Organisationskultur

Begriff der Organisationstheorie
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Die Unternehmenskultur (engl.: "Corporate Culture", auch "Organizational Culture") beeinflusst den Umgang, das Auftreten und Benehmen der Mitarbeiter und Führungskräfte untereinander sowie gegenüber Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern und neuen Mitarbeitern. Das so geschaffene Klima wirkt auf die Beteiligten zurück, die sich auf diese Weise der vorherrschenden Unternehmenskultur anpassen oder widersetzen, jedenfalls aber bewusst oder unbewusst ihr Verhalten an ihr ausrichten.

Grundlagen

Das Konzept der Unternehmenskultur überträgt den Kulturgedanken aus der Kulturanthropologie auf Organisationen. Demnach bildet jede Organisation eine spezifische Kultur heraus, die das organisatorische Verhalten maßgeblich prägt. Sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Werten, Normen, Denkhaltungen und Paradigmen, welche die Mitarbeiter teilen und damit das Zusammenleben im Unternehmen sowie das Auftreten nach außen hin prägen. Durch diese Kultur wird die Corporate Identity und das Erscheinungsbild (Corporate Design) des Betriebes geprägt.

Hier sei vor allem Edgar H. Schein erwähnt. Er ist "der" Wegbereiter des Forschungsfeldes Organisationskultur. Schein (1995, S. 25) definiert Unternehmenskultur als "ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit Problemen weitergegeben wird."

Unternehmenskultur wird allgemein als veränderlich angesehen, wobei es nicht möglich ist, abschließend und allgemeingültig Ansatzpunkte aufzuzählen. Unternehmenskultur entsteht durch die geteilten Erfahrungen der Belegschaften und ist nur sehr langsam gezielt zu verändern. Zudem beeinflussen soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen die Struktur und die Strategie des Unternehmens dessen Kultur.

Unternehmenskultur in der Betriebswirtschaftslehre

Nicht alle Modelle eines Unternehmens erkennen die Existenz einer Unternehmenskultur an. Frühe mechanistische Unternehmensbilder gingen von einem funktionierenden Apparat oder einer militärisch organisierten Maschine aus. Die Prinzipal-Agent-Theorie zeigte jedoch auf, dass im Unternehmen durchaus Eigeninteressen der Mitarbeiter und des Managements bestehen. Die Erforschung der Faktoren und Einflußmöglichkeiten auf die Unternehmenskultur bildet heute einen wichtigen Teil der Betriebswirtschaftslehre und einen Schnittpunkt zur Soziologie.

In einem Verhaltenskodex mit Regelungen und Richtlinien zur unternehmensexternen und -internen Kommunikation sind Führungsgrundsätze und das gewünschte Verhalten der Mitarbeiter festgelegt. Grundlage für den Verhaltenskodex sind die Werte, zu denen sich das Unternehmen bekennt, die in die Alltagsarbeit einfließen sollen. So ergibt sich ein typisches Gesamtbild (Image) eines Unternehmens, welches auch im Rahmen der Marktkommunikation des Marketing innerhalb der Betriebswirtschaftslehre geplant und vermittelt wird und z.B. auch in die Arbeitsgrundlage externer Dienstleister, wie z.B. das Briefing von Werbeagenturen oder Investor-Relations-Beratern Eingang findet.

Mit dem als Unternehmenskulturansatz bekannten Veränderungsmanagement (change management) versucht man über die Entwicklung gemeinsamer Visionen und der Formulierung eines Leitbildes an der Unternehmenskultur gezielt zu arbeiten. Unter Diversity Management werden verschiedene Ansätze zusammengefasst, um verschiedenartige Mitarbeiter und -gruppen zu integrieren und eine einheitliche Unternehmenskultur einzuführen.

Damit das Selbstverständnis des Unternehmens gezeigt, gelebt und kommuniziert werden kann, wird es durch Schulungsmaßnahmen und Führungsanweisungen eingeübt und vermittelt. Der Unternehmer beabsichtigt damit die interne Kommunikation zu fördern, Entscheidungen zu beschleunigen und die Rentabilität zu erhöhen.

