Die chinesische Literatur in schriftlicher Gestalt blickt auf eine über 3000-jährige Geschichte zurück. Während der langen Geschichte Chinas trugen Generationen von Schriftstellern eine Vielzahl von Werken unterschiedlicher Form zusammen.
Die chinesische Literatur übte auch einen prägenden Einfluss auf die umgebenden Regionen aus, vor allem auf Korea, Japan und Vietnam. Zugleich hat sie auch Einflüssen von außen immer in sich aufgenommen. Viele bedeutende Literaten wie Li Bo waren außerhalb von China geboren. Einen wesentlichen Impuls verdankte sie u.a. dem Kontakt mit westlichen Völker über die Seidenstraße sowie mit Völkern aus dem Süden.
Jahrtausende lang war die chinesische Literatur nicht nur eine Reflexion der jeweiligen Gesellschaft und des Lebens, sie war auch oft selbst Politikum. Viele Literaten waren hohe Beamte, oder trugen selbst zur Entwicklung der chinesischen Philosopie bei. Auch manche Kaiser betätigten sich erfolgreich als Dichter. Die Literatur war auch oft dem zeitgenössischen Geschmack oder politischen Repressalien unterworfen.
Mit der Veränderung der Sprache hat sich im Lauf der Zeit auch die Literatur verändert. Nicht nur die Wortwendungen oder Satzstrukturen haben sich geändert, sondern auch die Aussprache. So ist zum Beispiel zu erklären, warum sich die Gedichte aus der Zeit vor der Qin-Dynastie heute nicht mehr reimen.
Die moderne chinesische Literatur begann im 20. Jahrhundert. Die Verwendung der Sprache des gemeinen Volks statt der vom Volk kaum noch verständlichen klassischen Sprache ging einher mit dem tiefen gesellschaftlichen Schnitt von der Kaiserdynastie zur Republik. Viele westliche Formen werden mit großem Erfolg adaptiert und in die chinesische Literatur eingefügt. Die heutige chinesische Literatur umfasst nicht nur die Werke von Schriftstellern oder Dichtern aus der Volksrepublik China, sondern auch Werke aus Taiwan sowie chinesische Werke aus Singapur, anderen südostasiatischen Ländern und Überseechinesen. Dass bislang nur einem einzigen Chinesen der Nobelpreis für Literatur (Gao Xingjian, 2000) verliehen wurde, belegt den noch immer begrenzten Austausch zwischen Ost und West.
Antik
Die ersten chinesische Schriftdokumente, die als Literatur bezeichnet werden können, stammen aus der Zhou-Dynastie. Zu Ende jener Epoche sind bereits eine Vielzahl von Werken entstanden, von philosophischen Abhandlungen über Geschichtsbücher bis zu Gedichtsammlungen. Einige dieser Texte stammen wahrscheinlich aus noch früheren Zeiten und geben uns einen flüchtigen Blick in jene dunklen Zeiten.
Zu den wichtigsten Philosophen, deren Texte auch literarischen Werte besitzen, zählen unter anderen Konfuzius, Laotse (Tao Te King), Zhuangzi, Mengzi und Mozi. Auch das Werk von Sunzi Die Kunst des Krieges ist nicht nur ein Handbuch für Militärführer. Es besitzt zugleich auch hohen literarischen Wert.
Den größten Einfluß übten die Werke von Konfuzius aus, allein schon wegen der staatsreligionsartigen Stellung des Konfuzianismus in China. Seine Werke werden in der Song-Dynastie zusammen mit anderen konfuzianischen Werken in den Fünf Kanones und Vier Bücher zusammengefasst. Bei den Fünf Kanones handelt es sich dabei um Textsammlungen der Zhou-Zeit oder sogar davor. Hier ist vor allem der Kanon der Lieder hervorzuheben, in dem Lieder jener Zeit gesammelt werden. Er beginnt mit den hohen Liedern, die bei religiösen Riten im Königshaus gesungen werden und endet mit Volksliedern aus den Fürstenstaaten. Alle Lieder haben pro Zeile genau vier Schriftzeichen. Besonders die Volkslieder werden gelegentlich auch heute noch zitiert.
Eine einzigartige Stellung erlangt der Dichter Qu Yuan mit seinen langen, relativ freien und emotionsgeladenen Gedichten.
Han-Dynastie
Das Buch der Geschichte (史记, Shĭ Jì) von Sima Qian war nicht nur ein bedeutendes Werk der chinesischen Geschichtsschreibung, es ist zugleich auch ein literarisch sehr hochwertiges Werk, mit vielen Kapiteln, die heute noch in den chinesischen Schulbüchern für klassisches Chinesisch verwendet werden.
Während der Han-Zeit haben sich Gedichte weiter entwickelt, wobei sie zwei Traditionen folgten. Die eine Tradition folgte im Stil der ungebundenen Lyrik von Qu Yuan und wird Fu (赋, Fù) genannt. Auch in der Stimmung (Trauer oder Unmutsäußerungen) ahmte diese Tradition das Vorbild Qu Yuan's nach. Die andere Tradition entwickelte die aus den sehr reglementierten Gedichten aus dem Buch der Lieder, wobei sich Gedichte mit fünf oder sieben Silben besonderer Beliebtheit erfreuten. Diese Art von Gedichte sollte sich in der Tang-Dynastie besonders entfalten. Die Han-Kaiser hatten sich auch bemüht Volkslieder zu sammeln und zusammenzutragen.
Eine andere große Gattung der Literatur war Prosa. Die meisten dieser Artikel äußerten sich zu einem bestimmten politischen Thema oder gaben Ratschläge für den Kaiser. Nach der heutigen Einteilung können sie zu politischen Essays gezählt werden.
Die Zeit zwischen Han und Tang
Zum Ende der Östlichen Han-Dynastie erreichte die Gedichtsform mit fünf Schriftzeichen pro Zeile ihren Höhenpunkt. Selbst Staatsmänner wie Cao Cao und seine Söhne erfreuten sich diese Form der Gedichte und erreichten beachtlichen Niveau in diese Kunst. Die Dichterin Cai Dan (蔡琰), die zur gleichen Zeit lebte, schrieb in diese Form ein langes Gedicht über ihr Erlebnis in der Gefangenschaft bei den Hunnen, die eine Länge von über 100 Zeilen erreichte. Auch Volkslieder bedienten sich diese Gedichtsform. Am bekanntesten ist das Gedicht Mulan Ci (木兰辞), die die Geschichte der jungen Frau Hua Mulan erzählte, die an Stelle ihres Vaters zur Armee ging und gegen die Hunnen kämpfte. Durch die in der Dramatugie allerdings stark veränderten Disney-Verfilmung ist die Geschichte auch in der westlichen Hemisphäre bekannt geworden. Alles in allem jedoch ist die literarische Schöpfung während der Unruhezeiten zwischen Han- und Tang-Dynastie im Vergleich zu den Epochen davor und danach etwas dünn besäht.