Die St.-Bartholomäus-Kirche ist eine evangelisch-lutherische Kirche in Golzwarden, Stadt Brake (Unterweser), Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen. Die spätromanische Saalkirche aus Backstein wurde im 13. Jahrhundert auf einer Wurt erbaut. Der polygonale gotische Chor wurde im 15. Jahrhundert hinzugefügt. Der ursprünglich vorhandene Westturm wurde im 15. Jahrhundert abgetragen. Die Kirche hat heute einen Dachreiter und einen 10 m westlich des Kirchenschiffs entfernten Glockenturm.

Geschichte
In der Rasteder Chronik wird Golzwarden um 1100 als Parochie bezeichnet. Eine Kapelle konnte 1963 bei Ausgrabungen für diese frühe Zeit archäologisch nicht nachgewiesen werden. Erstmals wird eine Kirche zu Golswartte am 6. Dezember 1263 urkundlich erwähnt, als die bisherige Filialkirche von der Mutterkirche Rodenkirche getrennt wurde und ein eigenes Kirchspiel erhielt. Sie wurde dem Apostel Bartholomäus geweiht.[1]
Die Kirche des 13. Jahrhunderts auf rechteckigem Grundriss schloss mit einer halbrunden Apsis im spätromanischen Stil ab. Eine Brandschicht stützt den Bericht der Hamelmann-Chronik von 1599, dass das Dorf samt Kirche im Jahr 1375 von Konrad II. von Oldenburg fast bis auf die Grundmauern abgebrannt wurde.[2] Demnach wurden die Grundmauern im 14. Jahrhundert neu aufgeführt. Ein wuchtiger wehrhafter Westturm wurde im 15. Jahrhundert abgerissen, nachdem das Stadland 1414 von den Bremern erobert und die Golzwarder Kirche erfolgreich belagert worden war.[3] Sie besaß zu der Zeit „de starkeste torne in Vresschlande“ (den stärksten Turm in Friesland).[4] Auf Anordnung des Bremer Erzbischofs wurde die Kirche entfestigt. Aus dem Abbruchmaterial entstand ein solitärer Glockenstuhl. Die Apsis wurde ebenfalls im 15. Jahrhundert durch einen gotischen Chor ersetzt.[5] Im Jahr 1711 wurde dem Westgiebel ein Dachreiter mit Oktogonalhelm und einem Wetterhahn aufgesetzt, der 1853 durch eine Wetterfahne ersetzt wurde. Die westliche Giebelseite erhielt im 19. Jahrhundert einen Zementputz, um die Baunarben zu verdecken. Der graue Putz wurde im Jahr 1951 erneuert.[6] Die Fundamente des ehemaligen Westturms (etwa 10 Meter im Quadrat) wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts freigelegt. Im Jahr 1929 wurde der kleine westliche Vorbau entfernt.
Architektur
Die in nicht exakt geostete, sondern leicht nach Ost-Nordost ausgerichtete Saalkirche ist aus roten Backsteinen im Klosterformat am nördlichen Ortsrand auf einer zwei Meter hohen Kirchenwarft errichtet. Abgesehen von der verputzten westlichen Giebelseite ist das Gotteshaus unverputzt. Die Eckquaderung besteht ebenso wie der Sockel und die Fenster- und Portalumrahmungen aus Sandsteinquadern. Der Innenraum des 8,50 Meter breiten Langhauses erreicht innen eine Länge von 29,50 Metern und eine Höhe von etwa 8 Metern.[7] Es wird an der Nordseite in mittlerer Höhe durch fünf kleine Rundbogenfenster belichtet. In die Südwand sind drei große Rundbogenfenster eingelassen, dazwischen sind zwei kleine Rundbogenfenster erhalten. Die Kirche hat mittig an der Nord- und Südseite Rundbogenportale mit Gewänden aus Portasandstein. Das überwölbte Südportal diente ursprünglich vermutlich als Hauptportal. Das Nordportal ist vermauert.[8] Der Westeingang ist mit Kupferplatten belegt. Dem steilen Satteldach ist im Westen ein schlanker Dachreiter mit oktogonalem Spitzhelm aufgesetzt, der in 27 Metern Höhe von einem Turmknauf und einer Wetterfahne bekrönt wird. Der Dachreiter beherbergt eine Glocke des Bremer Glockengießers Claudi Gage aus dem Jahr 1663. In der Spitze des westlichen Giebelfeldes ist das Zifferblatt der Turmuhr angebracht.
Der 10,50 Meter lange und 7,55 Meter breite Polygonalchor mit Dreiachtelschluss im Stil der Gotik ist gegenüber dem Schiff eingezogen und niedriger. Er wird außen durch Strebepfeiler gestützt. Eine kleine Tür an der Ostseite hat möglicherweise die ursprüngliche Priesterpforte an der Südseite ersetzt, von der noch der Rest eines Türbogens aus Naturstein erhalten ist.[9] Sechs große Spitzbogenfenster belichten den Chor; das Ostfenster ist vermauert.
