Orgel
Orgel |
---|
engl.: organ, ital.: organo |
![]() |
Klassifikation |
Aerophon Tasteninstrument |
Tonumfang: |
gesamter Hörbereich |
verwandte Instrumente: |
Portativ, Positiv, Regal |
Klangbeispiel: |
siehe unten |
Musiker |
Kategorie:Organist |
Die Orgel (v. griech. ὄργανον (organon) „Werkzeug, Instrument“) ist ein über Tasten spielbares Musikinstrument. Da der Klang traditionell durch Pfeifen erzeugt wurde, wird sie auch Pfeifenorgel genannt. Die Klangerzeugung erfolgte durch Luft, den sogenannten Orgelwind. Die Pfeifenorgel gehört daher zu den Aerophonen. Die Luftsäule im Innern der Pfeifen wird über ein Labium oder ein Zungenblatt zum Schwingen gebracht.
Ausführungen und Aufbau
Orgeln finden sich in unterschiedlichen Ausführungen und Größen meist in Kirchen, aber auch in Konzertsälen und Privathäusern (Hausorgel). Eine kleine, einmanualige Orgel ohne Pedal bezeichnet man als Positiv oder – bei entsprechend kompakter Bauweise – als Truhenorgel. Tragbare Kleinstorgeln bezeichnet man als Portativ. Eine Spezialform hiervon ist das nur mit Zungenpfeifen disponierte Regal.
Eine Orgel wird vom Spieltisch aus gespielt. Größere Orgeln setzen sich oft aus Teilwerken zusammen, denen jeweils eine eigene Klaviatur zugeordnet ist. Der Organist bedient diese Manual genannten Klaviaturen mit den Händen, während das Pedal mit den Füßen gespielt wird.
Aufstellung und Akustik
Der Orgelbauer hat die schwierige Aufgabe, das Instrument akustisch möglichst optimal aufzustellen, was jedoch oftmals durch bauliche Gegebenheiten nur schwer möglich ist. Idealerweise sollte der Orgelklang in jedem Punkt des Raumes ausgeglichen und transparent sein. Der Nachhall soll das Klangbild nicht zu sehr verschleiern.
Die Aufstellung einer Orgel verrät zumeist viel über ihre liturgische Bestimmung und ihre Einsatzmöglichkeiten. Während die ältesten Instrumente oftmals in der Nähe des Chores oder als Schwalbennestorgeln erscheinen, so wird ab dem 17. Jahrhundert die Orgel an der Westwand gebräuchlich. Traditionell war die Chororgel (oder in Italien/Spanien das Evangelien/Epistel-Orgelpaar) für eine katholische Liturgie bestimmt, die sich großteils im Chorraum der Kirche abspielte. Als nach der Reformation der Gemeindegesang an Bedeutung gewann, wanderte die Orgel an die Westwand und wurde auch tendenziell größer und lauter, denn nun musste sie eine gefüllte singende Kirche führen können. Somit kann, zu einem gewissen Grade, aus der Position der Orgel innerhalb des Kirchenraumes viel über ihre liturgische Funktion ausgesagt werden. Auch die Größe des Orgelbalkons sagt viel über ihre Bestimmung aus, so war es z.B. in Mitteldeutschland im 18. Jahrhundert sehr oft möglich, am Orgelbalkon auch noch ein Orchester zu platzieren, sodass die Hauptorgel auch als Begleitinstrument zu ihrem Recht kam. In Konzertsälen ist die Orgel meist an der Wand über dem Orchesterpodium angebracht.
Erscheinungsbild
Große Orgeln bestimmen mit der Gestaltung ihres Gehäuses und der Front (Orgelprospekt) die Wirkung des Raumes, in dem sie aufgestellt sind. In der Renaissance, mehr noch in der Zeit des Barock, zeigte sich die Bedeutung, die dem optischen Aspekt beigemessen wurde, daran, dass nicht selten die Kosten für das Orgelgehäuse (mit Skulpturenschmuck, Ornamentschnitzwerk, Gemälden und Vergoldung) jene des eigentlichen Orgelwerkes überstiegen.
Technik
Die Luftzufuhr für die Pfeifen, der so genannte Wind, wurde früher durch große Blasebälge (Schöpf- und Keilbälge) erzeugt, die mit den Füßen getreten wurden. Je nach Orgelgröße benötigte man bis zu 12 Kalkanten (Balgtreter). Heute stehen dafür elektrische Windmaschinen zur Verfügung. In jedem Fall wird ein Magazinbalg zur Stabilisierung des Winddrucks benötigt. Von diesem Balg aus wird der Wind durch meist hölzerne Windkanäle weiter in die Windladen geleitet. Auf einen Magazinbalg kann bei kleineren Orgeln verzichtet werden, wenn die Stabilisierung des Spielwindes mit Ladenbälgen unter den Windladen erfolgt.
Die Manuale heutiger Orgeln haben meist einen Tonumfang von C bis g3 (bei Neubauten nur noch selten bis f3) oder gelegentlich auch bis a3 oder c4. Das Pedal weist in der Regel einen Tonumfang von C bis f1, manchmal auch bis g1 oder a1 auf. Orgeln der vergangenen Jahrhunderte haben oft einen kleineren Tonumfang. So ist bis ins Ende des 18. Jahrhunderts ein Tonumfang im Diskant bis c3 oder d3 die Regel. In der Baßlage ist häufig die kurze oder die gebrochene Oktave zu finden.
Das Herz der Orgel bilden die Windladen, auf denen die Pfeifen stehen. Vom Spieltisch aus werden die Bewegungen der Tasten mechanisch, pneumatisch oder elektrisch über die Traktur an die Windlade geleitet. Dort befinden sich unter den Pfeifen Ventile, die sich entsprechend öffnen oder schließen. Wird eine Taste gedrückt, kann der Wind aus der Windlade durch das Ventil in die Pfeife strömen und diese zum Klingen bringen. Zusätzlich gibt es noch einen Absperrschieber oder ein Ventil mit der Aufgabe, den Wind zu blockieren, falls das entsprechende Register nicht „gezogen“ ist.
