Kurvendiskussion

Grundlagen der Analysis
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Unter Kurvendiskussion versteht man in der Mathematik die Untersuchung des Graphen einer Funktion auf Nullstellen, Hoch- und Tiefpunkte, Wendepunkte, Polstellen, Verhalten im Unendlichen und ähnliche Eigenschaften. Die Ergebnisse einer solchen Kurvendiskussion erleichtern die Anfertigung einer Skizze des Graphen.

Nullstellen

Um die Nullstellen einer Funktion f zu finden, berechnet man die Lösungsmenge der Gleichung f(x) = 0. Wie man dabei im Detail vorgeht, hängt davon ab, welche Funktion man untersucht. Ebenso ist es oft sinnvoll, den Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse zu bestimmen, also f(0) zu berechnen. Bei Brüchen setzt man den Zähler = 0 um die Nullstellen der Funktion f(x) zu erhalten. Im Nenner sind Nullstellen nicht möglich, da dies einen Widerspruch darstellen würde, da der Nenner eines Bruches nicht 0 werden darf, da durch den Wert "0" nicht dividiert werden darf. Die Funktion wäre dann nicht definiert.

Extrempunkte

Um die Extrempunkte einer stetig differenzierbaren Funktion f zu finden, setzt man die erste Ableitung von f mit Null gleich (sog. notwendige Bedingung), das heißt, man berechnet die Lösungsmenge der Gleichung f '(x) = 0. Alle Lösungen sind mögliche Extremstellen. Erfüllt eine mögliche Extremstelle eine weitere (sogenannte hinreichende) Bedingung, z.B. dass die zweite Ableitung in dieser Stelle nicht 0 ist, dann handelt es sich um eine Extremstelle, genauer: Ist die zweite Ableitung größer als 0, handelt es sich um ein lokales Minimum, ist sie kleiner als 0, handelt es sich um lokales Maximum. Ist sie jedoch auch gleich 0, muss man weitere Untersuchungen anstellen, um zu entscheiden, ob eine Extremstelle vorliegt oder nicht.

Anschaulich bedeutet f '(x) = 0, dass an dieser Nullstelle xN die Tangente waagrecht verläuft, d.h. eine Steigung von "0" hat.

f ''(x) kleiner 0 besagt, dass die Steigung der Tangente in der Umgebung des Punktes xE fällt. Da die Tangente im Punkt xE die Steigung 0 hat, muss ihre Steigung für Werte "wenig" kleiner als xE größer als 0 sein (die Tangente steigt), und für Werte "wenig" größer als xE kleiner 0 sein (die Tangente fällt). Das wiederum bedeutet, dass die Funktion f(x) vor xE steigt und hinter xE fällt. Damit ist f(xE) ein lokaler Hochpunkt.

Diese Anschauung kann man nutzen, wenn man die Bestimmung der zweiten Ableitung umgehen will oder wenn das Kriterium zu keiner Entscheidung führte (s.o.). Während auf Hochschulniveau wegen der Unklarheit des "wenig kleiner/größer" eine links- und rechtsseitige Grenzwertbetrachtung notwendig ist, reicht es auf Schulniveau, ein etwas kleineren und einen etwas größeren Wert als die mögliche Extremstelle in die erste Ableitung einzusetzen und zu überprüfen, ob sich das Vorzeichen ändert (Extremstelle) oder nicht (keine Extremstelle, aber möglicherweise Sattelstelle).

Historische Randbemerkung: Die Bestimmung der Extrema aus der Tangentensteigung wurde erstmals von Fermat vorgeschlagen (in einem Brief an Descartes) lange bevor es einen klaren Ableitungsbegriff gab.

