Chatschkar

bemusterte steinerne Stelen
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Khachkar ("Խաչքար" in Armenisch) heißt wörtlich übersetzt Kreuz-Stein. Ein Khachkar ist ein überaus kunstvoll geschnitzter Stein mit einem Kreuz in der Mitte. Khachkare sind Ausdruck der einzigartigen armenischen Kunstfertigkeit, die unterschiedliche Phasen der Entwicklung durchschritten hat.

Zwei Khachkare aus Julfa, die vor der systematischen Zerstörung durch azerische Militäreinheiten, rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten.
Ein Khachkar in Etschmiadsin

Beschreibung

Ein Khachkar ist eine Stele, ein Monolith, mit eingravierten Kreuzen, Weintrauben, Palmenblättern, Tieren, Ranken und Schriftzeichen.

Die Khachkare sind Gedächtnis-Monumente und künstlerische Objekte ganz besonderer Art. Im Mittelpunkt steht das Kreuz, der Rest ist vollständig mit feinem Flechtwerk und Rosetten überzogen und unterhalb oft mit einer Sonnenscheibe geschmückt.

Die Steine sind gewöhnlich vollständig mit Palmenblättern, Ranken, Weintrauben, Tiermustern, Ornamenten und mit abstrakten Verknotungen bemustert. Gelegentlich wird der Stein von einem Gesims mit biblischen Themen oder Heiligenabbildungen bekrönt. Alles Dargestellte ist auf dem Stein mit außergewöhnlichem Gespür für harmonische Symmetrien angeordnet.

Die riesigen Steinplatten, manchmal zwei oder drei Meter hoch, sind vorne völlig bearbeitet und hinten entweder glatt oder mit Schrift versehen. Oben sind die jüngeren Khatchkare manchmal mit einer Art Krone abgeschlossen.

Die Darstellungen sind wegen der Bildkompositionen eindrucksvoll, es gibt eine große Harmonie der Motive. Die in Stein gemeißelten Verzierungen gleichen Goldschmiedearbeiten, werden immer feiner und zarter, sehen aus wie mit feiner Nadel gestickte Pflanzenornamente. Die Gravuren lassen den Stein leicht aussehen, manchmal wie ein besticktes Kissen.

Die Khatchkare, die es heute noch gibt, stammen aus der Zeitspanne vom 4. bis zum 13. Jahrhundert. Ihre Veränderungen während der Jahrzehnte und Jahrhunderte laufen parallel zu den stilistischen Veränderungen, die die armenische Architektur damals erlebte. Das Grundpathos, die Stimmung, die Ausstrahlung der Khatchkare ist stets positiv, fröhlich, hell und Optimismus erweckend. Das Kreuz thront inmitten von Ornamenten, Zeichnungen, Verzierungen und Arabesken - immer entzückend, nie bedrohlich.

Geschichte

Die ersten Khachkare wurden entwickelt, als Armenien im 9. Jahrhundert seine politische Eigenständigkeit wieder hergestellt hatte. Das arabische Kalifat war niedergerungen, es begann eine Zeit der Wiederbelebung des armenischen Baustils. Nach der Befreiung von arabischer Herrschaft im 9. Jahrhundert kam es zu einer kulturellen Blüte.

Dabei hatte es grobförmige Proto-Khachkare in Armenien schon früher gegeben. Steinsäulen, Menhire, Pfeiler, Obelisken aus vorchristlicher Zeit sind im Osten der heutigen Türkei gefunden worden. Der älteste typische Khachkar, das uns bekannt ist, wurde 879 geschnitzt. Königin Katranide hat ihn in Garni errichten lassen. Sie war die Ehefrau von König Ashot I. Bagratuni.

Ab dem 10. Jahrhundert werden die Formenkompositionen der Khachkare noch vielfältiger. Es war die Zeit, als die armenischen Städte in der heutigen Osttürkei und im Kaukasus einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung erlebten. Es wurden viele Klöster gebaut. Architektur, Malerei, Bildhauerei wandten sich auf neue Weise religiösen und weltlichen Themen zu.

Der Höhepunkt der Kunst des Khachkarschnitzens begann im 12. Jahrhundert. Die Invasion von Seldschuken und Mongolen behinderte die Entwicklung der Kunst der Armenier. Die folgenden Jahrhunderte werden in der armenischen Geschichte allgemein als die "dunkle Zeit" bezeichnet. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde Armenien aufgeteilt, ein Teil fiel zum osmanischen Reich (heutige Osttürkei), ein andere Teil fiel zu Persien (heute Iran). Die Tradition lebt insofern weiter als man heute noch in einigen Gebieten in Yerevan Khachkar-Schnitzer finden kann. Doch die Steinschnitzer haben nie wieder das künstlerische Niveau des Mittelalters erreicht.

Heute gibt es ungefähr 40.000 Khachkare. Die meisten stehen im Freien. Khachkare, auf denen Spendenangaben notiert wurden, wurden in die Wände der Klöster eingebaut. Bei den folgenden drei Khachkaren handelt es sich um die feinsten Beispiele dieser Kunstform:

Einige gute Beispiele wurden in das historische Museum in Yerevan und hinter der Kathedrale in Etschmiadsin gebracht. Die außergewöhnlich wertvollen Monumente wurden von Wissenschaftlern in mehrere Gruppen eingeteilt. Dennoch ist jeder Khachkar für sich individuell gestaltet und unterschiedlich von allen anderen.

Im Dezember 2005 aufgetauchte Berichte, Aufnahmen und Fotos belegen erneut die systematische Zerstörung der Kunstwerke durch aserbaidschanische Soldaten. Der Umfang der Beschädigungen und der Zerstörung ist unermesslich.

Der Ort mit der größten Ansammlung von Khachkaren in Armenien ist heute ein alter Friedhof mit ca. 900 Khachkaren aus verschiedenen Perioden und verschieder Art, das Khachkarenfeld in Noratus am westlichen Ufer des Sevan Sees. Die größte Khachkaren-Ansammlung der Welt sind die Ruinen des alte Jugha in Nakhichevan, einer autonomen Republik in Aserbaidschan.

Zweck und Einsatz

Khatchkare wurden als Sinnbilder für Erlösung undKreuzigung geschaffen, als Geschenke für Klöster und um das Christentum zu verbreiten. Es gibt Khatchkare, die an militärische Siege erinnern, historisch wichtige Ereignisse festhalten oder den Zweck haben, an die Fertigstellung von Brunnen, Brücken und anderen Bauwerken zu erinnern.

Viele Khatchkare wurden für die Errettung der Seele errichtet. Mit anderen sollte einer unerfüllten Liebe gedacht werden oder auch Schutz vor Naturkatastrophen ermöglicht werden. Fast will es scheinen, dass sie immer dann angefertigt und aufgestellt wurden, wenn es galt, die Erinnerung an einen Menschen oder ein wichtiges Ereignis wach zu halten.

Es gab sogar Kreuzsteine, denen man schützende Wirkung zuschrieb.

Historische Belege

Khatchkare sind außerdem wichtig wegen ihrer Inschriften, weil auf den Steinen oft Stifter, Steinmetze und Ereignisse genannt werden. Sie sind damit auch Dokumente der Geschichte des armenischen Volkes.

Siehe auch

Literatur

Commons: Khachkar – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien