Polizeistaat

Staat, in dem die Regierung extreme Kontrolle auf die Zivilgesellschaft und die persönliche Freiheit ausübt
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Der Begriff Polizeistaat bezeichnet eine Staatsform, in der die Staatsführung durch seine Verwaltungsorgane eine weitest gehende Kontrolle über die Gesellschaft wahrnimmt.

Begriffsentstehung

Etymologisch leitet sich der Begriff Polizei vom griechischem Polis ab. Er bezeichnete zunächst die gesamte Verwaltung. Seit dem Mittelalter wurde gute Policey als Ausdruck für eine gute Verwaltung verwendet. Diese Bedeutung setzte sich bis ins aufgeklärt-absolutistische Staatsmodell fort, bei dem sich der Herrscher als "oberster Diener des Staates" betrachtet: Als Gegenleistung für die absolute Macht im Staat sorgt der Herrscher für das umfassende Wohlergehen des Volkes. Das Instrument dafür ist die "gute Polizey" die mit allumfassenden Befugnissen das Wohlergehen der Untertanen sichern sollte.

Durch den gesellschaftlichen Wandel insbesondere nach dem Wiener Kongreß wurde der Polizeistaat zunemend repressiv, da das absolutistische Staatssystem nicht mehr als einzig denkbare Staatsform akzepiert wurde. Der Polizeistaat wurde somit auch zum Kampfinstrument gegen politisch andersdenkende (im absolutistischen Staatsgefüge war eine Oposition ja nichts anderes als ein Verstoß gegen die Interessen des Staates und damit auch gegen die Interessen seiner Untertanen).

Erst mit dem Aufkommen des Liberalismus wurde vor allem das repressive Element in den Vordergrund gerückt; seitdem wird unter "Polizeistaat" ein übermäßig repressiver Staat verstanden.

Der Begriff des Polizeistaates entwickelte sich so zum unvereinbaren Gegenbegriff eines Demokratischen Rechtsstaates in dem die Polizeigewalt (Verwaltung) nur aufgrund von Gesetzen tätig werden kann. In der Folge wurde auch der Begriff Polizei in demokratischen Staaten auch sprachlich zunehmend verdrängt (z.B. Gesundheitspolizei, Baupolizei und Ausländerpolizei wurden zu Gesundheitsamt, Bauaufsichtsamt und Ausländeramt.) und das Polizeirecht stetig weiterentwickelt.

Geschichte

Joseph II.

Das klassische Modell des Polizeistaates schuf im 18. Jahrhundert Joseph II. für das Habsburger Reich. In einem peniblen System von Vorschriften und Verboten errichtete er den historisch ersten Überwachungsstaat im modernen Sinn.

Nationalsozialismus

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht in Deutschland übernahmen, errichteten sie ein regelrechtes Terrorregime. Durch ein Unzahl von Verordnungen schaltete man systematisch alle politischen Gegner aus. Die ersten Opfer waren die Kommunisten und Sozialdemokraten, deren Parteien verboten und dessen Mitglieder verhaftet wurden. Gesetze, die angeblich zum „Schutz von Volk und Staat“ dienen sollten, beschränkten massiv die verfassungsmäßigen Grundrechte. In Folge dessen kam es beispielsweise zu Einschränkungen der Pressefreiheit oder Verminderung des Rechts der freien Meinungsäußerung. Willkürliche Durchsuchungen und Beschlagnahmung von Eigentum waren demnach erlaubt und wurden in großer Anzahl durchgeführt.

Im nächsten Schritt wurde eine allumfassende Überwachung eingeführt. Bewacher der Nazis überprüften Haushalte und Personen, um alle Tätigkeiten oder Äußerungen, die nicht der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen zur Anzeige zu bringen. Zu diesem Zwecke errichtete man Sondergerichte, die politische Vergehen ahndeten und drakonische Strafen aussprachen.

Häufig kam es unter den Menschen zu einer Welle von Verdächtigungen und Verleumdungen, oftmals aus Angst selber als Sympathisant eines Täters zu gelten oder auch nur aus Bosheit. Selbst vor den eigenen Verwandten und sogar den eigenen Kindern war man nicht sicher. In einer solchen gestörten Atmosphäre konnte man sich der Gefahr einer Verhaftung nur durch beharrliches Schweigen entziehen.

Weiter nutzte die Geheime Staatspolizei eine Vielzahl von Spitzeln zur Aufklärung verborgener politischer Bewegungen. Entdeckten solche Kundschafter von ihnen als staatsfeindlich angesehene Aktivitäten, so dauerte es nicht lange bis die ersten Verhaftungen durchgeführt wurden. Die meisten Betroffenen nahm man in Schutzhaft, wo sie zumeist gefoltert wurden. Die Verhaftungen erfolgten häufig in der Nacht, so dass Personen ohne großes Aufsehen von einem Tag zum Anderen verschwanden.

DDR

Vor dem Fall der Berliner Mauer stellte die Deutsche Demokratische Republik einen klassischen Polizeistaat dar. Der Staatssicherheitsdienst (kurz Stasi) überwachte alle gesellschaftlichen Bereiche Ostdeutschlands und nahm sämtliche „staatsfeindlichen“ Personen und Aktivitäten in unzähligen Akten auf. Die Stasi beschäftigte schätzungsweise 100.000 inoffizielle Mitarbeiter.

USA

In demokratischen Ländern, wie in den USA, sind polizeistaatliche Methoden durch die verfassungsmäßigen Grundrechte verboten. Dennoch befürchten Beobachter ein Zunehmen unrechtmäßiger Aktivitäten, welche die Freiheit der Bürger einschränken könnten. Beispielsweise soll der Patriot Act Züge polizeistaatlicher Praktiken enthalten. Kritiker dieses Papiers beanstanden zum Beispiel die Personenüberwachung ohne richterlichen Beschluss, die Möglichkeit zum Verhängen des Kriegsrechtes oder der uneingeschränkte Zugang zu persönlichen Daten.

Literatur und Film

Eine der bekanntesten literarischen Abhandlungen über den Polizeistaat lieferte George Orwell in seiner Novelle „1984“. Orwell beschrieb ein totalitäres Regime, das einen ständigen Krieg zwischen drei Großstaaten als Vorwand nutzt, um die Bevölkerung einer immerwährenden Kontrolle zu unterziehen. Terry Gilliam nahm sich in seinem Film Brazil einer ähnlichen Thematik an.

Siehe auch: Polizei, Staat, Diktatur, Überwachung, Spitzel, Denunziant.