Johannes Kepler
Friedrich Johannes Kepler (auch: Ioannes Keplerus; * 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt; † 15. November 1630 in Regensburg) war ein deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe und Optiker.

Er entdeckte die Gesetze der Planetenbewegung, die nach ihm Keplersche Gesetze genannt werden. In der Mathematik wurde die approximative Berechnung von numerischen Integralen nach ihm Keplersche Fassregel benannt. Auch machte er die Optik zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung.
Leben
Keplers Mutter Katharina weckte sein Interesse für Astronomie: Sie zeigte ihm den Kometen von 1577 und die Mondfinsternis von 1580. Johannes Kepler wohnte von 1579 bis 1584 mit seinen Eltern in Ellmendingen, wo sein Vater das Gasthaus „Sonne“ gepachtet hatte. Ab 1584 (16. Oktober) besuchte er die Klosterschule in Adelberg, von 1586 (26. November) an das höhere Seminar im ehemaligen Kloster Maulbronn und konnte trotz bescheidener familiärer Verhältnisse und einer kränklichen Natur 1589 ein Theologiestudium am Evangelischen Stift in Tübingen beginnen. Hier studierte er bei dem Mathematiker und Astronomen Michael Mästlin und lernte das heliozentrische System der Planetenbewegungen des Nikolaus Kopernikus kennen. Während des Studiums freundete er sich mit dem Juristen Christoph Besold an.
Kepler wollte ursprünglich protestantischer Geistlicher werden; er nahm jedoch auf Grund seiner mathematischen Begabung im Jahre 1594 einen Lehrauftrag für Mathematik an der Universität Graz an. 1597 heiratete er Barbara Mühleck, eine Müllerstochter.
Im Zuge der Gegenreformation musste die Familie 1600 Graz verlassen; er ließ sich als Assistent von Tycho Brahe in Prag nieder, dessen Nachfolger er 1601 wurde. 1611 verstarben ein Sohn und seine Frau, sie hinterließ ihm zwei Kinder. An der Universität Tübingen hielt man wenig von seinen antiaristotelischen Ansichten und ließ ihn nicht als Professor zu. Ein Jahr später nahm er eine Stelle als Mathematiker in Linz an (bis 1626). Im Jahr 1613 heiratete er Susanna Reuttinger; von den sechs Kindern, die sie ihm gebar, überlebte nur eines.
Von 1615 an musste er sich um die Verteidigung seiner Mutter Katharina kümmern, die unter dem Verdacht der Hexerei eingekerkert war. (In einer Romanfigur in Keplers Schrift Somnium („Der Traum“), der eine magische Reise zum Mond beschreibt, meinte die Anklage Keplers Mutter wiederzuerkennen.) Im Oktober 1620 konnte er ihre Freilassung durchsetzen. Dabei kam ihm ein juristisches Gutachten der Universität Tübingen zuhilfe, das wohl auf seinen Studienfreund Besold zurückgeht. Keplers Mutter verstarb schon ein Jahr später an den Folgen der Folter.
In Linz häuften sich die Probleme: er hatte Schwierigkeiten, seine Geldforderungen einzutreiben, seine Bibliothek wurde zeitweise beschlagnahmt und seine Kinder zur Teilnahme an der katholischen Messe gezwungen. Die Familie flüchtete nach Ulm. Eine Professur in Rostock kam nicht zustande.
Im Jahr 1627 fand er jedoch in Albrecht von Wallenstein einen neuen Förderer. Der erwartete von Kepler zuverlässige Horoskope und stellte im Gegenzug in Schlesien eine Druckerei zur Verfügung. Als jedoch Wallenstein im August 1630 seinen Posten als Generalissimus verlor, reiste Kepler nach Regensburg. Wenige Monate später verstarb er dort im Alter von 59 Jahren; sein Grab ging in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges bald unter (sein Sterbehaus ist eine viel besuchte Gedenkstätte).
