Juniorprofessur

Amtsbezeichnung für eine Stelle im Lehrkörper einer deutschen Hochschule
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Die Juniorprofessur ist eine in Deutschland 2002 aufgenommene gesetzliche Regelung in das Hochschulrahmengesetz, die junge Wissenschaftler mit herausragender Promotionsleistung ohne die in Deutschland bisher übliche Habilitation direkt unabhängige Forschung und Lehre an Hochschulen ermöglicht und auf die Berufung auf eine Lebenszeit-Professur vorbereitet.

Zwar wurde das Hochschulrahmengesetz von 2002 mit Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 27. Juli 2004 in einer 5:3 Mehrheitsentscheidung für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt, dies bedeutete aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Juniorprofessur sondern schränkte lediglich den Gesetzgebungsspielraum des Bundes in Bildungsangelegenheiten ein. Am 31. Dezember 2004 trat die sogenannte Reparaturnovelle (HdaVÄndG) in Kraft, die die Juniorprofessur als Personalkategorie bestätigt, aber den Ländern weitergehenderen Spielraum bei der Ausgestaltung der Juniorprofessur und bei der Beibehaltung der Habilitation lässt, als das Hochschulrahmengesetz von 2002.

Neben Juniorprofessuren existieren Positionen als Leiter einer wissenschaftlichen Nachwuchsgruppe im Rahmen des Emmy-Noether-Programms (Deutsche Forschungsgemeinschaft), in Form von Helmholtz-Nachwuchsgruppen (Helmholtz-Gemeinschaft) und innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft. Juniorprofessuren und Nachwuchsleiterstellen unterscheiden sich hinsichtlich Auswahlverfahren, Rahmenbedingungen, Mittelausstattung und Lehre. Die angestrebten Berufsziele sind aber meistens die gleichen: in der Regel eine Hochschullehrerstelle oder alternativ eine Position in einer wissenschaftlichen Gesellschaft.

Zielsetzung

Die Beobachtung, dass deutscher Professoren-Nachwuchs mit über 40 Jahren durchschnittlich deutlich älter ist als in den meisten vergleichbaren Nationen, veranlasste das Bundesministerium für Bildung und Forschung, mit der „Fünften Novelle des HRG“ ab Februar 2002 rahmengesetzlich etwas dagegen zu unternehmen. Als Ursache wurde die in der Regel sechs Jahre beanspruchende traditionelle Habilitationsprozedur mit abschließender Prüfung festgestellt, die im Ausland unüblich ist. Zusätzlicher Druck entstand durch die Thematisierung der Abwanderung hervorragender junger Wissenschaftler aus Deutschland u. A. an US-amerikanische Universitäten unter dem Stichwort „Brain Drain“. Diese Emigration hängt nicht zuletzt mit der Umgehung der mehrjährigen Hürde sowie den insgesamt unbürokratischeren Forschungsbedingungen dort zusammen. Auch dieses Problem meinte man, mit der Juniorprofessur lösen zu können.

Kritik

Mit der Juniorprofessur bleibt die lange berufliche Unsicherheit der Habilitanden bestehen, weil alle Stellen wie zuvor bei Hochschulassistenten auf maximal sechs Jahre befristet sind und nur die allerwenigsten mit tenure Track ausgeschrieben werden. Vergleichbare Stellen als Assistant Professor in den USA sind dagegen in der Regel mit tenure Track ausgestattet, während man als Lecturer in Großbritannien, Maitre de Conference in Frankreich und Ricercatore in Italien, aber auch als Richter oder Staatsanwalt in Deutschland, bereits sofort oder spätestens nach einer dreijährigen Probezeit, die fast immer bestanden wird, auf Lebenszeit angestellt wird. Die lange berufliche Unsicherheit bis nach dem 40. Lebensjahr macht besonders für Frauen mit Kinderwunsch eine Hochschulkarriere schwierig und wird als ein Grund dafür angesehen, dass Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind. Außerdem ist schwer nachzuvollziehen, warum der deutsche Staat schärfere Arbeitsbefristungsregeln für private Unternehmen schafft als für sich selbst; im Vereinigten Königreich ist die entsprechende EU-Richtlinie gleichermaßen auf private und öffentliche Dienstverhältnisse angewendet worden.

Der W1-Tarif, nach dem Juniorprofessoren bezahlt werden, ist häufig niedriger als Einstiegsgehälter in der Privatwirtschaft und vergleichbar mit dem A13-Tarif eines Gymnasiallehrers, obwohl für Lehrer eine geringere und kürzere Qualifikation nötig ist; außerdem steigt A13 mit dem Alter und überholt nach einigen Jahren W1, das altersunabhängig ist. Zusätzlich zu einem verhältnismäßig bescheidenen Einkommen muß der Juniorprofessor eine auf 3 Jahre befristete Stelle hinnehmen, die auf maximal 6 Jahre verlängert werden kann ohne jede Garantie für später, während man in der privaten Wirtschaft in der Regel nach 6 Monaten Probezeit unbefristet eingestellt wird, und als Lehrer gleich nach dem Referendariat auf Lebenszeit verbeamtet wird. Die Verbeamtung auf Zeit kann sich zudem nachteilig auf die Renten- und Krankenversicherung auswirken, wenn sie nicht in eine Verbeamtung als Professor auf Lebenszeit mündet, und der Juniorprofessor stattdessen in die Privatwirtschaft oder ins Ausland wechseln will oder muß.

Juniorprofessoren gehören hochschulrechtlich zur Gruppe der Hochschuldozenten, also der Professoren. Wegen des unglücklichen "Junior-"Zusatzes und der in vielen Bundesländern nicht geregelten Titelführung (Prof., Junior-Prof., Juniorprof., oder doch nur Dr.?) entsteht trotzdem auch unter älteren Kollegen häufig der Eindruck, dass es sich nicht um vollwertige Professuren handelt. Es wäre besser, wenn das Gesetz sie als W1-Professuren bezeichnen würde.

Fazit: die Juniorprofessur war ein Schritt in die richtige Richtung, aber richtig attraktiv ist dadurch eine deutsche Hochschulkarriere im internationalen Vergleich nicht geworden. Diejenigen, die in Deutschland bleiben, tun es häufig aus persönlichen Gründen der Verbundenheit zu ihrer Heimat.

Entwicklung

In den ersten zweieinhalb Jahren, seit das Rahmengesetz gilt, sind in Deutschland rund 650 Juniorprofessorinnen und -professoren ernannt worden. Im Dezember 2003 gründeten sechs von ihnen in Clausthal-Zellerfeld den „Förderverein Juniorprofessur“, der am 1. Juli 2004 zum bundesweit ersten „Symposium zur Juniorprofessur“ sechzig Mitstreiter zum Gedankenaustausch versammelte. Kritisiert wurde dort, dass

  • die Grundausstattung von je 76.000 Euro aus Bundesmitteln für Naturwissenschaftler und Ingenieure häufig zu dürftig sei
  • die Zwischenevaluation der Juniorprofessoren bereits nach drei Jahren zu früh geschehe.

Ein 2. Symposium zur Juniorprofessur fand am 13. Oktober 2004 an der Humboldt-Universität in Berlin statt, ein 3. Symposium am 13. September 2005 in Hannover. Beide Male war die Bundesministerin für Bildung und Forschung Frau Edelgard Bulmahn anwesend.

Strittigkeit und Folgen

Die verfassungsrechtlich bedingte Zuständigkeitsverteilung in Deutschland, nach der den Bundesländern die Kulturhoheit zukommt, und dem Bund, der im Bildungsbereich lediglich die Gesetzgebungszuständigkeit für ein Hochschulrechtsrahmengesetz hat, führte auch beim neugeschaffenen Sachverhalt Juniorprofessur zur Verfassungsklage. Die mit absoluter CDU/CSU-Mehrheit geführten Bundesländer Sachsen, Thüringen und Bayern hatten in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle beantragt, das Gesetz müsse als verfassungswidrig verworfen werden. Am 27. Juli 2004 erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes das Gesetz wegen Überschreitung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mit Artikel 70, Artikel 75 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes für unvereinbar und nichtig.

Mit dieser Entscheidung wurde aber die Juniorprofessur nicht abgeschafft. Das Bundesverfassungsgericht hat nur den bundesgesetzlichen Zwang zur Einführung im Hochschulrahmengesetz widerrufen. Soweit die Bundesländer bereits landesgesetzliche Grundlagen geschaffen haben (dies soll bei neun Bundesländern der Fall sein), steht der Weiterführung der Juniorprofessur nichts entgegen. Wenn nun jedes Bundesland eigene, inkompatible gesetzliche Regelungen festlegt, wäre ein Wechsel von Juniorprofessoren von einem Land ins nächste nicht einfach. Der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaehtgens, forderte die Länder am 27. Juli 2004 auf, sich auf einheitliche Regeln zu einigen.

In vielen Fachbereichen wird allerdings die Habilitation, welche heute je normalerweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Akademischer Rat auf Zeit oder eines Angestelltenverhältnisses als Wissenschaftlicher Mitarbeiter angefertigt wird, die Regelqualifikation bleiben, da dort Skepsis von gegenüber der Juniorprofessur vorherrscht. In den Bundesländern, in denen nunmehr (wegen mit der Einführung der Juniorprofessur einhergegangenen Abschaffung der Besoldungsgruppe für Wissenschaftlichen Assistenten) keine Verbeamtung auf Zeit für Habilitanden mehr möglich ist, hat sich die Wettbewerbsfähigkeit um besonders qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs damit sogar noch verschlechtert, so z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mit einer entsprechenden Anpassung hochschulbeamtenrechtlicher Vorschriften (Einführung akademischer Räte auf Zeit) haben dagegen reagiert: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen.