Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Lobbyorganisation
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Die im Jahr 2000 gegründete Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) bezeichnet sich als "branchen- und parteiübergreifende Plattform"[1], die für wirtschaftsliberale Reformen eintritt. Obwohl der Wirtschaftsliberalismus gerade auf den Ideen des im 18. Jahrhundert lebenden Adam Smith aufbaut, behauptet die INSM von sich, den Manchesterliberalismus von Smith nicht verfolgen zu wollen. Mittels einer breit angelegten Öffentlichkeitskampagne, charakterisiert durch die Strategie der integrierten Kommunikation, versucht die INSM die öffentliche Meinung zugunsten ihrer Ziele zu beeinflussen.

Finanzieller Träger der Initiative ist in der Hauptsache der Arbeitgeberverband Gesamtmetall als Vertreter der deutschen Metall- und Elektroindustrie, welcher die Initiative mit derzeit jährlich 8,8 Millionen Euro (nach Abzug von Steuern; Angabe der INSM von 2005) finanziert, bis zum Jahr 2010 insgesamt mit über 100 Mio. €. Des weiteren wird die INSM laut Selbstauskunft von weiteren "führenden Wirtschaftsverbänden" unterstützt.

Als wissenschaftlicher Berater fungiert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die PR-Agentur "berolino.pr", ein Tochterunternehmen des IW, die für die INSM arbeitet, hat ihren Sitz im Haus der Wirtschaft in Köln. Die INSM steht in engem Kontakt zur Stiftung Marktwirtschaft.

Wegen der Geldgeber und der Einflussnahme auf die Medien im Sinne einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung (Agenda Setting, Gewinnen der Deutungshoheit) wird die INSM vielfach als "PR-Agentur der Wirtschaft" kritisiert, die unter dem Deckmantel einer zivilgesellschaftlichen, an den Allgemeininteressen orientierten Initiative in Wirklichkeit für die Ziele der Arbeitgeberverbände werbe.

Die INSM ist Mitglied der Aktionsgemeinschaft Deutschland, einem Zusammenschluss von zehn so genannten "Reforminitiativen", darunter berlinpolis, Bürgerkonvent, Stiftung Liberales Netzwerk und weitere.

Ziele der INSM

Unter dem Leitmotiv "Chancen für alle" hat die Initiative nach eigenen Angaben das Ziel, die Menschen in Deutschland von der Notwendigkeit "marktwirtschaftlicher Reformen" zu überzeugen. Das bewährte Ordnungssystem der Sozialen Marktwirtschaft müsse an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden: An "die Globalisierung, die Wissensgesellschaft, die Veränderungen in der Arbeitswelt und den demografischen Wandel". Die Initiative vertritt die Meinung, dass den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft nach den ursprünglichen Vorstellungen von Ludwig Erhard (Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Wettbewerb) dabei mehr Geltung verschafft werden müsse. Allgemein gesprochen, fordert die INSM eine Forcierung angebotsorientierter Wirtschaftspolitik. Der Journalist Thomas Leif spricht davon, dass es der INSM im Kern um "die Flankierung von Wirtschaftsinteressen durch PR-Maßnahmen" gehe.[2] Und der Politikwissenschaftler Claus Leggewie stellt fest: "Sie meint eigentlich weniger soziale Marktwirtschaft, sie meint Entstaatlichung, weniger Sozialstaatlichkeit, mehr kapitalistische freie Marktwirtschaft. Das kommt aus den Vereinigten Staaten, wo Ronald Reagan gesagt hat, der Staat ist nicht die Lösung, wie wir immer gedacht haben, sondern er ist das Problem. In diesem Sinne propagiert diese Initiative Entstaatlichung auf allen Ebenen. Sie tut dies gegenüber Journalisten, gegenüber Schulen, um damit die Gesellschaft für das Thema der Entstaatlichung und Privatisierung bereit zu machen."[3]

Die Initiative vertritt den Standpunkt, dass, "um die Soziale Marktwirtschaft zu erneuern und sie leistungsfähig zu halten, jener Ballast abgeworfen werden (muss), der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat" [4]. Im Einzelnen bedeute dies:

