Beate Uhse-Köstlin (* 25. Oktober 1919 in Cranz/Ostpreußen, † 16. Juli 2001 in der Schweiz) war eine deutsche Pilotin und Unternehmerin. Sie gründete den ersten Sex-Shop der Welt. Heute ist die börsennotierte Beate Uhse AG der weltweite Marktführer im erotischen "Zubehörhandel".
Leben
Beate Uhse war das jüngste von drei Kindern des Landwirts Otto Köstlin und seiner Frau, der Ärztin Margarete Köstlin (eine der fünf ersten Ärztinnen Deutschlands). Als Beate 8 Jahre alt ist, erzählt ihr älterer Bruder die Sage von Ikarus und die Kleine Beate ist von der Geschichte - und von der Idee des Fliegens - so fasziniert, dass sie Hühnerfedern sammelt, sich Flügel zusammenklebt und vom Dach der elterlichen Veranda springt. Sie ist ein wildes Kind und ihre Eltern schränken sie nicht ein. Im Gegenteil: Ihr Vater kauft ihr Hosen, weil sie ihre Röcke beim Rumtoben ständig zerreißt. Beide Eltern unterstützen ihre Tochter bei ihren Interessen und Vorlieben - egal ob sie gerade Kapitänin werden wollte oder doch lieber Pilotin. Sie verhelfen ihr zu einer guten Schulbildung. Die Eltern klären ihre Kinder auch früh auf und sprechen mit ihnen offen über die Sexualität und die dabei nötige Hygiene. Mit 15 Jahren wird die sportliche Beate hessische Meisterin im Speerwerfen.
Unter keinen Umständen will die junge Beate in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und Landwirtin oder Ärztin werden. Sie will Pilotin werden und zwar Berufspilotin.
Erste Karriere als Pilotin
Mit 16 geht Beate Köstlin als Au-Pair nach England, um Englisch zu lernen. Nach einem einjährigen Aufenthalt kehrt sie auf das elterliche Gut zurück, wo sie ihren Eltern zuliebe eine "richtige" Ausbildung (in Hauswirtschaft) absolviert. Während einer Reise nach Berlin lernt Beates Vater zufällig den Motorsportreferenten des Deutschen Aero-Club, einen Herrn Sachsenberg, kennen und klagt ihm sein Leid über seine "flugverrückte" Tochter und den "Quatsch" von weiblichen Piloten. Herr Sachsenberg hingegen ist von der Idee begeistert und schickt der 17jährigen Informationsmaterial über die Pilotenausbildung.
Schließlich geben die Eltern der jungen Frau nach und 1937 kann Beate die Fliegerschule Rangsdorf bei Berlin besuchen. Im Oktober, an ihrem 18. Geburtstag, nimmt sie ihren Flugschein entgegen. 1938 besteht sie ihre Kunstflugprüfung und startet kurz darauf für Deutschland in einer "Auslandsrallye" in Belgien. Sie gewinnt das Rennen in ihrer Kategorie, und schafft außerdem den zweiten Rang in "Ziellandung" und den dritten Rang im "Pünktlichkeitsflug".
Sie arbeitet erst als Praktikantin, dann als Einfliegerin für die Bücker-Werke. Mit 19 wechselt sie zur Flugzeugfabrik Friedrich, wo sie für ihre Arbeit als Einfliegerin ihr "erstes richtiges Gehalt" bekommt. Bald darauf fragt sie die UFA an, ob sie als Luftdouble arbeiten möchte - natürlich möchte sie! In dieser Tätigkeit arbeitet sie unter Anderem mit dem von ihr bewunderten Hans Albers zusammen. Im Film "Wasser für Canitoga" fliegt sie als Double für René Deltgen quer durch eine Ballonsperre und muss dabei einen Absturz mimen.