Westlich der Kirche ist der Glockenturm als Nachfolgebau des mittelalterlichen Westturm errichtet. Der offene Turm entspricht dem Parallelmauertyp mit schmalen rundbogigen Öffnungen, die später im unteren Bereich vermauert wurden. Im Westen reicht ein steiler Strebepfeiler bis unter die Traufe. Der Glockenturm beherbergt die ältere Glocke von Ghert Klinghe Bremen von 1440. Sie wurde ursprünglich die die St.-Nikolai-Kirche in Edewecht gegossen.
Ausstattung
Der Innenraum wird von einer flachen Holzbalkendecke abgeschlossen. Der Messingkronleuchter stammt aus dem Jahre 1746.
Emporen
Die Westempore von 1634 wurde 1698 durch Harm Backenköhler um die Nordempore erweitert. Die vorwiegend biblischen Darstellungen stammen von Johann Christian Wallzell aus dem Jahr 1700/1701. 44 hochrechteckige Bildtafeln werden um eine Schrifttafel ergänzt. An der Westempore, die als Aufstellungsort für die Orgel dient, sind fünf Themen aus dem 1. Buch Mose dargestellt und zwei aus dem 2. Buch Mose, während unterhalb der Orgel drei musikalische Themen zu sehen sind. Unter ihnen eine Orgel im Stil Arp Schnitgers nebst Organist sowie eine Gruppe von Musikern, von denen einer mit Schnitger zu identifizieren sein soll.[10] Die Nordempore zeigt nach einer sinnbildlichen Darstellung 23 Szenen aus dem Neuen Testament, in denen die Passionsgeschichte Christi mit elf Tafeln einen breiten Raum einnimmt. Hineinkomponiert sind jeweils in kleinerem Maßstab alttestamentliche Szenen als Vorschattung auf das neutestamentliche Ereignis. Der Herrensitz der Pastorenfamilie trägt sechs alt- und neutestamentliche sowie allegorische Bilder, der Königsstuhl fünf Bilder, darunter zwei Königsdarstellungen und zwei Wappentafeln.[11]
Altäre
An der Südwand hängen Teile eines gotischen Flügelaltars aus der Zeit um 1520. Im Mittelfeld ist das Geschehen auf dem Kalvarienberg dargestellt. Die Kreuzigungsdarstellung hat den 1502/03 entstandenen Holzschnitt Albrecht Dürers zum Vorbild. Auf dem linken Flügel sind die Reliefs der Kreuztragung und der Annagelung, an das Kreuz und auf dem rechten Flügel die Kreuzabnahme und die Grablegung Jesu dargestellt. Der Gekreuzigte und die beiden Schächer wurden vor 1900 ergänzt.
Das barocke Altarretabel wurde 1701 von Harm Backenköhler aus Delmenhorst geschaffen. Es zeigt die bei lutherischen Barockaltären üblichen Bilder des Abendmahls direkt über der Mensa und im ovalen Mittelfeld die Kreuzigung. Jedoch schließt das Retabel nicht, wie sonst häufig mit einen Gemälde der Auferstehung ab, sondern hier die die Kreuzabnahme dargestellt. Die Gemälde werden rechts und links von Salomonischen Säulen und Akanthusblättern sowie den Statuen der vier Evangelisten gesäumt. Oben auf dem Altar steht der Auferstandene mit dem Kreuzstab in seiner Linken. Seine Rechte ist zum Himmel erhoben.
An der Südwand stehen Figuren der Heiligen Matthäus, Bartholomäus, Johannes und Paulus auf neueren Sockeln, eventuell Überreste eines vorreformatorischen Altars.
Kanzel
Die polygonale Kanzel stammt vom Hamburger Bildhauer Onno Diercksen aus Tossens, einem Schüler von Ludwig Münstermann. An den Ecken hermenartige manieristische Figuren der vier Evangelisten, die von Moses und Johannes dem Täufer gerahmt werden. Beachtenswert ihre ausdrucksstarken Köpfe. Zwischen den Figuren auf den Kanzelseiten Ornamente.
Taufe
Der ursprünglich romanische Taufstein wurde wohl 1633 von Ludwig Münstermann umgearbeitet und mit Reliefs von Tugenden, beispielsweise der Religio sowie Wappen bzw. Hausmarken der Stifter versehen. In dem Taufbecken wurde der aus Schmalenfleth stammende Orgelbauer Arp Schnitger (1648–1719) am 9. Juli 1648 getauft.
