Faust. Der Tragödie zweiter Teil

Drama von Johann Wolfgang von Goethe (1832)
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Faust, der Tragödie zweiter Teil, (kurz: Faust II) wurde von Johann Wolfgang von Goethe 1832 als Fortsetzung von Faust I veröffentlicht.

Faust-Ausgabe von 1832

Goethe arbeitete mit Unterbrechungen über sechs Jahrzehnte am Fauststoff, den er bereits in seiner Kindheit kennengelernt hatte. Der Zweite Teil der Dichtung bildete die Hauptbeschäftigung seiner letzten Lebensjahre und erschien erst - posthum - 1832. Im Unterschied zum ersten Teil stehen nicht mehr das Seelen- und Gefühlsleben des einzelnen Menschen im Mittelpunkt, sondern vielmehr gesellschaftliche Phänomene wie geschichtliche Ereignisse und politische Entwicklungen.


Inhalt

Das Stück besteht aus fünf Akten, die jeweils für sich relativ abgeschlossene Episoden darstellen. Im ersten Akt erwacht Faust in einer "Anmutigen Gegend" an einem Frühlingsmorgen. Die Elfen badeten ihn im Tau aus Lethes Flut nach dem furchtbaren Ende der Gretchen-Tragödie des ersten Teils. Am Hofe des deutschen Kaisers, auf der "kaiserlichen Pfalz", agiert Faust mit Mephistopheles' Hilfe als Magier und rettet mittels Erfindung des Papiergelds vorerst für kurze Zeit die kaiserlichen Finanzen, um die es vorher alles andere als gut bestellt war. Nach dem illusionären Mummenschanz geht er zu den Urbildern des Lebens ins „Reich der Mütter“, bevor er vor dem Hof die Geister von Helena und Paris als Urbilder menschlicher Schönheit beschwört.

Im zweiten Akt hat der Famulus Wagner ein künstliches Menschlein, den Homunculus geschaffen, der die Protagonisten zur "klassischen Walpurgisnacht" führt, in der verschiedenste mythologische Wesen und Götter der griechischen Antike auftreten. Schon hier zeigt sich die beeindruckende Transzendenz des Goetheschen Werkes, der im Faust II verschiedenste Bereiche miteinander verbindet.

Der dritte Akt beschreibt Fausts Beziehung zu Helena, mit der er einen Sohn, Euphorion, hat, der am Ende des Aktes zu Tode stürzt, woraufhin auch Helena verschwindet. Die Verbindung Fausts mit Helena symbolisiert die Verbindung von klassischer Antike (Helena) und (romantisch)germanischem Mittelalter (Faust), die kennzeichnend für die moderne europäische Geistesgeschichte ist. Dass aber moderne genialische Höhenflüge zum Scheitern verurteilt sind, wird durch den Absturz Euphorions deutlich gemacht - die Größe der Antike kann kein moderner Mensch mehr erreichen.

Im vierten Akt kehren Faust und Mephistopheles zum Kaiser zurück, der sich inzwischen im Krieg mit einem Gegenkaiser befindet. Mit Hilfe bestellter Berggeister erringen sie den Sieg über den Gegenkaiser. Faust bekommt als Dank den Strand des Reiches und will, Taten Worten vorziehend, den Meeresboden entwässern und so urbar machen.

In diesem Herrschaftsdrang verursacht er im fünften Akt den Tod dreier Menschen, eines Wanderers und des friedlichen alten Ehepaars Philemon und Baucis. Mittlerweile hundert Jahre alt und blind, hält er die lärmenden Spaten, die sein Grab schaufeln, für seine Arbeiter. Schließlich erfüllt sich Fausts Schicksal, erkennt er doch den Augenblick, zu dem er sagen könnte (Konjunktiv): "Verweile doch, Du bist so schön!" Dies bezieht er nämlich nicht auf seine tatsächliche Situation, sondern vielmehr auf die Vision einer künftigen, freiheitlichen Gesellschaft: "Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen". Als er dies ausspricht, bricht er tot zusammen; er hat die Wette gewonnen - auch wenn Mephistopheles dies nicht wahrhaben möchte - und seine Seele wird von den guten Mächten gerettet und gen Himmel geführt.

Interpretation

Fausts Erwachen steht nach dem katastrophalen Ende des ersten Teiles für einen Neubeginn. Faust befindet sich nun nicht, wie im ersten Teil, in einem muffigen Studienzimmer, sondern auf einer blühenden Wiese. Von langem Schlaf erquickt kann Faust auch sofort wieder mit der Suche nach Erkenntnis beginnen. Dabei lässt sich ein Wandel bei Faust erkennen. Am Anfang des ersten Teils versucht er mithilfe von Magie und der Beschwörung des Erdgeistes die Erkenntnis darüber zu erlangen, "Was die Welt im Innersten zusammenhält". Doch scheitert dieser Versuch dadurch, dass das gleißende Licht des Erdgeistes seine Augen blendet und er sich abwenden muss. Goethe zeigt dadurch, dass man die Erkenntnis nicht direkt erlangen kann. Faust ist über diesen neuerlichen Fehlschlag (Er hatte auch versucht, über das Studieren von Büchern die höchste Erkenntnis zu erlangen) so enttäuscht, dass er Selbstmord begehen möchte. Nur das Singen der Engel hält ihn davon ab.

Zu Beginn des zweiten Teiles verhält sich Faust anders. Er wird von Geistern im Tau Lethe Fluten gebadet und schläft im Heilschlaf des Vergessens. Dies bedeutet nichts anderes, als dass seine Schuld an Gretchens Tod jetzt nicht nur von Gretchen direkt, sondern auch von den Geistern verziehen wird. Dies wird später ein wichtiger Faktor in der Frage sein, ob Faust in den Himmel oder in die Hölle kommt. Als er auf der Wiese steht, geht die Sonne auf und er versucht direkt auf sie zu blicken. Die Sonne ist also eine Metapher für die Erkenntnis. Diesmal blendet ihn das Licht ebenfalls zu sehr. Aber Faust hat dazu gelernt. Er wendet sich sogleich der Erde zu und erkennt in ihr ein Abbild des Höchsten. Die Erde ist eine Metapher für das Leben. Das Leben kann Faust also genügen. Dies besitzt zwar nicht die Reinheit des ewig Höchsten, doch ist es trotzdem gleichwertig. Faust strebt nun mit Lust zum höchsten Dasein.

Faust nimmt in dem zweiten Teil viele verschiedene Tätigkeiten an. Damit entspricht er einem Ideal der Klassik: der Mensch soll alle seine Fähigkeiten ausprägen. Als Künstler schafft er ein Schauspiel, scheitert aber daran, es in die Wirklichkeit zu überführen. Im dritten Akt begibt sich Faust auf eine Zeitreise durch die Epochen. Dabei wird der Künstler Faust mit Helena, dem Sinnbild für die Antike, verheiratet. Zusammen bekommen sie ein Kind, Euphorion, das für die deutsche Klassik steht. Damit erklärt Goethe, wie es zur deutschen Klassik gekommen ist: Durch eine Rückbesinnung der deutschen Künstler auf die Antike. Ebenfalls zeigt er mit seinem Wissen aus der Geschichte, dass die deutsche Klassik die Ewigkeit nicht gepachtet hat und lässt Euphorion abstürzen.

Fortsetzung folgt...

Literatur

  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. Stuttgart (Kröner) 1998, ISBN 3-520-40701-9)
  • Theodor W. Adorno: Zur Schlußszene des Faust. In: Noten zur Literatur. Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1974.
  • Gerhard Kaiser, Ist der Mensch zu retten? Vision und Kritik der Moderne in Goethes Faust
  • Ulrich Gaier, Fausts Modernität
  • Ulrich Gaier, Faust-Dichtungen
  • Michael Jäger, Fausts Kolonie, Goethes kritische Phänomenlogie der Moderne
  • C. Eller u. T. Kaminski, Faust-Spektrum

Bedeutende Inszenierungen

Vertonungen

Wikisource: Faust II – Quellen und Volltexte

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