Beate ist verliebt in ihren Kunstfluglehrer, Hans-Jürgen Uhse (und er in sie). Sie lehnt jedoch seine wiederholten Heiratsanträge ab weil sie "nie und nimmer das Fliegen eines Mannes wegen aufgeben" will. Da Hans-Jürgen sie in ihren Ambitionen tatkräftig unterstützt, erhört sie ihn schlussendlich, nun stellt sich aber ihr Vater quer. Ein ganzes Jahr lang verweigert er dem jungen Paar seine Einwilligung. Schließlich wird die Hochzeit auf den 10. Oktober 1939 festgesetzt - dazu kommt es aber wegen dem Ausbruch des Krieges nicht mehr. Am 28. September soll Hans-Jürgen Uhse einrücken. Beate und Hans-Jürgen lassen sich vier Stunden vor seiner Abreise trauen, als Hochzeitsessen gibt es Erbseneintopf.
Sportfliegen war während des Krieges unmöglich geworden und Beate Uhse ist gezwungen, am Boden zu bleiben. In ihrem kleinen Häuschen in Rangsdorf fällt ihr die Decke auf den Kopf und deshalb nimmt sie das Angebot der Luftwaffe, im Überführungsgeschwader tätig zu sein, dankbar an. Sie bekommt die Möglichkeit, Flugzeugtypen zu fliegen, "an die man sonst nicht rankommt": die JU87, den Stuka und die Messerschmitt. Mit dieser Flugerfahrung rechnet sie sich gute Berufschancen als Pilotin für nach dem Krieg aus.
1943 kommt Beate Uhses Sohn Klaus zur Welt. Da sie in einem kriegswichtigen Beruf tätig ist, darf sie weiterhin berufstätig bleiben und erhält die Erlaubnis, ein Kindermädchen zu beschäftigen. 1945 verunglückt ihr Mann Hans-Jürgen und lässt Beate als 24jährige Witwe mit einem einjährigen Kind zurück. Nach dem Tod ihres Mannes wird Beate Uhse, im Rang eines Hauptmanns der Luftwaffe, verlegt und überführt nun Flugzeuge an die Front. Oft wurde sie nun von Alliierten beschossen und überlebte mehrmals nur knapp.
Im April 1945 ist Berlin von alliierten Truppen umschlossen. Der Kommandant von Beate Uhses Fliegerstaffel will die Staffel in den Westen verlegen. Uhse schlägt sich durch die zerstörte Stadt nach Rangsdorf, zu ihrem Haus, durch und holt ihren Sohn und sein Kindermädchen. Sie bringt sie zum Flugplatz - aber ihre Staffel ist, mitsamt ihrer Maschine, bereits gestartet. Sie entdeckt ein Flugzeug, das betankt wird, um Verwundete auszufliegen - aber es gibt nur einen Bordmonteur, keinen Piloten. Sie lädt die Verwundeten, ihren zweijährigen Sohn, das Kindermädchen, den Mechaniker und die übrigen Personen in das Flugzeug und startet, völlig überladen. Als eine der letzten Maschinen verlässt sie Berlin Richtung Westen und landet schlussendlich wohlbehalten in Leck in Ostfriesland. Hier wird sie von britischen Truppen gefangen genommen. Nach ihrer Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft lässt sich Beate Uhse mit ihrem Sohn in Flensburg nieder.
Zweite Karriere als Geschäftsfrau
Beate Uhses Karriere als Pilotin ist nach dem Krieg zu Ende: Ehemalige Angehörige der Luftwaffe erhalten keine Flugerlaubnis. Die junge Witwe muss also einen anderen Weg finden, um sich und ihren Sohn ernähren zu können. Erst schlägt sie sich mit Schwarzmarktgeschäften durch. Bei einem Besuch in Süddeutschland kommt sie an Plastikspielzeug und Plastiktüten heran - zur damaligen Zeit begehrte Produkte. Diese verkauft sie von Tür zu Tür und lernt dabei viele Hausfrauen und ihre Schwierigkeiten kennen: Die Kriegsrückkehrer schwängerten ihre Frauen, ohne Rücksicht darauf, dass "keine Wohnung, keine Einkommen und keine Zukunft" für die Kinder existieren. Viele wissen sich nicht anders zu helfen, als zu Engelmacherinnen zu gehen und sich ihre Kinder unter hygienisch bedenklichen Bedingungen "wegmachen" zu lassen. Unfruchtbarkeit, Krankheiten und eine hohe Frauensterblichkeit sind die Folge. Beate Uhse erinnert sich an die Lektionen über Sexualität, Sexualhygiene und Verhütung, die sie als junges Mädchen von ihrer während des Krieges verstorbenen Mutter erhalten hatte. Sie sucht nach Informationen über die Verhütungsmethode nach Knaus-Ogino und gibt kurz darauf eine Broschüre heraus in der sie beschreibt, wie Frauen ihre fruchtbaren und unfruchtbaren Tage bestimmen können.
