Das CBBS (Computerized Bulletin Board System; englisch für elektronisches schwarzes Brett) war ein Computerprogramm von Ward Christensen, das ihm und anderen Computerbastlern erlaubte, Nachrichten füreinander zu hinterlassen.[1]

Die damit von Ward Christensen und Randy Suess seit 1978 betriebene CBBS/Chicago gilt als die erste Mailbox der Welt. Sie bildet einen Grundstein einer Subkultur von DFÜ-Bastlern, Hackern und Computerclubs, die weltweit vielfältige Kommunikationsplattformen und elektronische Treffpunkte schafften. Populäre Ausläufer der Mailbox-Szene bildeten bis in die Mitte der 1990er Jahre im nicht-akademischen Bereich die Vorläufer für freie Internet-Dienste, bevor kommerzielle ISPs Dialup-Internet und später DSL einem Massenpublikum anbieten konnten.
System
Die CBBS/Chicago wurde mit der Zeit auf unterschiedlicher Hardware betrieben. Das erste war ein S-100-Bus-System (Altair 8800) mit 8 Kilobyte (1kX1 Chips) RAM, acht 1702 EEPROMs für das CP/M-BIOS, einer 8080 CPU und einer Hayes 300-Baud-Modem-Karte. Zur Speicherung der Daten wurde ein Single-Density/Single-Sided 8"-Floppy-Laufwerk mit 173 Kilobyte verwendet.
Wie viele der damaligen Computer hatte auch die CBBS keinen Bildschirm. Die Ein- und Ausgabe erfolgte rein über Serielle Terminals. Ein Nutzer hatte häufig auch nur eine Terminal-Tastatur und möglicherweise einen Drucker für die Ausgabe der Kommunikation mit der CBBS.[2]
Das CBBS Programm
Das Programm bestand aus circa 8300 Zeilen Assembler-Code. Es war für ein CP/M-System mit 8080- oder Z80-CPU geschrieben und benötigte eine S-100-Modem-Karte und ein bis zwei Laufwerke.[1]
Module
- CBBS.ASM
- CBBSFUNC.ASM
- CBBSBYE.ASM
- CBBSSUMM.ASM
- CBBSENT1.ASM
- CBBSENT2.ASM
- CBBSTRV.ASM
- CBBSOPER.ASM
- CBBSKILL.ASM
- CBBSDISK.ASM
- CBBSCLOK.ASM
- CBBSSUB1.ASM
- CBBSSUB2.ASM
- CBBSSUB3.ASM
- CBBSPMMI.ASM
- CBBSHAYS.ASM
- CBBSIDS.ASM
- CBBSWORK.ASM
Lizenz und Distribution
Die Software konnte für 50 US-Dollar bei Randy Suess bestellt werden. Es wurde im Quellcode mit einer einfachen Nutzungslizenz verbreitet.
Durch die Distribution der Software in Form von Assembler-Quellcode für CP/M war es üblich und notwendig, das System in Assembler für die Ziel-Hardware anzupassen. Dadurch stand es einer breiten Plattform von S-100-Systemen offen. So wurde es unter anderem auf 28k NorthStar, zwei-CPU NothStar und Thinker Toys portiert.[1]
Unter dem Namen MINICBBS verbreitete Keith Peterson eine etwas einfachere und assemblierte COM-Datei für CP/M, die allerdings eine „Lizenz“ Suess voraussetzte. Es markiert allerdings einen ersten Bruch im Selbstverständnis der Generation von „Computer-Bastlern“, die es gewohnt waren ein System komplett selbst zu bauen und der folgenden Generation von frühen „Heimcomputer-Besitzern“ die sich als Mailbox-Betreiber dann fertiger Mailbox-Programme bedienten und sich häufig stolz „SysOp“ nannten.[2]
Geschichte
XMODEM als Grundlage
Ward Christensen und Randy Suess hatten sich 1975 als Mitglieder von CACHE, einem lokalen Computerclub in Chicago, kennengelernt. Wie damals üblich nutzten sie Kompaktkassetten zur Datenspeicherung. Eine Variante die Daten darauf zu transferieren, war es einen 300 Baud Akustikkoppler für die Audioübertragung zum Kassettenspieler zu nutzten. Hierzu schrieb Ward Christensen im Januar 1977 ein einfaches Programm, die Daten von der Floppy zur Kassette zu piepsen. Programm bildete Blöcke von 128 Byte und eine Checksumme. Er veröffentlichte es unter dem Namen MODEM.ASM. Später schrieb Dave Jaffe ein Programm um entfernte Nutzer auf ein CP/M-System zugreifen zulassen und es von dort bedienen zu können. Modem wurde dafür so angepasst, dass es keine Status-Ausgaben auf der Konsole ausgab, und somit die Datenverbindung rein für die Dateiübertragung nutzen konnte und nicht gleichzeitig diese mit seinen Konsolenausgaben störte. Diese kleine Änderung führte zum neuen Namen XMODEM und war der Startschuss für eines der damals wohl am weitesten portierten Dateiübertragungsprotokolle, da es auf fast jede Hardware-Umgebung angepasst wurde und die systemübergreifende Übertragung von binären Computerdateien ermöglichte.[3]
