Philister
Die Philister (hebr.: פְלִשְׁתִּים / pelištīm) waren ein nichtsemitisches vielleicht indoeuropäisches Volk, das um 1175 v. Chr. in der levantinischen Küstenlandschaft ansässig wurde. Sie gehörten zu den sogenannten "Seevölkern", einer Koalition wahrscheinlich u. a. westanatolischer und ägäischer Völker, die kurz nach 1200 v. Chr. mehrfach Ägypten angriffen. In Texten aus der Zeit Ramses III. werden die Philister "Peleset" (plst) genannt. Einige Zeit nach ihrer Ansiedlung im Küstenbereich des historischen Palästina gründeten die Philister einen Fünf-Städte-Bund (Pentapolis) der Stadtstaaten Aschdod, Askalon, Akron oder Akkaron, heute: akir, Gath und Gaza (heute: ghazze). Die Städte wurden von fünf Prinzen regiert.

Der Name "Palästina" geht auf die Philister zurück. Die Römer, um die Juden zu demütigen, benannten nach dem Aufstand im Jahr 70 deren Land nach dem Namen der ehemaligen Feinde (gr. Philistäa / lat. Palaestina) um. Die heutigen Palästinenser können nicht als die Nachfahren der Philister angesehen werden, sie sind semitische Araber, die nach dem von ihnen besiedelten Land benannt wurden.
Herkunft
Die Herkunft der Philister konnte bisher nicht vollständig geklärt werden.
Nach der "ägäischen" Hypothese sind die Philister von den ägäischen Inseln und vom griechischen Festland gekommen. Die Bibel enthält einige der wenigen schriftlichen Zeugnisse, die über die Philister bekannt sind. Im Unterschied zu den Israeliten sind von den Philistern selbst bisher keine schriftlichen Aufzeichnungen überliefert. Im Alten Testament werden sie mehrfach erwähnt und sollen ursprünglich aus Kaphtor = ägypt. Keftu = Kreta stammen. Der Prophet Amos schrieb z.B. "Habe ich nicht Israel aus dem Lande Ägypten heraufgeführt, und die Philister aus Kaphtor und die Syrer aus Kir?". Möglicherweise hat der Prophet Amos ein philistäisches Epos gekannt, das die Ankunft der Philister in der neuen Heimat verherrlichte. Ein weiterer, allerdings sehr vager und spekulativer Beleg für die kretische Herkunft der Philister könnte ein Piktogramm auf dem Diskos von Phaistós sein. Dieser wurde auf Kreta entdeckt und datiert vermutlich ins 17. Jh. v. Chr. Das Piktogramm, das auf dem Diskos mehrfach erscheint, stellt einen Kopf mit Kopfschmuck dar, der gewisse Affinitäten zum Kopfschmuck der Peleset zeigt, die auf den Seevölker-Reliefs des Totentempels Ramses III. in Medinet Habu begegnen. Der Kopfschmuck wurde von Forschern aber auch mit karischem Kopfschmuck verglichen.
Die "anatolische" Hypothese betrachtet dagegen die West- und Südküste Kleinasiens als das Herkunftsland der Philister. Man versucht dies einerseits durch die griechische Sage zu belegen, wonach Perseus und Mopsus, die mit dem Seevolk der Danaer und Kleinasien verbunden sind, mit den Küstenstädten Palästinas Krieg führten. Danach kämpfte Perseus mit einem Seeungeheuer vor Jaffa, und Mopsus eroberte Askalon. Ein wichtigerer Beleg ist jedoch der Verweis auf klassische Historiker, die Lydien als Heimatland der Philister betrachten und nach deren Beschreibung des Kopfschmuckes der Karer dem der Philister glich.
Die Widersprüche zwischen beiden Thesen ließen sich vielleicht dadurch auflösen, dass man sich auf jene klassische Überlieferung beruft, wonach auch der Ursprung der Karer und Lydier auf Kreta liege. Der historische Wert dieser Überlieferung (z.B. durch Herodot) gilt aber als fragwürdig. Man nimmt lieber von einer allzu scharfen geographischen Abgrenzung des Herkunftslandes der Philister Abstand. Für Seefahrer wie die Philister bildeten die Küsten Griechenlands, Kleinasiens und die ägäischen Inseln sicherlich eine geschlossene, organische Welt, in der sie vielfältige Beziehungen unterhielten. Die Philister kamen demnach im Verband mit anderen Seevölkern von der Ägäis und Kleinasien in die Region Palästina.
Im Israelisch-Palästinensischen Konflikt gibt es auf beiden Seiten Meinungen, die die heutigen Palästinenser als Nachfahren der Philister ansehen, wodurch der Konflikt historisch überhöht wird und gerechtfertigt werden soll. Historisch ist dies allerdings sehr zweifelhaft. Eine direkte (biologische) Abstammung mag in wenigen Fällen existieren. Die Region war jedoch immer ein Durchgangsland, wurde im Laufe der letzten 3200 Jahre von unterschiedlichsten Reichen beherrscht und zudem ließen sich immer wieder Beduinenstämme aus der syrischen und arabischen Wüste in dieser Region nieder. Eine kulturelle oder ethnische Kontinuität von den Philistern zu den heutigen Bewohnern des Gebiets ist daher nicht zu propagieren.
Kultur
Ausgrabungen der Überreste der Kultur der Philister bezeugen intensive Beziehungen zu anderen Ländern des Mittelmeerraumes. Dies zeigt sich ausgeprägt in der Keramik, die von der spätmykenischen Keramik abstammt, wie man sie auf Zypern, Rhodos, an der südanatolischen Küste, in der Levante und auf dem griechischen Festland gefunden hat. Die Töpferwaren des 12. und frühen 11. Jahrhunderts sind zweifarbig (rot und schwarz) und mit geometrischen Tiermotiven verziert, hauptsächlich Vogel- und Fischmotive. Man fand Siegel, die ägäischen Einfluss verraten. Einige tragen Zeichen, die der zyprisch-minoischen Schrift ähneln.
Reliefs zeigen Kriegsschiffe, Streitwagen und Transportkarren und geben eine Vorstellung vom äußeren Erscheinungsbild der Philister. Die Männer waren hochgewachsen, im Gegensatz zu den semitischen Nachbarn trugen sie keine Bärte und waren schwer bewaffnet. Ihre Schiffe wiesen einige Neuerungen auf: mit Holzzinken versehene Steinanker, bewegliche Segel und ein Schiffsausguck.
Die Eisenherstellung muss eine besondere Fertigkeit der Philister gewesen sein und sicherte ihren militärischen Erfolg.
In die Architektur der Gegend führten die Philister behauene Steinquader ein. Sie bauten groß angelegte Städte mit geräumigen Häusern und Palästen. Die Tempel zu Verehrung ihres höchsten Gottes Dagan waren weite Hallen, deren Säulen halb offene Dächer trugen. Hier befanden sich Feueropferstellen, fahrbare Altäre und Gebetsplattformen. Die Philister verehrten mehrere männliche und weibliche Götter. Der zweitwichtigste hieß Baal-Zebub, der "Herr der Fliegen", aus dem in jüdisch-christlicher Tradition der Teufel wurde.
Man trank auch Bier und Wein. Akron soll für hochwertiges Olivenöl bekannt gewesen sein. Auf dem Speiseplan standen Rind, Schaf, Geflügel, Ziegen und Schwein.
Abgesehen vom Streben nach militärischer Vorherrschaft neigten die Philister dazu, sich den kulturellen Einflüssen anderer Völker anzupassen. So nahm die Qualität der oben beschriebenen Keramik im 11. Jahrhundert immer mehr ab. Die Philister übernahmen Sprache und Götter der Kanaaniter. Man hat aber auch Hinweise auf einen eigenständigen Kult gefunden.
Einfluss in der Region
Die Siedlungstätigkeit im fruchtbaren Süden Israels stand zunächst unter der Schirmherrschaft Ägyptens. Die Küstenstädte Gaza, Askalon und Aschdod waren Ende des 12. Jahrhunderts v. Chr. noch ägyptische Zentren.
Die Stadtstaaten bildeten eine Konföderation, die wahrscheinlich nicht statisch organisiert war. Der Schwerpunkt wechselte im Verlauf der Zeit von Stadt zu Stadt. Mit dem Schwinden der ägyptischen Macht übernahmen die Philister die Vormacht in der Region, die sie bis zu König Davids Herrschaft auch behielten.
Bei ihrer Ausdehnung ins Landesinnere lieferten sich die Philister mit den Israeliten und Kanaanitern über mehrere Jahrhunderte immer wieder erbitterte Kämpfe, von der Richterzeit bis zur frühen Königszeit. Dahingehende biblische Berichte konnten durch Ausgrabungen bestätigt werden.
Die Philister erlangten die Vorherrschaft durch ihre technische und militärische Überlegenheit, die sich auf eine perfekte Ausrüstung und ein ausgebildetes Berufsheer gründete. Sie unterhielten kleine Garnisonen in strategisch wichtigen Orten und bewegliche Kommandos, die von philistäischen Basen aus Streifzüge und Strafexpeditionen unternahmen. Dieses System hatten sie von den Ägyptern übernommen. Streitwagen und Bogenschützen gewährten den Philistern lange Zeit die Kontrolle über die Region. Sie erzwangen Abgaben, erstickten jeden Widerstand im Keim und hielten ihr Monopol zu Eisenherstellung aufrecht. Zeitweise könnte es nach der biblischen Simson-Erzählung aber auch Ansätze zu gutnachbarschaftlichen Beziehungen gegeben haben.
Die Bedrohung durch die Philister und die dadurch notwendige bessere militärische Organisation trugen wesentlich zur Entstehung des Königtums im vorher hauptsächlich nach Stämmen organisierten Israel bei.
In einer Stunde der Bedrängnis krönten die Israeliten Saul zu ihrem ersten König. Er erzielte einige Erfolge, wurde aber letztlich von den Philistern geschlagen. Erst seinem Nachfolger König David gelang es, die Philister zurückzudrängen. Legendär ist die Geschichte vom Kampf Davids gegen Goliath in den Büchern Samuel.
Ab der mittleren Königszeit (etwa 9. Jahrhundert v. Chr.) war relativ plötzlich und ohne genaue Erklärung in der Bibel von den Philistern nur noch ganz vereinzelt die Rede, andere Nachbarvölker rückten in den Vordergrund.
Literatur
- Trude und Moshe Dothan: Die Philister. Zivilisation und Kultur eines Seevolkes, Diederichs, München 1995. ISBN 3-424-01233-5
- Spanuth, Jürgen: Die Philister.