Donald Johanson
Donald Carl Johanson (* 28. Juni 1943 in Chicago, Illinois) ist ein bedeutender US-amerikanischer Paläoanthropologe. Weltweit bekannt wurde der Sohn schwedischer Auswanderer, nachdem er am 24. November 1974 das zu 20 Prozent erhaltene Skelett eines 3,18 Millionen Jahre alten weiblichen Australopithecus afarensis gefunden hatte.
Das Fossil erhielt die wissenschaftliche Bezeichnung AL 288-1 („AL“ steht für „Afar Locality“) , ist aber besser bekannt als „Lucy“.
Werdegang
Don Johanson wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Hartford auf, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Connecticut. Als Achtjähriger lernte er einen Nachbarn kennen, der am Theologischen Seminar der Stadt Anthropologie lehrte und als Kulturanthropologe regelmäßig in Tansania und Malawi forschte. Er weckte bei Don das Interesse an der Anthropologie und an Afrika; Don's Vater war gestorben, als der Junge erst zwei Jahre alt war, und der Nachbar hatte gewissermaßen die männliche Vorbildrolle für den Jungen übernommen.
Dennoch studierte Don Johanson an der University of Illinois in Champaign-Urbana zunächst zwei Jahre lang Chemie; sein Nachbar und Mentor hatte ihm geraten, im Zeitalter der Raumfahrt etwas „praktisches“ zu studieren, mit dem man auch Geld verdienen könne – Physik, Chemie oder Biologie, aber keinesfalls ein Fach des 19. Jahrhunderts wie Anthropologie. Don langweilte aber das Chemie-Studium derart, dass er schließlich doch ins Fach Anthropologie wechselte. Aufgrund seiner guten Leistungen erhielt er ein Stipendium für die University of Chicago, wo der prominente Paläoanthropologe Clark Howell lehrte.
In Chicago erwarb Johanson den Bachelor-Abschluss und wählte als Thema für seine Doktorarbeit die Bezahnung von Schimpansen, da er sein Stipendium von den National Institutes of Dental Research erhielt. Er durchforstete alle europäischen Museen nach Schimpansen-Zähnen, was ihn eigenen Angaben zufolge fürchterlich langweilte, letztlich aber seiner späteren Arbeit optimal zugute kam, da die Zähne der Fossilien meist die am besten erhaltenen Fundstücke und die Menschen mit den Schimpansen am engsten verwandt sind.
1972 schloss Donald Johanson seine Doktorarbeit ab und übernahm einen Lehrauftrag an der Case Western Reserve University in Cleveland; später war er dann an der Kent State University in Kent (Ohio) und an der Stanford University beschäftigt.
1981 gründete Don Johanson das Institute of Human Origins. Es ist seit 1997 der Arizona State University in Tempe angegliedert, an der er seitdem Anthropologie lehrt. Das interdisziplinäre Institut versucht u.a., von den Knochenfunden und anderen Indizien auf die Lebensweise und das Verhalten der Hominiden zu schließen.
Wissenschaftliche Erfolge
Noch während Don Johanson die Daten zu seiner Doktorarbeit sammelte, wurde er 1970 von Clark Howell dazu eingeladen, diesen als „Zahn-Experte“ auf einer Forschungsreise nach Äthiopien und Südafrika zu begleiten. 1970 und 1971 hielt er sich daher zu Feldstudien im Omo-Gebiet in Äthiopien auf. 1972 fuhr er mit einigen Kollegen für kurze Zeit in das äthiopische Afar-Dreieck; man wollte erkunden, ob dort Ausgrabungen lohnend sein könnten und war überrascht von der Vielzahl an Tierfossilien. Sie lagen großflächig offen zu Tage, weil der früher über ihnen vorhandene Boden im Laufe der Jahrhunderte erodiert war. Daher wurde beschlossen, im folgenden Jahr eine umfangreiche Expedition dorthin zu organisieren.
1973 entdeckte Johanson im Afar-Dreieck (genauer: in Hadar am Fluss Awash) das Fossil AL 129-1, das erste Knie, das je von einem frühen Hominiden gefunden worden war. Es bewies, dass das Individuum zu Lebzeiten vor mehr als 3 Millionen Jahren aufrecht gegangen war und wurde später der Art Australopithecus afarensis zugeordnet.