Es gibt verschiedene Bauformen von Windladen. Grundsätzlich unterscheidet man – je nach Reihenfolge der Ventile für Ton und Register – zwischen Tonkanzellenladen (Schleiflade, Springlade) und Registerkanzellenladen (Kegellade, Taschenlade, Membranlade). Bei einer Tonkanzellenlade stehen alle zu einer Taste gehörenden Pfeifen auf einer Kanzelle, bei der Registerkanzellenlade alle, die zu einem Register gehören. Die älteste Bauform ist die Schleiflade, die wegen ihrer klanglichen Vorteile inzwischen auch bei modernen Orgeln wieder nahezu ausschließlich zum Einsatz kommt, da die Pfeifen präziser ansprechen.
Der Hauptwerkstoff für den Bau einer Orgel ist Holz. Aus Holz werden das Gehäuse, die Windladen, die Tasten und ein Teil der Pfeifen gefertigt. Bei mechanisch gesteuerten Instrumenten findet Holz oft auch für die Mechanik Verwendung. Für die Metallpfeifen kommen meist Zinn-Blei-Legierungen zum Einsatz (sogenanntes Orgelmetall), manchmal auch Zink oder Kupfer. Die weißen Tasten wurden früher mit Elfenbein, heute mit Rinderknochen belegt, die schwarzen sind oft aus massivem Ebenholz.
Register
Eine Orgel hat mehrere Pfeifenreihen, die aus Orgelpfeifen gleicher Bauart und Klangfarbe bestehen. In der Regel eine, manchmal auch mehrere Pfeifenreihen werden zu einem Register zusammengefasst, das vom Spieltisch aus an- und abgeschaltet werden kann. Die Bedienung der Register erfolgt meist über Registerzüge oder Manubrien genannte Knäufe, die man zum Einschalten herausziehen und zum Abschalten wieder hineinschieben muss; daher rühren die Bezeichnungen „Ziehen“ und „Abstoßen“ für das Ein- und Ausschalten von Registern.
Die Zusammenstellung der Register einer Orgel, also welche Klangfarben eine Orgel enthält, ist Teil der Disposition einer Orgel. Sie wird vom Orgelbauer beim Erstellen des Instrumentes mit dem Auftraggeber abgesprochen und bestimmt die Einsatzmöglichkeiten der Orgel.
Siehe auch den Hauptartikel Register sowie die Liste von Orgelregistern.
Unterscheidung nach Tonhöhe
Die Register können verschiedene Tonhöhen haben, wobei die Tonhöhe durch die sogenannte Fußtonzahl angegeben wird. So bezeichnet man ein Register in Normallage als 8'-Register, da die Länge der tiefsten Pfeife (groß C) eines offenen Labialregisters ungefähr 8 Fuß beträgt (1 Fuß = ca. 32 cm). Ein um eine Oktave tieferes Register ist ein 16'-Register, 4' bezeichnet ein um eine Oktave höheres Register. Quinten haben die Fußtonzahlen 2 2/3' oder 1 1/3', Terzen zum Beispiel 1 3/5'.
Die verschiedenen Tonlagen bilden die Obertonreihe ab. Durch Kombination eines Grundregisters (in der Regel 8'-Lage) mit einem oder mehreren Obertonregistern (z. B. 2 2/3' oder 1 3/5') werden fehlende Obertöne hinzugefügt oder vorhandene verstärkt, wodurch sich die Klangfarbe ändert.
Unterscheidung nach Bauart
Die Register unterscheiden sich neben der Tonhöhe (Fußlage) auch durch ihre Bauart und damit durch Tonansatz (Ansprache), Obertonanteil (Klangfarbe) und Lautstärke.
Nach der Art der Tonerzeugung unterscheidet man zwischen Lippenpfeifen oder Labialen (Tonerzeugung wie bei der Blockflöte) und Zungenpfeifen oder Lingualen (Tonerzeugung wie bei einer Klarinette). Labialpfeifen können offen oder gedackt sein, die gedackten Pfeifen klingen dabei eine Oktave tiefer. Weitere Unterschiede gibt es bei Materialien, Pfeifenform und der Mensur (den Verhältnissen der verschiedenen Pfeifen-Abmessungen). Daneben gibt es die Gemischten Stimmen. Dabei handelt es sich um Register, bei denen für jede Taste mehrere Pfeifen erklingen. Dazu gehören z. B. die Klangkronen (oder Mixturen) und Farbregister wie die Sesquialtera. Spezielle Effektregister, wie Glockenspiele oder Pauken, runden bei vielen Orgel die Disposition ab.
Die physikalischen Erklärungen zum Einfluss der Bauform der Pfeifen auf die Klangfarbe sind im Artikel Orgelpfeife genauer ausgeführt.
Gebrauch der Register
Durch planvolles Kombinieren verschiedener Register, die so genannte Registrierung, können unterschiedliche Klangfarben und Lautstärken eingestellt werden. Die Kunst des Organisten besteht darin, aus dem vorhandenen Klangbestand eine Registrierung zu finden, die der zu spielenden Musik am besten entspricht. Die Suche des Organisten nach der passenden Registrierung für ein Stück wird durch folgende Faktoren beeinflusst: Jede Epoche bevorzugte ein jeweils eigenes, spezielles Klangbild, das man als Organist kennt. Man kann daher nicht auf jedem Instrument jedes Stück wirklich gut interpretieren. Trotz der Möglichkeit einer gewissen „Typisierung“ gibt es keine zwei gleichen Orgeln, da jedes Instrument in Größe und Ausführung an seinen Aufstellungsraum angepasst ist.
Nebenregister
Bei den Registerzügen eingeordnet ist der Tremulant. Er variiert periodisch den Winddruck und sorgt so für ein Schwingen des Tones. In neuerer Zeit ist die Schnelligkeit der Schwingung oft einstellbar. Der Tremulant wirkt auf alle Register des Werks, in dem er eingebaut ist, bei alten Orgeln gibt es manchmal auch einen Tremulanten für die gesamte Orgel.