Ein Leben für die Wissenschaft
In seinem 1596 veröffentlichten Buch Mysterium Cosmographicum (Das Weltgeheimnis) versuchte Kepler, die Bahnen der damals bekannten fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn) mit der Oberfläche der fünf platonischen Körper in Beziehung zu setzen. Die Umlaufbahn des Saturns stellte er sich dabei als Großkreis auf einer Kugel vor (noch nicht als Ellipse), welche einen Würfel (Hexaeder) umschließt. Der Würfel umschließt wiederum eine Kugel, welche die Jupiterbahn beschreiben soll (siehe Abbildung). Diese Kugel wiederum schließt Tetraeder ein, welches die Marskugel umhüllt usw. Diese Arbeit war nach Keplers Entdeckung des ersten nach ihm benannten Gesetzes – spätestens aber nach der Entdeckung entfernterer Planeten – nur noch von historischem Interesse.
Bereits in den 1590er Jahren stand Kepler mit Galileo Galilei in brieflichem Kontakt. 1600 nahm er eine Stellung als Assistent von Tycho Brahe an. Die Zusammenarbeit in Prag gestaltete sich allerdings kompliziert. Beiden war bewusst, dass sich ihre verschiedenen Begabungen ergänzten: Brahe war ein exzellenter Beobachter, seine mathematischen Fähigkeiten waren jedoch begrenzt. Der hervorragende Mathematiker Kepler hingegen konnte wegen seiner Kurzsichtigkeit kaum präzise Beobachtungen durchführen. Brahe fürchtete allerdings, mit seinem umfangreichen Lebenswerk, den Aufzeichnungen astronomischer Beobachtungen der Planeten und hunderter Sterne, allein Keplers Ruhm zu begründen. Hinzu kam, dass Brahe die astronomischen Ansichten von Kopernikus und Kepler nur ansatzweise teilte.
In seiner ersten Veröffentlichung in der neuen Stellung De Fundamentis Astrologiae Certioribus („Über zuverlässigere Grundlagen der Astrologie“, 1601) legte Kepler dar, wie die Astronomie auf sicherer Grundlage ausgeübt werden könne, indem man sie auf neue naturwissenschaftliche Grundlagen in Verbindung mit dem pythagoräischen Gedanken der Weltharmonie stellt. Auch dies war ein Affront gegen die konservativen Zeitgenossen, die der ptolemäischen Astronomie den Vorzug gaben.
Als Nachfolger Brahes erhielt Kepler vollen Zugang zu dessen Aufzeichnungen. Im Jahr 1600 war das bahnbrechende Werk des englischen Arztes William Gilbert De Magnete, Magneticisque Corporibus, et de Magno Magnete Tellure („Über den Magneten, Magnetische Körper und den großen Magneten Erde“) erschienen, dessen Theorien zur magnetischen Anziehung Kepler sofort akzeptierte. Auf diese Weise gelangte er zu der Auffassung, die Sonne übe eine in die Ferne wirkende Kraft aus, die mit wachsender Entfernung abnehme und die Planeten auf ihren Umlaufbahnen halte. Dies war zu seiner Zeit ebenso spekulativ wie die Vermutung, zwischen den Bahnen der Himmelskörper und den platonischen Körpern bestehe ein innerer Zusammenhang. Der Gedanke der Fernwirkungskraft zusammen mit der Auswertung der Brahe-Beobachtungen führte Kepler zu der Entdeckung, dass die Bahn des Mars kein Kreis, sondern eine Ellipse ist. Dies ist nicht offensichtlich, da die Bahnen der großen Planeten fast kreisförmig verlaufen. Kepler bemerkte auch, dass die Ellipse so im Raum angeordnet ist, dass einer ihrer Brennpunkte stets mit der Sonne zusammenfällt (erstes Keplersches Gesetz). Das zweite von ihm entdeckte Gesetz besagt, dass eine von der Sonne zu einem Planeten gezogene Gerade in gleichen Zeiträumen gleiche Flächen überstreicht. Das bedeutet: je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist, um so langsamer bewegt er sich. Diese beiden Gesetze veröffentlichte er im 1609 erschienenen Werk Astronomia Nova (Neue Astronomie).
1604 beobachtete Kepler die Supernova 1604 und veröffentlichte seine Beobachtungen im Jahr 1606 in dem Buch De Stella nova in pede Serpentarii („Vom neuen Stern im Fuße des Schlangenträgers“). Das Auftauchen dieses „neuen“ Sterns stand im Widerspruch zu der vorherrschenden Ansicht, das Fixsterngewölbe sei auf ewig unveränderlich, und löste heftige Diskussionen in naturphilosophischen Fachkreisen aus.
