Mit Otaku bezeichnet man Leute, die ihrem Hobby mit für manche schon besorgniserregendem Enthusiasmus nachgehen, und sich in ihrem gewählten Gebiet daher extrem gut auskennen, bzw. eine beeindruckend große Sammlung haben. Otaku wird im Japanischen oft austauschbar mit dem Wort Mania (kurz für engl. Maniac) verwendet (vergleiche Fan). Die Interessen von Otaku sind meist sehr abgehoben vom Alltag (z.B. Manga, Anime, Science-Fiction, Pop-Idole), und es mangelt ihnen deswegen nicht selten an sozialer Kompetenz (vergleiche Nerd).
Etymologie
Das Wort Otaku ist im Japanischen eigentlich eine höfliche Anrede vergleichbar mit "Sie" im Deutschen. Der moderne Gebrauch im Sinn von Fan/Nerd geht auf eine Modeerscheinung unter Anime- und SF-Fans Anfang der 80-er Jahre zurück. Die Anime-Serie Superdimensional Space Fortress Macross von 1982 erfreute sich großer Beliebtheit, und einige ihrer Fans ahmten einen Sprachtick von Figuren aus dieser Serie nach, sich gegenseitig übertrieben höflich mit "Otaku" ("Sie") anzureden. Dieser scherzhafte Gebrauch verbreitete sich dann unter Manga/Anime-Fans allgemein und entwickelte sich zu einer regelrechten Modeerscheinung.
Selbiger Trend war schon wieder am Abklingen, als Akio Nakamori in einer Kolumne eines Anime-Magazins dann das Wort Otaku als Bezeichnung für die Fans selbst prägte (dieser Gebrauch ist ein Wortspiel: sagt man dem Tick folgend "dein Buch" heißt das "otaku no hon", was man aufgrund der Mehrdeutigkeit der japanischen Grammatik auch als "das Buch von Otaku" deuten kann. Er interpretierte das Wort also nicht als Pronomen, sondern als Namen, mit denen die Fans sich ansprachen.) In der Kolumne beschrieb er einen Typus von Fan, der zu seinen Lieblingsserien eigene Geschichten oder Comics verfaßt (s.a. Fan Fiction, Doujinshi), sich als seine Lieblingsfigur verkleidet (s.a. Cosplay), und sich auf Veranstaltungen wie der Comiket mit Gleichgesinnten trifft. Seine Eindrücke von diesen Fans, wie sie ihm auf der Comiket begegneten, waren sehr negativ; er beschreibt sie als unsportliche Stubenhocker, entweder unter- oder übergewichtig, Brillenträger, wahrscheinlich wenig beliebt in der Schule, und trifft damit die typischen Nerd-Klischees.
Das Otaku-Phänomen als gesellschaftliches Problem
Außerhalb des Fankreises selbst wurde dieser neue Term Otaku erst bekannt, als die Comiket mit dem Serienkiller Tsutomu MIYAZAKI in Verbindung gebracht wurde, der Ende der 80-er Jahre mehrere sehr junge Mädchen mißbraucht und ermordet hat. MIYAZAKI hatte eine riesige Videosammlung (über 5800 Kassetten, darunter viele Gewaltvideos), und konnte offensichtlich nicht mehr zwischen seinen Phantasien und der Wirklichkeit unterscheiden. Außerdem war er ein regelmäßiger Besucher der Comiket, hat selbst Fanzines Doujinshi hergestellt und verkauft, und wurde von den Medien daher als Otaku identifiziert. War das Wort Otaku bisher schon negativ konnotiert, wurde es jetzt auch noch synomym mit "potentieller Serienkiller".
Die folgende öffentliche und wissenschaftliche Diskussion über Otaku war lange Zeit überwiegend negativ, erst in den 90-ern interpretierten Autoren wie Toshio OKADA oder Kazuko NIMIYA das Otaku-Phänomen als eine moderne und positive Jugendkultur. OKADA ist Otaku der ersten Stunde, gehört zu der Clique die später das Animationshaus GAINAX gründete, und unterrichtete 1994-96 an der Universität von Tokio sogenannte "Otakologie" und seine Theorie über Otaku Kultur. NIMIYA beschäftigt sich ausführlich mit weiblichen Otaku, die von der Öffentlichkeit häufig ignoriert werden, und widerspricht damit der simplen Vorstellung vom Otaku als männlicher tickender Zeitbombe.
Bedeutungserweiterung
Anime und Manga gehören zwar zu den wichtigsten Themen auf dem Comic Market, jedoch sind nicht alle Doujinshi Comics. Grundsätzlich sind es Fanzines, welche auch Prosa, Aufsätze, Interviews, Reviews usw. enthalten können. Dementsprechend sind auf der Comiket eine Vielzahl von ausgefallenen Hobbies vertreten, deren Anhänger man in verschiedene Sorten von Otaku unterscheiden kann. Es gibt z.B. Militär Otakus (die sich für Uniformen begeistern, entsprechendes Cosplay machen oder am Wochenende im Wald Krieg spielen), PC Otaku (nannte man früher Hacker), Fußball Otaku (meist weibliche Fans von bestimmten Spielern), oder die klassischen Manga Otaku (Manga/Anime Fans), Idol Otaku (Fans von Popsängerinnen), SF Otaku usw. Auch Leute, die nicht auf die Comiket gehen, benutzen das Wort Otaku, um sich so zu bezeichnen, z.B. als Fitness Otaku, Geschichts Otaku o.ä. So gebraucht hat es keinerlei negative Konnotationen, man bringt lediglich zum Ausdruck, daß man sich hobbymäßig (d.h. nicht beruflich) mit einem Thema beschäftigt und sich darin gut auskennt.
Gebrauch im Westen
Die bekennenden Otaku GAINAX veröffentlichten mit Otaku no Video eine selbstironische Firmengeschichte in Anime-Form, die auch im Westen veröffentlicht wurde. Hiesige Manga/Anime-Fans übernahmen zunächst die Selbstbezeichnung Otaku in der Bedeutung Anime-Fan, ohne sich über die negativen Konnotationen bewußt zu sein. Mit zeitlicher Verzögerung erreichte die schlechte Presse der Otaku aber auch den Westen, und einige Fans sind davon abgekommen, sich selbst als Otaku zu bezeichnen. Ironischerweise sind Otaku in Japan heute nicht mehr so negativ bewertet, nicht zuletzt dank Meldungen über westliche Fans, die sich stolz selbst Otaku nennen, und dem allgemeinen großen Erfolg von japanischen Comics und Zeichentrickfilmen als Exportgut.
Tatsächlich sind die Vorurteile gegenüber Otaku und Nerds nicht so verschieden, jedoch gebrauchen im Westen nur die Fans selbst den Term Otaku, und daher fast immer positiv. In Japan wird Otaku sowohl von den Fans wie auch den Kritikern benutzt, also mittlerweile sowohl positiv wie auch negativ.
Im Westen wird Otaku immer im Sinne von Manga Otaku verwendet.
Weblinks
- Dreamland Japan von Frederik L. Schodt enthält einen sehr guten Artikel über Otaku auf englisch
- Amateur Manga Subculture and the Otaku Panic von Sharon Kinsella
- Artikel über Miyazaki Tsutomu bei Japan-Link