Bis 1947 verkauft sich die "Schrift X" 32'000 Mal und Beate Uhse dehnt ihren "Betu-Versand" auch auf größere Städte wie Hamburg und Bremen aus. Viele Menschen schreiben ihr Briefe, um Ratschläge betreffend Sex und Erotik einzuholen. "Den Leuten waren die Fakten des Lebens unbekannt", schreibt sie in ihrer Autobiographie. Bald verkauft sie neben der "Schrift X" auch Kondome und "Ehebücher" - und muss bald einmal Mitarbeiterinnen einstellen.
1951 gründet sie gemeinsam mit vier Angestellten das "Versandhaus Beate Uhse". Im Angebot sind Kondome und Bücher zum Thema "Ehehygiene". Bereits 2 Jahre später hat die kleine Firma 14 Angestellte. Beate Uhse heiratet den Flensburger Kaufmann Ernst-Walter Rotermund und bekommt einen zweiten Sohn, Ulrich.
1962 eröffnet sie in Flensburg den ersten Sex-Shop der Welt - unter der offiziellen Bezeichnung "Fachgeschäft für Ehehygiene". In ihrem Geschäft und im Katalog bietet sie immer mehr "Artikel für die Ehehygiene" an und bald hat sie die Polizei am Hals, die Jagd macht auf Artikel, die "der unnatürlichen, gegen Zucht und Sitte verstoßenden Aufpeitschung und Befriedigung geschlechtlicher Reize" dienen. Von 1962-2002 werden über 2'000 Anzeigen gegen ihr Geschäft eingereicht! Beate Uhse macht sich mit ihrem großen Erfolg nicht nur Freunde. Der Börsenverein für den Deutschen Buchhandel verweigert ihrem Stephenson Verlag den Eintritt "wegen sittlicher Bedenken" und der Flensburger Tennisclub will sie wegen "allgemeinen Bedenken" nicht als Mitglied akzeptieren.
Im Jahr 1979 lässt sie sich von ihrem zweiten Mann Ernst-Walter Rotermund scheiden. 1983 wird bei ihr Magenkrebs diagnostiziert - sie überlebt die Operationen und besiegt den Krebs. 75jährig macht sie ihren Tauchschein. 1996 macht sie ihren langjährigen Traum wahr und eröffnet mitten in Berlin das Beate Uhse Erotikmuseum. Drei Jahre später, 1999 geht die Beate Uhse AG an die Börse, was im Finanzmilieu einigen Staub aufwirbelt.
Beate Uhse stirbt im Juli 2001 in einer Schweizer Klinik an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.
Neben Oswalt Kolle war Beate Uhse eine der wichtigsten Personen der sexuellen Aufklärung im deutschsprachigen Raum. Sie erhielt 1989 das Bundesverdienstkreuz, 1999 wurde sie zur Ehrenbürgerin der Stadt Flensburg ernannt.
Literatur
- Beate Uhse und Ulrich Pramann: Ich will Freiheit für die Liebe - Beate Uhse. Die Autobiographie. Ullstein Taschenbuch. 2001. ISBN 3548600492.
- Beate Uhse: Mit Lust und Liebe. Mein Leben. Ullstein. 1989. ISBN 3550064292
Weblinks
- Beate Uhse Erotikmuseum (Vorsicht, Pop-Ups! Javascript & Co ausschalten!)