Etwa zur gleichen Zeit, April 1977, taten sich Dale Heatherington und Dennis Hayes zusammen und starteten mit dem 80-103A ein erstes 300-Baud-Modem für S-100-Systeme. Es machte Modem-Technologie den Computerbastler zugänglich und war der Urvater von Hayes Communications' Smartmodem, welches 1981 den Industriestandard für alle folgenden Modems setzen sollte. Bis dahin waren die Akustikkoppler verbreitet, aber hier mussten die Anrufe manuell getätigt werden. Erst die Modems konnten automatisch Anrufe annehmen und ermöglichten damit erst die Idee eines computerized BBS (Mailbox).
Entstehung der CBBS
Im Januar 1978 wurde Chicago vom Great Blizzard getroffen, der Rekordmengen an Schnee im Mittleren Westen der USA abwarf. Unter denen, die vom Sturm betroffen waren, waren auch Ward Christensen und Randy Suess. Der Erfolg von XMODEM ermutigte zu weiteren Experimenten. Sie waren von der Idee begeistert, einen computerbasierten Anrufbeantworter und ein Nachrichtenzentrum zu schaffen, der es den Mitgliedern ermöglichen würden, sich mit ihren neuen Modems anzumelden und Ankündigungen für anstehende Treffen zu hinterlassen.
Durch den Schneesturm hatten sie die für die Umsetzung eines solchen Projektes erforderliche Ruhe. Christensen arbeitete an der Software und Suess baute einen S-100-Computer zusammen, um das Programm zu betreiben. Innerhalb von zwei Wochen hatten sie ein funktionierendes System; Anfang Februar begannen die entsprechenden Tests.
Die Hardware bastelte Randy Suess selbst zusammen. Sie bestand aus der S-100-Platine, die er selbst mit den Steckverbindern wie auch die Speicherkarte mit 8 Kilobyte RAM bestücken musste. Weiterhin verwendete er 8 1702 EEPROMS für das CP/M BIOS und ein 8-Zoll Floppy-Laufwerk auf 117-Volt-Basis. Da dessen der Motor nicht für den Dauerbetrieb gemacht war, entwickelte er eine Schaltung die das System mit dem Klingeln des Telefons erst anschaltete und nach dem Auflegen noch genug Zeit ließ die letzten Schreiboperationen zu beenden, bevor der Strom wieder gekappt wurde. An die Floppy montierte er einen alten Temperaturschreiber der für zwei Tage je Karte ausgelegt war. Somit konnte er später auf dem Graphen die Mailbox-Aktivität ablesen.
Am 16. Februar 1978 nahmen sie die CBBS in Betrieb.[3] Christensen und Suess beschrieben ihre Innovation 1978 in dem Artikel „Hobbyist Computerized Bulletin Board“ in der November-Ausgabe des Byte Magazine.[4]
Da das Internet immer noch klein und für die meisten Computerbenutzer nicht verfügbar war, mussten Benutzer CBBS direkt über ein Modem anwählen. Auch weil die CBBS-Hardware und Software für den größten Teil ihres Bestehens nur ein einziges Modem unterstützten, mussten die Benutzer abwechselnd auf das System zugreifen, wobei jeder auflegte, um dem Nächsten Zugang zu gewähren. Beide beobachteten oft die Benutzer, während sie online waren, und kommentierten oder gingen in den Chat, wenn es gerechtfertigt war. [5]
Die CBBS-Nachfolger
Nach dem Start der CBBS/Chicago mit einem 173 Kilobyte Single-Density/Single-Side Laufwerk erweiterten sie es später um ein weiteres, dann wechselten sie auf Double-Density/Double-Sided Laufwerke und nach einem Jahr auf eine 10 Megabyte Seagate Festplatte. Später wurde die Hardware gegen einen PC-Clone mit V20-CPU ausgetauscht. Auf ihm lief eine leichtangepasste CP/M-Version auf Basis des 8080-Assembler mehr als 15 Jahre. Sie inspirierte die Schaffung vieler anderer Mailboxen. Noch etwa zehn weitere Mailboxen wurden 1981 mit dieser Mailbox-Software betrieben.[3]
Das Programm hatte viele Ideen, die sich bis heute in Online-Foren wiederfinden.
Als Christensen und Suess getrennte Wege gingen, betrieb Ward Christensens Ward’s Board bis Anfang der 1990er Jahre.
Randy Suess gründete 1982 mit wlcrjs die erste öffentlich zugängliche Unix-Mailbox, welche via UUCP Nachrichten und Daten mit anderen Systemen austauschte und somit mit anderen Mailboxen vernetzte. Diese Systeme waren damit mittelbar ans Internet angeschlossen und wurden später teils zu Points of Presence oder Websites. Es wechselte 1984 seinen Namen in Chinet. Randy’s Hobby Chinet bot später seinen 600 Nutzern zwölf Einwahlleitungen. Mit der Einwahl ins Internet über ISPs wurde die Modem-Einwahl unwichtig und nach einem Brand 1996, lebt der CBBS-Name bis zu einem gewissen Grad als webbasiertes Forum auf der Suess-Website chinet.com bis heute. [6]
Zusätzlich zum Ursprung der Mailboxen spielte die CBBS eine weitere Rolle beim Entstehen von FidoNet. Ein Computer-Club in St. Louis war 1984 im Begriff ein eigenes CBBS-System auf CP/M aufzusetzen. DEC gab ihnen dazu gratis einen Rainbow 100. Als sie feststellten, dass dessen Z80-CPU keinen Zugriff auf den Seriellen Anschluss hatte, suchten sie nach einer Alternative. Sie erreichten, dass für das DOS-basierten FidoBBS entsprechende Treiber auf die Rainbow-Hardware portiert wurden. In der Folge waren fünf der ersten 15 Fido-Mailboxen in St. Louis und die Idee für einen automatischen Datenaustausch, anstatt der postalischen Disketten, entstand. Dies führte zur Entwicklung von FIDO_DEC V6, der ersten Datei Namens NODELIST.BBS und damit des FidoNet, welches die Nachrichten automatisiert zum günstigeren Nachttarif abwickeln konnte.[7]
Am 16. Februar 2003 erklärte der Bürgermeister von Chicago, Richard M. Daley zu Ehren der ersten Mailbox der Welt, die vor 25 Jahren an diesem Tag gegründet wurde, diesen Tag zum BBS-Tag (Mailbox-Tag).[8] Ein Artikel mit einem Foto von Ward und der CBBS-Hardware erschien kurz darauf in der Chicago Tribune.
Einzelnachweise
- ↑ a b c CUSTOMIZED: S-100 KIT COMPUTER: CBBS. Abgerufen am 18. Juli 2014.
- ↑ a b Jason Scott: BBS: The Documentary. Der Film ist abrufbar im Internet Archive , 2005, Episode 1
- ↑ a b c Ward Christensen, Randy Suess: The Birth of the BBS. In: Chinet. 1989, abgerufen am 18. Februar 2007.
- ↑ Ward Christensen, Randy Suess: Hobbyist Computerized Bulletin Board. In: Byte Magazine. Band 3, Nr. 11, November 1978, S. 150–157 (devili.iki.fi).
- ↑ Christos J. P. Moschovitis, Hilary Poole, Tami Schuyler, Theresa M. Senft: History of the Internet. ABC-Clio, 1999, ISBN 1-57607-118-9.
- ↑ Chinet – Public Access since 1982. In: chinet.com. Abgerufen am 25. Januar 2018.
- ↑ Ben Baker: Fidonet History. 2. Mai 1987, abgerufen am 27. Januar 2018.
- ↑ Patrick Kampert: Low-key pioneer: Creative notion sparked new day for computing. In: Chicago Tribune. 16. Februar 2003, abgerufen am 22. Januar 2018.