Im Potsdamer Neuen Garten, dicht am Ufer des Heiligen Sees, ließ Friedrich Wilhelm II. in den Jahren 1787–1793 das Marmorpalais errichten. Die Architekten Carl von Gontard und ab 1790 der Erbauer des Brandenburger Tors in Berlin, Carl Gotthard Langhans, schufen ein Schlossgebäude im Stil des Frühklassizismus.

Architektur und Nutzung
Das „neue Haus“ war dem Privatleben des musisch begabten Königs vorbehalten. Der Neffe und Nachfolger des kinderlos gebliebenen Friedrich des Großen distanzierte sich mit diesem Neubau räumlich und architektonisch von seinem wenig geliebten Onkel, der zeit seines Lebens die Formen des Barock und Rokoko bevorzugte.
Das aus rotem Backstein errichtete Marmorpalais ist ein zweigeschossiges Gebäude mit quadratischem Grundriss. Auf das flache Dach des kubischen Baukörpers wurde ein Rundtempel gesetzt, der der schönen Aussicht diente. Als Blickfang wurde unter anderem das Schloss auf der Pfaueninsel errichtet. Über Freitreppen mit Rundgang, die vom Dach aus betreten wurden, gelangte man in das Innere des Belvedere. Putten, die einen Früchtekorb tragen, bilden den bekrönenden Abschluss. Durch Schmuck- und Gliederungselemente aus grauem und weißem schlesischen Marmor an der Fassade erhielt das Marmorpalais seinen Namen.
Über eine große Terrasse an der Seeseite des Schlosses mit seitlichen Freitreppen, die bis zum Wasser reichen, gelangte die Hofgesellschaft zu den Bootsanlegestellen. Der König unternahm gern ausgedehnte Bootsfahrten, beispielsweise zum Schloss Charlottenburg in Berlin.
Unterhalb der Terrasse liegt am Seeufer die ehemalige Schlossküche im Stil einer Tempelruine. Der halb versunkene Tempel wurde 1788–1790 von Langhans gestaltet. Ein unterirdischer Gang verband sie mit dem im Erdgeschoss liegenden Grottensaal, der in den Sommermonaten als Speisesaal genutzt wurde.
Im Jahr 1797, dem Todesjahr Friedrich Wilhelms II., wurde nach Plänen Michael Philipp Boumanns mit der Angliederung zweier eingeschossiger Seitenflügel begonnen, da dem König inzwischen das Treppensteigen schwerfiel. Die eingeschossigen, rechteckigen Erweiterungsbauten rechts und links der Vorderfront verband der Baumeister mit Galerien im Viertelkreis. Da wegen des Gesundheitszustand des Königs der schlesische Marmor nicht schnell genug beschafft werden konnte, wurde die Marmorkolonnade aus dem friderizianischen Park Sanssouci abgetragen und für die neuen Säulengänge umgearbeitet. Die imposante Gartenarchitektur von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff stand auf der Hauptallee zwischen Schloss Sanssouci und dem Neuen Palais.
Als der König im November 1797 starb, befanden sich die Anbauten noch im Rohbau. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm III. ließ lediglich den Außenbau fertigstellen.
Diesen Zustand fanden noch in den 1830er Jahren Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I., und seine Gemahlin Augusta vor, als sie für kurze Zeit bis zur Fertigstellung ihres Schlosses Babelsberg (1835–1849) das Marmorpalais bezogen. Sein Bruder, der Romantiker auf dem Thron, Friedrich Wilhelm IV., beauftragte den Architekten Ludwig Ferdinand Hesse, den Innenausbau der Seitenflügel zwischen 1843 und 1848 durchzuführen. Die äußeren Säulengänge wurden zum Abschluss der Arbeiten mit Fresken aus der Nibelungensage ausgemalt.
Die Seitenflügel des Schlosses wurden von den königlichen Sommergästen genutzt. Technische und sanitäre Erneuerungen erfuhr das Gebäude, als Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm II., mit seiner Familie von 1881 bis zu seiner Thronbesteigung 1888 im Marmorpalais lebte.
Ab 1904 waren die letzten königlichen Bewohner Kronprinz Wilhelm, der älteste Sohn Kaiser Wilhelms II., und dessen Gemahlin Cecilie. 1917 erfolgte der Umzug in das nahegelegene, für sie im Neuen Garten erbaute Schloss Cecilienhof.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Monarchie kam das Marmorpalais nach der Vermögensauseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und dem Haus Hohenzollern 1926 in die Obhut der preußischen Schlösserverwaltung und wurde im August 1932 als Schlossmuseum eröffnet.
Die wiederhergestellte Innenausstattung des 18. und 19. Jahrhunderts im Hauptgebäude und im Südflügel und die Originalpläne zum Neuen Garten und Potsdamer Ansichten im Nordflügel erlitten großen Schaden, als Ende des Zweiten Weltkriegs der Nordflügel von einer Brandbombe und der Hauptbau von einer Granate getroffen wurde. Weitere Verluste entstanden, als die Rote Armee nach 1946 ein Offizierkasino im Schloss unterhielt.
