Blaise Pascal
Blaise Pascal (* 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand; † 19. August 1662 in Paris) war ein französischer Mathematiker, Physiker, Literat und Philosoph.
Leben und Schaffen
Die Jugendjahre
Pascal stammte aus einer alten, in zweiter Generation amtsadeligen Familie der Auvergne. Sein Vater hatte in Paris Jura studiert und etwas später das Amt des zweiten Vorsitzenden Richters am Obersten Steuergerichtshof der Auvergne in Clermont-Ferrand gekauft. Die Mutter, Antoinette Begon, kam aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die ebenfalls in den Amtsadel strebte. Pascal hatte zwei Schwestern, die drei Jahre ältere Gilberte (die später seine Nachlassverwalterin und erste Biographin wurde) sowie die zwei Jahre jüngere Jacqueline, von deren Geburt sich die Mutter nicht mehr erholte, so dass Pascal mit zwei Jahren Halbwaise wurde. Als er acht war, verkaufte der Vater sein Amt an einen Bruder, legte sein Vermögen in Staatsanleihen an und zog mit den Kindern samt Gouvernante nach Paris, um ihnen, d.h. vor allem dem sichtlich hochbegabten Jungen, bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen.
Pascal war ein kränkliches Kind, deshalb wurde er von seinem sehr gebildeten und naturkundlich interessierten Vater sowie von Hauslehrern unterrichtet. Spätestens mit zwölf Jahren erwies er sein hervorragendes mathematisches Talent und fand dann über seinen Vater, der in Pariser Gelehrten- und Literatenzirkeln verkehrte, Anschluss an den Kreis von Mathematikern und Naturforschern um den Père Mersenne, wo er als 16-Jähriger mit einer Arbeit über die Berechnung von Kegelschnitten beeindruckte.
1638 wurde der Vater verdächtigt, einen Protest von Betroffenen gegen Zinsmanipulationen des Staates mitorganisiert zu haben. Er zog es vor, unterzutauchen und aus Paris zu flüchten. Ende 1639 wurde er jedoch nach Fürsprache hochstehender Personen von Richelieu begnadigt und durfte diesem sogar seinen Sohn vorstellen. 1640 wurde er zum obersten königlichen Steuereintreiber für die Normandie in Rouen ernannt. Hier erfand Pascal 1642 für ihn eine Rechenmaschine, die „roue [=Rad] Pascale“ oder „Pascaline“. Sie ermöglichte zunächst nur Additionen, wurde im Lauf der nächsten zehn Jahre aber ständig verbessert, und konnte schließlich auch subtrahieren. Pascal erhielt ein Patent auf sie, doch der Reichtum, den er sich von der Erfindung und einer eigenen kleinen Firma erhoffte, blieb aus. Die mühsam einzel handgefertigten Maschinen (mehrere von insgesamt wohl 50 sind erhalten) waren zu teuer, um größeren Absatz zu finden.
In Rouen, einer Stadt mit Universität, hohem Gericht (Parlement) und reicher Kaufmannschaft, zählte die Familie Pascal, auch wenn der Vater sich durch Härte unbeliebt gemacht hatte, zur guten Gesellschaft. Pascal sowie seine literarisch begabte jüngere Schwester Jacqueline, deren Versuche von dem Dramatiker Pierre Corneille gefördert wurden, bewegten sich elegant in diesem Milieu. Schwester Gilberte heiratete 1641 einen jungen Verwandten, Florin Périer, den sich Vater Pascal als Privatsekretär aus Clermont-Ferrand geholt hatte.
1646, während der Rekonvaleszenz des Vaters nach einem Unfall, kam die bis dahin nicht sehr religiöse Familie in Kontakt mit den Lehren des holländischen Reformbischofs Jansenius, der einen dem Calvinismus ähnlichen katholischen Fundamentalismus vertrat. Vater und Sohn wurden fromm, Tochter Jacqueline beschloss sogar Nonne zu werden.