Eine der bedeutendsten Arbeiten Keplers war seine Dioptrice. Mit diesem 1611 erschienenen Werk legte Kepler die Grundlagen für die gesamte Optik als Wissenschaft. Vorausgegangen war seine Schrift Ad Vitellionem Paralipomena, Quibus Astronomiae Pars Optica Traditur ( „Ergänzungen zu Witelo, in denen der optische Teil der Astronomie fortgeführt wird“, 1604), in der er frühere Vorstellungen über die Ausbreitung und Wirkung von Lichtstrahlen grundlegend änderte: nicht vom Auge geht ein Kegel aus, dessen Basis den Betrachtungsgegenstand umfasst, sondern von jedem Punkt des Objektes gehen Strahlen in alle Richtungen – einige davon erreichen durch die Pupille das Augeninnere. Ebenso wie Lichtstrahlen auf dem Weg von den Gestirnen zu uns durch die Lufthülle abgelenkt werden (atmosphärische Refraktion), werden sie auch in dem noch dichteren Medium der Augenlinse gebrochen und damit gebündelt. Damit hatte Kepler eine Erklärung für Kurzsichtigkeit und auch für die Wirkung einer Lupe oder Brille gegeben. Die Erfindung des Kepler-Fernrohres erscheint fast als ein Abfallprodukt seiner tiefgreifenden Erkenntnisse zur Brechung des Lichtes und der optischen Abbildung.
Die Veröffentlichung der Dioptrice war die mittlere in einer Serie von drei Abhandlungen, die er als Antwort auf Galileis Sidereus Nuncius verfasst hatte. In der ersten spekulierte Kepler, ob die Bahnen der Galileischen Monde gleichfalls in platonische Körper passen würden. Eine dritte Abhandlung betraf seine eigenen Beobachtungen der Jupitermonde und stützte Galileis Schlussfolgerungen. Dieser schrieb darauf zurück: „Ich danke Ihnen ... weil Sie der Einzige sind, der mir Glauben schenkt.“ Es ist kaum verwunderlich, dass er mit seinem Versuch, als Professor in seiner Studienheimat Tübingen Fuß zu fassen, keinen Erfolg hatte – Kepler war zu fortschrittlich.
In Linz (ab 1612) beschäftigte sich Kepler mit einem rein mathematischen Problem: dem Rauminhalt von Weinfässern. Weinhändler bestimmten diesen nach Faustregeln; Kepler entwickelte eine in der Antike gebräuchliche Methode weiter und setzte damit die Grundlagen für die weitergehenden Überlegungen von Bonaventura Cavalieri und Evangelista Torricelli. Die später so genannte Keplersche Fassregel machte er 1615 unter dem Titel Stereometria Doliorum Vinariorum („Stereometrie der Weinfässer“) bekannt.
Nach intensivem Studium der Daten zur Umlaufbahn des Mars entdeckte Kepler am 15. Mai 1618 das dritte der nach ihm benannten Gesetze, welches er in dem im Jahr 1619 beschriebenen Werk Harmonices Mundi libri V („Fünf Bücher zur Harmonik der Welt“) erläuterte: Danach ist das Verhältnis der dritten Potenz der durchschnittlichen Entfernung eines Planeten von der Sonne, , zum Quadrat seiner Umlaufzeit stets unveränderlich: ist für alle Planeten gleich.