  • Neue Wirtschaftspolitik: "Weniger ist mehr" - der Staat solle sich beschränken auf das was die Initiative als seine Kernkompetenzen sieht, Bürokratie und Genehmigungsverfahren vereinfachen. Die weitere Senkung von Steuern und Abgaben bringe neue Freiräume für die Eigeninitiative von Bürgern und Unternehmen, verbessere die Wettbewerbsfähigkeit und sei Voraussetzung für das Entstehen neuer Arbeitsplätze.
  • Gegen Subventionen: Wirtschaftsprofessor Johann Eekhoff, Botschafter der INSM, formuliert die Kritik an den Subventionen wie folgt: "Sie verzerren den Wettbewerb, diskriminieren Nichtsubventionierte, erhöhen die Abgabenlast und verursachen Wachstums- und Beschäftigungseinbußen".[5]
  • Neue Beschäftigungspolitik: "Sozial ist, was Arbeit schafft" - Arbeitslose müssten sinnvoll qualifiziert statt alimentiert werden. Alles, was aus Sicht der Initiative im Sozial- und Arbeitsrecht die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert, müsse überprüft und, wenn nötig, korrigiert und dereguliert werden. Darunter fällt nach Darstellung der Initiative besonders der Kündigungsschutz. Die Schaffung von Arbeitsplätzen solle des Weiteren besonders durch Förderung der Selbstständigkeit möglich gemacht werden.
  • Neue Sozialpolitik: "Hilfe zur Selbsthilfe"- dieses Prinzip müsse stärker als bisher betont werden. Ansprüche auf bisherige Leistungen, die die Initiative als Rundum-Absicherung bezeichnet, seien in diesem Maße nicht mehr bezahlbar. Wer mehr Schutz oder eine höhere Rente wolle, müsse über das Kapitaldeckungsverfahren zusätzlich privat vorsorgen. Für die Initiative sei aber auch klar: Die Solidarität mit den "wirklich Bedürftigen" der Gesellschaft bleibe bestehen. Thomas Straubhaar, Ökonom und Präsident des Hamburger Weltwirschaftsinstituts, tritt in diesem Sinne für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein (Bericht im Deutschlandfunk).
  • Neue Bildungspolitik: In der Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts stünden und fielen Standorte mit dem Rohstoff "Wissen". Die Bildungspolitik gehöre deshalb zu den zentralen Themen der Reformdebatte. Hier gehe es um mehr Wettbewerb, mehr Effizienz und mehr Tempo. Die Einführung von Studiengebühren sowie die Auswahl der Studierenden durch die Hochschulen sei hierzu ein notwendiger Beitrag.
  • Entbürokratisierung: Ein weiteres Hemmnis beim Aufbau neuer Arbeitsplätze sei die Regelungsdichte der deutschen Gesetze. Eine grundlegende Föderalismusreform sei notwendig, um Bürokratie abzubauen und einen Staat im Sinne der von der Initiative vorgeschlagenen Neuen Wirtschaftspolitik verwirklichen zu können.

Methoden

Die INSM nutzt ein breites Spektrum an Methoden des Lobbyismus und der Öffentlichkeitsarbeit. Die Verbreitung der Inhalte erfolgt durch Anzeigen, Broschüren, Magazine, Bücher und Lehrveranstaltungen. Auch Schleichwerbung hat die INSM schon in Fernsehserien (ARD-Seifenoper Marienhof) platziert, wobei sie inzwischen einräumt, dass die Medienkooperation im Falle der ARD-Serie "Marienhof" ein Fehler gewesen sei. Des Weiteren werden von TV-Agenturen der INSM sendefertige Beiträge für Fernsehmagazine produziert, und die INSM stellt kostenlos fertig benutzbare Materialien für den Unterricht an Schulen zur Verfügung, in denen die wirtschaftsliberale Lehre gelehrt wird (z.B. zum Thema "Schlanker Staat"). Des weiteren stellt die INSM O-Töne für Hörfunkjournalisten kostenlos zur Verfügung und beliefert Bildagenturen mit Bildmotiven, sowie Zeitungsredaktionen mit Interviewpartnern aus den Reihen ihrer Botschafter. So genannte Testimonials (Experten) treten für die INSM in der Öffentlichkeit auf. Mit Hilfe der strategischen und professionellen Öffentlichkeitskampagne will die INSM auch politische Entscheidungsträger unter Druck setzen.

Einmal jährlich kürt die INSM zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung den sogenannten "Reformer des Jahres". Dabei sollen Personen ausgezeichnet werden, die sich im betreffenden Jahr in besonderer Weise für marktwirtschaftliche Reformen in Deutschland eingesetzt haben. Dies wurde 2005 der Verfassungsrichter Udo di Fabio, nachdem 2004 der CDU-Politiker Friedrich Merz und 2003 das spätere CDU-Kompetenzteam-Mitglied Paul Kirchhof diesen Titel erhalten hatten. In den Jahren 2004 und 2003 wurde zusätzlich mit dem IG Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters und dem SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles auch je ein "Blockierer des Jahres" ernannt.

Die Initiative bedient sich hauptsächlich der Werbeagentur Scholz & Friends. Der Internetauftritt wird durch die Aperto AG, einem Tochterunternehmen von Scholz & Friends betreut, das auch für die Inhalte der Website verantwortlich ist. Außerdem unterstützen Western Star und Welt und Wirtschaft Filmproduktion die INSM beim TV-Programming.

Die INSM nutzt wissenschaftliche Arbeiten aus dem Institut der Deutschen Wirtschaft, aus den Reihen ihrer Botschafter und Kuratoren, kauft sich die wissenschaftliche Expersise von anderen Wirtschaftsinstituten ein und arbeitet mit dem Institut für Demoskopie Allensbach zusammen.

Zu den Methoden der INSM zählen auch Medienpartnerschaften. Bisher gab es Medienpartnerschaften zwischen der INSM und der Financial Times Deutschland, der Wirtschaftswoche, der Zeit, der Frankfurter allgemeinen Sonntagszeitung, dem Focus und dem Handelsblatt, sowie der Fuldaer Zeitung. Im Handelsblatt erschien zeitweise eine regelmäßige Kolumne des Kuratoriumsvorsitzenden der INSM, Hans Tietmeyer, und des Kuratoriumsmitglieds Oswald Metzger.

Erfolge

Eine explorative Studie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster von Christian Nuernbergk unter dem Titel „Die Mutmacher“ hat die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit Blick auf das Verhältnis von Journalismus und PR untersucht.[6] Beschrieben werden die Organisation, die Strategie und die besonderen Merkmale der Kampagne der Initiative. Den Kern der empirischen Arbeit bildet eine Input-Output-Analyse, mit der die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative über einen Zeitraum von acht Monaten zwischen den Jahren 2003 und 2004 bewertet wurde. d.h. es wurden die Pressemitteilungen der INSM und die Berichterstattung in elf Meinungsführermedien im Rahmen einer vergleichenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Fazit der Studie: Die Medienberichterstattung übernimmt weitgehend die INSM-Perspektive, insbesondere, wenn exklusive Medienkooperationen geboten werden. und macht deren Funktion als ein strategisches Element in der Interessenvertretung von Arbeitgeberverbänden nur unzureichend transparent, Informationen zur Einordnung der Berichterstattung werden dem Leser vorenthalten. Bei mehr als 50 % der untersuchten Beiträge tauchten INSM-Botschafter auf, aber nicht einmal in jedem sechsten Beitrag wurde die Botschafterrolle für die INSM transparent gemacht. Nur bei einem Viertel wurden alternative Sichtweisen erwähnt und in rund 55 % der Fälle zogen die Redaktionen neben den PR-Angeboten der Initiative keine weiteren Quellen heran.[7]

Kritik

Argumentationsmuster

Aus Sicht von Kritikern benutzt die INSM die folgenden Argumentationsmuster:

  • Betonung und Definition von positiv besetzten Begriffen ("Sozial ist ... was Arbeit schafft", Freiheit)
  • Botschafter aus unterschiedlichen politischen Parteien sollen den Anschein von Überparteilichkeit und Konsens erwecken
  • Darstellung wirtschaftlicher und politischer Prozesse als nicht beeinflussbare Gesetzmäßigkeiten (Globalisierung)
  • Der (Wirtschafts-)wissenschaftliche Anspruch der Initiative soll Glaubwürdigkeit verleihen, verwendet werden aber ausschließlich Erklärungen und Empfehlungen neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler
  • Besetzung von Themen (Modernität), Einsatz von negativ besetzten Schlagworten (Besitzstandswahrer), siehe auch: Deutungshoheit.
  • Betonung einer schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland (Rankings)
  • Einseitige Darstellung von linker Politik als emotional, unwissenschaftlich, unzeitgemäß und überkommen (z.B. als Versorgungsmentalität)
  • Interessen der Wirtschaft werden den Interessen der Gesamtbevölkerung gleichgesetzt
  • Einseitige Darstellung der Ziele der INSM als alternativlose Notwendigkeit. Alternativen würden unsichtbar, faktisch ausgeblendet oder nicht thematisiert.
  • Ideologische Engstirnigkeit, Ausblenden von dem Weltbild arbeitgebernaher Wirtschaftswissenschaftler widersprechender Fakten.

Einflussnahme auf Medien

In einem Positionspapier [8] kritisiert die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche den massiven Einfluss der Public Relations (PR) auf journalistische Medien und beklagt die zunehmende Veröffentlichung von PR-Texten als redaktionelle Beiträge ohne Hinweise darauf, von wem die Texte stammen. Dadurch sei die journalistische Unabhängigkeit gefährdet. Sie fordert unter anderem eine stärkere Trennung von Lobbyarbeit und Journalismus in den Medien. Der Verein verweist auf eine Studie der Universität Leipzig unter der Leitung des Medienwissenschaftlers Prof. Michael Haller, die eine verstärkte Ausrichtung der Zeitungsberichterstattung auf den „Mainstream politischer Mehrheitsmeinungen im Publikum“ feststellt. Deren Beeinflussung stehe zunehmend im Fokus politischer und wirtschaftlicher Interessengruppen. Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ sei hierfür ein prominentes Beispiel. Sie wolle über Media-Kampagnen allgemein wahrnehmbare und durch „repräsentative“ Umfragen belegte Stimmungen erzeugen. So werde direkt und indirekt auf das Agenda Setting der Redaktionen Einfluss genommen.

Die ARD-Sendung Monitor berichtete am 13. Oktober 2005 unter dem Titel Die Macht über die Köpfe: Wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Meinung macht[3] darüber, wie die INSM Experten, Studien und ganze Fernsehbeiträge an verschiedene Redaktionen von Fernsehsendungen, u.a. Sabine Christiansen, und Printmedien liefert, ohne dass diese als Meinungsäußerung der INSM gekennzeichnet wären [3]. Teilweise waren mehrere Experten, die eigentlich kontrovers diskutieren sollten, Botschafter und Kuratoren der INSM. Der Medienwissenschaftler Prof. Siegfried Weischenberg stellte dazu in der Sendung fest: "Das wirkt so, Wissenschaftler sind neutral. Tatsächlich treten sie hier auf in der Rolle als PR Agenten. Monitor kritisierte besonders ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Journalismus und Werbung bzw. PR, das von der INSM bewusst forciert werde, bis hin zum Engagement bei der Journalistenausbildung (Finanzierung eines Workshops an der RTL-Journalistenschule in Köln). Ebenso zeigte der Bericht, wie die INSM bereits in Grundschulen Informationen verbreitet und Veranstaltungen der Kinderuniversität, z.B. über Geld ("Wozu brauchen wir Geld?"), durchführt und dokumentierte, wie Kinder dabei Standpunkte der INSM lernen.

Die Rankings der Initiative, die Bundesländer danach beurteilen, inwieweit sie Ziele der INSM verwirklichen, wurden nachweislich von vielen großen Printmedien als neutrale Statistiken über wirtschaftlichen Erfolg der Bundesländer übernommen. Der Einfluss der INSM reiche bis in die Spitzen der Politik: Der ursprünglich von der INSM geprägte Slogan Sozial ist, was Arbeit schafft sei im Wahlkampf 2005 zunehmend auch von Angela Merkel, Edmund Stoiber, Guido Westerwelle und anderen CDU- und FDP-Politikern geäußert worden.

Im November 2005 berichtete die Wochenzeitung Freitag, dass nach der zunehmend kritischen Berichterstattung der Medien über die INSM Druck von Seiten der INSM auf Redaktionen ausgeübt werde, um dieser kritischen Berichterstattung zu begegnen. Nach Berichten in TV-Sendungen wie Monitor habe sich die INSM auch direkt an einzelne Mitglieder des Fernsehrats und Programmrats gewendet und über "einseitige" Berichterstattung geklagt. Kritische Journalisten würden nach der Methode des sog. Blaming als z.B. gewerkschaftsnah oder Attac-Sympathisanten dargestellt, um ihre Glaubwürdigkeit zu unterlaufen. Diese Form der Einflussnahme auf kritische Berichterstattung habe eine neue Qualität bekommen. Betroffen seien vor allem freie Journalisten.

Schleichwerbung

Im September 2005 wurde durch eine von der ARD veröffentlichte Kundenliste bekannt, dass die INSM 2002 per Schleichwerbung in der ARD-Sendung Marienhof für 58.670 Euro Szenen und Dialoge zu Themen wie Wirtschaft, schlanker Staat, Steuern platziert hat. Die Gewerkschaft ver.di forderte die INSM daraufhin auf, ihre Aktivitäten in den Medien offenzulegen. Der stellvertretende Verdi-Vorsitzende Frank Werneke kritisierte, ein solcher Fall von Manipulation übertreffe alle bisherigen Vermutungen über verdeckte Einflussnahmen durch die INSM. Offenbar scheue man die offene Auseinandersetzung über die sozialen und beruflichen Perspektiven von Jugendlichen und schleiche sich stattdessen in Jugendmedien ein.

Die NGO LobbyControl kritisiert, dass die Initiative mit der Schleichwerbung den Rundfunkstaatsvertrag sowie professionelle Standards der Öffentlichkeitsarbeit wie den europäischen Code de Lisbonne missachtet habe. Die INSM erklärte daraufhin, es sei nur darum gegangen, Grundkenntnisse über unsere Wirtschaftsordnung zu vermitteln und die Bedeutung eigenen Engagements bei der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu betonen. Sie räumt inzwischen ein, dass die Medien-Kooperation im Falle der ARD-Serie "Marienhof" ein Fehler war. Der Initiative sei aber von der Produktionsgesellschaft mehrfach versichert worden, dass die Form der Zusammenarbeit in Einklang mit dem Rundfunkstaatsvertrag stehe und die zuständige ARD-Redaktion die Stücke abnehme, was sich als falsch herausgestellt habe. Den Generalvorwurf, den die Gewerkschaft Verdi in ihrer Pressemitteilung vom 20.9.2005 erhoben hat, die INSM würde die Medien manipulieren, weist die Geschäftsführung der Initiative zurück.

Vorwurf der mangelnden Neutralität

Der Initiative wird vorgeworfen, die "wirtschaftspolitischen Konzepte" u.a. der CDU/CSU sowie der FDP zu bewerben, aber gleichzeitig als "überparteilich" aufzutreten und damit den Anschein von Neutralität erwecken zu wollen. Nach dem Austritt der Politiker Wolfgang Clement, Rainer Wend und Christine Scheel von der SPD und den Grünen als Botschafter der INSM, wurde ein "überparteiliches" Auftreten der Initiative schwieriger. Zudem wird kritisiert, dass die Botschafter der Initiative in den Medien als unabhängige Experten auftreten, obwohl sie von der Initiative bezahlt werden.

Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds kritisiert die aus ihrer Sicht "neoliberalen Positionen" und die Nähe zu Unternehmensverbänden.

Der damalige SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter kritisierte die INSM als "Tarnorganisation" und bezeichnet deren Vorgehen als "durchsichtig, parteiisch und zielgerichtet". So kürte die Initiative vor der sächsischen Landtagswahl bereits den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Georg Milbradt zum Ministerpräsidenten des Jahres, ebenso den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) vor dessen Landtagswahl 2003.

"Reformer" und "Blockierer des Jahres"

Laut Ankündigung (vgl. [1]) konnte jeder Leser Vorschläge für Kandidaten bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), FAZ oder bei der INSM einreichen. Die fünf meistgenannten Kandidaten sollten zusammen mit weiteren fünf Kandidatenvorschlägen von der FAS den Leser zur Abstimmung vorgelegt werden. Nach Darstellung von LobbyControl wurden hingegen bei der Wahl 2005 entgegen der Ankündigung lediglich 5 Kandidaten zur Wahl gestellt [2].

Das Endergebnis setzt sich nach Angaben der INSM zusammen aus den gewichteten Stimmen der Leserschaft (50%) und dem Votum einer von der INSM eingesetzten Jury (50%). Kritiker wenden ein, dass dieses Verfahren der INSM eine direkte Kontrolle über das Ergebnis der Abstimmung garantiere, da ein Patt über einen Kandidaten nur in dem sehr unwahrscheinlichen Fall zustande kommen könne, dass alle Leser der FAS ihre Stimmen auf einen einzigen Kandidaten vereinigten. Zudem sei unklar, inwiefern die Jury bei ihrer Entscheidung bereits über das Abstimmungsverhalten der Leserschaft informiert sei. Schließlich sei ungewiss, wie die Jury genau ihren 50%-Anteil aufteilen könne. Aus diesen Gründen könne das Wahlverfahren als scheindemokratisch betrachtet werden.

Bei der Verleihung des "Reformer des Jahres" am 29. November 2005 drangen vor laufenden Fernsehkameras maskierte Mitglieder einer Gruppe in den Saal ein, die sich selbst die Überflüssigen nennen. Sie entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Propaganda für Profite - Armut für den Rest". Die Verlesung einer Erklärung gelang jedoch nur teilweise, weil das Publikum im Saal die Gruppe in Sprechchören ("Feiglinge, Feiglinge") dazu aufforderte, sich die Masken vom Gesicht zu nehmen. Die Aktivisten wollten Gesamtmetall für die Erfindung der INSM einen Preis für die „teuerste, dreisteste und dümmste Propaganda des Jahres“ verleihen. Kurz darauf wurden die Überflüssigen aus dem Saal gedrängt. Zu sehen im Mitschnitt auf Phoenix, der live deutschlandweit ausgestrahlt und weltweit übers Internet gestreamt zu sehen ist.

Kritik durch den Bauernverband

Der Deutsche Bauernverband übte Kritik an einer Anzeige der INSM, die sich gegen die Subventionierung der Landwirtschaft richtete, nach Ansicht der INSM ein Paradebeispiel für die staatliche Privilegierung einflussreicher Gruppen. Die CSU-Politiker Michael Glos und Edmund Stoiber entzogen der INSM daraufhin ihre Unterstützung.

Personen

Die Initiative hat acht feste und ca. 40 freie Mitarbeiter, dazu ungefähr 2.000 sog. Kuratoren, Botschafter und Unterstützer. 2005 gründete sich ein "Förderverein Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft".

Gründungsmitglieder der INSM

Martin Kannegiesser (Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall)

Geschäftsführer

  • Max A. Höfer: Geboren 1959 in Stuttgart, Politologe und Ökonom aus Berlin. Höfer ist seit April 2006 Nachfolger von Tasso Enzweiler und war vorher Ressortleiter Politik und Leiter des Hauptstadt-Büros von Capital. Er hat zuletzt für das Magazin Cicero (Ausgabe April 2006) eine Liste der fünfhundert deutschen Meinungsmacher ermittelt, von ihm ist 2005 das Buch Meinungsführer, Denker, Visionäre erschienen.

Max A. Höfer und Dieter Rath leiten die Kölner Strategiezentrale der INSM. Von hier aus wird die Kampagne der INSM geführt. Unterstützt wird die INSM dabei von zahlreichen Wissenschaftlern, PR- und Werbefachleuten.

Tasso Enzweiler war früher Chefreporter der Financial Times Deutschland und machte sich als Journalist einen Namen mit seinen Recherchen zum Vulkan-Skandal und war Mitglied im Netzwerk Recherche, das die INSM sehr kritisch sieht.