Spielhilfen
Spielhilfen sind zusätzliche Funktionen, die dem Organisten das Spiel erleichtern, indem sie beispielsweise schnelles Umregistrieren ermöglichen.
Koppeln
Koppeln erlauben das gleichzeitige Spiel von verschiedenen Werken auf einem Manual oder das Spiel der Manualregister im Pedal. So ist es möglich, die Register verschiedener Manuale zugleich zu spielen und eine größere Lautstärke, aber auch zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten zu erreichen.
Registrierhilfen
Als Registrierhilfen bezeichnet man Einrichtungen an der Orgel, die dem Organisten die Möglichkeit bieten, Registrierungen flexibel ändern zu können.
Vor allem Orgeln der Romantik verfügen häufig über feste Kombinationen. Damit lassen sich vom Orgelbauer festgelegte Registerkombinationen auf Knopfdruck abrufen. Feste Kombinationen sind meist nach Lautstärkegraden abgestuft, etwa p, mf, f, ff.
Moderne Orgeln haben programmierbare Setzer, mit denen sich komplexe Klangfarbenwechsel auf Knopfdruck realisieren lassen. Sie sind frei programmierbar (freie Kombinationen) und damit wesentlich flexibler einsetzbar als feste Kombinationen und haben diese vollständig abgelöst. Die moderne Computertechnologie eröffnet weitere Möglichkeiten, so gibt es bereits Orgeln, die mit einem PC verbunden und über diesen gesteuert werden können. Auch die Verbindung mit externen Klangerzeugern wie Synthesizern ist möglich, wodurch sich neue Möglichkeiten für Komposition und Improvisation ergeben.
Für romantische Orgelmusik gibt es den Registerschweller (Generalcrescendo, Walze, Rollschweller), der die Register der Reihe nach einschaltet, bis alle Register erklingen (Tutti).
Weitere Registrierungshilfen sind die vor allem im französischen und italienischen Orgelbau vorkommenden Sperrventile oder Einführungstritte, mit denen sich bestimmte Gruppen von Registern gemeinsam zu- oder abschalten lassen.
Schwellkasten
Schwellkästen können den Ton des in ihnen angebrachten Schwellwerkes durch das Schließen von Jalousien stufenlos dämpfen. Diese Einrichtung wurde in der Zeit der Romantik vor allem in größeren Orgelwerken eingebaut, um eine dem Orchesterklang angepasste Möglichkeit des Crescendo und Decrescendo zu erhalten.
Geschichte
Die Entwicklung der Orgel gliedert sich in die Gesamtanlage der Orgel (Disposition), in die künstlerische Gestaltung des Orgelgehäuses (siehe auch Prospekt), in die klangliche Gestaltung und in die technische Anlage (siehe Windlade, Traktur und Spieltisch).
Antike
Das erste orgelartige Instrument wurde um 246 v. Chr. von Ktesibios, einem Ingenieur in Alexandrien, konstruiert. Der Name des Instrumentes war „Hydraulis“ (von altgriechisch ὕδωρ (hydor) „Wasser“), da mit Hilfe von Wasser ein gleichmäßiger Winddruck erzeugt wurde. Die Winderzeugung durch Blasebälge kam erst später, wohl im 2. Jahrhundert, auf. Die Römer übernahmen die Orgel von den Griechen als rein profanes (weltliches) Instrument und untermalten Darbietungen in ihren Arenen mit Orgelmusik. Von den frühen Christen wurde die Orgel noch nicht verwendet. Bei archäologischen Ausgrabungen in der Nähe von Budapest, dem früheren römischen Pannonien, wurde eine Orgel aus dem 3. Jahrhundert gefunden.
Mittelalter
Im weströmischen Reich hörte der Gebrauch von Orgeln in den Wirren der Völkerwanderungszeit (um 400 n. Chr.) für lange Zeit auf. Erst in den Jahren 757 und 811 brachten jeweils Gesandtschaften, die vom byzantinischen Kaiserhof an den fränkischen Königshof kamen, für Pippin den Jüngeren oder dessen Sohn und Nachfolger Karl den Großen Orgeln mit. Als diese Orgeln defekt geworden waren, ließ sich der Sohn Karls des Großen, Kaiser Ludwig der Fromme, 826 eine Orgel für seine Pfalz in Aachen bauen. Diese Orgel, die nicht aus Byzanz eingeführt, sondern vor Ort von einem aus Venedig stammenden Priester namens Georg erbaut wurde, gilt als erste seit etwa 500 Jahren wieder in Westeuropa hergestellte Orgel.
Nun erst, im Laufe des 9. Jahrhunderts, begannen die ersten (Bischofs-)Kirchen in Westeuropa, sich Orgeln anzuschaffen, Klosterkirchen erst seit dem 11. Jahrhundert. Die Kirchenorgel war zunächst ein Statussymbol, erst mit der Gotik entwickelte sie sich allmählich zum Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Die früh- und hochmittelalterlichen Orgeln waren sogenannte Blockwerke, d. h. man konnte noch nicht einzelne Register ab- und zuschalten: Wenn man einen Ton auslöste, erklangen automatisch alle Pfeifen, die diesem Ton zugeordnet waren. Es gab auch noch keine Tastaturen oder Manuale. Ein Ton wurde ausgelöst, indem man mit der ganzen Hand eine Holzlatte, die sogenannte „Schleife“, herauszog und so die Windzufuhr zu den Pfeifen für diesen Ton freigab.
