Wahrscheinlichkeit
Die Wahrscheinlichkeit ist
- ein Maß für die Unsicherheit zukünftiger Ereignisse oder zweifelhafter Aussagen,
- ein Maß für die relative Häufigkeit des Auftretens von Ereignissen bei Auswahl aus mehreren Möglichkeiten (frequentistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff),
- ein Maß für den Grad an persönlicher Überzeugung (Bayesscher Wahrscheinlichkeitsbegriff), also letztlich eine Erweiterung der Aussagenlogik
- In der nichtrelativistischen Quantenmechanik ist die Wellenfunktion eines Teilchen eine fundamentale Beschreibung dieses Teilchens. Das Integral des Quadrates der Wellenfunktion über ein Raumgebiet kann man dann als Wahrscheinlichkeit, das Teilchen darin anzutreffen, definieren.
Verständnisse von Wahrscheinlichkeit
Während über den mathematischen Umgang mit Wahrscheinlichkeiten weitgehend Einigkeit herrscht (siehe Wahrscheinlichkeitstheorie), besteht Uneinigkeit darüber, worauf die Rechenregeln der mathematischen Theorie angewendet werden dürfen. Dies führt zur Frage nach der Interpretation des Begriffs "Wahrscheinlichkeit".
Häufig wird "Wahrscheinlichkeit" in zwei verschiedenen Zusammenhängen gebraucht:
- Aleatorische Wahrscheinlichkeit beschreibt die relative Häufigkeit zukünftiger Ereignisse, die von einem zufälligen physikalischen Prozess bestimmt werden. Genauer unterscheidet man von deterministischen physikalischen Prozessen, die mit ausreichend genauer Information im Prinzip vorhersagbar wären (Würfelwurf, Wettervorhersage), und nichtdeterministischen Prozessen, die prinzipiell nicht vorhersagbar sind (radioaktiver Zerfall).
- Epistemische Wahrscheinlichkeit beschreibt die Unsicherheit über Aussagen, bei denen kausale Zusammenhänge und Hintergründe nur unvollständig bekannt sind. Diese Aussagen können sich auf vergangene oder zukünftige Ereignisse beziehen. Naturgesetzen werden zum Beispiel gelegentlich epistemische Wahrscheinlichkeiten zugeordnet, ebenso Aussagen in Politik ("Die Steuersenkung kommt mit 60% Wahrscheinlichkeit."), Wirtschaft oder Rechtsprechung.
Aleatorische und epistemische Wahrscheinlichkeit sind lose mit dem frequentistischen und dem bayesschen Wahrscheinlichkeitsbegriff assoziiert. Es ist eine offene Frage, ob sich aleatorische Wahrscheinlichkeit auf epistemische Wahrscheinlichkeit reduzieren läßt (oder umgekehrt): Erscheint uns die Welt zufällig, weil wir nicht genug über sie wissen oder gibt es fundamtental zufällige Prozesse? Obwohl für beide Standpunkte dieselben mathematischen Regeln zum Umgang mit Wahrscheinlichkeiten gelten, hat die jeweilige Sichtweise wichtige Konsequenzen darüber, wie die Welt mathematisch modelliert wird.
Wahrscheinlichkeit im täglichen Leben
Wahrscheinlichkeiten werden normalerweise als Zahl zwischen 0 und 1 angegeben, wobei Null und Eins zulässige Wahrscheinlichkeiten sind. Ein Ereignis mit Wahrscheinlichkeit 0 wird als unmöglich, eines mit Wahrscheinlichkeit 1 als sicher interpretiert.
Die relative Häufigkeit kann errechnet werden, indem man die absolute Häufigkeit, das heißt die Anzahl geglückter Versuche, durch die Anzahl der unternommenen Versuche, dividiert wird. Für eine große Anzahl von Versuchen geht diese relative Häufigkeit in die Wahrscheinlichkeit über, in der Praxis werden sie oft selbst bei endlicher Versuchsanzahl gleichgesetzt.
Wahrscheinlichkeiten werden entweder mit dem Buchstaben "P" (von engl. probability) oder "W" dargestellt.
Wahrscheinlichkeiten haben keine Einheit, daher werden sie als Prozentangaben (z.B. 20 %, das heißt 20/100), Dezimalzahlen (z.B. 0,2), Brüche (z.B. 2/10) oder absolute Häufigkeiten (z.B. 2 von 10 oder 2 zu 8) angegeben. Die Angabe der absoluten Häufigkeit enthält mehr Information, da sie Rückschlüsse auf die Genauigkeit der Wahrscheinlichkeit zulässt.
Es wird oft behauptet, der Mensch besitze nur ein schlechtes Gefühl für die Wahrscheinlichkeit, man spricht in diesem Zusammenhang auch vom "Wahrscheinlichkeitsidioten" (siehe auch Zahlenanalphabetismus). Man kann dies an folgenden Aussagen selbst überprüfen:
- Die Wahrscheinlichkeit in Österreich im Lotto zu gewinnen entspricht in etwa der Wahrscheinlichkeit von einem Blitz erschlagen zu werden.
