Speziallager
Speziallager waren Internierungslager, die 1945 von der sowjetischen Militärregierung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eingerichtet wurden und bis 1950 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bestanden. Internierungslager wurden aufgrund gemeinsamer alliierter Vereinbarung in allen Besatzungszonen eingerichtet. Mit dem Instrument des „automatical arrest“ sollten als gefährlich eingestufte Personengruppen, vor allem mittlere und kleinere NS-Funktionäre wie z.B. Bürgermeister und NS-Ortsgruppenleiter für eine bestimmte Zeit interniert werden. Die Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone blieben aber länger bestehen und dienten vor allem der Unterdrückung politischer Gegner. Die Einrichtung solcher Lager widersprach dem internationalen Völkerrecht, demzufolge Zivilbevölkerung eines besetzten Landes nicht angetastet werden darf (Artikel 45 bis 47 der Haager Landkriegsordnung und Genfer Konvention).
Insgesamt gab es 10 Speziallager bei folgenden Orten: Fünfeichen, Sachsenhausen, Weesow, Hohenschönhausen, Ketschendorf, Jamlitz, Bautzen, Mühlberg, Torgau und Buchenwald. Das Speziallager Nr. 2 in Buchenwald wurde in dem früheren Nazi-Konzentrationslager eingerichtet, das die Sowjetische Besatzungsmacht sofort weiter nutzte. Dasselbe gilt für das KZ Sachsenhausen. Die Lager waren dem Geheimdienst NKWD (ab 1946 MWD) unterstellt, der dafür eine eigene Abteilung „Spezilager“ hatte.
Nach Angaben des sowjetischen Innenministeriums von 1990 wurden in den Lagern 122.671 Deutsche ohne Urteil unter dem Vorwurf festgehalten, Nationalsozialisten zu sein. Die Lager dienten aber neben der Inhaftierung von Nationalsozialisten vor allem dazu, Gegner der gesellschaftlichen Umwälzung aus dem Verkehr zu ziehen und mundtot zu machen: Sozialdemokraten, Liberale und Konservative, Adlige, Unternehmer, Bauern und so genannte Großbauern, die mehr als 100 Hektar Land besaßen und sich ihrer entschädigungslosen Enteignung widersetzten.
Von den inhaftierten Personen starben 42.889, also ein Drittel; in erster Linie durch Aushungern und diverse lagertypische Krankheiten wie Dystrophie, Ruhr, Tuberkulose, Typhus. 45.261 wurden freigelassen, die übrigen wurden entweder in die Sowjetunion (Gulag) deportiert (12.770), zu Kriegsgefangenen umgewandelt (6.680) oder den mittlerweile installierten kommunistischen Behörden in der SBZ bzw. der DDR übergeben (14.202). Nur einer kleinen Zahl gelang die Flucht. Neben Hunger, Kälte und Folgeerkrankungen zermürbten das Verbot fast jeder Tätigkeit und die Isolation die Gefangenen.
Viele der Inhaftierten waren Mitglieder und kleinere Funktionsträger der NSDAP oder anderer NS-Organisationen. Die NS-Propaganda der letzten Kriegszeit, die Jugendliche als „Werwölfe“ (s. Werwolf (Freischärlerbewegung)) zu Anschlägen gegen die Besatzungstruppen aufforderte,hat zur Inhaftierung von Tausenden Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren durch die sowjetische Besatzungsmacht geführt, die jedoch keinerlei Anschläge irgendwelcher Art verübt hatten, sondern unschuldig waren. Es gab viele Akte von Willkür. So wurden zahllose Personen von der Straße weg verhaftet, um das vorgegebene stalinistische "Plansoll" an Verhaftungen zu erfüllen. Beispielsweise wurde jemand als angeblicher „SS-Bannführer“ verhaftet, weil er als Beruf „S-Bahn Führer“ angegeben hatte. Vor der Einlieferung ins Lager kam es regelmäßig zu Verhören unter Folter. Die dann zu unterzeichnenden Geständnisse waren auf Russisch verfasst.
Zur Auflösung der Lager kam es 1950 auch durch Proteste des Westens gegen die menschenrechtsverletzende und dem Völkerrecht widersprechende Behandlung der Festgehaltenen. In den Westzonen und im westlichen Ausland war mittlerweile eine breitere Öffentlichkeit über die Zustände in den Lagern informiert, und es wurde von daher diesbezüglich Druck auf die sowjetische Besatzungsmacht und die Führung der DDR ausgeübt. Die Reputation der gerade neugegründeten DDR sollte erhöht werden. So wurden von dieser die Auflösung als großmütiger Akt der Sowjetunion dargestellt und die Verhältnisse in den Lagern propagandistisch beschönigt.
Literatur
- Joel Kotek, Pierre Rigoulot: Das Jahrhundert der Lager, Propyläen 2001, ISBN 3549071434
- Gerhard Finn: Die politischen Häftlinge in der Sowjetzone, Berlin 1958
- Karl Wilhelm Fricke: Politik und Justiz in der DDR, Köln 1979
- Das System des kommunistischen Terrors in der Sowjetzone, SPD-Informationsdienst/Denkschriften 28, Hannover 1950
- Jan von Flocken/Michael Klonovsky: Stalins Lager in Deutschland 1945-1950 Dokumentation/Zeugenberichte, Ullstein 1991, ISBN 3550074883
- Peter Reif-Spirek/Bodo Ritscher (Hg.) [in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Buchenwald und der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen]: "Speziallager in der SBZ", Berlin, Ch. Links Verlag 1999, ISBN 3861531933
- Waltraut Skoddow: "Zu keinem ein Wort", Berlin, Edition Amadis, 1999, ISBN 3929560232
Weblinks
Geschichte des sowjetischen Speziallagers Nr.7/Nr.1 Sachsenhausen