Die Pariser Zeit
Seine neue Frömmigkeit hinderte Pascal allerdings nicht, weiterhin naturwissenschaftlich-mathematische Studien zu treiben. So wiederholte er noch 1646 erfolgreich die schon 1643 von Evangelista Torricelli angestellten Versuche zum Nachweis der Existenz des Vakuums, die er 1647 in einer Abhandlung beschrieb. Angesichts des Widerstandes vieler Theologen und Naturforscher, u. a. von Descartes, den er 1647 in Paris traf, diskutierte Pascal die Frage des Vakuums später jedoch nur indirekt, insbes. in einer Abhandlung über den Luftdruck, dessen Abhängkeit von der Höhe des jeweiligen Ortes er 1647 nachgewiesen hatte. 1648 begründete er in einer weiteren Abhandlung das Gesetz der kommunizierenden Röhren.
Um 1650 – er lebte seit 1647 mit Jacqueline überwiegend wieder in Paris und war halbwegs gesund – verkehrte er in schöngeistigen, teils sogar freidenkerischen Kreisen der guten Pariser Gesellschaft, was ihn zur Beschäftigung mit der belletristischen und philosophischen Literatur der Zeit animierte. Ein ihm lange zugeschriebener, weil gewissermaßen in diese mondäne Lebensphase passender anonymer Discours sur les passions de l'amour ("Rede über die Leidenschaften der Liebe") stammt offensichtlich nicht von ihm.
Die mit Bekannten geführten Diskussionen über die Gewinnchancen im Glückspiel, einem typisch adeligen Zeitvertreib, führten Pascal 1653 dazu, sich der Wahrscheinlichkeitsrechnung zuzuwenden, die er 1654 im brieflichen Austausch mit dem Toulouser Richter und großem Mathematiker Pierre de Fermat vorantrieb. 1654 beschäftigte er sich wieder intensiv mit Mathematik und schrieb je eine Abhandlung über das sog. Pascalsche Dreieck (Traité du triangle arithmétique), über Zahlenordnungen (Traité des ordres numériques) und über Zahlenkombinationen (Combinaisons).
Seine Ansichten über die Menschen und deren Glücksmöglichkeiten wurden um diese Zeit allerdings zunehmend pessimistischer, nicht zuletzt unter dem Einfluss Jacquelines, die 1652, kurz nach dem Tod des Vaters, gegen den Wunsch Pascals ins Kloster ging.
Im Umfeld von Port-Royal
1654 wurde Pascal beinahe Opfer eines Verkehrsunfalls und hatte wenig später, am 23. November, ein religiöses Erweckungserlebnis, das er noch nachts auf einem erhaltenen Blatt Papier als sog. Mémorial aufzuzeichnen versuchte. Er zog sich teilweise zurück zu den jansenistischen "Einsiedlern" (solitaires), d.h. Gelehrten und Theologen, die sich im Umkreis des ebenfalls jansenistisch-strengen Frauenklosters Port-Royal bei Versailles angesiedelt hatten, wo auch Jacqueline lebte. Hier begann Pascal, religiös und theologisch motivierte Schriften zu verfassen. Wohl 1655 fand hier auch das berühmte Gespräch mit Le Maître de Sacy statt, dem späteren Bibel-Übersetzer von Port-Royal (Conversation avec M. de Saci sur Épictète et Montaigne), worin Pascal zwischen den beiden Polen der montaigneschen Skepsis und der stoischen Ethik Epiktets schon eine Skizze der Anthropologie bietet, die er später in den Pensées entwickelte.
Zugleich befasste er sich, wie immer, auch mit praktischen Fragen, so 1655 mit der Didaktik des Erstlesens für die Schule, die die "solitaires" betrieben. Dazu stand er im gelehrten Dialog mit diesen, wie die Aufnahme eines pascalschen Fragments in die Logik von Port-Royal Antoine Arnaulds und Pierre Nicoles zeigt (1662).
Bei seiner Bekehrung kam er in eine Situation, in der die orthodox frommen und rigoros moralischen Jansenisten den laxeren und konzilianteren, aber auch machtbewussten Jesuiten ein Ärgernis geworden waren. Als es 1655 zum offenen Streit kam, weil Arnauld als Jansenist aus der theologischen Fakultät der Sorbonne ausgeschlossen worden war, mischte Pascal sich ein und ließ 1656/57 eine Serie anonymer satirisch-polemischer Broschüren erscheinen, die 1657 in Holland als Buch gedruckt wurden unter dem Titel Provinciales, ou Lettres de Louis de Montalte à un provincial de ses amis et aux R.R. PP. Jésuites sur la morale et la politique de ces pères ("Provinzler[briefe], oder Briefe von L. de M. an einen befreundeten Provinzler sowie an die Jesuiten über die Moral und die Politik dieser Patres"). Es sind 18 Briefe eines fiktiven Paris-Reisenden namens Montalte, von denen die ersten zehn an einen fiktiven Freund in der heimatlichen Provinz gerichtet sind, die nächsten sechs an die Pariser Jesuitenpatres insgesamt und die letzten beiden speziell an den Beichtvater des Königs. In diesen Briefen beschreibt Montalte in der Rolle eines zunächst theologisch unbeschlagenen und naiven jungen Adeligen, wie Jesuiten ihm altklug und herablassend ihre Theologie erklären; später, nachdem er quasi seine Lektion gelernt hat, beginnt er mit ihnen zu diskutieren und so scharfsinnig wie witzig ihre Lehren ad absurdum zu führen. Pascal persiflierte und attackierte so die zwar gewissermaßen verbraucherfreundliche, aber tendenziell opportunistische und oft spitzfindige Theologie – die berühmte Kasuistik – der Jesuiten und entlarvte ihren sehr weltlichen Machthunger. Die Lettres provinciales hatten, obwohl sie nach der Nr. 5 verboten wurden, bei Erscheinen der Buchausgabe 1657 auf den Index kamen und 1660 sogar vom Henker verbrannt wurden, großen und langandauernden Erfolg und bedeuteten längerfristig eine Schwächung der Jesuiten, zumindest in Frankreich. Wegen ihrer Klarheit und Präzision gelten sie als ein Meisterwerk der französischen Prosa, das ihrem Autor einen Platz unter den Klassikern der französischen Literaturgeschichte verschaffte.
Weniger bekannt wurden die vier bissigen Streitschriften, mit denen sich Pascal 1658 (neben Arnauld und Nicole) in eine Fehde zwischen jansenistisch orientierten Pariser Pfarrern und den Jesuiten einschaltete.
Kurzfristig allerdings behielten die Jesuiten mit Hilfe von König und Papst die Oberhand, was die nächsten Jahre Pascals verdüsterte. Denn während viele seiner Gesinnungsfreunde unter dem Druck der obrigkeitlichen Schikanen einknickten oder taktierten, blieb er unbeugsam.
In dieser Situation begann er 1658, systematischer an einer großen Apologie der christlichen Religion zu arbeiten, für die er sich 1656 erste Notizen gemacht hatte und deren Grundlinien in den 1657 verfassten, aber unvollendeten Écrits sur la grâce („Schriften über die Gnade“) zu finden sind, wo er die von den Jansenisten vertretene Form der augustinischen Gnadenlehre als Mitte zwischen der calvinistischen Prädestinationslehre und der optimistischen jesuitisch-molinistischen Gnadenlehre darstellt und dabei dem freien Willen des Menschen die Entscheidung über sein Heil zugesteht. Denn für Pascal gilt: "Jener, der uns ohne uns geschaffen hat, kann uns nicht ohne uns retten".
Mit seiner ohnehin schwachen Gesundheit ging es, sicher auch aufgrund seiner asketischen Lebensweise, in diesen Jahren immer rascher bergab. So war er 1659 lange Wochen arbeitsunfähig; 1660 verbrachte er mehrere Monate als Rekonvaleszent auf einem Schlösschen seiner älteren Schwester Gilberte und seines Schwagers und Cousins Florin Périer bei Clermont.
Neben seiner Arbeit an den Pensées betrieb er immer wieder auch praktische Aktivitäten. So schrieb er 1658 einen Preis aus für die Berechnung von Zykloiden, was ihm eine enorme Korrespondenz einbrachte. Anfang 1662 gründete er zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem Duc (Herzog) de Roannez, ein Droschkenunternehmen („les carosses à cinq sous – Groschenkutschen“), das den Beginn des öffentlichen Nahverkehrs in Paris markierte.
Er starb, mit eben 39, nach längerer Krankheit im Pariser Haus der Périers, nachdem Schwester Jacqueline schon ein Jahr zuvor verstorben war.
Die Pensées
Bekanntlich konnte Pascal aufgrund seines frühen Todes die geplante große Apologie nicht fertigstellen. Er hinterließ nur Notizen und Fragmente, rd. 1000 Zettel in rd. 60 Bündeln, auf deren Grundlage 1670 von jansenistischen Freunden eine Ausgabe unter dem Titel Pensées sur la religion et autres sujets ("Gedanken über die Religion und andere Themen") besorgt wurde. Diese Erstausgabe ist verdienstvoll, weil sie - ungewöhnlich für die Epoche - ein unfertiges Werk gleichwohl zu publizieren und so zugänglich zu machen versuchte. Sie ist aber problematisch insofern, als sie sich nicht am Originaltext orientierte, obwohl er als Autograph, wenn auch nur in Zettelform, erhalten war, sondern eine der beiden Abschriften benutzte, die die Périers kurz nach Pascals Tod von den Zettelbündeln anfertigen ließen. Sie ist noch problematischer dadurch, dass sie das erhaltene Textmaterial nach unterschiedlichen Kriterien kürzte und, anders als die benutzte Abschrift, die die Anordnung der Zettel und Bündel weitgehend beibehalten hatte, eine neue eigene, vermeintlich plausiblere Ordnung der Fragmente einführte.
Die modernen Ausgaben sind Resultat einer philologischen Erfolgsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese beginnt damit, dass der Philosoph Victor Cousin 1844 in einem Bericht an die Académie française auf die Notwendigkeit einer neuen Edition der Pensées hinwies angesichts der offensichtlichen Unzulänglichkeit der Erstausgabe, der bis dahin alle Herausgeber gefolgt waren, wenn auch meist unter nochmaligen Kürzungen und/oder weiteren Umstellungen. Tatsächlich versuchte noch 1844 Prosper Faugère erstmals eine komplette Edition nach den originalen Zetteln Pascals, die er jedoch weitgehend frei nach inhaltlichen Kriterien zu Abschnitten und Unterabschnitten neu ordnete. Dieses Prinzip wurde fortgesetzt und vermeintlich jeweils perfektioniert von weiteren Herausgebern, deren bekanntester Léon Brunschvicg mit seiner Ausgabe von 1897-1904 wurde.
Um 1930 trennte sich die Forschung von dem etablierten Vorurteil, dass Pascals Zettel letztlich nicht geordnet gewesen seien. Vielmehr erkannte man, dass zumindest 27 Bündel (d.h. rd. zwei Drittel der Zettel) ebensovielen von Pascal intendierten Kapiteln entsprachen und durchaus eine interne Ordnung aufweisen. Auch andere Bündel stellten sich als homogener und geordneter heraus als bis dahin gedacht, so dass man (insbes. Louis Lafuma, 1952 u.ö.) zu Editionen überging, die im Text den Autographen entsprechen und in der Anordnung weitgehend den beiden Abschriften, bzw. der besseren von ihnen, folgen (denn 1710/11 hatte Pascals Neffe Louis Périer in bester Absicht alle Zettel umsortiert und auf große Bögen geklebt).
Gleichwohl sind auch die neueren Editionen nur hypothetische Annäherungen. Die Frage, wie das Werk aussähe, wenn Pascal es hätte vollenden können (und ob er es je hätte fertigstellen können), bleibt notwendig offen.
Die erwähnten 27 Kapitel zeigen den Weg, den Pascal in der Argumentation seiner Apologie des Christentums verfolgen wollte. Die Apologie ist zweigeteilt: "Erster Teil: Elend des Menschen ohne Gott. Zweiter Teil. Glückseligkeit des Menschen mit Gott" (Sel. 40, Laf. 6.). Die Kapitel zeichnen zuerst unter den Überschriften "Eitelkeit - Elend – Langeweile – Gegensätze - Zerstreuung" usw. ein dramatisches Bild der menschlichen Lage, mit brillanten paradoxen, ironischen Formulierungen ausgeführt, wenden sich dann den Philosophen auf der Suche nach dem "höchsten Gut" zu und finden die Auflösung der Aporien der menschlichen Existenz im Christentum. Der Beweis nutzt in diesem Teil ausführlich die Elemente der Exegese der Kirchenväter, wie sie Port-Royal - allerdings in einer "modernen", sehr historisierenden Form - übermittelte, und steht damit noch nicht auf dem Boden neuzeitlich historisch-kritischer Forschung. Ziel der Apologie Pascal ist die Bekehrung von Atheisten oder Zweiflern.