Die Chance zu gewinnen wird aber oft viel höher eingeschätzt als die Gefahren eines Gewitters. - Das Geburtstagsparadoxon: Auf einem Fußballspielfeld sind 23 Personen (2*11 Spieler und ein Schiedsrichter). Die Wahrscheinlichkeit, dass hierunter mindestens zwei Personen am gleichen Tag Geburtstag haben, ist größer als 50%. [1]
- Sie haben an einer Vorsorgeuntersuchung teilgenommen und einen positiven Befund erhalten. Sie wissen zusätzlich, dass sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung keine besonderen Risikofaktoren für die diagnostizierte Krankheit aufweisen: mit den Rechenmethoden der Bedingten Wahrscheinlichkeit kann man das tatsächliche Risiko abschätzen, dass die durch den Test erstellte Diagnose tatsächlich zutrifft. Dabei sind zwei Angaben von besonderer Bedeutung, um das Risiko eines falsch positiven Befundes zu ermitteln: die Zuverlässigkeit (Selektivität und Spezifität) des Tests und die beobachtete Grundhäufigkeit der betreffenden Krankheit in der Gesamtbevölkerung. Dieses tatsächliche Risiko zu kennen kann dabei helfen, den Sinn weitergehender (unter Umständen folgenreicher) Behandlungen abzuwägen. In solchen Fällen ergibt die Darstellung der absoluten Häufigkeit am vollständigen Entscheidungsbaum und ein darauf aufbauendes Beratungsgespräch mit dem Arzt einen besser fasslichen Eindruck als die bloße Interpretation von Prozentzahlen aufgrund des isoliert betrachteten Testergebnisses.
Einfache Regeln
- . Die Wahrscheinlichkeit eines sicheren Ereignisses ist 1.
- .Die Wahrscheinlichkeit eines unmöglichen Ereignisses ist 0.
- . Alle Wahrscheinlichkeiten von mehr bzw. minder wahrscheinlichen Ereignissen liegen dazwischen.
- . Die Wahrscheinlichkeit des entgegengetzten (komplementären) Ereignisses ist 1 - der Wahrscheinlichkeit des Ereignisses selbst.
- In einem vollständigen System von Ereignissen ist die Summe deren Wahrscheinlichkeiten gleich 1.
Einfache Beispiele:
- Die Wahrscheinlichkeit bei einem Münzwurf das Wappen zu bekommen beträgt beim ehrlichen Wurf einer Münze 0,5
- Die Wahrscheinlichkeit bei einem idealen Würfel bei einem Wurf eine 6 zu erhalten beträgt 1/6 = 0,16666...
Erwartungswert
Eng verbunden mit dem Begriff der Wahrscheinlichkeit ist der Begriff des Erwartungswertes. Ist die Menge der zu betrachtenden Ereignisse diskret oder sogar endlich, lässt er sich errechnen, indem jedes Ereignis mit seiner Wahrscheinlichkeit multipliziert wird, und anschließend all diese Produkte aufaddiert werden. Man interpretiert den gewonnenen Wert nun als den, der sich nach vielen Versuchen immer genauer einstellen wird.
Dies ist die Umkehr des Verfahrens zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, bei dem von der Häufigkeit auf die Wahrscheinlichkeit geschlossen wird. Für den Erwartungswert schließt man von der relativen Häufigkeit auf die zu erwartende absolute Häufigkeit
Unmögliche Ereignisse
Mathematisch tritt ein Ereignis das die Wahrscheinlichkeit von 1 zu 10 hoch 40 hat, also 1 zu 10.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 nie ein! Dass einem Ereignis die Wahrscheinlichkeit Null zugeordnet wird, heißt nicht, dass es prinzipiell unmöglich ist. Beispielsweise kann die Messung einer Wahrscheinlichkeit so unglücklich sein, dass auch nach vielen Versuchen die Wahrscheinlichkeit eines eigentlich möglichen Ereignisses mit Null angegeben wird.
Die Wahrscheinlichkeit, aus den reellen Zahlen eine natürliche Zahl zu ziehen ist Null, obwohl dies offenbar genauso möglich ist, wie irgend eine andere Zahl zu ziehen. Die Begründung ist, dass die gesuchte Wahrscheinlichkeit zwischen Null und Eins liegen muss. Wenn sie nun nicht Null wäre, so würde aus dem Satz des Archimedes sofort folgen, dass die Gesamtwahrscheinlichkeit größer Eins wäre (nämlich unendlich). Damit wäre es aber gar keine Wahrscheinlichkeit. Wenn es also eine Wahrscheinlichkeit gibt, muss sie zwingend Null sein, da kein anderer Wert in Frage kommt.
Zitat
- Der aufschlussreiche Unterschied zwischen dem quantenmechanischen und dem klassischen Wahrscheinlichkeitsbegriff liegt darin, dass jener der Interferenz unterliegt, dieser nicht. – Brian Greene (Der Stoff, aus dem der Kosmos ist, ISBN 388680738X, S. 245)
Siehe auch
Weblinks
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Das Ereignis und die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses
- dh-Materialien: Wahrscheinlichkeit
- Probability Web (engl.)