Auswirkungen in der Praxis

Eine positive Unternehmenskultur ist das stärkste Führungsinstrument einer Organisation und äußert sich im Alltag in den Reaktionen der Mitarbeiter. Sie erlaubt durch eine freundschaftliche oder kompetitive Atmosphäre eine ansonsten unerklärliche Leistung der Mitarbeiter. Eine negative Unternehmenskultur ist oft demotivierend, atomisierend, begünstigt Reibereien und ist ein ernstes Warnsignal, das nicht überhört werden sollte. Bei einer Fusion sind regelmäßig inkompatible Unternehmenskulturen der Grund des Scheiterns, was sowohl die Wichtigkeit der Kultur wie auch die Langsamkeit ihrer Anpassung unterstreicht.

Große Teile der betriebswirtschaftlichen Praxis sind ohne Kenntnis über die Beschaffenheit der Unternehmenskultur nicht verständlich: In einer finanziellen Notsituation des Unternehmens ist ein persönlicher Brief des Vorstandes an die Mitarbeiter z.B. häufig wichtiger als finanztechnische Manöver.

Die Unternehmenskultur sorgt für die Einmaligkeit einer Organisation und kann deshalb einen großen und starken Beitrag zum Alleinstellungsmerkmal einer Organisation darstellen; auf diese Art kann es gelingen, Talente anzuziehen und an das Unternehmen zu binden. Unternehmenskultur hat daher durchaus einen finanziell bezifferbaren Nutzen, wenn auch nicht der ganze Nutzen finanziell erfassbar ist.

Eine gemeinsam getragene Unternehmenskultur

  • stärkt die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber
  • macht Grundsatzdiskussionen überflüssig
  • stärkt die Identifikation mit den kurz-, mittel- und langfristigen Unternehmenszielen
  • fördert den innerorganisatorischen Zusammenhalt
  • steigert die Effizienz und Leistungsfähigkeit von Unternehmen.

Kommt es zu einer Schere zwischen der postulierten Unternehmensphilosophie und der gelebten Unternehmenswirklichkeit, entsteht eine für die Entwicklung der Unternehmenskultur sehr nachteilige "Cultural Gap".

Gestaltbarkeit der Unternehmenskultur

Der Unternehmenskultur wird ein großer Einfluss auf den Erfolg einer Organisation zugeschrieben. Daher ist die Frage, ob und wie die Unternehmenskultur durch das Management beeinflusst werden kann, für die Management- und Organisationslehre sehr interessant. Auf diese Fragen gibt es verschiedene Sichtweisen, die sich unter vier Ansätzen zusammenfassen lassen:

  • Autonomie-Ansatz: Der Autonomie-Ansatz geht von der vollkommenen Autonomie der Kultur gegenüber Beeinflussungsmöglichkeiten aus. Demnach sind gezielte Veränderungen z.B. durch das Management gar nicht möglich. Die Kultur ist demzufolge ein zufälliges Ergebnis der Interaktion der Organisationsmitglieder.
  • Krisen-Ansatz: Dieser Ansatz sieht die Kultur als unveränderlich an, solange keine Krise existiert. Bei einer Krise werden die Werte und Normen einer Organisation durch deren Mitglieder in Frage gestellt, weil sie nicht mehr die richtigen Antworten auf die Probleme liefern. Es kommt zu einer "Revolution" und die überkommenen Regeln werden durch neue ersetzt.
  • Gärtner-Ansatz: Der Gärtner-Ansatz betrachtet die Kultur als etwas Beeinflussbares. Ähnlich wie ein Gärtner kann das Management versuchen, die Kultur zu beeinflussen. Die Betonung liegt hier auf "versuchen", da die Einflussnahme nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen führen muss. Die Einflussnahme kann auch zu unbeabsichtigten Resultaten führen. Instrumente zur Beeinflussung sind das Führungsverhalten und Führungsverständnis des Managements sowie die Interne Kommunikation mit Instrumenten wie die Betriebsversammlung, das Intranet und die Mitarbeiterzeitung.
  • Macher-Ansatz: Nach dieser Vorstellung ist die Kultur beliebig und immer mit den gewünschten Resultaten veränderbar. Der Manager kann die Kultur durch Eingriffe nach seinen Vorstellungen verändern.