Kuratoren

Hans Tietmeyer (Vorsitzender des Kuratoriums und ehemaliger Präsident der Deutschen Bundesbank)
Michael Hüther (Direktor und Mitglied des Präsidiums des IW Köln)
Martin Kannegiesser (Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall)
Oswald Metzger (Finanzexperte Bündnis 90/Die Grünen)
Randolf Rodenstock (Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rodenstock GmbH)
Hans-Dietrich Winkhaus (Präsident des IW Köln)

Botschafter

ausgetretene Botschafter, aber noch Befürworter: Bert Rürup, Gerhard Schröder, Wolfgang Clement, Klaus von Dohnanyi, Friedrich Nowottny, Michael Rogowski, Oliver Bierhoff, Meinhard Miegel, Peter Glotz (verstorben), Christine Scheel, Kardinal Karl Lehmann

Für einzelne Verantstaltungen oder Anzeigenkampagnen wurden auch Uli Hoeneß, der Manager des FC Bayern München [1], Oliver Bierhoff [1] und der Tennisprofi Nicolas Kiefer engagiert.

Mitglieder des Fördervereins für die INSM

Florian Gerster ((SPD), ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit)
Johanna Hey (Stiftungsprofessur für Unternehmenssteuerrecht in Düsseldorf)
Silvana Koch-Mehrin (Mitglied des EU-Parlaments und des FDP-Bundesvorstands)
Dieter Lenzen (Präsident der Freien Universität Berlin)
Friedrich Merz (MdB CDU)
Ulrike Nasse-Meyfarth (Sportlerin)
Dieter Rickert (Personalberater)
Hergard Rohwedder (Rechtsanwältin)
Max Schön (Mitglied im Aufsichtsrat der Max Schön AG)
Carl-Ludwig Thiele (Stellv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion)
Hans Tietmeyer (Vorsitzender des Fördervereins, ehemaliger Präsident der Deutschen Bundesbank)
Gunnar Uldall (CDU), Senator, Präses der Wirtschaftsbehörde Freie und Hansestadt Hamburg)

Siehe auch

Denkfabrik, Lobbyismus, Kunstrasen (PR), Plutokratie, Public Affairs

Quellen

  1. a b c "Über die INSM", Selbstdarstellung auf http://www.insm.de/Die_INSM.html Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „INSM“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. "Lobbying und PR am Beispiel der Initiative Neue Soziale Marktwirschaft"
  3. a b c MONITOR Nr. 539 am 13. Oktober 2005, Die Macht über die Köpfe: Wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Meinung macht, Bericht: Gitti Müller, Kim Otto, Markus Schmidt (Manuskript der Sendung)
  4. Die INSM: Ziele der Initiative. Die folgenden Punkte sind eine Paraphrase der Selbstauskunft.
  5. Pressemitteilung der INSM vom 19.03.2004
  6. Christian Nuernbergk: Die Mutmacher. Eine explorative Studie über die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Münster 2005 (Universität Münster, Magisterarbeit)
  7. Christian Nuernbergk: Die Kampagne der „Visionäre“, in: message - Internationale Zeitschrift für Journalismus, Heft 1-2006
  8. Netzwek Recherche (2005), Positionspapier zum Verhältnis von PR und Journalismus: "PR-Einfluss auf Journalismus muss drastisch zurückgedrängt werden". In: Leif, Thomas (Hrsg.): (Medien)-Muster ohne Wert? Medien in der Wertefalle. Dokumentation des 9. MainzerMedienDisputs. Mainz, S. 156-160 (PDF)

Literatur

  • Ulrich Müller, Sven Giegold, Malte Arhelger (Hrsg.), Gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Eliten Politik und Öffentlichkeit beeinflussen, Hamburg : VSA Verl. 2004, ISBN 3899651006.
  • Gammelin, Cerstin und Götz Hamann, Die Strippenzieher: Manager, Minister, Medien - wie Deutschland regiert wird, Berlin : Econ Verl. 2005, ISBN 3430130115.
  • Speth, Rudolf und Leif, Thomas: Lobbying und PR am Beispiel der Initiative Neue Soziale Marktwirschaft. In: Leif, Thomas/ Speth, Rudolf (Hrsg.), Die fünfte Gewalt - Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden : VS Verl. 2006, S. 302 - 316, ISBN 3531150332 (erschienen auch als Band 514 in der Schriftenreiche der Bundeszentrale für politische Bildung)
  • Nuernbergk, Christian: Die PR-Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und ihr Erfolg in den Medien. Erste Ergebnisse einer empirischen Studie. In: Ulrike Röttger (Hrsg.), PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden 2006, S.159-178, ISBN 3531429507
  • Albrecht Müller, Machtwahn - Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet, Droemer 2006, ISBN 3-426-27386-1

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