Im Jahr 1961 wurde in dem Gebäude das Deutsche Armeemuseum eingerichtet. Im Innern wurden historisches Kriegsgerät, Uniformen und Zeitdokumente ausgestellt, im Außenbereich Kanonen, eine Selbstfahrlafette SU-76, ein Panzer T-34, ein Schnellboot, ein MiG-17-Jagdflugzeug und eine Flugzeug-Abwehrrakete S-75. Die Direktoren waren Erwin Bartz (1957–1961), Otto Schwab (1961–1963), Ernst Haberland (1963–1966) und Hans Bierschenk (1966–1971).[1] Das Museum wurde 1972 als Deutsches Armeemuseum der DDR nach Dresden verlegt, Potsdam verblieb jedoch als Außenstelle. Die restlichen Waffen im Außenbereich wurden 1989 entfernt.
Die Nationale Volksarmee plante seit 1984 eine grundlegende Instandsetzung, da das Gebäude immer mehr verfiel. Zur Ausführung kam dieser Plan 1988; er wurde im Spätherbst 1990 nach der Rückgabe an die Schlösserverwaltung von dieser fortgeführt. Seit dem 14. April 2006 sind alle vierzig Innenräume restauriert und für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Fassade wurde nach mehrjährigen Restaurierungsarbeiten im Herbst 2009 fertiggestellt und die Arbeiten an den Außenanlage sollen bis zum Sommer 2017 abgeschlossen sein.[2][veraltet]
Innenräume
Carl Gotthard Langhans bekam Anfang des Jahres 1790 den Auftrag zur Gestaltung der Innenräume. In der Auswahl der dekorativen Ausschmückung nahmen Marmorkamine und antike Skulpturen einen wichtigen Platz ein, die der Baumeister Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff für das Marmorpalais in Italien erworben hatte. Der sächsische Adlige, der sich bereits in Dessau-Wörlitz mit der Planung und Ausführung frühklassizistischer Bauwerke einen Namen gemacht hatte, wurde 1787 nach Berlin berufen.
Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes öffnet sich das Vestibül zum über die gesamte Höhe des Gebäudes reichenden Treppensaal. Der dahinter liegende Grottensaal wurde im Sommer als Speisezimmer genutzt. Der nach Osten zur Seeseite liegende Saal hatte durch seine schattige Lage und optisch durch die grau-blaue Marmorbekleidung ein angenehmes Raumklima für die Schlossbewohner. Flankiert wurde diese Mittelachse von den sechs Wohnräumen des Königs.
Im Obergeschoss gruppieren sich die Zimmer um die in der Mitte liegende Marmortreppe. Der größte Raum, der Konzertsaal, erstreckt sich über die gesamte Seeseite des Schlosses. Er wurde später in der Kaiserzeit als Salon genutzt. Die Ausstattung und dekorative Gestaltung der Zimmer und Säle entsprach dem Geschmack des Klassizismus. Lediglich das im Obergeschoss liegende Orientalische Kabinett wurde von Langhans als türkisches Zeltzimmer mit einem Diwan eingerichtet.
Eng verbunden mit dem Marmorpalais ist die Liaison Friedrich Wilhelms II. mit Wilhelmine Enke (auch: Encke), im Volksmund „Die schöne Wilhelmine“ genannt. Die Mätresse des Königs, die 1796 zur Gräfin Lichtenau erhoben wurde, nahm erheblichen Einfluss auf die Innengestaltung des Schlosses. Für sie wurde am Neuen Garten, in der heutigen Behlertstraße in Potsdam, das Palais Lichtenau errichtet. Nach Plänen Michael Philipp Boumanns entstand 1796/1797 ein Bürgerhaus in frühklassizistischem Stil.
Literatur
- Wilma Otte: Das Marmorpalais, ein Refugium am Heiligen See. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Prestel, München-Berlin-London-New York 2003. ISBN 3-7913-2896-4.
- Das Marmorpalais im Neuen Garten. Amtlicher Führer der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Deutscher Kunstverlag Berlin München 2015. ISBN 978-3-422-04034-2
- Das Marmorpalais. In: Bauten und Bildwerke im Park Sanssouci, amtlicher Führer der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Potsdam 2000, 2002, 2. Aufl.
- Claudia Sommer: Edle Steine auf Tischen und Kommoden. Eine spezielle Betrachtung zur Ausstattung des Marmorpalais. In: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Jahrbuch 2 (1997/1998), S. 103–110 (Digitalisat auf perspectivia.net, abgerufen am 25. Februar 2013).
- Gert Streidt, Klaus Frahm: Potsdam. Die Schlösser und Gärten der Hohenzollern. Könemann, Köln 1996. ISBN 3-89508-238-4.
- Hermann Schmitz: Das Marmorpalais bei Potsdam und das Schlösschen auf der Pfaueninsel. Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 1921.
Weblinks
Eintrag zur Denkmalobjektnummer 09156103 in der Denkmaldatenbank des Landes Brandenburg
- Stiftung Preußische Schlösser und Gärten: Preußische Königsschlösser: Das Marmorpalais im Neuen Garten
- preussen.de
- Nibelungenfresken
Einzelnachweise
- ↑ Beständeübersicht des Bundesarchivs, 4.1.1.3.1 Politische Hauptverwaltung/Zentrale Politorgane, DVP 3-4 Armeemuseum der DDR
- ↑ Außenanlage des Marmorpalais erst 2017 fertig saniert. In: Potsdamer Neueste Nachrichten, 26. Oktober 2016
Koordinaten: 52° 24′ 45,6″ N, 13° 4′ 11,1″ O