Planet | T | d | |||
Merkur | 0,241 | 0,387 | 0,058081 | 0,057960603 | 1,002077221 |
Venus | 0,615 | 0,723 | 0,378225 | 0,377933067 | 1,000772446 |
Erde | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Mars | 1,881 | 1,524 | 3,538161 | 3,539605824 | 0,999591812 |
Jupiter | 11,863 | 5,203 | 140,730769 | 140,8515004 | 0,999142846 |
Saturn | 29,458 | 9,555 | 867,773764 | 872,3526289 | 0,994751131 |
T = siderische Umlaufzeit in trop. Jahren d = große Halbachse in astronomischen Einheiten (Abstand Erde–Sonne)
Kepler sprach in diesem Werk von einem harmonischen Gesetz, da er glaubte, dass es eine musikalische Harmonie enthüllt, die der Schöpfer im Sonnensystem verewigte. Ich fühle mich von einer unaussprechlichen Verzückung ergriffen ob des göttlichen Schauspiels der himmlischen Harmonie. Denn wir sehen hier, wie Gott gleich einem menschlichen Baumeister, der Ordnung und Regel gemäß, an die Grundlegung der Welt herangetreten ist. Keplers Anschauungen entsprachen dem, was man heute als anthropisches Prinzip bezeichnet. In einem weiteren Manuskript beschrieb er eine Zusammenstellung von Übereinstimmungen zwischen der Bibel und wissenschaftlichen Sachverhalten. Auf Grund des Drucks seitens der Kirche konnte dieser Aufsatz nicht veröffentlicht werden. Derartige Auseinandersetzungen begleiteten Keplers Familie häufig.
Im Gegensatz zur Harmonie der Himmelskörper, die Kepler studierte, war diese Epoche von Hass, Angst und Intoleranz geprägt. Kepler war ein tief religiöser Mensch: Ich glaube, dass die Ursachen für die meisten Dinge in der Welt aus der Liebe Gottes zu den Menschen hergeleitet werden können. In dieser Zeit tobte der Dreißigjährige Krieg zwischen katholischen und protestantischen Parteien. Da Kepler mit keiner der beiden Seiten übereinstimmte, ja, sich sogar erlaubte, sowohl Protestanten wie Katholiken zu seinen Freunden zu zählen, musste er mit seiner Familie mehrmals fliehen, um Verfolgungen zu entkommen.
In den Jahren 1618–1621 verfasste er Epitome Astronomiae Copernicae („Abriss der kopernikanischen Astronomie“), das seine Entdeckungen in einem Band zusammenfasste und das erste Lehrbuch der heliozentrischen Weltbildes darstellte.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte war Keplers Vorhersage eines Venustransits durch die Sonnenscheibe für das Jahr 1631. Es war dies die erste (und korrekte) Berechnung eines solchen Ereignisses. Hierzu konnte er seine zuvor entdeckten astronomischen Gesetze verwenden. Den von ihm berechneten Durchgang konnte er allerdings nicht mehr selbst beobachten (acht Jahre später war Jeremiah Horrocks erfolgreich).
Neben den astronomischen Untersuchungen verfasste Kepler einen Aufsatz zur Symmetrie von Schneeflocken. Er entdeckte, dass natürliche Kräfte – nicht nur in Schneeflocken – das Wachstum regulärer geometrischer Strukturen bewirken. Konkret bemerkte er, dass zwar jede Schneeflocke ein einzigartiges Gebilde ist, andererseits Schneeflocken bei einer Drehung um jeweils 60 Grad ihr Aussehen behalten (sechszählige Symmetrie).
Dies führte Kepler zu Berechnungen der maximalen Dichte von Kreisanordnungen und Kugelpackungen. Diese frühen Arbeiten fanden in der Neuzeit unter anderem Anwendung in der Kristallographie sowie in der Kodierungstheorie, einem Teilgebiet der Nachrichtentechnik. Kepler vermutete, dass die dichteste Art, Kugeln aufzustapeln, darin besteht, sie pyramidenförmig übereinander anzuordnen. Dies mathematisch zu beweisen wurde von Mathematikern 400 Jahre lang vergeblich versucht. (Am 8. August 1998 kündigte der Mathematiker Thomas Hales einen Beweis für Keplers Vermutung an. Auf Grund der Komplexität des Computerbeweises steht eine endgültige Überprüfung trotz jahrelanger Bemühungen angesehener Gutachter noch aus.)
Von Johannes Kepler stammt auch die Definition des Antiprismas.
