Der Begriff Anarchie bzw. der „Anarchismus” leitet sich aus dem Griechischen von dem Wort „anarchia/anarchos” (αναρχία "Führerlosigkeit") ab und bedeutet ursprünglich Abwesenheit von Herrschaft durch Einzelne ("Führer").
Definition
Anarchie bezeichnet ein sozialpolitisches und philosophisches Gesellschaftsmodell in dem jeder Mensch sich ohne unterdrückende Autorität und in freier Assoziation mit anderen Menschen entfalten kann. Die Anarchie negiert indes jegliche Form der irrationalen Autorität oder der Gewaltenteilung: Es existieren weder eine Exekutive (ausführende), eine Judikative (richterliche) noch eine Legislative (gesetzgebende) Gewalt, somit also kein Staat. Vielmehr wollen die Anarchisten sich selbst über Räte und freie Übereinkunft organisieren, also durchaus eine Organisationsstruktur aufbauen, die aber per definitionem hierarchiefrei sein muss und nicht mit Administration zu verwechseln ist. Eine Gesellschaft, in der Anarchie herrscht, ist also eine Gesellschaft, in der die Menschen zusammen für ihre Lebensumstände Verantwortung übernehmen sollen. Es gibt keinerlei lenkende staatliche Gewalt und keine Sanktionen einer Führungsschicht. Zur besseren Organisation ist es aber durchaus notwendig Vertreter für einzelne Räte und Gebiete zu wählen, die dann, per imperativem Mandat den Konsens ihres Rates im Kongress der Abgeordneten mit den anderen absprechen.
Geschichte
Die Gedankengänge zur Anarchie entstanden bereits im Altertum. Der eigentliche Begriff Anarchie entstand jedoch erst im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung bzw. als politisches Gegenkonzept zur Monarchie und zur Demokratie.
Gegenwart
Im heutigen Gebrauch des Wortes streitet man sich in der Syntax, wie "Führerlosigkeit" auszulegen ist. Die klassischen Anarchisten in der Tradition von Bakunin, Kropotkin und Proudhon verstehen auch institutionelle oder strukturelle Gewalt als so etwas wie Herrschaft. In der Wortbedeutung ist aber nur von Führern, also Personen die Rede.
Betrachtungsweisen / Interpretationen
Weiter kann man sich darüber streiten, was ein Führer ist. Ist ein Stammesoberhaupt, ein Familienoberhaupt, ein Richter, ein Gelehrter usw. ein Führer? Darüber mag man geteilter Meinung sein. Eine Auslegung wäre, Anarchie mit staatenloser Gesellschaft oder dem Fehlen des staatlichen Gewaltmonopols gleichzusetzen.
In diesem Sinne ist Herrschaft, wie wir sie kennen, keine zeitlose Institution. Neben und vor allem vor dem welthistorischen Beginn der Herrschaft moderner Staaten hat es logischerweise und tatsächlich Anarchie gegeben. Noch bei manchen rezenten Naturvölkern kann von Herrschaft Einzelner keine Rede sein. Die Mbuti etwa lebten ohne Macht von Führern, mithin in einer Anarchie. Die Abwesenheit von Gesetzgebern und Gesetzen kennzeichnet das Leben der Mbuti auch als 'gesetzlos'. Aber ohne Ordnung war ihr Leben deshalb mitnichten.
Neben den sozusagen natürlichen Formen der Anarchie außerhalb der Zeiten und Territorien der Einzelherrschaft gibt es die bewusst gewählten Formen der Anarchie anstelle etablierter Herrschaftsstrukturen. Siehe auch: Anarchismus.
Bedeutungen
- ursprünglich, in der griechischen Antike: Abwesenheit des Alleinherrschers
- Bezeichnung für eine herrschaftsfreie Gesellschaft, das heißt Abschaffung von Machtstrukturen wie Regierungen und Gerichten, aber auch wirtschaftlichen Zwängen (zum Beispiel Lohnarbeit und Schulden)
- Das Modell einer Gesellschaftsform, der Anarchismus
Verfehlte Verwendungen
- Anarchie wird als Synonym zu politischem und gesellschaftlichem, aber umgangssprachlich zu verstehendem Chaos oder der Gesetzlosigkeit verwendet. Dabei heißt dieser Zustand korrekterweise Anomie.
- Freudewort, um politische Gegner zu diskreditieren.
Literatur
- Achim von Borries/Ingeborg Weber-Brandies (Hg.): "ANARCHISMUS - Theorie, Kritik, Utopie" Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim, 2006. ISBN 3-939045-00-4.
- Hans Jürgen Degen: "Tu was Du willst. Anarchismus - Grundlagentexte zur Theorie und Praxis". Verlag Schwarzer Nachtschatten, Berlin 1987. ISBN 3-89041-005-7. (Sehr gute Textsammlung der anarchistischen Klassiker!)
- Hans Jürgen Degen/Jochen Knoblauch: "Anarchismus. Eine Einführung". (Aus der www.theorie.org Reihe) Schmetterling Verlag, Stuttgart 2006. ISBN 3-89657-585-6.
- Robert Graham (editor): "ANARCHISM. A Docoumentray History of Libertarian Ideas". Volume 1: From Anarchy to Anarchism (300CE to 1939). Black Rose Books, Montreal/New York/London 2005.520 pages.ISBN 1-55164-250-6.
- Nicolas Walter: "Betrifft: Anarchismus. Leitfaden in die Herrschaftslosigkeit". (mit Bibliogaphie anarchistischer Literatur) Libertad Verlag, Berlin (jetzt: Potsdam) 1984. ISBN 3-922226-03-5.
- "Was ist eigentlich Anarchie? - Einführung in Theorie und Geschichte des Anarchismus" -. Kramer Verlag, Berlin 2003. ISBN 3-87956-700-X.
- Horst Stowasser: "Leben ohne Chef und Staat. Träume und Wirklichkeit der Anarchisten". Karin Kramer Verlag, Berlin 2003. ISBN 3-87956-120-6. (Leicht verständlich, unterhaltsam und reich bebilderte Einführung in die Geschichte und Gegenwart des Anarchismus].
- Horst Stowasser: "Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft." (Auszüge) Eichborn Verlag, Frankfurt (Main) 1995. ISBN 3821804483
- Diefenbacher, Hans (Hrsg.): Anarchismus. Zur Geschichte und Idee der herrschaftsfreien Gesellschaft, Verlag Primus, Darmstadt:1996. ISBN 3-89678-013-1 (leider wird keine Frau behandelt; weder Goldman, noch Michel, etc.pp.)