Wendepunkte

Die Wendepunkte einer zweimal stetig differenzierbaren Funktion f sind die Extrempunkte der Ableitungsfunktion f '. Man erhält sie, indem man die zweite Ableitung mit Null gleichsetzt, d.h. die Lösungsmenge der Gleichung f ''(x) = 0 berechnet. Auch hier hat man es nur mit einer notwendigen Bedingung zu tun, sodass weitere Untersuchungen notwendig sind. Wenn zum Beispiel die dritte Ableitung der Funktion f an der fraglichen Stelle ungleich Null ist, so handelt es sich tatsächlich um eine Wendestelle. Ist die dritte Ableitung jedoch gleich 0, so ist damit noch nicht gezeigt, dass an dieser Stelle keine Wendestelle ist. In diesem Fall sollte man auf Vorzeichenwechsel der 2. Ableitung unmittelbar vor und hinter der fraglichen Stelle untersuchen (vgl. Untersuchung auf Extrempunkte). Tritt ein Vorzeichenwechsel auf, so handelt es sich um eine Wendestelle. Ist das Vorzeichen der 2. Ableitung vor und hinter der Stelle gleich, so handelt es sich nicht um eine Wendestelle. Dieses Kriterium kann alternativ zum erstgenannten Kriterium (3. Ableitung ungleich 0) angewendet werden. Ist der Wert der dritten Ableitung an dieser Stelle größer 0, handelt es sich um eine Wendestelle mit Übergang Rechtskrümmung->Linkskrümmung, ist er jedoch kleiner 0, so handelt es sich um eine Wendestelle mit Übergang Linkskrümmung->Rechtskrümmung.

Sattelpunkte (auch: Terrassenpunkte)

Einen Wendepunkt mit zugleich waagerechter Tangente nennt man einen Sattelpunkt. Für ihn gilt demnach f '(x) = 0 und f ''(x) = 0, wie im Beispiel der Funktion mit der Gleichung

 

an der Stelle x = 0.

Datei:Xhoch3.PNG

Allerdings ist das kein hinreichendes Kriterium, es kann auch f '(x)=0 und f ''(x) = 0 werden, ohne dass ein Wendepunkt auftritt, wie im nachfolgenden Beispiel gezeigt.

 

Datei:Xhoch4.PNG

Erst wenn f ''' nicht 0 ist, ist ein Wendepunkt erwiesen; allgemeiner gilt: Es liegt ein Wendepunkt vor, wenn der Grad der ersten von 0 verschiedenen Ableitung ungerade ist; ist der Grad gerade, so handelt es sich um ein Extremum.

Polstellen

Um Polstellen zu finden, untersucht man, ob die Funktion Stellen enthält, an denen die Funktion nicht definiert ist. Die Polstelle ist dann aber von der Lücke ("Loch im Funktionsgraph") abzugrenzen. Ein hinreichendes Kriterium für eine Polstelle ist, dass die Nennerfunktion Null wird (also eine Nullstelle besitzt) und gleichzeitig die Zählerfunktion an dieser Stelle nicht Null wird. Das Kriterium ist aber nicht notwendig, da auch dann eine Polstelle vorliegt, wenn an einer Stelle die Zählerfunktion eine n-fache Nullstelle aufweist und die Nennerfunktion an dieser Stelle eine mindestens (n+1)-fache Nullstelle aufweist.

Verhalten im Unendlichen

Um das Verhalten im Unendlichen herauszufinden, untersucht man den Grenzwert der Funktion f(x), wenn x über alle Grenzen wächst, also gegen ∞ geht,

 

Entsprechendes für -∞.

Übersicht über Kriterien

Diskutiert wird  
UntersuchungsaspektKriterium
Nullstelle 
Extremalstelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)
Minimalstelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)
Maximalstelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)
Wendestelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)
Sattelstelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)
Verhalten im Unendlichen  
Symmetrie
Achsensymmetrie zur Koordinatenachse 
Punktsymmetrie zum Koordinatenursprung 
Monotonie
steigend/streng steigend  
fallend/streng fallend  
Krümmung
Rechtskrümmung/Konkavbogen (nach unten offen) 
Linkskrümmung/Konvexbogen (nach oben offen) 
Periodizität 
Diskutiert wird  
UntersuchungsaspektKriterium
Definitionsbereich 
Polstelle (notwendiges Kriterium)
 (hinreichendes Kriterium)

Beispiel: Ganzrationale Funktion

 
Graph der Funktionen f, f ' und f ''

Die zu untersuchende Funktion sei:

 

Der Graph der Funktion f ist im Bild schwarz dargestellt, zudem sind die erste (rot) und zweite (blau) Ableitung eingetragen:

Nullstellen

Mit der Formel von Cardano, durch Ausprobieren, oder mit dem Wissen, dass ganzzahlige Nullstellen ein Teiler des Konstanten Faktors 8 sind, findet man hier die einzige reelle Nullstelle x0= -1:

Hoch- und Tiefpunkte

Die erste Ableitung ist

 

Diese besitzt bei x1 = 0 und bei x2 = 10/9 eine Nullstelle.

Die zweite Ableitung

 

hat an diesen Stellen die Werte -10 bzw. 10, d.h. bei x1 hat die Funktion einen Hochpunkt und bei x2 einen Tiefpunkt.

Wendepunkte

Die zweite Ableitung wird für x3 = 5/9 Null, d.h. dort befindet sich ein Wendepunkt.

Polstellen gibt es bei Polynomen nicht. Als Polynom ungeradzahliger Ordnung (höchster Exponent bei x3) geht die Funktion gegen +∞ bzw. -∞, wenn x gegen +∞ bzw. -∞ geht.

Beispiel: Gebrochen-rationale Funktion

Gegeben ist die Funktion mit der Gleichung

 

Definitionsbereich

Die Funktion ist nur dort definiert, wo der Nenner ungleich 0 ist. Die Untersuchung des Nenners auf Nullstellen ergibt:

 
 
  oder  

Die Quadratische Gleichung hat eine doppelte Lösung bei  . Nur bei   wird also der Nenner 0. Der Definitionsbereich ist folglich

 .

(Menge der reellen Zahlen, ausgenommen die 1). Wir vermerken bei der Gelegenheit, dass der Nenner in Linearfaktoren zerlegt, als

  oder  

geschrieben werden kann.

Nullstellen

Die Bedingung für Nullstellen ist  . Hierzu genügt es, dass der Zähler 0 wird, solange nicht zugleich der Nenner 0 wird. Untersuchung des Zählers auf Nullstellen ergibt:

 
 
  oder   oder  

Der Zähler hat eine einfache Nullstelle bei   und eine doppelte bei  . Beide Stellen liegen im Definitionsbereich.   hat also die Nullstellen   sowie  .

Wir vermerken, dass der Zähler demnach in Linearfaktoren zerlegt als

 

geschrieben werden kann.

Im Rahmen der Schulmathematik wird häufig darauf Wert gelegt, dass bei jedem   der Index   für "Nullstelle" dazugeschrieben wird:  .

Polstellen

An der Stelle   hat der Nenner eine zweifache Nullstelle, ohne dass zugleich der Zähler 0 wird. Es liegt also eine Polstelle bei   vor. (Sollte der Zähler auch 0 werden, so muss für eine Polstelle die Ordnung der Nennernullstelle größer als die Ordnung der Zählernullstelle sein).

Symmetrie

Datei:Symmetrie funktion.png
Beispiel einer Funktion die gerade ist in rot und einer die ungerade ist in blau

Der Graph der Funktion wird an dieser Stelle auf Symmetrie untersucht. In der Regel zu erst auf Achsensymmetrie (A.S.) zur y-Achse und danach auf Punktsymmetrie (P.S.) zum Ursprung des Koordinatensystems.
Die Bedingung für Achsensymmetrie ist  .
Am Beispiel

 

steht für f(-x) nach dem Ausmultiplizieren

 .

Da   ungleich   ist, ist der Graph von   nicht achsensymmetrisch.
Dasselbe gilt für die Punktsymmetrie, nur hier lautet die Bedingung  .
Um die Rechnung weiter zu führen, wird   verwendet und man setzt vor den Bruch ein Minus. Anschließend wird entschieden, ob das Minus in den Zähler oder Nenner gezogen werden soll. In diesem Fall ist es egal, denn der Graph von   ist nicht punktsymmetrisch zum Ursprung.

  Es ist keine Symmetrie erkennbar.