1974 wurde erneut in Hadar nach Fossilien gesucht, die Grabungskampagne endete mit einem sensationellen Erfolg: Am 24. November 1974 stießen Johanson und sein Kollege Tom Gray gegen Mittag auf Lucy. Johanson zufolge erhielt das Fundstück noch am gleichen Abend seinen Namen, als man im Überschwang der Freude über die Entdeckung feierte und dabei immer wieder auch den Beatles-Song Lucy in the Sky With Diamonds spielte und sang. Wer genau auf die Idee kam, diesen Namen zu verwenden, habe sich später nicht mehr feststellen lassen.
Den Forschern sei sofort klar gewesen, einen bedeutenden Fund gemacht zu haben, da man äußerst selten zusammengehörige Bein-, Arm- und Rumpffragmente findet; wie außerordentlich der Fund war – dass er eine neue Hominiden-Art repräsentierte – stellte sich aber erst drei Jahre später aufgrund der Analysen im Labor heraus.
1975 ging in die Geschichte der Paläoanthropologie ein als das Jahr, in dem Johanson und seine Gruppe die so genannte erste Familie fanden – eine blumige Bezeichnung für den Fund von fossilen Knochen mehrerer Hominiden an einer Stelle.
1976 schließlich wurden weitere, allerdings etwas jüngere (2,5 Millionen Jahre alte) Hominiden-Überreste gefunden, erstaunlicherweise aber zusammen mit Steinwerkzeugen, und zwar den ältesten bis dahin je gefundenen. Danach konnten wegen der instabilen politischen Situation 15 Jahre lang keine weiteren Ausgrabungen in Äthiopien durchgeführt werden.
Seit 1974 war Johanson Kurator des Cleveland Museum of Natural History und versuchte gemeinsam mit Tim White, einem jungen Kollegen, die vielen gefundenen Hominiden-Fossilien wissenschaftlich zu beschreiben. Zunächst Tim White, dann auch Johanson kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass sie alle der gleichen Art angehörten, dass die kleineren Indiviuduen die weiblichen und die größeren die männlichen repräsentierten. Zu Ehren der Afar-Region benannte man sie Australopithecus afarensis; bekannt gegeben wurde der Name 1978 auf einem Symposium der Nobel-Stiftung in Schweden.
1987 erhielt Don Johanson die Erlaubnis, gleichsam in der Nachfolge des Leakey-Clans in der Olduvai-Schlucht in Tansania nach Hominiden zu graben. Seit 1990 können auch in Äthiopien wieder Grabungen vorgenommen werden, bei denen mittlerweile Überreste von mehreren hundert Australopithecinen geborgen wurden, von männlichen und weiblichen, Kleinkindern und Jugendlichen. Für Don Johanson sind diese vielen Funde an einem Platz ein Hinweis darauf, dass auch Australopithecus in Gruppen gelebt hat.
Lucy befindet sich heute im Nationalmuseum von Äthiopien; ein detailgetreuer Abguss von Original ist im Frankfurter Senckenberg-Museum ausgestellt.
Werke
- Donald C. Johanson u.a.: Lucy und ihre Kinder. Spektrum Verlag 2000, ISBN 3827410495
- Donald C. Johanson, Maitland A. Edey: Lucy. Piper 1994, ISBN 3492115551
- Donald Johanson, James Shreeve: Lucys Kind. Auf der Suche nach den ersten Menschen. Piper, München 1990, ISBN 3492033903
Weblinks
- Ein ausführliches, sehr persönliches Interview mit Don Johanson (auf Englisch)
- Webseite von Don Johanson
- Webseite des Institute of Human Origins
- Fragen und Antworten zu Lucy
Personendaten | |
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NAME | Johanson, Donald |
ALTERNATIVNAMEN | Johanson, Donald Carl |
KURZBESCHREIBUNG | Paläoanthropologe, Entdecker von Lucy |
GEBURTSDATUM | 26. Juni 1943 |
GEBURTSORT | Chicago |