Gegen Ende seines turbulenten Lebens veröffentlichte Johannes Kepler im Jahre 1627 in Ulm sein letztes großes Werk, die Tabulae Rudolfinae (Rudolfinische Tafeln). Es wertete die Aufzeichnungen Tycho Brahes aus und beschrieb die Positionen der Planeten mit bis dahin unerreichter Genauigkeit (die mittleren Fehler waren auf etwa 1/30 der bisherigen Werte reduziert). Diese Planetentafeln sowie seine im Epitome… dargelegten himmelsmechanischen Gesetze bildeten die überzeugendste Argumentationshilfe der zeitgenössischen Heliozentriker und dienten später Isaac Newton als Grundlage zur Herleitung der Gravitationstheorie.
Hintergrund
Kepler zählt zu den Begründern der modernen Naturwissenschaften. Sein Leben war geprägt von tiefer Glaubensüberzeugung und sein Weltbild beruhte auf der hermetischen Tradition, die sich von Pythagoras (Harmonien im All) über Platon (Mathematik ist Alles) bis zu dem von Dionysios zitierten Hermes Trismegistos erstreckte. In dieser Tradition gab es Fernwirkungen und Harmonien, die uns mittelalterlich-okkult erscheinen mögen – für Kepler war seine Weltanschauung logisch, einfach und klar. Vor diesem Hintergrund jedoch markiert Kepler den Übergang von einer qualitativen Naturphilosophie zu quantitativen Naturwissenschaften.
Seine Entdeckung der drei Planetengesetze machte aus dem mittelalterlichen Weltbild (in dem körperlose Wesen die Planeten einschließlich Sonne in stetiger Bewegung hielten) ein dynamisches System, in dem die Sonne durch Fernwirkung die Planeten aktiv beeinflusst. Er selbst allerdings nannte sie nie „Gesetze“; sie waren in seinen Augen vielmehr Ausdruck der Weltharmonie, die der Schöpfer seinem Werk mitgegeben hatte. Und aus seiner Sicht war es auch göttliche Vorsehung, die den Theologiestudenten zum Studium der Gestirne führte. Die natürliche Welt war ihm ein Spiegel, in dem die göttlichen Ideen sichtbar werden konnten, der gottgeschaffene menschliche Geist dazu da, sie zu erkennen und zu preisen.
In diesem Sinne wollte er die Vermutungen, die Kopernikus geäußert hatte, als richtig beweisen; dies war Keplers Art von „Gottesdienst“. Dies bedeutete jedoch, dass er von dem Gedanken abging, das kopernikanische System sei lediglich ein (hypothetisches) Modell zur einfacheren Berechnung der Planetenpositionen, sondern eine physikalische Tatsache. Damit stieß Kepler nicht nur bei der katholischen Kirche, sondern auch bei protestantischen Vorgesetzten auf erbitterten Widerstand. Denn auf beiden Seiten galten die Lehren von Aristoteles und Ptolemäus als unantastbar.
Am Beginn seiner Überlegungen allerdings stand die „Erleuchtung“, die Abstände der fünf (!) Planeten von der Sonne entsprächen genau ein- und umgeschriebenen Kugeln zu den fünf (!) platonischen Körpern. Als er rechnerisch weitgehende Übereinstimmung fand, war er sicher, mittels Mathematik und Beobachtung den Bau (die „Architektur“) des Alls enthüllt zu haben.
Als Kepler im Jahr 1604 die Supernova 1604 beobachtete, sah er auch darin die Vorsehung am Werk: er stellte sie nicht nur in Zusammenhang mit der Konjunktion von Jupiter und Saturn (1603) und vermutete, der neue Stern sei durch diese ausgelöst worden. Sondern er behauptete, Gleiches habe sich beim Erscheinen des Sterns von Betlehem ereignet: auch dieser sei in Folge einer großen Planetenkonjunktion sichtbar geworden (erste naturwissenschaftliche Stern-von-Betlehem-Theorie). In gleicher Weise sei nunmehr (1604) die Wiederkunft des Herrn nicht mehr fern.
Bereits sein Werk De fundamentis ... von 1601 zeigt seine genaue Kenntnis der Astrologie. Diese blieb bis an sein Lebensende ein wesentlicher Teil seiner naturphilosophischen Beschäftigung. (Es hätte ihn vielleicht befriedigt, wenn er noch erlebt hätte, wie „zuverlässig“ seine Vorhersage zu Wallensteins Schicksal im Spätwinter 1634 war.)