Einzelaspekte

CB (=Corporate Behavior) unternehmensintern:

  • Führungsstil/-instrumente
  • Kriterien der Bewerberauswahl
  • Kriterien der Beförderung
  • Aus- und Fortbildungsangebote
  • Lohnpolitik
  • Sozialleistungen

CE1 in der Ganzheitlichkeit, meint Corporate-Effects:

  • Führungsstile
  • Wie und durch was wirkt ein Unternehmen?
  • Gelebte und ungelebte Unternehmenskultur
  • Gesteuerte und ungesteuerte Unternehmenskultur
  • Unternehmensidentität / Corporate-Identity
  • Unternehmensphilosophie / Corporate-Philosophy
  • Unternehmenskommunikation / Corporate Communication


CB gegenüber Kunden:

  • Produktgestaltung
  • Preisgestaltung
  • Verkaufspraktiken
  • Qualitätsgrundsätze
  • Garantie- und Serviceleistungen
  • Reaktion auf Reklamationen und Beschwerden
  • Einhaltung von Lieferterminen
  • Verhalten gegenüber Anrufern und Besuchern


CB gegenüber Lieferanten/Geschäftspartnern:

  • Zahlungsmoral
  • Vorbringen von Reklamationen und Beschwerden
  • Verhalten gegenüber Anrufern und Besuchern
  • Ausschreibungen


CB gegenüber der Öffentlichkeit:

  • Reaktionen auf Probleme mit den Produkten des Unternehmens
  • Offenheit und Vertrauen im Umgang mit der Öffentlichkeit
  • Verhalten gegenüber Anrufern und Besuchern
  • Stellenausschreibungen
  • Verhalten gegenüber Bewerbern

Literatur

  • Paul Bate: "Cultural Change - Strategien zur Änderung der Unternehmenskultur". Gerling Akademie Verlag München 1997, ISBN 3932425030
  • Christian Berggold: "Unternehmensidentität: Emergenz, Beobachtung und Identitätspolitik : Ansatzpunkte einer organisationstheoretischen Betrachtung". VWF Berlin 2000, ISBN 3897002728
  • Anne Nieberding: "Unternehmenskultur im Kaiserreich: J.M. Voith und die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.", Beck München 2003, ISBN 340649630-X
  • Andreas Unterreitmeier: "Unternehmenskultur bei Mergers & Acquisitions: Ansätze zu Konzeptualisierung und Operationalisierung", Dt. Univ.-Verlag Wiesbaden 2004, ISBN 3824481650
  • Christian Stadler: "Unternehmenskultur bei Royal Dutch/Shell, Siemens und DaimlerChrysler". Steiner Stuttgart 2004, ISBN 3515083391
  • Joachim Dettmann/Michael Holewa: "Vertrauen - oder das Wunder der Loyalität. Beiträge zu Unternehmenskultur als Marketing-Strategie". transfer-project Berlin 2006, www.efb-consulting.de, ISBN 3-937684-03-4
  • Edgar H. Schein: "Unternehmenskultur, EHP Verlag, 2003, ISBN 3897970147
  • Unger, Stefanie; Hattendorf, Kai; Korndörffer, Sven H.: Was uns wichtig ist. - Eine neue Führungsgeneration definiert die Unternehmenswerte von morgen. Wiley-VCH . 2005. ISBN 3-52750-189-4

Siehe auch

Betriebsklima, Betriebliche Sozialpolitik, Betriebsrente, Flache Hierarchie, Unternehmensethik, Kleinfeld-Schönung