiterentwicklung tierversuchsfreier Methoden, beheimatet ebenfalls die Rechtsabteilung des Verbandes und bietet Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen an.
Um stärker auf die Tierschutzpolitik Einfluss zu nehmen, besitzt der Verband seit 2008 zusätzlich ein Büro in Berlin.
Darüber hinaus ist der Verband auch an weiteren Standorten tätig. So arbeitet er in Weidefeld bei Kappeln in Schleswig-Holstein im dortigen Tier-, Natur- und Jugendzentrum mit und kümmert sich unter anderem um nicht artgerecht gehaltene Tiere und um in Not geratene Wildtiere. Diesbezüglich unterhält er verschiedene Auffangeinrichtungen wie das Lissi-Lüdemann-Haus für notleidende und hilfsbedürftige Hunde. Dem Tierschutzzentrum Weidefeld angeschlossen ist das Tier-, Natur- und Artenschutzzentrum auf Sylt mit beispielsweise einer Erstaufnahmestation für verletzte oder verölte Seevögel und einem Informationszentrum für Tier- und Artenschutz. Auf einem 25.000 m² großen Waldgelände bei Anholt am Niederrhein nahe der niederländischen Grenze betreibt er gemeinsam mit der International Bear Federation eine Auffangstation für Großbären. In Odessa (Ukraine) unterhält er außerdem ein weiteres Tierschutz- und Kastrationszentrum, das in Osteuropa Modellcharakter genießt.
Der Verband ist vernetzt mit verschiedenen Partnerorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene.
Mit dem zweistufigen Tierschutzlabel des Verbandes werden Produkte tierischen Ursprungs gekennzeichnet. Seit Anfang 2013 sind Produkte von Masthühnern und Mastschweinen mit dem Tierschutzlabel im Handel erhältlich.[11]
Der Deutsche Tierschutzbund finanziert seine als gemeinnützig anerkannte Arbeit aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Erbschaften und Kapitalerträgen. Er erhält fast keine staatliche Unterstützung. Er ist Gründungsmitglied im Deutschen Spendenrat und hat sich im Rahmen dieser Mitgliedschaft zur transparenten Mittelverwendung und Einhaltung ethischer Standards in der Spendenwerbung verpflichtet. Seit dem Jahr 2007 wird er vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) geprüft. Seitdem wurde dem Deutschen Tierschutzbund das DZI-Spendensiegel jährlich zuerkannt.
Tierschutzjugend
Zusätzlich ist dem Verband das der Tierschutzjugend angeschlossen. Dies ist ein Angebot für Kinder und Jugendliche und soll junge Menschen für den Tierschutz interessieren. Es gibt unter anderem kindgerechte Informationsmaterialien, ein Jugendportal mit Themen rund um den Tierschutz und Mitmachaktionen. Ferner finden Kooperationen mit diversen Schulen statt. Es ist auch möglich, eine Weiterbildung als Tierschutzlehrer zu absolvieren. Die Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes vergibt seit 2001 alle zwei Jahre den Adolf-Hempel-Jugendtierschutzpreis, um junge Tierschützer für ihr Engagement auszuzeichnen. Weiterhin gibt der Deutsche Tierschutzbund die Mitgliederzeitschrift du und das tier heraus.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c Ständig aktualisierte Fassung der öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern. (PDF; 5,85 MB) Deutscher Bundestag, 28. Januar 2011, abgerufen am 5. Februar 2011.
- ↑ Satzung des Verbandes der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches e.V. (Otto Hartmann-Bund), gegründet am 24. September 1884. Ausgabe 1930.
- ↑ Herwig Grimm, Carola Otterstedt: Das Tier an sich: Disziplinenübergreifende Perspektiven für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz. ISBN 9783525404478.
- ↑ Camillo Schaufuß: Der Verband der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches. Kurzer Abriß der Geschichte des Tierschutzes und des Deutschen Reichstierschutzes vom 24. Nov. 1933.
- ↑ Edeltraud Klueting: Die gesetzlichen Regelungen der nationalsozialistischen Reichsregierung für den Tierschutz, den Naturschutz und den Umweltschutz. In: Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2003, S. 104 f.
- ↑ Reichs-Gesetzblatt - Band 1, Teil 2, Seite 1004.
- ↑ Madeleine Martin: Die Entwicklung des Tierschutzes und seiner Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und dem deutschsprachigen Ausland. Dissertation. Freie Universität Berlin, 1989, S. 30.
- ↑ Mieke Roscher: Tierschutz- und Tierrechtsbewegung - ein historischer Abriss. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 9-10/2012. Online
- ↑ Aufgaben und Ziele der Organisation
- ↑ EU verabschiedet Tierversuchsverbot für Kosmetika. ORF, abgerufen am 25. Dezember 2013.
- ↑ Bayerischer Rundfunk vom 23. Januar 2014: Tiergerechte Haltung - Beobachtungen in Ställen und an Verkaufstheken ( vom 22. Februar 2014 im Internet Archive)