Irredentismus
Unter Irredentismus wird die panitalienische Bewegung im Zuge der (1861 vollzogenen) Einigung Italiens nach dem Risorgimento verstanden, die darauf abzielte, alle ganz oder teilweise italienischsprachigen Gebiete in den neuen italienischen Staat einzugliedern (insbes. das Trentino, Dalmatien und Istrien). Der Trentin hatte eine große deutssprachige Minderheit aufzuweisen. Istrien und Dalmatien wurden mehrheitlich von Kroaten besiedelt und befanden sich noch unter der Herrschaft Österreich-Ungarns.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die meisten dieser Gebiete Italien zugesprochen, das auf der Seite der Entente 1915 in den Krieg eingetreten war. Weitergehende Forderungen nach einer italienischen Nordgrenze entlang des Alpenhauptkamms bzw. der Wasserscheide von Mittelmeer und Donau/Schwarzem Meer, die das Schweizer Tessin und Teile Graubündens italienisch gemacht hätten, wurden dagegen nicht erfüllt. Der italienische Teil Istriens (u.a Rijeka/Fiume) musste nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an Kroatien und Slowenien bzw. Jugoslawien abgetreten werden, das Trentino und das überwiegend deutschsprachige Südtirol gehören aber bis heute zu Italien.
Das Wort Irredentismus kommt vom Adjektiv irredenta (unerlöst), das im Zusammenhang mit popolazione (Volk) (deutsch irreführend: Irredenta) im weiteren Sinne auch jene Völker meint, die sich einer anderen Nation zugehörig fühlen und Anschluss an diese suchen. Ein typisches Beispiel dafür sind die so genannten Sudetendeutschen der 1930er Jahre in der Tschechoslowakei mit der Heim-ins-Reich-Bewegung der Sudetendeutschen Partei, ebenso die deutschsprachigen Bewohner des Saargebiets zur gleichen Zeit.
Ein weiteres Beispiel ist das Projekt serbischer nationalistischer Kreise, Teile Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas an ein Großserbien anzuschließen. Dies führte sowohl zum Attentat von Sarajevo als auch in den 1990er Jahren zu den Jugoslawienkriegen. Typischerweise werden irredentistische Bewegungen häufig von außen, vom "Mutterland", mitgesteuert, um sich in zwischenstaatlichen Konflikten Vorteile und Rechtfertigung zu verschaffen.