Renaissance
Das 14. und 15. Jahrhundert brachte wichtige Neuerungen: Nun kamen einzeln wählbare Register, Manual-Tastaturen und einzelne (Teil-)Werke auf. Die Orgeln der Frührenaissance erinnern noch an die Zeit der Wiedereinführung der Register im ausgehenden Mittelalter (Stimmscheidung). Sie enthalten recht wenige Register (z. B. Prästant, Oktave, Hintersatz und Zimbel aus dem gotischen Blockwerk, dazu ein bis zwei Flöten, Trompete und das Regal) und verfügen oft nur über ein Manual und ein angehängtes Pedal. Ein vorhandenes Regalregister wird oft leicht zugänglich über dem Spieltisch angeordnet, da dessen Pfeifen häufig nachgestimmt werden müssen. Aus dieser Anordnung entwickelte sich später das Brustwerk, in dem die Regalpfeifen immer noch leicht zugänglich ganz vorn stehen.
In der Hochrenaissance entwickelten sich voll ausgebaute Orgeln. Das Klangideal orientiert sich an der damals üblichen Ensemblemusik auf gleichartigen Instrumenten. So stehen Prinzipale, Mixtur und Zimbel für den eigentlichen „Orgelklang“. Dazu kommen zahlreiche Register, die den Klang der damals üblichen Instrumente, vor allem Blasinstrumente, nachahmen sollen. Bei den Lingualregistern sind dies z. B. Trompete, Posaune, Zink, Schalmei, Dulzian, Ranckett, Krummhorn und Sordun, bei den Labialregistern z. B. Blockflöte, Querflöte (meist nicht als überblasendes Register) und Gemshorn. Die Manualzahl liegt zwischen eins und drei, jedes mit einem eigenen Werk, dazu kommt in der Regel ein eigenständiges Pedalwerk. Auf solchen Orgeln lässt sich neben Sakralmusik auch sehr gut die weltliche Musik der Renaissance wiedergeben. In der Spätrenaissance begannen sich erste regionale Unterschiede im Orgelbau heraus zu bilden.
Barock
Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte der barocke Orgelbau in den meisten europäischen Ländern seine größte Blüte.
Für Orgeln aus der Barockzeit kann man die Register je nach Klangfarbe und Verwendung in drei funktionelle Gruppen einteilen, die aber gleichermaßen auf die gesamte Orgel verteilt werden:
- Die erste Gruppe bildet mit dem typischen „Orgelklang“ hervortretende Stimmen, die auf einen kräftigen Gesamtklang, das so genannte Plenum, ausgelegt sind. Hierzu gehören die Prinzipale, Oktaven, Quinten in Prinzipalmensur und Mixturen, aber auch vollbecherige Zungenstimmen, die zum Plenum gezogen werden oder ein eigenständiges Lingualplenum bilden.
- Die zweite Gruppe hat eher sanfte, flötenartige Töne, die sich hervorragend mischen lassen. Es sind die weiten offenen, die konischen, die Gedackten Stimmen in all ihren Variationen.
- Die dritte Gruppe sind die Stimmen, die am besten solistisch zu verwenden sind, wie Aliquotregister, Zungenstimmen und einzelne Streicher.
Werkaufbau
Ein typisches Merkmal von barocken Orgeln ist das sogenannte Werkprinzip. Dies sagt nicht anderes aus, als dass jedes Teilwerk (Hauptwerk, Rückpositiv, Brustwerk, aber auch das Pedalwerk) zum einen möglichst selbstständig, zum anderen aber auch gleichwertig neben den anderen Orgelwerken ist. Demnach ist jedes Teilwerk sowohl als Tutti-, als auch als Solo- oder Begleitwerk zu verwenden, sie unterscheiden sich nur durch die Klangcharakteristik. Eine weitere dynamische oder funktionelle Unterteilung (Hauptwerk, Schwellwerk, Nebenwerk, Echowerk) entwickelt sich erst in der Romantik.
Aufgrund der rein mechanischen Spieltraktur kommt es zu weiteren Besonderheiten:
- Manualanordnung: Bei einer dreimanualigen Orgel mit Rückpositiv, Hauptwerk und Brustwerk ist das Hauptwerk immer das mittlere Manual, da sich anderenfalls die Spieltrakturen der Werke kreuzen würden.
- Werkgröße: Jedes zusätzliche Register auf einer Windlade erhöht das Spielgewicht der Taste, daher sind hier natürliche Höchstgrenzen gesetzt, da eine Orgel sonst nicht spielbar wäre. Als Faustregel rechnet man mit maximal 10-12 Registern pro Windlade.
- Koppeln: Bei einer dreimanualigen Orgel beschränken sich die Manualkoppeln auf III-II sowie I-II. Eine Manualkoppel III-I war technisch noch nicht realisierbar.
In den Barockorgeln auf der iberischen Halbinsel wird das Werkprinzip oft anders realisiert. Diese Instrumente haben dann nur ein Manual, immer mit Schleifenteilung bei c1/cis1. Die verschiedenen Werke (üblich sind: organo mayor (Hauptwerk), cadereta exterior (Rückpositiv), cadereta interior (inneres Positiv im Schwellkasten), Trompeteria (Horizontalzungenbatterie) werden in diesem Fall über Sperrventile angeschaltet. Das Stummel- oder Knopfpedal ist angehängt oder verfügt nur über wenige Register in 16'- und 8'-Lage, vereinzelt auch in 32'-Lage. Kleinere Instrumente verzichten auf eine Unterteilung in mehrere Werke.
Im Vordergrund der barocken Orgel steht die Durchsichtigkeit des Klanges. Daher waren hohe Register sowie Aliquotregister als Soloregister weit verbreitet. Bei den Aliquoten war allerdings bei der großen Terz (Fünftelfußmaß) Schluss. Im Klangideal sollten sich die einzelnen Pfeifen nicht angleichen, was sich vor allem bei polyphoner Musik positiv auswirkte.
Barocke Orgeln unterscheiden sich regional stark. Die wichtigsten Regionen mit eigenständigen Orgeltypen, auch Orgellandschaften genannt, sind Norddeutschland/Niederlande/Dänemark, Süddeutschland/Österreich, Frankreich, Italien und die iberische Halbinsel.
Romantik
Nachdem die Orgel in der Zeit der frühen Klassik zunehmend an Aufmerksamkeit verlor (bekannte Komponisten der Klassik, wie Mozart und Beethoven, haben äußerst wenig für Orgel komponiert) entstand im 19. Jahrhundert mit der romantischen Orgel ein neues, vollkommen anderes, orchestrales Klangideal. Im Gegensatz zur Barockorgel ist hier die 8'-Lage, im Pedalwerk auch die 16'-Lage, mehrfach mit verschiedenen, Orchesterinstrumente nachahmenden Stimmen besetzt, die höheren Lagen treten dafür zurück. Teilweise ist schon beim 2' Schluss. Im Vordergrund stand das Ideal der „Vermischung“ - die Orgel sollte wie ein Orchester klingen, es sollten keine Brüche im Klang mehr erkennbar sein. Daher tauchen in romantischen Orgeln gehäuft Streicher und überblasende Flöten auf. Streicherstimmen sind sehr eng mensurierte Pfeifen, in deren Obertonspektrum der zweite Teilton (die Oktave) vorherrscht. Streicher können auch eine Schwebung bilden, Vox coelestis („himmlische Stimme“) genannt, bei der bewusst zwei Pfeifenreihen leicht gegeneinander verstimmt werden, wodurch ein schwebender Ton entsteht. Überblasende Flöten sind weit mensurierte offene Lippenpfeifen, die doppelt so lang sind wie normale offene Pfeifen derselben Tonhöhe. Ihr Klang ist besonders füllig. In größeren romantischen Orgeln besonders des angelsächsischen Kulturkreises trifft man auch oft sogenannte Hochdruckregister an wie z. B. Tuba mirabilis, Stentorgambe oder -flöte oder Royal Trumpet.
Außerdem verfügen alle größeren romantischen Orgeln über zahlreiche Spielhilfen und technische Besonderheiten. Typisch ist das so genannte Schwellwerk: Ein Teil der Pfeifen befindet sich innerhalb der Orgel in einem Kasten mit jalousieartigen Schwelltüren, die mittels eines Fußtrittes am Spieltisch geöffnet oder geschlossen werden können. Dies macht erstmals eine stufenlose Veränderung der Dynamik möglich. Viele romantische Orgeln verfügen zudem über eine Crescendowalze, die es ermöglicht, mittels einer mit dem Fuß zu bedienenden Walze oder eines Balanciertritts nach und nach alle Register der Orgel zuzuschalten, ohne die entsprechenden Registerknöpfe einzeln von Hand bedienen zu müssen. Viele romantische Orgelwerke und Komponisten setzten eine Crescendowalze voraus (Max Reger). Außerdem verfügt die romantische Orgel häufig über Sub- und Superoktavkoppeln. Diese bewirken, dass beim Anschlagen eines Tones und bei geschalteter Suboktavkoppel der gleiche Ton eine Oktave tiefer bzw. höher mitklingt.
Zu den größten Meistern des romantischen Orgelbaus zählen der Franzose Aristide Cavaillé-Coll, sein deutsch-belgischer Konkurrent Merklin&Schütze sowie Eberhard Friedrich Walcker, Friedrich Ladegast, Wilhelm Sauer, Henry Willis, die Orgelbaufirmen Steinmeyer, Link, Harrison & Harrison, Norman & Beard und viele andere.
Technische Neuerungen
Zahlreiche technischen Neuerungen (Elektrik, Pneumatik, neue Baumaterialien) machten es möglich, immer größere Instrumente zu bauen. Es seien als Beispiele hier die Steinmeyer/Eisenbarth-Orgel des Domes zu Passau (heute 233 Register), die berühmte Wannamaker-Orgel in Philadelphia (Lord & Taylor Department Store, 357 Register) oder die größte Orgel der Welt in der Atlantic City Convention Hall mit 337 Registern bei 449 Pfeifenreihen (ranks) und rund 32.000 Pfeifen genannt.
In der Romantik fanden die ersten Umbauten von Orgeln im größeren Stil statt. Oft wurden barocke Orgeln, die als zu „schreiig“ empfunden wurden, romantisiert, in dem dort streichende oder andere romantische Register anstelle hoher Aliquoten eingebaut und die Intonation verändert wurde. Auch wurden wertvolle barocke Orgeln noch bis in die 1930er Jahre „pneumatisiert“ oder elektro-pneumatisch umgebaut (z. B. Naumburg Wenzelskirche).
20. Jahrhundert
Die Orgelbewegung
Im Rahmen der Orgelbewegung (initiiert unter anderem durch Albert Schweitzer und Emile Rupp) kam es in Deutschland in den 1930er Jahren zu einer allgemeinen Rückbesinnung zum Barockideal. Sie wertete die Orgeln romantischen Klangcharakters als „Fabrikorgeln“ ab, sorgte jedoch gleichzeitig für eine Beschäftigung mit den in Vergessenheit geratenen barocken Orgelklangidealen und -bauprinzipien und bereitete die Entwicklung zu „neo-barock“ ausgerichteten Orgeln.
In den 1930er bis 1950er Jahren waren die Mensuren zum Teil übertrieben weit, jedoch fanden sich wieder barocke Register in den Dispositionen. Die Intonation entsprach noch der der Romantik, die Rückkehr zur mechanischen Schleiflade war noch nicht vollzogen.