Ein Forscher, der solch „dunkle“ Lehren zur Grundlage seiner naturwissenschaftlichen Untersuchungen machte, musste einem Rationalisten wie Galilei zwielichtig erscheinen. Mit Galilei wechselte er zwar öfters Briefe, dieser jedoch hielt nicht viel von Keplers „fernwirkenden Kräften“ und esoterischen „Harmonien“. So war das Verhältnis zwischen den Beiden – manchen fachlichen Übereinstimmungen zum Trotz – eher gespannt.
Kepler aber befand sich im 17. Jahrhundert in bester Gesellschaft: noch Isaac Newton zeigte von seiner Studienzeit bis ins hohe Alter starkes Interesse an qualitativer Naturphilosophie (einschließlich Alchemie) und gelangte so zu seinen entscheidenden Überlegungen zur Schwerkraftwirkung der Massen.
Würdigungen
Da Kepler sich einige Zeit in Linz aufhielt, wurde die dortige Universität ihm zu Ehren Johannes-Kepler-Universität genannt. Weiter erhielten die Sternwarten in Weil der Stadt, Graz und Linz den Namen Kepler-Sternwarte. Darüber hinaus tragen ein prominenter Mondkrater und der Asteroid (1134) Kepler seinen Namen.
In seinem Heimatort Weil der Stadt wurde im zu Ehren 1870 ein Denkmal errichtet, auf dem verschiedene Szenen aus seinem Leben dargestellt sind.
[Anmerkung aus dem Vorwort zum „Lehrbuch der Mathematischen Physik – Band 1 – Klassische Dynamische Systeme“ von Walter Thirring: „Ja sogar diese Keplerschen Gesetze, welche die Radien der Planetenbahnen bestimmen und die man als mystischen Unsinn gerne verschwieg, scheinen in Richtung einer Wahrheit zu deuten, die sich oberflächlicher Betrachtung verschließt: Schachtelungen vollkommener platonischer Körper führen zu Verhältnissen von Radien, die irrational sind, aber algebraischen Gleichungen niederer Ordnung genügen. Gerade solche Irrationalzahlen lassen sich am schlechtesten durch rationale approximieren, und Bahnen mit diesem Radiusverhältnis sind gegenüber gegenseitigen Störungen am robustesten, da sie am wenigsten unter Resonanzeffekten leiden.“]
Werke (Auswahl)
- Mysterium Cosmographicum. (deutsch: Das Weltgeheimnis) (Nachdruck erhältlich unter: Johannes Kepler – Was die Welt im Innersten zusammenhält. Antworten aus Schriften von Johannes Kepler. (Mysterium cosmographicum, Tertius interveniens, Harmonice mundi) in deutscher Übersetzung mit einer Einleitung, Erläuterungen und Glossar herausgegeben von Fritz Krafft. MARIXVERLAG 2005)
- Harmonice Mundi. (deutsch: Weltharmonik) (Nachdruck erhältlich unter: Johannes Kepler – Was die Welt im Innersten zusammenhält. Antworten aus Schriften von Johannes Kepler. (Mysterium cosmographicum, Tertius interveniens, Harmonice mundi) in deutscher Übersetzung mit einer Einleitung, Erläuterungen und Glossar herausgegeben von Fritz Krafft. MARIXVERLAG 2005)
- Dioptrice. (deutsch: Dioptrik oder Schilderung der Folgen, die sich aus der unlängst gemachten Erfindung der Fernrohre für das Sehen und die sichtbaren Gegenstände ergeben. Übers. u. hrsg. von F. Plehn. 2. Aufl. Thun; Frankfurt/Main: Deutsch 1997 (Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften; Bd. 144) ISBN 3-8171-3144-5)
- Tabulae Rudolfinae. (deutsch: Die Rudolfinischen Tafeln)
- Astronomia Nova. (deutsch: Neue Astronomie) (Nachdruck erhältlich unter: Johannes Kepler: Astronomia Nova : Neue, ursächlich begründete Astronomie. Hrsg. u. eingel. v. Fritz Krafft (Bibliothek des verloren gegangenen Wissens) 2005. LVIII, 576 S., MARIXVERLAG. ISBN 3865390145)
- Somnium. (deutsch: Der Traum)
- Nova stereometria doliorum vinariorum. (deutsch: Neue Stereometrie der Weinfässer)
- Von den gesicherten Grundlagen der Astrologie (Nachdruck erhältlich unter ISBN 3-925100-38-5)
Zitate
- „Wer aber soll hausen in jenen Welten, wenn sie bewohnt sein sollten? Sind wir oder sie die Herren des Alls? Und ist dies alles dem Menschen gemacht?“
- „Mir kommen die Wege, auf denen die Menschen zur Erkenntnis der himmlischen Dinge gelangen, fast ebenso bewunderungswürdig vor, wie die Natur der Dinge selber.“ (Quippe mihi non multo minus admirandae videntur occasiones, quibus homines in cognationem rerum coelestium deveniunt; quam ipsa Natura rerum coelestium. Argumenta singulorum capitum, «Astronomia Nova», 1609. In: Kepler Gesammelte Werke, Band III, S.47, Zeile 19–21.)
- „Die Geometrie ist einzig und ewig, ein Widerschein aus dem Geiste Gottes. Dass die Menschen an ihr teilhaben, ist mit eine Ursache dafür, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist.“ (Dissertatio cum Nuntio Siderio, zit. n. M. Caspar: J. K. (1995), S. 106)
Literatur (Auswahl)
- Bibliographia Kepleriana. Ein Führer durch das gedruckte Schrifttum von (und über) Johannes Kepler. Im Auftr. der Bayer. Akad. d. Wiss. hrsg. von Max Caspar, München 1936. 2. Aufl. bes. v. Martha List, München 1968. ISBN 3-406-01685-5 u. ISBN 3-4060-1684-7
Ergänzungsbd. z. 2. Aufl., bes. von Jürgen Hammel, München 1998. ISBN 3-406-01687-1 u. ISBN 3-4060-1689-8.
- Max Caspar: Johannes Kepler, hrsg. von der Kepler-Gesellschaft, Weil der Stadt. 4. Aufl., erg. um ein vollst. Quellenverz. Stuttgart, GNT-Verlag 1995 (Nachdr. d. 3. Aufl. v. 1958). ISBN 3-928186-28-0
- Jürgen Helfricht: Astronomiegeschichte Dresdens. Hellerau, Dresden 2001. ISBN 3-910184-76-6
- Johannes Hoppe: Johannes Kepler. Leipzig: Teubner 1976
- Arthur Koestler: Die Schlafwandler. Bern 1959
- Mechthild Lemcke: Johannes Kepler. 2. Aufl. Reinbek: Rowohlt 2002. ISBN 3-499-50529-0
- Anna Maria Lombardi: Johannes Kepler – Einsichten in die himmlische Harmonie. Weinheim: Spektrum d. Wissenschaft 2000
- Rosemarie Schuder: Der Sohn der Hexe – In der Mühle des Teufels. Berlin: Rütten & Loening 1968
- Wilhelm und Helga Strube: Kepler und der General. Berlin: Neues Leben 1985
- Berthold Sutter: Der Hexenprozess gegen Katharina Kepler, 1979
- Johannes Tralow: Kepler und der Kaiser. Berlin: Verlag der Nation 1961
Werk- und Literaturverzeichnis
- Gerhard Dünnhaupt: "Johannes Kepler", in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 3. Stuttgart: Hiersemann 1991, S. 2269-2308.
Weblinks
- Vorlage:PND
- Kepler, Johannes – Linkliste (deutsch/englisch)
- Kepler-Museum Weil der Stadt
- Kepler-Gedächtnishaus Regensburg
- Kurzbiographie: Johannes Kepler
- Johannes Kepler. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Artikel zur Kepler-Vermutung
- Online-Auftritt der Multimedia-CD über Johannes Kepler
- Zur Optik
- Keplers mathematischer Beweis, daß die Monarchie der Demokratie überlegen sei
Personendaten | |
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NAME | Kepler, Johannes |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Mathematiker, Astronom, Astrologe und Optiker |
GEBURTSDATUM | 27. Dezember 1571 |
GEBURTSORT | Weil der Stadt |
STERBEDATUM | 15. November 1630 |
STERBEORT | Regensburg |