Orgel
Bereits im Jahr 1632 besaß die Kirche ein Positiv, das im Jahr 1635 verkauft wurde. In diesem Jahr erwarb die Gemeinde eine gebrauchte Orgel aus der Oldenburger Lambertikirche. Dieses Instrument, das vor 1570 von den Brüdern Cornelius und Michael Slegel (Zwolle) mit ursprünglich neun Registern auf einem Manual gebaut worden war, wurde im Zuge der Umsetzung auf zwei Manuale erweitert und an der Nordostwand gegenüber der Kanzel aufgestellt. Der Stader Orgelbauer Constantin Ibach ergänzte 1650 ein selbstständiges Pedal mit vier Registern. 1697/1698 sanierte und erweiterte Arp Schnitger die Orgel seiner Heimatkirche und setzte sie auf die Westempore um. Er baute zwei neue Windladen und einige Register zum Selbstkostenpreis: „Weil ich in diesem Dorfe geboren und getaufet bin, habe ich für dieses Werck nicht mehr genommen, als es mich selbst gekostet hat, nämlich 380 Rth.“[12] Nach dem Umbau verfügte das Instrument über 20 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt waren. Von der Orgel ist heute nur der Prospekt erhalten. An Schnitgers Schaffen erinnert eine Bronzetafel links vom Hauptportal der Kirche. Ein 2015 gegründeter „Förderverein Arp-Schnitger-Orgel Golzwarden e.V.“ bemüht sich um die Rekonstruktion der Schnitger-Orgel.[13] Im Jahr 1912 baute Johann Martin Schmid in das historische Gehäuse ein pneumatisches Werk ein, das 1965 von Alfred Führer durch die heutige Orgel mit 22 Registern auf mechanischen Schleifladen ersetzt wurde. Die Disposition lautet wie folgt:[14]
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- Koppeln: II/I, I/P, II/P
Grabplatten
Beachtenswert ist an der südlichen Chorseite die Grabplatte des 1592 gestorbene Bernhardt von Kißleben, des Drosten von Ovelgönne. Es gibt 16 weitere Grabplatten aus der Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts auf dem Friedhof um die Kirche.
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bremen Niedersachsen. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1992, ISBN 3-422-03022-0, S. 522–523.
- Albrecht Eckhardt: Oldenburgisches Ortslexikon Band 1 und 2: Bibliografie, Register, Karten: Archäologie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes. Oldenburg 2011, 2012, S. 364–365.
- Dietrich Diederichs-Gottschalk: Mein Schall aufs Ewig weist. Die Bildprogramme an Orgelemporen und Kirchenausstattungen in der St. Bartholomäuskirche Golzwarden und der St. Pankratiuskirche Hamburg-Neuenfelde im Kontext der Orgeln von Arp Schnitger. Isensee, Oldenburg 2017, ISBN 978-3-7308-1404-8.
- Horst Hollmann: Arp Schnitger erhält ein Gesicht. In: Ostfriesland Magazin 1/2018, SKN Druck und Verlag, Norden 2017, S. 78 ff.
- Gerd Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 750 Jahre Geschichte der Kirche. Brake-Golzwarden 2013 [Kirchenführer].
- Oldenburgische Landschaft (Hrsg.), Horst Neidhardt (Bearb.): Baudenkmäler im Oldenburger Land. Führer zu Boden-, Bau- u. Siedlungsdenkmälern. Holzberg, Oldenburg 1980, ISBN 3-87358-119-1, S. 38.
- Wolfgang Runge: Kirchen im Oldenburger Land. Bd. 1: Kirchenkreise Butjadingen, Brake, Elsfleth. Holzberg, Oldenburg 1983, ISBN 3-87358-167-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 6.
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 7.
- ↑ Thomas Hill: Die Stadt und ihr Markt. Bremens Umlands- und Außenbeziehungen im Mittelalter (12.–15. Jahrhundert). Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08068-6, S. 303.
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 11.
- ↑ Oldenburgische Landschaft (Hrsg.): Baudenkmäler im Oldenburger Land. 1980, S. 37.
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 9.
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 12.
- ↑ Diederichs-Gottschalk: Mein Schall aufs Ewig weist. 2017, S. 27.
- ↑ Müller: St.-Bartholomäus-Kirche zu Golzwarden. 2013, S. 8.
- ↑ Diederichs-Gottschalk: Mein Schall aufs Ewig weist. 2017, S. 103–109.
- ↑ Diederichs-Gottschalk: Mein Schall aufs Ewig weist. 2017, S. 42–47.
- ↑ Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7, S. 131.
- ↑ Förderverein Arp-Schnitger-Orgel Golzwarden, abgerufen am 27. Januar 2018.
- ↑ NOMINE e.V.: Orgel in Golzwarden, St. Bartholomäus, abgerufen am 27. Januar 2018.
Koordinaten: 53° 21′ 6,7″ N, 8° 27′ 54″ O