Im annexen Material der Pensées, d.h. den übrigen Zettelbündeln, finden sich die großen ausgearbeiteten anthropologischen Texte "Mißverhältnis des Menschen" (Sel., 23; Laf. 199) über die Lage des Menschen zwischen dem unendlich Kleinen und dem unendlich Großen, "Zerstreuung" (Sel. 168, Laf. 136) über die Umgehung des Nachdenkens über die wirkliche, durch Elend und Tod geprägte Lage u.a. Die Einheit des Pascalschen Denkens von seinen mathematischen bis zu seinen theologischen Schriften macht das berühmte Fragment über die drei Ordnungen der Körper, des Geistes und der Liebe bzw. Heiligkeit (Sel. 339; Laf. 308) deutlich. Nicht in eines der 27 Kapitel eingeordnet findet sich auch die sog. Pascalsche Wette, gemäß der der Glaube an Gott nicht nur richtig, sondern auch vernünftig ist, denn: "Wenn Ihr gewinnt, so gewinnt Ihr alles, und wenn Ihr verliert, so verliert Ihr nichts" (Sel. 680, Laf. 418).
Kritik
Pascal vertrat in seinem Leben und Werk, während einer Epoche, die bereits äußerst klar auf der Trennung von Glauben und Wissen bestand, das Prinzip der Einheit allen Seins. Für ihn bedeutete die Beschäftigung sowohl mit naturwissenschaftlichen Problemen als auch mit philosophischen und theologischen Fragen keinerlei Widerspruch; alles das diente ihm zur unmittelbaren Vertiefung seiner Kenntnisse. Seine Wahrnehmung der "intelligence/raison du coeur" - nur das Zusammenspiel von Verstand und Herz könne Grundlage menschlichen Erkennens sein - als wesentlichste Form der umfassenden Erkenntnis wird von seinen Anhängern als visionär und über die Zeiten hinweg beispielgebend erfasst.
Bis heute gilt Pascal als wortgewaltiger Apologet des Christentums und Verfechter einer tiefen christlichen Ethik. Kritiker des Christentums wie der Abbé Meslier oder Voltaire haben ihn daher früh als hochrangigen Gegner attackiert. Friedrich Nietzsche setzte sich zeitlebens mit Pascal auseinander. Für ihn ist Pascal "der bewunderungswürdige Logiker des Christentums" (Werke. München 1958, Bd. 3, S. 589); "Pascal, den ich beinahe liebe, weil er mich unendlich belehrt hat; der einzige logische Christ" (Ebd., S. 1335). Es finden sich Urteile, die von der Bewunderung bis zur Ablehnung reichen: "»Ohne den christlichen Glauben«, meinte Pascal, »werdet ihr euch selbst, ebenso wie die Natur und die Geschichte, un monstre et un chaos.« Diese Prophezeiung haben wir erfüllt: nachdem das schwächlich- optimistische achtzehnte Jahrhundert den Menschen verhübscht und verrationalisiert hatte." (Ebd., S. 509). In Pascal kann er seine Kritik des Christentums lokalisieren: "Man soll es dem Christentum nie vergeben, daß es solche Menschen wie Pascal zugrunde gerichtet hat" (Ebd., S. 686) und - mit Bezug auf Pascal "Was wir am Christentum bekämpfen? Daß es die Starken zerbrechen will ..." (Ebd., S. 687).
Moderne Kritiker wie der sonst vergleichsweise zurückhaltende Aldous Huxley gingen in ihrer Kritik weiter, allerdings in psychologisierender Weise. Pascal habe aus seiner Not - seinen körperlichen Gebrechen sowie seiner Unfähigkeit, echte Leidenschaft zu empfinden - eine Tugend gemacht und dies mit heiligen Worten getarnt. Schlimmer noch: er habe seinen beachtlichen Verstand dazu benutzt, um andere dazu zu ermuntern, eine gleichermaßen diesseits-feindliche Weltanschauung einzunehmen. Zitate von Pascal wie: "Vom Mittelweg abweichen heißt von der Menschheit abweichen" und andere mehr verleiteten lediglich dazu, ihn als gemäßigten Denker im aristotelischen Sinne zu verstehen. Huxley weist darauf hin, dass dies nur eine und leider nur die theoretische Seite Pascals war. Im eigentlichen Leben, also so, wie es sich in dessen Lebensalltag auch nachweislich darstellte, sei Pascal rigoros gewesen - heute würde man sagen: fundamentalistisch. Worte aus der Feder Pascals wie: "Siechtum ist der Naturzustand eines Christen; denn erst im Siechtum ist der Mensch so, wie er immer sein sollte" würden wesentlich zutreffender die düstere Haltung des Philosophen wiedergeben. Pascal würde aufgrund seiner brillanten Formulierungen und den beeindruckend geschilderten spirituellen Erlebnissen als "Vorkämpfer einer hehren Sache" gelten, während er - was seine christlich-philosophische Seite anbelangt - nur ein kranker Asket gewesen sei. Im Gegensatz zu Nietzsche habe er sich nicht gegen seine Gebrechen gestemmt, sondern sie als willkommene Indizien für ein wertloses irdisches Leben benutzt.
