Lessing-Gymnasium (Frankfurt am Main)
Das Lessing-Gymnasium ist ein altsprachliches Gymnasium mit musikalischem Schwerpunkt und die traditionsreichste Schule in Frankfurt am Main. Es geht auf die städtische Lateinschule zurück, die 1519 vom Stadtrat zur Erziehung der Patriziersöhne gegründet wurde. Bis heute beruft es sich auf seine humanistische Tradition, so dass die erste Fremdsprache Latein ist und in der 8. Klasse als dritte Fremdsprache Altgriechisch gewählt werden kann. Heute besuchen ungefähr 800 Schüler das Lessing-Gymnasium, das somit eines der kleinsten in Frankfurt ist.
Geschichte
Als erster Rektor wurde 1520 der Humanist Wilhelm Nesen durch den Ratsherrn und Bürgermeister Hamman von Holzhausen berufen. Nesen war ein Anhänger Luthers. Seine Berufung war einer der ersten Schritte zur Einführung der Reformation in Frankfurt. Ende 1523 wurde er an die Universität Wittenberg berufen. Unter seinem Nachfolger Jakob Micyllus (Rektor von 1524 bis 1533 und 1537 bis1547) etablierte sich das Gymnasium Francofurtanum.
Die Schule war zunächst im Haus Zum Goldstein untergebracht (etwa dort, wo heute der Rathausturm Langer Franz steht). 1542 bezog sie die Räume des aufgelassenen Barfüßerklosters, wo sie bis 1838 ansässig blieb. Die Schüler und Lehrer waren auch für den Chorgesang an der Barfüßerkirche (der heutigen Paulskirche), der evangelischen Hauptkirche von Frankfurt, zuständig.
Die Schulaufsicht lag beim Evangelisch-lutherischen Consistorium, einer städtischen Behörde, die aus fünf Ratsherren, zwei Theologen und zwei Juristen bestand. Bis zur Zeit des Großherzogtums Frankfurt hatte die Schule ausschließlich lutherische Schüler und Lehrer, erst danach wurde sie auch für andere Konfessionen (Katholiken, Reformierte und Juden) geöffnet. Nach dem Verlust der städtischen Selbständigkeit 1866 wurde die Schulaufsicht Angelegenheit des preußischen Staates. Sie wurde vom Provinzial-Schul-Kollegium in Kassel wahrgenommen.
1839 wurde das baufällig gewordene Barfüßerkloster abgerissen und die Schule zog in den Arnsburger Hof in der Predigergasse um. 1876 erfolgte ein weiterer Umzug in die Junghofstraße. Während die Schülerzahl in den ersten 350 Jahren der Schulgeschichte stets zwischen 100 und 200 gelegen hatte, stieg sie nach 1868 schnell an. 1888 wurde zur Entlastung das staatliche Kaiser-Friedrich-Gymnasium (heute Heinrich-von-Gagern-Gymnasium) gegründet. Trotzdem stiegen die Schülerzahlen der nunmehr Städtisches Gymnasium genannten Schule weiter an. 1897 wurde sie deshalb geteilt:
- Das Goethe-Gymnasium wurde als Reformgymnasium neu gegründet. Es bezog einen Neubau in der Bahnstraße (heute Friedrich-Ebert-Anlage), während das
- Lessing Gymnasium am alten Ort in der Junghofstraße die Tradition des humanistischen Gymnasiums fortführte.
1902 bezog das Lessing-Gymnasium einen Neubau an der Hansa-Allee. Da die Schule 1944 durch Bomben schwer beschädigt wurde und nach Kriegsende im amerikanischen Sperrgelände um das IG-Farben-Haus lag, konnte der Schulbetrieb erst 1952 wieder aufgenommen werden. 1968 wurde das heute noch bestehende Schulgebäude errichtet.
Schulleben
Das Lessing-Gymnasium zeichnet sich besonders durch seine Orchester und Chöre aus. So gibt es jeweils für die Unterstufe, die Mittelstufe und die Oberstufe ein Orchester. Daneben existieren noch drei Chöre; einer für die Sexta, einer für Quinta und Quarta und einer für die Mittel- und Oberstufe. Eine weitere besondere Tradition hat die jährliche Skifahrt nach Niederau in der Wildschönau (Tirol), die dieses Jahr ihr vierzigjähriges Jubiläum feiern konnte.
Persönlichkeiten
Zahlreiche bekannte Personen waren mit der Schule verbunden. Die folgende Liste enthält einige von ihnen:
Lehrer
- Wilhelm Nesen (1492–1524)
- Jakob Micyllus (1503–1558)
- Georg Philipp Telemann (1681–1767), Komponist
- Johann Balthasar König (1691–1758), Komponist und Kirchenmusiker
- Georg Friedrich Grotefend (1775–1853), Sprachwissenschaftler und Altertumsforscher
- Anton Kirchner (1779–1834), evangelischer Pfarrer, Historiker, Lehrer und Schulreformer
- Carl Ritter (1779–1859), Begründer der wissenschaftlichen Geographie
- Johannes Classen (1805–1891), Altphilologe
- Georg Ludwig Kriegk (1805–1878), Historiker
- Johannes Janssen (1829–1891), katholischer Historiker und Priester
- Tycho Mommsen (1819–1900), Altphilologe und Gymnasialdirektor
- Richard Wachsmuth (1868–1941), Physiker
- Eduard Bornemann (1894–1976), Altphilologe, später Professor für die Didaktik des Lateinischen und Griechischen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Schüler
- Hartmann Beyer (1516–1577), Mathematiker, Theologe und Reformator
- Johann Karl von Fichard (1773–1829), Historiker
- Anton Kirchner (1779–1834), evangelischer Pfarrer, Historiker, Lehrer und Schulreformer
- Johann Friedrich Böhmer (1795–1863), Historiker
- Carl Remigius Fresenius (1818–1897), analytischer Chemiker, geheimer Hofrat und Begründer und Direktor des chemischen Labors zu Wiesbaden
- Carl Peter Burnitz (1824–1886), Maler
- Richard Merton (1881–1960), Vorstand der Metallgesellschaft und Ehrenbürger von Frankfurt am Main
- Otto Frank (1889–1980), Vater von Anne Frank
- Erwin Stein (1903–1992), CDU-Politiker, Richter am Bundesverfassungsgericht Karlsruhe und einer der Väter der hessischen Landesverfassung
- Peter Stein (* 1937), Theater- und Filmregisseur
- Eva Demski (* 1944), Schriftstellerin
- Martin Mosebach (* 1951), Schriftsteller
- Florian Henckel von Donnersmarck (* 1973), Filmemacher, Regisseur, und Drehbuchautor
- Matthias Lutz-Bachmann
Auch drei der Attentäter vom 20. Juli 1944, nämlich Karl-Heinrich von Stülpnagel, Caesar von Hofacker und Friedrich Karl Klausing haben auf dem Lessing-Gymnasium Abitur gemacht.
Literatur
- Rudolf Bonnet: Das Lessing-Gymnasium zu Frankfurt am Main. Lehrer und Schüler 1897-1947. Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1954.
- Heinz-Joachim Heydorn, Karl Ringshausen (Hrsg.): Jenseits von Resignation und Illusion: Festschrift zum 450-jährigen Bestehen des Lessing-Gymnasiums, der alten Frankfurter Lateinschule von 1520. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1971.