Heveller

slawischer Stamm an der Havel
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Die Heveller waren eine slawische Völkerschaft an der mittleren Havel und gehören zu den Elb- und Ostseeslawen. Die Eigenbezeichnung war Stodorjane, der neuhochdeutsche Name "Heveller" geht auf eine altslawische Namensform zurück, seit ca. 845 (Hehfeldi, Geographus Bavarus) bis in das 12. Jh. häufig in Varianten belegt. Der ursprüngliche Stammesname Habelli, abgeleitet vom germanischen Habula (Havel), wie auch dieser selbst blieben also nach der slawischen Einwanderung im 6. Jh. dem westgermanischen Sprachgebiet bekannt, was bedeuten dürfte, daß eine germanische Restbevölkerung am Entstehen des slawischen Stammes beteiligt war.

Die zentrale Lage erklärt, dass hier Angehörige sämtlicher archälogisch-kultureller Gruppen der seit ca. 550 einwandernden Slawen aufeinandertrafen. Das Siedlungsgebiet der Heveller erstreckte sich an den Fluß- und Seeufern des Havelbogens zwischen Spandau bis hinter Rathenow. Hauptburg und Sitz des Herrschers war die Brandenburg. Die weitere Entwicklung setzt ein die Stammesorganisation hinter sich lassendes Staatswesen voraus. Offensichtlich regierte eine Dynastie: eine Fürstin Drahomir heiratete um 906/07 den Böhmen-Fürsten Vratislav I. und wird die Mutter des heiligen Wenzel; ein christlicher Fürst Tugumir verschafft um 940 den Deutschen die Herrschaft über die Brandenburg. König Heinrich I. hatte sie 928/29 schon einmal erobert, wobei sich alle Stämme bis zur Oder unterwarfen, ein Gebiet, das offensichtlich mit dem 948 gegründeten Bistum Brandenburg identisch war. Diese Ausdehnung und die dynastische Verbindung der Drahomir bezeugen das Bestehen eines Heveller-Reiches. Es ist möglich, dass die Dynastie von den Ottonen in ihrer Würde belassen wurde.

Um 845 gab es acht slawische Burgbezirke (civitates), deren archäologische Bestimmung möglich erscheint, darunter die stadtähnlichen Anlagen Brandenburg und Spandau. Die Wirtschaft mit schwachem Getreidebau und ausgeprägter Jagd war weniger entwickelt als in den anderen Gebieten der Elb- und Ostseeslawen, doch fällt im 11. Jh. eine große Menge kleiner Silberschätze auf, deren Besitzer mit einer berittenen Oberschicht in Verbindung gebracht werden, die vielleicht frei war, Boden besaß und offenbar am Fernhandel teilnahm, in unbefestigten Siedlungen und in Burgen lebte und als Kastellane über die Burgen der westlichen und östlichen Havelgrenze gebot (Rathenow, Potsdam, Spandau).

Das mittlere Havelgebiet um Brandenburg kannte in spätslawischer Zeit nur diese Burg Brandenburg; vermutlich unterstand das Land dem Fürsten selbst, was dadurch bestätigt wird, dass der letzte Herrscher, Pribislav-Heinrich, die Zauche, das unmittelbar südlich der Havel gelegene Land, dem Sohn Albrecht des Bären zum Patengeschenk machte. Er war wie sein offenbar von heidnischen Untertanen ermordeter Vorgänger, der comes Meinfried, Christ. Ihm war er Kraft des Erbrechts nachgefolgt, führte den Königstitel und prägte Münzen. Seine rechtliche Stellung zum Reich ist unklar; jedenfalls konnte er den Markgrafen der Nordmark, Albrecht, zum Erben einsetzen: der Staat der Heveller, der um 1150 sein Ende fand, ist die slawische Wurzel der nun entstehenden Mark Brandenburg.


Literatur

  • Kahl, H.-D. - Slawen und Deutsche in der brandenburg. Geschichte des 12. Jahrhunderts, 1964
  • Ludat, H. - An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971
  • Grebe, K. - Zur frühslawischen Besiedlung des Havelgebietes, Veröffentlichungen des Museums für ur- und Frühgeschichte Potsdam 10, 1976, 7-54
  • Dralle, L. - Slaven an Havel und Spree, 1981
  • Sasse, B. - Die spätslawische und frühdeutsche Zeit (Das Havelland, hg. W. Ribbe, 1987).