In den 1950er und 1960er Jahren (Neobarock) mussten viele romantische Orgeln neuen Instrumenten mit steiler Disposition weichen; da außerdem im Krieg viele Instrumente verloren gegangen oder unbrauchbar waren sowie die beiden großen Konfessionen vermehrt Kirchenneubauten unternahmen, setzt in Westdeutschland ein regelrechter „Orgelboom“ ein, der teilweise in einer „fabrikmäßigen Serienproduktion“ von Orgeln unter Verwendung von minderwertigen Materialien (Windladen aus Sperrholz, Spieltrakturen aus Aluminium oder Plastik) mündet. Viele romantische, ja auch spätbarocke Werke, deren Disposition nicht barock genug erschien, wurden in dieser Zeit zunehmend „barockisiert“, in dem die Disposition dahingehend verändert wurde, dass z. B. die verpönten Streicher durch hohe Aliquoten ersetzt wurden, oft mit fragwürdigen Methoden und Erfolg. (Ein typisches Beispiel ist das „Absägen“ eines Violoncello 8' zum Choralbass 4' im Pedal.) Stellenweise wurden in dieser Zeit auch hohe Aliqouten (Septime, None) verwendet, die in originalen Barockdispositionen nicht vorhanden waren. Auch die Mensuren waren deutlich, wenn nicht sogar übertrieben eng gegenüber den Vorbildern. Die Intonationsart war völlig neu und hatte mit der barocken Intonationsweise nicht mehr viel gemein.
Diese Orgeln zeichnen sich im Gegensatz zum Barock durch oft unerträgliche Spitzigkeit, ein schwaches Bassfundament und fehlende Kraft in der Mittellage aus. Die Orgelbewegung ist so aus heutiger Sicht über ihr Ziel hinaus geschossen, hat aber die historische Aufarbeitung der Orgelgeschichte erheblich beeinflusst und teilweise erst initiiert. Inzwischen wird nicht mehr so leichtfertig mit alten Instrumenten umgegangen, der Erhalt alter Orgelbausubstanz wird auch im Rahmen des Denkmalschutzes immer wichtiger.
Multiplexorgeln
Gleichzeitig wurde mit sogenannten Multiplexorgeln versucht, Kosten und Platz beim Orgelbau zu sparen. Dieses Prinzip finden wir bei den Kinoorgeln der 1920er und 1930er Jahre. Da hier aus einer Pfeifenreihe im Transmissions- und Extensionsverfahren verschiedene Register aus einer Pfeifenreihe erzeugt wurden, konnte das Konzept musikalisch nicht überzeugen, weil die Eigencharakteristik der einzelnen Register nicht mehr gegeben war. Das Extensionsverfahren kommt heute noch bei sehr tiefen Pedalregistern (64', 32', 211/3') aus Platz- und Kostengründen zur Anwendung. Da in solchen Fällen baugleiche, eine Oktave höher klingende Register ohnehin vorhanden sind, müssen nur die 12 Pfeifen für die tiefste Oktave des Registers hinzu gefügt werden, der Rest des Registers nutzt die vorhandenen Pfeifen des eine Oktave höher klingenden Registers.
Die Universalorgel
Seit den 1980er Jahren wird vermehrt mit einer Art „Universalorgel“ experimentiert, die für alle Arten und Stile von Orgelliteratur geeignet sein soll. Bei größeren Orgeln (ab drei Manualen und ca. 40 Registern) kommt man zu recht schlüssigen musikalischen Ergebnissen, indem man ein neutrales Hauptwerk zum Beispiel mit einem barocken Rückpositiv und einem französisch-romantischen Schwellwerk verbindet. Bei kleineren Orgeln geht die Vermischung der verschiedenen Epochen meistens nicht überzeugend auf; hier baut man tendenziell wieder rein stilecht nach historischen Vorbildern, auch wenn hier durchaus gelegentlich Einzelregister aus anderen Epochen eingesetzt werden.
Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts sind Wert und Berechtigung romantischer Orgeln und ihrer spezifischen Musik wieder stärker ins Bewusstsein gekommen. In neuster Zeit geht der Trend auch wieder dahin, bei Generalüberholungen von „barockisierten“ Orgeln diese in den Originalzustand zurückzuführen, wodurch wieder sehr schöne Instrumente aus der Romantik und dem späten Barock zurückgewonnen werden konnten. Auch ist die Anzahl der Neubauten zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder angestiegen, da viele übereilt gebaute oder schlechte Nachkriegsinstrumente langsam ersetzt werden müssen.
21. Jahrhundert
Nennenswerte technische Fortschritte gibt es nur im Bereich der Spielhilfen. Die Elektronik hat größere Setzeranlagen ermöglicht, teilweise sind auch schon Kirchenorgeln midifiziert worden. In kleinen Orgeln (bis etwa 10 Register) wird vermehrt die Wechselschleife eingesetzt, die es ermöglicht, die Register eines Werkes auf zwei Spielmanuale zu verteilen. Weiterhin wird geforscht, wie sich eine Art „Anschlagsdynamik“ auf der Orgel realisieren und wie sich das interaktive Verhalten ein mechanischen Traktur mechatronisch nachbilden lässt.
Digitalorgeln
Eine weitere Variante, die sich mit dem Fortschritt der Digitaltechnik zunehmend ihren Platz erobert hat, ist die Digitalorgel (oder digitale Konzert- und Sakral-Orgel). Sie ist vor allem als Übungsinstrument in Privathäusern sowie in kleinen Kirchen und Kapellen zu finden. Die mittlerweile überzeugende Klang- und Reproduktionsqualität macht digitale Sakralorgeln auch zunehmend zu einer ernstzunehmenden Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle. Versuche, „echte“ Orgeln mit Digitalorgeln zu kombinieren (Kombinationsorgel), haben sich bis jetzt aufgrund naheliegender Probleme (Stimmung, Vermischungsfähigkeit) nicht durchsetzen können. Besonders in den USA werden jedoch des öfteren teure Bassregister im Pedal digital ausgeführt.
Historische Orgeln
Leider gibt es nur wenige ältere Instrumente, die in ihrer originalen Substanz überliefert sind. Orgeln wurden in der Vergangenheit immer wieder umgebaut, erneuert und dem jeweiligen Zeitgeschmack (Disposition, Intonation, Stimmung, Technik) angepasst. Nur sehr wenige Werke wurden in ihrer historischen ungleichstufigen Stimmung belassen. Insbesondere wird das Fehlen einer unverändert mitteltönig gestimmten Großorgel beklagt. Oft sind auch nur Teile des Pfeifenwerks erhalten – womöglich in modifizierter Form – und manchmal sind nur noch Spuren der ursprünglichen Technik zu entdecken.
Bei der Wiederherstellung historischer Orgeln spricht man entweder von Restaurierung (wenn das vorhandene Material den angestrebten Zustand noch erkennen lässt) oder von Rekonstruktion (wenn große Teile des Werkes der Zielvorstellung entsprechend neu gebaut werden müssen). Regelmäßig entstehen dabei Konflikte mit dem Grundsatz des Denkmalschutzes, dass die Erhaltung des vorhandenen gewachsenen Zustandes der Rückgewinnung eines verlorenen vorzuziehen ist.
Die Absicht, in der wiederaufgebauten Frauenkirche in Dresden einen Nachbau der Silbermannorgel von 1736 in historischer Stimmung zu erstellen (die vor der Zerstörung 1945 nicht mehr in originalem Zustand vorhanden war), ist jedoch aus anderen Gründen nach heftigem Streit gescheitert: hier ging es um die Frage, ob es heute überhaupt zweckmäßig ist, ein solches Instrument völlig neu zu erbauen. Dies wurde auch in Bezug auf die Rekonstruktion der Schnitgerorgel des Lübecker Doms diskutiert.
Zu den ältesten noch spielbaren Orgeln der Welt zählen die Instrumente in Sion (CH) (Basilique de Valère), Rysum, Kiedrich und Ostönnen. Sie enthalten jedoch jeweils nur Teile aus der ältesten Epoche ihrer Baugeschichte.
Selbst bestimmte Orgeln aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts können schon als historisch und erhaltenswert angesehen werden.
Orgelmusik
Man unterscheidet Orgelmusik, wie allgemein in der Musikwissenschaft, nach Epochen. Als älteste Orgelmusik gilt die Musik aus dem Robertsbridge Codex (um 1320). Einige wenige Quellen stammen aus spätgotischer Zeit, so der Codex Faenza (um 1420), die Orgelstücke aus der Predigtsammlung aus Winsen (1431) und die Tabulatur des Adam Ileborgh aus Stendal (1448). Aus der Zeit des musikalischen Umbruchs vom Mittelalter zur Renaissance stammt das für damalige Verhältnisse sehr umfangreiche Buxheimer Orgelbuch (1460/1470). Im 16. Jahrhundert erschienen bereits zahlreiche Orgelstücke, sogenannte Tabulaturen. Die Orgelmusik erlebte ihre erste Blütezeit. In der Zeit des Barock erlebte die Orgelmusik ihren zweiten Höhepunkt. Mit dem Ende der Barockzeit Mitte des 18. Jahrhunderts ließ das Interesse an der Orgel stark nach. Nach einer längeren Pause erlebte die Orgelmusik ihren dritten Höhepunkt in der Zeit der Romantik. Ein zweites Unterscheidungskriterium ist die Orgellandschaft, da Orgelmusik, oft gebunden an ihren Entstehungsort, von ganz bestimmten Instrumenten oder Instrumententypen inspiriert wurde. Auch lässt sich weltliche und geistliche Orgelmusik unterscheiden.
Improvisation und liturgisches Orgelspiel
Die Improvisation ist insbesondere in der geistlichen Orgelmusik wichtig und in jeder kirchenmusikalischen Ausbildung fester Bestandteil der Lehre. Sie ist ebenfalls in Form von Choralvorspielen und Intonationen Bestandteil des liturgischen Orgelspiels.
Solistisch
Am künstlerisch bedeutsamsten ist das solistische Orgelspiel. Seit dem Barock sind dessen wichtigste Formen: Präludium, Toccata, Fantasie, Voluntary, Tiento, Chaconne, Passacaglia, Ricercar, Fuge, Variationen, Sonate, Triosonate und Orgelsinfonie; ferner Kompositionen über liturgische Themen: gregorianische Gesänge beziehungsweise protestantische und katholische Kirchenlieder. Eine häufige Form der Orgelbearbeitung eines meist protestantischen Kirchenliedes ist das Choralvorspiel.
Berühmte Komponisten solistischer Orgelmusik sind:
- Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621)
- Girolamo Frescobaldi (1583-1643)
- Dietrich Buxtehude (1637-1707)
- Juan Bautista José Cabanilles (1644-1712)
- Johann Pachelbel (1653-1706)
- Nicolaus Bruhns (1665-1697)
- Johann Sebastian Bach (1685-1750)
- Johann Ludwig Krebs (1713-1780)
- Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
- Franz Liszt (1811-1886)
- César Franck (1822-1890)
- Johannes Brahms (1833-1897)
- Alexandre Guilmant (1837 - 1911)
- Josef Rheinberger (1839-1901)
- Charles-Marie Widor (1844-1937)
- Marco Enrico Bossi (1861-1925)
- Charles Tournemire (1870-1939)
- Louis Vierne (1870-1937)
- Max Reger (1873-1916)
- Franz Schmidt (1874-1939)
- Sigfrid Karg-Elert (1877-1933)
- Marcel Dupré (1886-1971)
- Johann Nepomuk David (1895-1977)
- Maurice Duruflé (1902-1986)
- Jean Langlais (1907-1991)
- Olivier Messiaen (1908-1992)
- Jehan Alain (1911-1940)
Kammermusik und Orchester
Die Orgel in der hier beschriebenen Form spielt in der Kammermusik keine große Rolle. Kleinere Orgeln sind besonders als Basso Continuo-Instrument seit dem Barock verbreitet. Orchestermusik mit Orgel kam zunächst im Barock besonders in den Orgelkonzerten Georg Friedrich Händels sowie dann mit großer Orgel vereinzelt in der Romantik auf, um den damals üblichen Riesenorchestern noch mehr Klangfarbenvielfalt zu geben und den Tonraum bis in die Subkontraoktave (32'-Register der Orgel) zu erweitern.
Jazz
Zunehmend wird auf der Kirchenorgel auch Jazz gespielt, auch wenn dieses wegen der oft halligen Akustik in Kirchenräumen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Barbara Dennerlein, eine etablierte Jazzorganistin, ist zur Zeit das bekannteste Beispiel. Aber auch „klassische“ Kirchenmusiker verwenden bei ihren Kompositionen oder Improvisationen zunehmend Elemente des Jazz.
Pädagogik
Im Gegensatz zu vielen anderen Instrumenten kann man das Orgelspiel in der Regel nicht an Musikschulen erlernen. Neben den Konservatorien oder Musikhochschulen unterrichten in erster Linie hauptamtliche Kirchenmusiker. Da auch ein Übungsinstrument benötigt wird, ist, wenn kein spezielles Übungsinstrument (etwa in einer Hochschule) zur Verfügung steht, meistens eine enge Zusammenarbeit mit einer örtlichen Kirchengemeinde vonnöten. Als Gegenleistung fordert diese häufig Mithilfe an der musikalischen Gottesdienstgestaltung. Oft spielen angehende Organisten schon ausreichend Klavier, wobei die erheblichen Unterschiede in der Spieltechnik nicht unterschätzt werden dürfen. Ein Studium am Klavier kann die Orgel, nicht nur wegen des fehlenden Pedals, nicht ersetzen.
Systematische Schulwerke sind erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts überliefert. Zu den bekanntesten Werken zählen die „Orgelschulen“ von Karl Straube, Ernst Kaller, Marcel Dupré oder Rolf Schweizer, die sich allerdings fast nur mit dem Literaturspiel beschäftigen. Im Bereich der Improvisation gibt es nur wenig etablierte Literatur, so dass Improvisation weitestgehend im Unterricht und fächerübergreifend in den Bereichen Tonsatz, Komposition sowie Musiktheorie weitergegeben wird.
Hörbeispiele
Rheinberger - Tema variato | Registrierung | Bemerkung | Dateigröße |
---|---|---|---|
34 | Rohrflöte ohne Pedal | 848 kB | |
2, 9, 11-13, 21, 22, 34 | l. H. Thema; r. H. auf SW; am Ende kurz mit Pedalkoppel (+7) | 819 kB | |
1-3, 8, 9, 12, 13, 19, 21, 22, 24, 34 | eher romantisch | 589 kB | |
2, 3, 11-13, 15 | eher romantisch | 705 kB | |
1, 3, 4, 7, 11, 12, 15, 16 | jetzt ohne Streicher | 851 kB | |
1, 3, 4, 7, 11, 12, 14, 16, 17, 20, 21, 34 | Prinzipalplenum mit Mixtur, Schluss l. H. auf SW und ohne 7 | 742 kB | |
1-4, 7, 11-16, 20, 21, 22, 34 | Echo auf II dann +5, +6 (Zungen im Pedal) und +10 | 1,28 MB |
Die Angaben zu Registrierung beziehen sich auf das Instrument in St. Maria Königin, Kerpen-Sindorf, Rheinland:
Pedal | I | II (Schwellwerk) | III |
---|---|---|---|
1. Pincipalbaß 16' | 10. Bourdon 16' | 21. Holzflöte 8 ' | 34. Rohrflöte 8' |
2. Subbaß 16' | 11. Principal 8' | 22. Gambe 8' | 35. Flûte 4' |
3. Flûte 8' | 12. Flûte Harm. 8' | 23. Voix céleste 8' | 36. Cornet III |
4. Flûte 4' | 13. Salicional 8' | 24. Flûte octav. 4' | 37. Trompete 8' |
5. Bombarde 16' | 14. Octave 4' | 25. Fugara 4' | 38. Clairon 4' |
6. Trompete 8' | 15. Gemshorn 4' | 26. Nazard 2 2/3' | |
16. Superoctave 2' | 27. Octavin 2' | ||
17. Mixtur IV | 28. Tierce 1 3/5' | ||
29. Fourniture V | |||
30. Trompette Harm. 8' | |||
31. Hautbois 8' | |||
7. I/P | 18. III/I | 32. Voix Humaine 8' | |
8. II/P | 19. II/I | ||
9. III/P | 20. III/II | 33. Tremulant |
Die Orgel besitzt Schleifladen und eine mechanische Spieltraktur. Die Registrierung erfolgt per Doppelregistertraktur und einem Setzer. (Baujahr: 1996)
CD
Auf der CD Passacaglia BWV 582 (ASIN: B000024BOT) befinden sich mehrere Fassungen der berühmten Passacaglia von Johann Sebastian Bach, unter anderem jeweils eine Einspielung auf einem barocken und romantischen Instrument. Da es sich um das gleiche Stück handelt, sind die Unterschiede im Klangideal sowie die technische Umsetzung direkt zu vergleichen.
Siehe auch
- Das Orgel-Portälchen der Wikipedia
- Organist, Liste von Organisten
- Orgelbau, Liste der Orgelbauer
- Orgelregister, Liste von Orgelregistern
Varianten und verwandte Instrumente:
Literatur
Orgelbau
- Wolfgang Adelung: Einführung in den Orgelbau. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1991, ISBN 3-7651-0279-2
- Hans Klotz: Das Buch von der Orgel. Bärenreiter, Kassel 2000, ISBN 3-7618-0826-7
- Alfred Reichling (Hrsg.): Orgel. Bärenreiter, Kassel u.a. 2001 (MGG Prisma), ISBN 3-7618-1622-7
- Bernhard Ader: Orgelkunde aus Musik im Gottesdient (Hrsg.: Hans Musch) Band II S. 256ff, ConBrio, Regensburg 1994, ISBN 3-930079-22-4
- Winfried Ellerhorst: Handbuch der Orgelkunde. Verlagsanstalt Benzinger & Co., Einsiedeln 1936
Orgelmusik
- Rudolf Faber, Philip Hartmann Metzler: Handbuch Orgelmusik. April 2002
- Victor Lukas: Reclams Orgelmusikführer.