Allgemein:

  • Ist eine Funktion achsensymmetrisch, trifft f(x) = f(-x) zu. Speziell für Polynome: alle Exponenten sind gerade (Achtung: dazu zählt auch  )
  • Ist eine Funktion punktsymmetrisch, trifft f(x) = -f(-x) zu. Speziell für Polynome: alle Exponenten sind ungerade (Achtung: dazu zählt auch  )
  • Ist eine Funktion nicht symmetrisch, trifft weder f(x) = f(-x) noch f(x) = -f(-x) zu. Speziell für Polynome: es kommen sowohl gerade als auch ungerade Exponenten vor.
  • Haben Zähler und Nenner einer gebrochen rationalen Funktion dieselbe Symmetrie, ist die Funktion achsensymmetrisch.
  • Haben Zähler und Nenner einer gebrochen rationalen Funktion unterschiedliche Symmetrien, ist die Funktion punktsymmetrisch.
  • Sind der Zähler oder der Nenner (oder beide) nicht symmetrisch, so ist die ganze Funktion nicht symmetrisch.

Anmerkung: Eine generelle Aussage, ob Symmetrie vorliegt oder nicht, ist nicht möglich, da lediglich auf Achsensymmetrie zur y-Achse und auf Punktsymmetrie zum Ursprung untersucht wurde und somit eine Achsensymmetrie zu einer beliebigen Achse oder eine Punksymmetrie zu einen beliebigen Punkt nicht ausgeschlossen werden kann.

Ableitungen

Wir bilden die Ableitungen von

 

(Die Darstellung in Linearfaktoren ist zweckmäßiger, da sie das Ausklammern und Kürzen vereinfacht.) Dies ergibt zunächst

 
 
 
 
 
 

für die erste Ableitung. Dann wird die zweite Ableitung

 
 
 
 
 

und die dritte

 
 
 
 

Hoch- und Tiefpunkte

Hierfür muss   werden. Es genügt, die Nullstellen des Zählers zu untersuchen:

 

hat die Lösung  . Die zweite Klammer hat keine reellen Lösungen.   liegt im Definitionsbereich. Der Funktionswert an dieser Stelle ist  , da hier eine Nullstelle vorliegt. Die zweite Ableitung ist an dieser Stelle  , es handelt sich also um einen Tiefpunkt bei (2, 0).

Wendepunkte

Den Wendepunkt erhält man, indem man die 2. Ableitung auf Null setzt. Das Ergebnis daraus wird in die 3. Ableitung für x eingesetzt. Das Ergebnis hiervon muss ungleich Null sein, sonst ist kein Wendepunkt vorhanden. Anschließend setzt man das Ergebnis aus der zweiten Ableitung in die Grundfunktion für x ein. So erhält man die genauen Koordinaten des Wendepunktes.

Asymptoten

An der Polstelle, also bei  , liegt eine senkrechte Asymptote. Da der Grad des Zählers (3) größer ist als der des Nenners (2), wird   gegen   gehen für   gegen  . Die Differenz 3-2 = 1 gibt an, dass sich der Graph an eine lineare Funktion (=Gerade) asymptotisch annähern wird. Die Geradengleichung folgt durch Polynomdivision:

 

Für   gegen   geht der letzte Term gegen 0. Die Gleichung der Asymptote ist also

 

Allgemein:

  • Ist der Nennergrad größer als der Zählergrad, ist die Asymptote die x-Achse.
  • Ist der Nennergrad gleich der Zählergrad, ist die Asymptote eine Parallele zur x-Achse.
  • Ist der Nennergrad um 1 kleiner als der Zählergrad, ist die Asymptote schräg.
  • Ist der Nennergrad um mehr als 1 kleiner als der Zählergrad, ist die Asymptote keine Gerade sondern kurvig.

Graph

 
Graph der Funktionen f, f ' und f ''

Didaktische Fragen

In der Mathematikdidaktik wird seit spätestens den 1990er Jahren diskutiert, inwieweit die Kurvendiskussion durch die Verfügbarkeit von grafikfähigen Taschenrechnern und dedizierter Software (Funktionenplotter) überholt ist.

Kritisiert wird, dass die Kurvendiskussion rein rechnerische Routine ist, die wenig Verständnis vermittelt. Andererseits ist sie gerade deshalb als relativ sicher vorbereitbares Prüfungsthema bei schwächeren Schülern vergleichsweise beliebt.


Siehe auch: Differentialrechnung