Philosophisch relevanter ist Karl Löwiths Wiederaufnahme der Kritik Voltaires und seine Beschäftigung mit der "Apologie" oder die Pascal kritisch interpretierende Einstellung seines Werks in die Geschichte der modernen Funktionsontologie durch Heinrich Rombach (Substanz - System - Struktur. Bd. 2. Freiburg 1966). Theologischerseits gewichtig ist etwa die große Interpretation Hans Urs von Balthasars im zweiten Band seines Werkes "Herrlichkeit" (Einsiedeln 1962). Die letztgenannten Interpreten machen keine punktuellen Bemerkungen zu ausgewählten Fragestellungen von Person und Werk, sondern beschäftigen sich mit dem gesamten hinterlassenen Oeuvre. Eine umfangreiche Pascal-Forschung gibt es nicht nur in Frankreich, sondern etwa auch in den Vereinigten Staaten oder in Japan.
Übersetzungen
Eine Gesamtübersetzung des literarischen Werkes (ohne die naturwissenschaftlichen Schriften) existiert nur in elektronischer Form:
- Pascal im Kontext : französisch-deutsche Parallelausgabe auf CD-ROM ; Werke auf CD-ROM - Französisch/Deutsch ; in neuen Übersetzungen von Ulrich Kunzmann - Berlin : Worm, InfoSoftWare, 2003 (Literatur im Kontext ; 19)
Die derzeit maßgeblichen Buchausgaben des literarischen Werks auf Deutsch:
- Gedanken über die Religion und einige andere Themen / Blaise Pascal. Hrsg. von Jean-Robert Armogathe. Aus dem Franz. übers. von Ulrich Kunzmann. - Stuttgart : Reclam, 1997. - 571 S.; (Universal-Bibliothek ; 1622) - ISBN 3-15-001622-3
- Briefe in die Provinz = Les provinciales [u.a.] / Übers. von Karl August Ott. Heidelberg : Schneider, 1990 (Werke / Blaise Pascal. Hrsg. von Karl August Ott ; 3)- ISBN 3-7953-0603-5
- Briefe des Blaise Pascal / übers. von Wolfgang Rüttenauer. - Leipzig : Hegner, 1935
- Kleine Schriften zur Religion und Philosophie / Hrsg. Albert Raffelt ; übers. von Ulrich Kunzmann. - Hamburg : Meiner, 2005 (Philosophische Bibliothek ; 575) - ISBN 3-7873-1769-4
Wirkung
Nach Pascal sind benannt:
- die Programmiersprache Pascal - respektive TurboPascal - wegen seiner Erfindung einer Rechenmaschine;
- die physikalische Einheit des Drucks, wegen seiner Versuche zum Luftdruck;
- das Pascalsche Dreieck, bei dem sich ein Binomialkoeffizient als Summe zweier darüberstehender ergibt;
- die Pascal-Verteilung in der Wahrscheinlichkeitstheorie, die aber meistens negative Binomialverteilung genannt wird;
- die Pascalsche Wette, ein Argument für den Glauben an Gott;
- die Pascalsche Schnecke, eine spezielle ebene Kurve.
- der Satz von Pascal, einer Aussage der projektiven Geometrie.
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.christliche-zitate.net/blaise_pascal.htm Zitate von Blaise Pascal
- http://www.blaise-pascal.de/
- "Namen, Titel und Daten der franz. Literatur" (Hauptquelle für den überwiegend biografischen Teil des Artikels)
Personendaten | |
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NAME | Pascal, Blaise |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Philosoph, Physiker und Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 19. Juni 1623 |
GEBURTSORT | Clermont-Ferrand, Frankreich |
STERBEDATUM | 19. August 1662 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |