Marxismus

politische, wissenschaftliche und ideengeschichtliche Strömung
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Marxismus ist eine philosophische, historisch-politische und ökonomische Gesellschaftstheorie mit wissenschaftlichem Anspruch. Sie bezieht sich auf die Schriften von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895). Marxisten versuchen seit Erscheinen des dritten Bandes des „Kapitals“ 1895, diese Ideen in ein schlüssiges Gesamtkonzept zu integrieren, das dem Aufbau einer sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftsordnung dienen soll.

Karl Marx

Seitdem haben sich in der marxistischen Theorie verschiedene Richtungen entwickelt, die jeweils das Erbe der „Klassiker“ beanspruchen und sich voneinander abgrenzen. Die bekanntesten davon sind die Sozialdemokratie, der Marxismus-Leninismus (siehe auch Leninismus), der Trotzkismus, der Austromarxismus und verschiedene Formen des Neomarxismus wie die Frankfurter Schule oder der Postmarxismus.

Der Terminus Marxismus wurde zunächst von politischen Gegnern pejorativ verwendet. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde er von Anhängern dieser Weltanschauung selbst übernommen.

Ein anderer Interpretationsansatz der Schriften Marx und Engels, als folgend dargestellt, findet sich unter Dialektik bei Marx - Engels.

Überblick

Die Grundgedanken von Marx wurden erst nach seinem Tod systematisiert. Ihre Einordnung in eine konsistente Theorie steht unter einem doppelten Vorbehalt:

  • Marx verstand sein Werk zunächst als ständig überprüf- und revidierbare Analyse der jeweiligen Verhältnisse und als eine daraus abgeleitete Zukunftsprognose.
  • Engels wollte die Theorie in allgemeinverständlicher Form verbreiten und trug damit aus kritischer Sicht auch zu ihrer Schematisierung und Vulgarisierung bei.

Andererseits erhoben beide spätestens seit dem „Kommunistischen Manifest“ von 1848 Anspruch auf eine allgemeingültige, wissenschaftliche Geschichtserklärung und politische Perspektive; sie behaupteten, mit den wissenschaftlichen Methoden ihrer Zeit zu arbeiten, wobei sie sich bei ihren Untersuchungen mit verschiedenen Denktraditionen wissenschaftlich-kritisch auseinandersetzten. Aus diesem Grund kann der Marxismus als theoretisches und praxisorientiertes System und damit als Weltanschauung betrachtet werden.

Marx bevorzugte für seine Theorie den Begriff „Wissenschaftlicher Sozialismus“. Damit grenzte er sich von anderen Staats- und Gesellschaftsentwürfen ab, die er dem Utopischen Sozialismus oder dem Anarchismus zuordnete. Er warf diesen Vorläufern und Zeitgenossen vor, eine gerechte und den Idealen der Französischen Revolution verpflichtete Gesellschaft nur zu „erträumen“, ohne die Bedingungen für ihre Verwirklichung wissenschaftlich zu erforschen und sie mit praktikablen Erfolgsaussichten anzustreben.

Die marxistische Theorie unterscheidet verschiedene Kernbereiche, die die Entwicklung der Ideen von Marx und Engels widerspiegeln:

  • die umfassende Abgrenzung von der herkömmlichen Philosophie und deren „Aufhebung“ im dialektischen Materialismus. Die Marxschen Frühschriften begannen dazu mit der Religionskritik und Ideologiekritik vor allem des deutschen Idealismus seiner Lehrer Hegel und Feuerbach. Er beanspruchte, Hegels dialektische Methode mit realem historischem Inhalt zu füllen und den Idealismus so „vom Kopf auf die Füße" zu stellen: Zielpunkt dieser Kritik war die 11. These zu Feuerbach: Die Philosophen haben die Welt nur betrachtet, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.
  • Das [gesellschaftliche] Sein bestimmt das Bewusstsein: Die wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse bedingen nach Marx als Basis das kulturelle und geistige Leben einer Gesellschaft, den so genannten Überbau. Die Herrschaftsverhältnisse lassen sich demnach auf klassengebundene Interessen zurückführen.
  • Diese Kritik der Ideen durch ihre Erklärung aus ihrer ökonomischen Basis ist eingebettet in eine historisch-materialistische Geschichtstheorie. Danach wird die Menschheitsgeschichte maßgebend von Interessengegensätzen, zyklisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen und Klassenkämpfen bestimmt, die zwangsläufig zu Revolutionen führen und den Fortschritt der Gesellschaftsentwicklung vorantreiben. Auch die Staatsformen von der Antike bis zum modernen Nationalstaat sind für Marx Ergebnis solcher Kämpfe.
  • Herzstück seines Werks ist die „Kritik der politischen Ökonomie“ in den drei Bänden des „Kapitals“. Die Gesetzmäßigkeiten der Ausbeutung im herrschenden Kapitalismus, die Entstehung der modernen Klassengesellschaft und der Konzentrationsprozess des Kapitals werden sowohl mikro- wie makroökonomisch differenziert analysiert. Dabei griff Marx auf Vorarbeiten der Nationalökonomie von Adam Smith und Ricardo zurück. Werttheorie, Verelendungs- und Krisentheorie sind wichtige Bestandteile dieser Analyse.
  • Der Übergang vom Kapitalismus zur klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft im Kommunismus - über ein Zwischenstadium des Sozialismus - ist Gegenstand der Marxschen Revolutionstheorie.

Praktische Anwendung fand der Marxismus zuerst in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts, vor allem der deutschen Sozialdemokratie, welche die Theorien von Marx und Engels zur Grundlage ihrer ersten Programme und Mitgliederschulungen machte. Sodann entwickelte Lenin im Anschluss an Marx seine Imperialismustheorie, die nach der Oktoberrevolution 1917, zusammen mit den Ideen von Marx und Engels, zur neuen Staatsideologie der Sowjetunion wurde.

Dieser Marxismus-Leninismus bestimmte den so genannten real existierenden Sozialismus nach 1945 in weiten Teilen der Welt, darunter in Ost- und Mitteleuropa, China (in modifizierter Form des Maoismus), Kuba, Nordkorea und in Nordvietnam. Ob und wie weit dieser sich noch aus den Grundideen der „Klassiker“ herleiten lässt oder eine „Fehlentwicklung“ darstellt, ist eine der umstrittensten Fragen innerhalb der marxistischen Theoriebildung. Die praktische Politik dieser Länder wird insbesondere in Nordkorea bis heute vom Stalinismus beherrscht. Heute wird das Gulag-Regime weitgehend als totalitäres System eingeordnet und von fast allen Marxisten abgelehnt.

Gegen die unterschiedlichen Ideologien von Lenin, Stalin und Mao beansprucht auch der Trotzkismus mit seiner Theorie der „permanenten Revolution“ das wahre Erbe von Marx. In Abgrenzung zu Stalinismus und Faschismus entstanden seit den frühen 1930er Jahren die Arbeiten der Frankfurter Schule, die versuchten, die Ideen von Marx auf die veränderten politisch-ökonomischen Bedingungen der Moderne anzuwenden und mit der Psychoanalyse zu verbinden.

In den 1960er Jahren entstanden besonders im Zusammenhang mit der weltweiten Studentenbewegung, den westeuropäischen Arbeiterstreiks und den so genannten Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt verschiedene Formen des Neomarxismus, des Eurokommunismus und des demokratischen Sozialismus.

Die Kritik am Marxismus begann zeitgleich mit seiner Entwicklung und hat sich im Laufe der Entstehung sich auf Marx berufender Staatssysteme im 20. Jahrhundert verschärft. Sie greift vor allem inhumane Politik und ökonomisch ineffiziente Ökonomie im Realsozialismus als Ergebnis marxistischer Theorie an. Marxistische Kritiker dagegen wenden die Marxsche Theorie auf diese Systeme selber an, um ihre Entwicklung und das praktische Scheitern der behaupteten Gesellschaftsziele als Abweichung vom Marxismus zu erklären.

Grundelemente

 
Georg. W. F. Hegel

Philosophisch ist der Marxismus von zwei wesentlichen Elementen geprägt: von der idealistischen Dialektik Hegels und vom philosophischen Materialismus, in dessen Vorstellung alles - auch Gedanken, Empfindungen usw.-e auf Manifestationen der Materie beruht (Gegensatz zum Idealismus).

Nach der Hegelschen Dialektik ist unsere Welt von Gegensätzen geprägt (These Antithese) die, wenn sie „verschmelzen“, eine „absolute Wahrheit“ ergeben, in der keine Widersprüche mehr vorhanden sind (dialektischer Dreischritt: These Antithese Synthese). Diese Synthesen treiben die „objektive Wirklichkeit“ voran und „bestimmen“ damit die Zukunft. Für Hegel als Philosoph des Idealismus , ist dieses Geschehen, wie die materielle Welt insgesamt, Produkt des menschlichen Geistes.

Marx betrachtet die Hegelsche Dialektik aus Sicht des Materialismus. Er stellt sie „vom Kopf auf die Füße“ und postuliert, dass sich die Welt - die objektive Wirklichkeit - aus ihrer materiellen Existenz und deren Entwicklung erklären lässt und nicht als Verwirklichung einer göttlichenabsoluten Idee“ (Idealismus) oder als Produkt des menschlichen Denkens. Das heißt, objektive Realität existiert auch außerhalb und unabhängig des menschlichen Bewusstseins. Dies ist der Kern von Marx' berühmtem Satz:

Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.- Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort. MEW 13, S. 9, 1859.

(im Gegensatz zu Hegelschem Denken, demzufolge das Bewusstsein das Sein bestimmt), der als Grundthese des Marxismus gelten kann.

In der marxistischen Philosophie wird das Universum als Ganzes gesehen. Es besteht aus untereinander in Beziehung stehenden, gegenseitig voneinander abhängigen und sich in ständiger Bewegung befindenden Materien (objektiver Zusammenhang). Diese Bewegung ist aufsteigend, d. h. vom Einfachen zum Komplexen fortschreitend und durchläuft dabei bestimmte Ebenen, wobei jeder Ebene bestimmte qualitative Veränderungen entsprechen. Das Fortschreiten geschieht dabei durch - dem dialektischen Dreischritt ähnelnde - Synthesen, die aus immer stärkeren Gegensätzen („Grundwidersprüchen“) resultieren.

Diese Weltanschauung brachte Marx dann konkret mit der Geschichte in Zusammenhang und schuf damit den Historischen Materialismus.

Historischer Materialismus

für teilweise ausführliche Darstellungen siehe: Historischer Materialismus

Mit dieser Theorie beschreibt Marx den Verlauf der Geschichte als determinierte Abfolge von grundlegenden Ereignissen und durch ökonomische Prinzipien bestimmt und vorrangetrieben.

Marx benennt 5 historisch begründete Gesellschaftsformen, welche die jeweiligen Gesellschaften in der Regel linear durchlaufen:

  1. Die Urgesellschaft, der Urkommunismus
  2. Die Sklavenhaltergesellschaft
  3. Den Feudalismus
  4. Den Kapitalismus
  5. Den Kommunismus

Begründet werden die gesellschaftlichen Umwälzungen mit ökonomischen Theorien. Nach marxistischer Auffassung stehen die Individuen innerhalb in einer Gesellschaft in vielfältigen wirtschaftlichen, politischen und geistigen Beziehungen zueinander. Dabei dominieren materielle Produktionsbeziehungen, die Produktionsweisen, welche die grundsätzliche Art und Weise der Produktion von Gütern beschreiben und alle anderen Beziehungen bestimmen. Der übergeordnete Begriff Produktionsweise bezeichnet das Verhältnis der Produktivkräfte, also der zur Produktion notwendigen Dinge wie menschliche Arbeit, zu den Produktionsverhältnissen. Diese Produktionsverhältnisse stellen zur Produktion getroffene und den materiellen Produktivkräften entsprechende Verhältnisse zwischen den Menschen dar:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Karl Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.

Menschen produzieren dabei Güter unter der Verwendung der Produktivkräfte und dem Eingehen von Produktionsverhältnissen. Zudem gibt es je nach Gesellschaftsform teilweise unterschiedliche Besitzverhältnisse der Produktionsmittel, also der zur Produktion notwendigen Dinge, in deren Herstellung schon menschliche Arbeit eingeflossen ist. Die Produktionsmittel sind Teil der Produktivkräfte.

Entstehung und Charakteristik der Klassengesellschaften

Für Marx ist die ursprüngliche Gesellschaft der Urkommunismus, in dem fast "von der Hand in den Mund" gelebt wurde und jedes Gesellschaftsmitglied weitestgehend gleichberechtigt an den Produktionsmitteln beteiligt ist bzw. sein kann. Diese Produktionsweise änderte sich mit der Neolithischen Revolution grundlegend. Hiernach war der Mensch durch die Nutzung von Ackerbau und Viehzucht in der Lage mehr zu produzieren als er verbraucht, also ein relevantes Mehrprodukt zu erwirtschaften und so Vorräte anzulegen. Damit konnte sich ein kleiner Teil der Gesellschaft von den unmittelbar Produzierenden lösen - es war nicht mehr fast die gesamte Arbeitsleistung aller notwendig um jede Person zu ernähren - und sich anderen Dingen, wie der Entwicklung der Produktivkräfte, zu widmen. Diese Entwicklung zur Hierarchisierung der Gesellschaft war der Weg vom klassenlosen Urkommunismus hin zu Klassengesellschaften. Nach Hegel wurde die klassenlose Gesellschaft durch die Klassengesellschaften negiert (in ihr Gegenteil verkehrt).

Die privilegierte Gruppe wächst nach Marx mit den sich verbessernden Produktivkräften und dem daraus resultierenden Mehrprodukt:

Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ.Karl Marx, Kapital I, MEW 23, 534f.

Diese Klasse, anfangs meist religiöse Führer, geboten auch in Notfällen über die Vorräte und konnten aus dieser Macht heraus sich verstärkt Besitz an relevanten Produktionsmitteln verschaffen. Dieser Unterschied in Macht und Besitz ermöglichte dann in die Bildung der Sklavenhaltergesellschaft, wo sich prinzipiell Sklavenhalter ("Freie") und Sklaven ("Unfreie") antagonistisch gegenüberstanden. Dieser Antagonismus zwischen zwei grundlegenden Klassen ist durch gegensätzliche Interessen - die Privilegierten wollen den Zustand beibehalten, während die andere Klasse auf eine grundlegende Änderung drängt - gekennzeichnet und charakteristisch für die Klassengesellschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Interessen und Machtverhältnisse sei die Klassengesellschaft stetig durch einen Klassenkampf geprägt.

Dann beschreibt Marx in seiner Theorie von Basis und Überbau die Produktionsverhältnisse - die je nach Zeit, Ort und Gesellschaftsform differenzieren - als ökonomische Grundlage für die Gesamtheit aller möglichen und dieser Basis entsprechenden Anschauungen und Institutionen (Staat, politische Parteien und Organisationen, u.a.), also dem Produktionsverhältnisse entsprechendem gesellschaftlichen Überbau. Damit ist die jeweilige Gesellschaftsform direkt von den ökonomischen Verhältnissen abhängig. Diese Theorie soll auch für klassenlose Gesellschaften gelten.

Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Karl Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.

Wechsel zwischen den Klassengesellschaften

Marx beschreibt nun die Sklavenhaltergesellschaft, den Feudalismus und den Kapitalismus als Klassengesellschaften. Während die Produktivkräfte sich stetig entwickeln, sind die Produktionsverhältnisse hauptsächlich durch die jeweilige Gesellschaftsform bestimmt und daher beharrend-stabil. Auch wenn die Produktionsverhältnisse zu Anfang einer neuen Gesellschaftsform an die Produktivkräfte so angepasst sind, das sie deren Entwicklung fördern, werden sie mit der Zeit zu "Fesseln" dieser, was dann in der Beseitigung des Widerspruchs durch eine "revolutionäre" Umwälzung der Produktionsverhältnisse durch die produzierende Klasse mündet. Diese Revolution beschreibt Marx auch mit dem von Hegel beschriebenen dialektischen Dreischritt, den er auf die konkrete Geschichte ummünzt: nach dem erfolgreichen Kampf der produzierenden Klasse verschmelzen die antagonistischen Klassen erst miteinander, teilen sich danach wieder unter Schaffung neuer, angepasster Produktionsverhältnisse und treiben so die „objektive Wirklichkeit“ voran.

Dabei geschieht diese Umwälzung nie, bevor nicht alle möglichen Produktivkräfte innerhalb der alten Gesellschaft entwickelt sind. Durch diese grundlegende Änderung der Basis (der Produktionsverhältnisse und damit der Produktionsweise, also der ökonomischen Grundlage) wechselt dann auch der Überbau und damit die Gesellschaftsform:

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. (...)
Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Karl Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.

Marx ging anfangs von einer feststehenden Abfolge der Gesellschaftsformen aus, ist davon aber später, unter anderen mit seiner Theorie von der „asiatischen Produktionsweise“, selber abgewichen. Mit diesem Begriff muss er zugestehen, dass es - beispielsweise in den asiatischen Wasserbaukulturen - verschiedene kulturelle Ausformungen von Produktionsweisen gibt, die nicht eins zu eins in die aus der europäischen Geschichte abgeleiteten Periodisierungen passen. Insbesondere Neomarxisten betonen daher die „Kontingenz“, das heißt die Zufälligkeit oder Offenheit der Geschichte. Es folgt also nicht automatisch ein Stadium dem anderen, sondern die Übergänge sind das Ergebnis von Klassenkämpfen mit immer offenem Ausgang: „Sozialismus oder Barbarei“ oder, wie es im Kommunistischen Manifest heißt, gemeinsamer Untergang der kämpfenden Klassen. So untersucht die Regulationstheorie auf dieser Grundlage die verschiedenen historischen und regionalen Ausprägungen der kapitalistischen Produktionsweise.

„Kritik der politischen Ökonomie“ (Kapitalismusanalyse)

 
Der erste Band der Trilogie Das Kapital

In seinem Hauptwerk: Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie beschreibt und kritisiert Marx die kapitalistische Produktionsweise und die damit verbundenen Wirtschaftswissenschaften (besonders die Volkswirtschaftslehre).

Nach dem Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Produktionsweise - von Feudalbauern, welche Feudalherren unterstehen und teilweise Leibeigene sind, zu Lohnarbeitern (dem Proletariat), die ihre Arbeitskraft an Personen verkaufen, denen relevante Produktionsmittel gehören (dem Bürgertum, der Bourgeoisie) - änderte sich laut Marx an der grundlegenden Struktur der Gesellschaft (in 2 grundlegende Klassen unterteilt) wenig.

Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. – Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat. Karl Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463.

Nachdem sich erste Ansätze von kapitalistischer Produktionsweise schon im 14. und 15. Jahrhundert zeigten, ermöglichen mit der Zeit - unter der Führung der Bourgeoisie - der globale Wechsel zum Kapitalismus (und der damit verbundenen Steigerung der Produktivkräfte), die Erschließung neuer Märkte, die fortschreitende Konzentration von Kapital und vor allem die Industrialisierung eine massive Produktivitätssteigerung. Dies geschieht jedoch auf Kosten des Proletariats, das nur im notwendigsten Maße entloht wird. Urbanisierung, Armut, Krankheit und ein Gefühl der Entfremdung zeichnen demnach die Angehörigen des Proletariats aus. Gleichzeitig vermindert sich - aufgrund der Konkurrenz innerhalb der Bourgeoisie - die Zahl der Kapitalisten immer mehr, sodass die Masse des Proletariats wächst.

Außerdem werden laut Marx - durch die lebensnotwendige Ausrichtung des individuellen Handelns auf Kapital - kapitalistische Gesellschaften zu großen Teilen von einem Warenfetischismus bestimmt, also einer Konzentration auf materielle Dinge, der das Handeln der Produktionsmitteleigner nachvollziehbar erscheinen lässt.

Daran anknüpfend richtet sich die Kritik auch gegen die politische Herrschaft, welche die kapitalistische Produktionsweise durch „Recht und Ordnung“ absichert und, um in der Staatenkonkurrenz zu bestehen, die Interessen der Kapitalisten möglichst gut bedienen muss, was nur auf Kosten des Proletariats geschehen kann.

„Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen? Karl Marx, Das Kapital, MEW 23, S. 505

Theorie vom Übergang zur klassenlosen Gesellschaft (Zusammenbruchstheorie)

Durch den Prozess der zahlenmäßigen Verkleinerung der Klasse der Bourgeoisie, findet eine Konzentration von immer mehr Kapital in immer weniger "Händen" statt, wobei gleichzeitig die Masse an Proletariern steigt. Der dadurch verstärkte Klassenkampf zwischen Bürgertum und Proletariat müsse laut Marx zum Sturz der Bourgeoisie durch die Arbeiterklasse führen. Falls den Menschen bewusst ist, das die kapitalistische Produktionsweise nicht zwingend ist, werde damit der Weg frei für eine kommunistische, klassenlose Gesellschaft, in der die Produktionsmittel sich in Gemeinschaftsbesitz befänden:

Von dem Moment aber, wo die bürgerliche Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Distributionsverhältnisse als geschichtliche erkannt sind, hört der Wahn, sie als Naturgesetze der Produktion zu betrachten, auf, und eröffnet sich die Aussicht auf eine neue Gesellschaft, ökonomische Gesellschaftsform, wozu sie nur den Übergang bildet. Karl Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 422.

Die Expropriateure - die "Enteigner", die zuvor die Masse der Bevölkerung enteignet hatten, werden nun selbst expropriiert (enteignet). Nachdem einst die Klassengesellschaften den Urkommunismus als klassenlose Gesellschaft negiert haben, komme es jetzt zur Negation der Negation im Sinne der Dialektik, indem die letzte Klassengesellschaft, der Kapitalismus, durch die neue klassenlose Gesellschaft, den Kommunismus, negiert werde. Als Wirtschaftsordnung schlugen Marx und Engels die - schon von Platon erwähnte - Planwirtschaft vor. Genaue Wirtschaftsstrukturen deutete Marx jedoch nur an. In der Planwirtschaft werden jegliche Betriebe vergesellschaftet und deren Produktion koordiniert. Die Entscheidungen über Produktion und Verteilung der Güter sollte nach Marx im Konsens aller Gesellschaftsteilnehmer gemeinsam gefällt werden. So könnte die verrichtete Arbeit effizient zur Verbesserung der Lebensumstände aller, anstatt zur Kapitalbeschaffung genutzt werden.

Aufgrund der großen Unterschiede zum Kapitalismus sollte als Übergangslösung zunächst der schon auf Platon und griechische Sophisten zurückgehende Sozialismus geschaffen werden. In dieser Zwischenstufe sollte die Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln bereits weitestgehend aufgehoben sein. Dabei wird von einem Nebeneinander der kapitalistischen und kommunistischen Produktionsweisen ausgegangen, in deren Entwicklung die kapitalistische von der kommunistischen Produktionsweise langsam abgelöst wird. Diese Entwicklung soll letztendlich zum Kommunismus führen.

Wert- und Geldtheorie

In Das Kapital stellt Marx sehr detaillierte Theorien zum Wert einer Ware und dessen Zusammenhang mit Geld auf. Dabei unterscheidet er zunächst zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert. Während der Gebrauchswert den substantiellen Körper der Ware darstellt, der die Bedürfnisse befriedigen kann („Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert“, Marx, Das Kapital: Band 1), ist der Tauschwert ein abstrakter Wert, der erst im (Tausch-)Handel Bedeutung hat. So hat eine Ware, kommt es zu einem Handel, einen bestimmten Wert, der es ermöglicht sie (auch gegen anderes Produkt aus völlig anderem Material) aufzuwiegen (Ware X tauscht sich in soundsoviel Ware Y). Diesen Wert sah Marx in der abstrakten Arbeit - der Arbeitszeit, der zur Herstellung der Ware benötig wird - begründet, wobei er dabei an David Ricardo anknüpft. Wird nun der Tauschwert in Geld aufgewogen (Ware X tauscht sich in soundsoviel Geldeinheiten), stellt er den Preis dar.

Wird nun aus Waren etwas Neues geschaffen (Produktion), entsteht ein Neuwert, der sich aus der benötigten Arbeitsleistung, dem variablen Kapital v und dem „Gewinn“, dem Mehrwert m zusammensetzt. Dieses wird mit der folgenden Formel ausgedrückt: Neuwert = v + m. Da der Mehrwert einer Ware - speziell bei der Entwicklung neuer Waren, die einen potentiell höheren Mehrwert „abwerfen“ können - maßgeblich von der menschlichen Arbeit bestimmt wird, entwickelte Marx sein Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Dieses besagt, dass durch die Konzentration auf den vergleichsweise sinkenden Mehrwert im kapitalistischen Produktionsprozess die Arbeitsproduktivität mit Hilfe von Maschinen schnell vorangetrieben wird (also weniger Menschen für die Produktion benötigt werden). Nun kann laut Arbeitswertlehre nur Lohn-Arbeit gemäß ihrer Arbeitszeit Wert schaffen. Wenn Maschinen Lohnarbeiter verdrängen, wird also insgesamt weniger Wert im Verhältnis zum Wert der eingesetzten Maschinen geschaffen. Daraus schließt Marx, dass auf lange Sicht der gesamtwirtschaftliche Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital (die „Profitrate“) „tendenziell“ fallen müsste. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Unternehmen durch bessere Maschinen seinen Gewinn steigert, da dieser Profit zulasten der Konkurrenz geht und sich so an der grundsätzlichen Tendenz nichts ändert.

siehe auch: Wertschöpfung

Wissenschaftstheorie

Wissenschaftstheoretisch ging es seinerzeit wesentlich um zwei Punkte: Erstens galt es, dem im Deutschland des 19. Jahrhundert herrschenden Idealismus eine materialistische Weltsicht gegenüber zu stellen, nach der die Welt aus sich selbst heraus erklärbar ist. Im Bereich der Naturwissenschaften hatte - unabhängig von Marx und Engels - gleichzeitig Charles Darwin begonnen, mit seiner Entwicklungsgeschichte der biologischen Arten eine solche Weltsicht durchzusetzen.

Zweitens wurde versucht, die Gesellschaftswissenschaften an die Erfolgsgeschichte der Naturwissenschaften anzubinden und die gesellschaftlichen Prozesse theoretisch im Gesamtzusammenhang der Welt - als „Totalität“ (Hegel) - erfassen zu können. Marx zitiert zustimmend eine Rezension, in der der soziale Organismus analoge Erscheinungen in der Biologie für die jeweilige Epoche besitzt.

Dabei erhebt der Marxismus als wissenschaftlicher Sozialismus den Anspruch, eine objektive Beschreibung nicht nur der Gesellschaftssysteme der Vergangenheit und der Gegenwart zu sein, sondern auch ihre Entwicklung in der Zukunft vorhersagen zu können. Dieser Anspruch wissenschaftlicher Objektivität wird auch auf die Marxschen Begriffe ausgedehnt, die nicht als mehr oder minder brauchbare Werkzeuge zum Verständnis der Wirklichkeit, sondern als deren gültige Beschreibung betrachtet werden. Dieser Objektivitätsanspruch des Marxismus wurde von Lenin 1913 überhöht und auf die Formel gebracht: „Die Lehre von Karl Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist.

Geschichte

 
Friedrich Engels

Grundlagen/Entstehung

Die ersten Erscheinungsjahre der Schriften von Marx und Engels gelten als Entstehungszeit des Marxismus. Nachdem er bis 1843 eine stark oppositionelle Zeitung leitete (die in Preußen verboten wurde) und das Pamphlet Gegen Bruno Bauer & Consorten 1845 mit Engels zusammen veröffentlichte brachte er 1847 das kapitalismusfeindliche Elend der Philosophie, als kritische Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“ heraus. 1848 verfasste er mit Engels das Kommunistische Manifest für den Bund der Kommunisten, dem sie beide angehörten. Dieses erste wirklich wichtige marxistische Werk enthält zunächst Beschreibungen der damaligen Lebensverhältnisse, besonders zwischen der arbeitenden und der herrschenden Klasse. Darauf aufbauend fordert es die Abschaffung des Kapitalismus und die Schaffung neuer kommunistischer Lebensverhältnisse durch unumgängliche Klassenkämpfe: der "Sturz der Bourgeoisherrschaft" sollte erfolgen. Auch erschienen von 1872 bis 1892 Neuauflagen mit neuen Vorworten, in denen meist ergänzende Bemerkungen gemacht wurden.

1859 wurde das Buch Zur Kritik der politischen Ökonomie veröffentlicht, dem 1867 dann der erste Teil der knapp 3000 Seiten starken Trilogie Das Kapital folgte. Band 1: Der Produktionsprozeß des Kapitals enthält die Definition einer "Ware" und das Zustandekommen des Wertes dieser Ware ( Wert- und Geldtheorie) sowie umfangreiche Theorien zu Geld und Arbeit (abstrakte Arbeit). Teil 2 und 3 tragen die Namen Band 2: Der Zirkulationsprozeß des Kapitals sowie Band 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion. Engels gab diese Bände nach dem Tod von Marx heraus und gab damit entscheidende Anstöße zur marxistischen Theoriebildung, auch mit eigenen populärwissenschaftlichen Zusammenfassungen.

Schon zu Lebzeiten von Marx bildete sich eine Gruppierung von Sozialisten, die sich „Marxisten“ nannte, aber bereits um die Jahrhundertwende inhaltlich schon stark divergierte.

Entwicklung des Realsozialismus und anderer marxistischer Strömungen

 
Zar Nikolaus II. von Russland

Obwohl eines der mächtigsten Länder der Welt, war das zaristische Russland bis ins ausgehende 19. Jahrhundert noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Vielerorts herrschten noch vorkapitalistische Feudalstrukturen (Feudalismus). Eine verstärkte Industrialisierung setzte vor allem seit der Regierung von Zar Nikolaus II. (ab 1894) ein. Das darauf schnell anwachsende Proletariat litt unter miserablen sozialen Verhältnissen. Eine linke Opposition gegen den Zarismus war im 19. Jahrhundert in Russland stärker als in den meisten anderen europäischen Ländern von sozialrevolutionären und anarchistischen Strömungen geprägt, wohingegen die organisierte marxistische Sozialdemokratie zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst noch in ihren Anfängen steckte.

1898 wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) als Bund von drei marxistischen Organisationen gegründet, der jedoch schnell wieder verboten wurde. 1903 spaltete sich die Partei im Exil in die Bolschewiki („Mehrheit“), unter der Führung von Lenin, und Menschewiki („Minderheit“). Nachdem die Februarrevolution 1917 unter Führung der sozialdemokratischen Menschewiki nicht zum Austritt Russlands aus dem Ersten Weltkrieg führte, wurde Lenin mit Hilfe des Deutschen Reiches über Finnland nach St. Petersburg gebracht, um von dort eine weitere Revolution zu initiieren und einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Die Oktoberrevolution 1917 war von Lenin und Leo Trotzki angeführt worden, Lenin blieb bis zu seinem Tod am 21. Januar 1924 die unbestrittene Führungsperson der Partei. Er schuf mit dem Leninismus eine totalitäre Interpretation des Marxismus, nach der die Partei „Instrument der Diktatur des Proletariats“ und ein straff „organisierter Trupp“ sein solle, die keinerlei Fraktionsbildung zulässt. Josef Stalin, der schon seit Beginn der Revolution an Macht gewann, definierte den Leninismus 1924 als „Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution... die Theorie und Taktik der proletarischen Revolution im allgemeinen, die Theorie und Taktik der Diktatur des Proletariats im besonderen.“ („Über die Grundlagen des Leninismus“). Trotzki entwickelte hingegen als Reaktion auf den Stalinismus eigene Ideen, die zunächst abwertend Trotzkismus genannt wurden. Der Begriff wurde später von seinen Anhängern übernommen. Er stützte sich im wesentlichen auf zwei Theorien: zum einen die Theorie der „permanenten Revolution“, derzufolge der Sozialismus als Übergangsgesellschaft zum Kommunismus nur auf internationaler Ebene funktionieren kann, weswegen die ganze Welt durch eine Revolution vom Kapitalismus befreit werden muss. Zum anderen die Theorie der „langen Wellen“, die das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“ nach Marx kritisiert.

 
Leo Trotzki (1915)

Die Revolution wirkte sich stark auf die internationale Arbeiterbewegung aus: ab 1918 wurden in ganz Europa kommunistische Parteien gegründet, die Mitgliedszahlen stiegen rapide und es entstand bald ein offener Konflikt mit dem Bürgertum. Vor allem in Deutschland (Weimarer Republik) und Italien kam es zu teils bürgerkriegsähnlichen Zuständen, bis Benito Mussolini 1922 in Italien und Adolf Hitler 1933 in Deutschland die Macht übernahmen und jegliche Arbeiterorganisation zerschlugen oder in den Widerstand drängten. Schon um 1920 bildeten sich eine neomarxistische Denkrichtung, die sich später hauptsächlich am Realsozialismus orientierte und eine Dogmatisierung des Marxismus (z.B als „proletarische Weltanschauung“) ablehnte. „Neomarxismus“ ist jedoch schwer zu definieren, da es kaum Personen gibt, die sich „Neomarxisten“ nennen. Vielmehr wird der Begriff als Sammelbegriff für verschiedene Denkrichtungen verwendet.

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Josef Stalin

Nach dem Tod von Lenin entbrannte innerhalb der KPdSU ein Machtkampf zwischen Stalin und Trotzki, der die Linke Opposition anführte. Stalin entschied diese Auseinandersetzung für sich und konzentrierte bald genug Macht in seiner Person, um Trotzki 1927 aus der KPdSU auszuschließen. Später wurde diesem noch die sowjetische Staatsbürgerschaft entzogen und er floh über Umwege nach Mexiko, wo er nach unzähligen anti-stalinistischen Veröffentlichungen 1940 von einem russischen Agenten ermordet wurde. Von 1929 bis 1953 war Stalin quasi Alleinherrscher über das Sowjetreich, in dieser Zeit setzte er große Teile seiner Interpretation des Leninismus, den Stalinismus, mit paranoider Angst vor Verschwörungen von innen durch. Dieser basierte zum einen auf dem Sozialismus und der Verstärkung von Klassenkämpfen, wobei Stalin auch die kompromisslose Parteiführung von Lenin übernahm. Die Klassenkämpfe sollten die Entwicklung der Gesellschaft zum Kommunismus möglichst schnell herbeiführen und so das Proletariat befreien. Praktisch war dieser Grundsatz Legitimation für verstärkte Säuberungswellen und Konzentrationslager (Gulag-Lager). 1941 invasierte die Armee Adolf Hitlers trotz eines Nichtangriffspaktes die Sowjetunion (Zweiter Weltkrieg), doch konnte Stalin nach großen Anstrengungen zurückschlagen und schließlich im Mai 1945 Berlin besetzen.

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Nikita Chruschtschow

Er blieb danach noch ca. acht Jahre Führer der UdSSR. Nach Stalin folgten mit Nikita Chruschtschow erste Ansätze der Entstalinisierung, wobei der Stalinismus als theoretisches Grundgerüst (und damit auch die Parteistruktur) bis zum Ende bestehen blieb.

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Michail Gorbatschow

Der letzte mächtige Politbürochef Michail Gorbatschow leitete die endgültige Abkehr vom Personenkult um Stalin sowie tiefgreifende Reformen (Perestroika und Glasnost) ein, worauf dann der Verlust der Satellitenstaaten und damit der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1992 folgte.

Mit dem Ende des Faschismus in Europa fand auch der Marxismus zunächst wieder viele Anhänger; die Italienische PCI etwa hatte 1945 circa 1,8 Millionen Mitglieder. Doch diese Größenordnungen wurden bald unerreichbar und viele Marxisten waren sich - erst recht nach dem Tod Stalins - uneins, wie man mit dem Erbe des Diktators (dem Stalinismus und Marxismus-Leninismus) umgehen sollte. Viele italienische und französische Marxisten z.B. distanzierten sich von der Sowjetunion. Als dann Mitte der 60er Jahre die Studentenbewegung einsetzte und es ab 1963 eine Wiederbelebung des Neomarxismus gab, zersplitterte der Marxismus endgültig in eine Vielzahl von Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtungen. Bisher war von vielen Marxisten eine „Revolution“ nach bestimmten Mustern gefordert worden, doch mit dem Ende des realen Sozialismus in der UdSSR arrangierte man sich weitestgehend mit der Sozialdemokratie und beschränkte sich auf Reformvorschläge. In Italien sitzt momentan die PRC im Parlament (2005).

 
Mao Zedong Porträt am Eingang zur Verbotenen Stadt

1949 errang Mao Zedong mit der Kommunistischen Partei die Macht in China. Der Diktator, dessen einziger Verbündeter bis 1965 die UDSSR war, herrschte auf Basis des Maoismus bis 1976. Der Maoismus war eine weitere totalitäre Weiterentwicklung des Leninismus und Stalinismus, in der der Fortschritt eine zentrale Rolle einnahm. Die Menschen sollten sich Mao und der Partei unterordnen und den Sozialismus nicht zur Erleichterung nutzen. Im Gegensatz zur „Assoziation der freien Produzenten“ nach Marx waren die Arbeiter unter Mao Zedong starken Zwängen unterworfen. Praktisch versuchte Mao Zedong seine Vorstellungen eines maoistischen Staates durch die 1966 ins Leben gerufene Kulturrevolution in die Tat umzusetzen.Diese „Revolution“ bestimmte bis Mao Zedongs Tod das politische Geschehen in China und führte zu exzessiven Morden, Misshandlungen, Zerstörungen und Restriktionen gegenüber dem Volk sowie zu strittigen und tiefgreifenden Reformen wie dem „Großen Sprungs nach vorn“. Nach dem Tod des Diktators öffnete sich China wieder mehr und mehr westlichem Kapital und damit dem Kapitalismus.

 
Fidel Castro

Nachdem 1959 die Revolution erfolgreich in Kuba beendet wurde, erklärte Diktator Fidel Castro erst 1961 seine Revolte zu einer sozialistischen. Als am 2. Dezember 1961 dann die Proklamation der Sozialistischen Republik stattfand, wurde Kuba eindeutig als ein marxistisch-leninistischer Staat definiert. Im Kalten Krieg beschränkten sich die Politik- und Wirtschaftsbeziehungen auf sozialistische Staaten wie die UDSSR oder China, wobei es während der Kubakrise fast zu einen offenen Konflikt zwischen den Weltmächten gekommen wäre. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte eine schwere Wirtschaftskrise und dann eine Öffnung gegenüber Großkonzernen und Touristen. Momentan wird Kuba noch immer von Castro beherrscht.

Kim Il-sung führte von 1948 bis 1994 eine Diktatur auf Basis des Realsozialismus mit Orientierung am Maoismus in Nordkorea an. Nordkorea wurde und wird wirtschaftlich von China unterstützt. Der große Verbündete half auch im Koreakrieg (1950-1953) aus. Nach dem Tode Kim Il-sung's übernahm sein Sohn Kim Jong-il alle Macht und führt die Demokratische Volksrepublik Korea im Stil seines Vaters weiter.

Geschichte marxistischer Organisationen

Hauptartikel: Kommunistische Partei

Die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels sind bis heute theoretisches Gerüst für verschiedene marxistische Organisationen und Parteien in allen Teilen der Welt. In Europa, wo alle marxistische Vereinigungen ihren Ursprung haben, finden sie auch am meisten Zuspruch. In vielen Staaten Europas formierten sich erst kleinere Organisationen und daraus später, um das Jahr 1920, Parteien. Deren Geschichte weist europaweit starke Parallelen auf. Viele Parteien orientierten sich zumindest an der KPdSU, bis der real existierende Sozialismus mit dem Untergang der UdSSR als gescheitert galt. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus wurden viele Organisationen aufgelöst und in den Widerstand gedrängt, viele gingen jedoch nach 1945 gestärkt aus der Neuordnung hervor. Doch das hielt nicht lange, denn die Sozialdemokratie fand unter den europäischen Marxisten bald starken Zuspruch und spaltete und schwächte viele Organisationen. Hinzu kommt, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion kaum eine einflussreiche Partei noch von einer „Revolution“ spricht und auch sonst viel mehr Kompromissbereitschaft (oft zu Lasten eigener Grundsätze) signalisiert wird. Die politische Bedeutung marxistischer Organisationen hat so bis in die heutige Zeit, stetig abgenommen.

Im Rahmen des Europäischen Parlaments haben viele marxistische Politiker in der im Mai 2004 gegründeten Europäischen Linkspartei zueinandergefunden.

Deutschland

 
Wilhelm Liebknecht

Während der bürgerlichen Märzrevolution 1848/1849 versuchten Marx und Engels nach Aufhebung der Pressezensur über die „Neue Rheinische Zeitung“ in Köln mit sozialistischen und kommunistischen Inhalten Einfluss auf den Ausgang der Unruhen zu nehmen. Auch wenn sich ihre Hoffnungen auf eine sozialistische Wende der Revolution nicht erfüllten, begannen sich im Zuge der Liberalisierung doch erstmals Arbeiter in gewerkschaftsähnlichen Vereinen zu organisieren. Daraufhin bildeten sich erst verschiedene Arbeiterorganisationen, die Vorläufer der Gewerkschaften und schließlich sozialdemokratische und sozialistische Parteien, wie 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und 1869 die marxistisch orientierte Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) um Wilhelm Liebknecht und August Bebel als deutsche Sektion der ersten Internationale (vgl. Internationale)

 
Eduard Bernstein

ADAV und SDAP vereinigten sich 1875 in Gotha unter dem Namen Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) auf Basis des Gothaer Programms, welches von Marx wegen seiner kompromisslerischen Anpassung gegenüber dem reformorientierten ADAV kritisiert wurde.

 
August Bebel

Unterdrückung, juristische Verfolgung und zeitweilige Verbote sowie die Sozialistengesetze zwischen 1878 und 1890 unter Reichskanzler Otto von Bismarck konnten die Mitgliederzuwächse von marxistischen Organisationen in diesem Zeitraum kaum stoppen und so ging dann 1890 aus der SAP die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hervor, die sich mit dem Erfurter Programm wieder stärker am Marxismus orientierte. Sie war zum damaligen Zeitpunkt die größte, ideologisch von Marx geprägte Partei und vereinigte Anhänger verschiedener marxistischer Strömungen in sich.

 
Rosa Luxemburg

In ihren Anfängen wurde die Partei durch einen starken linken/marxistischen Flügel, teils um die Person Rosa Luxemburgs versammelt, beeinflusst. Es gab um die Jahrhundertwende eine sehr kontroverse Diskussion über die politische Zielsetzung innerhalb der SPD, die u.a. durch den Aufsatz Sozialreform oder Revolution von Rosa Luxemburg zugunsten der Marxisten und der „Revolution“ entschieden wurde. Jedoch verlief der praktische politische Kurs der Partei, auch nach dem Aufsatz Die Aufgaben der Sozialdemokratie (1899) von Eduard Bernstein, in Richtung Sozialdemokratie.

Während der Novemberrevolution 1918 widersetzte sich die SPD-Führung einer Initiative zur Umwandlung des Kaiserreiches in einen sozialistischen Staat, woraufhin sich die Arbeiterbewegung endgültig in Reformisten (Sozialdemokraten) und Kommunisten spaltete. Jedoch orientierte sich ein Großteil der verschiedenen kommunistischen Strömungen an Lenin (Leninismus) oder Stalin (Stalinismus), so dass viele Grundgedanken von Marx schon zu diesem Zeitpunkt kaum mehr Beachtung fanden.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland wurde die europäische Arbeiterbewegung bis 1945 gebremst oder so gut wie handlungsunfähig. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wiederum waren die Forderungen nach einem auf dem Marxismus beruhenden Staatssystem sehr groß, so forderte etwa die neu gegründete CDU in ihrem ersten „Ahlener Programm“ die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien und eine weitgehende soziale Kontrolle der Gesamtwirtschaft. Sie ging teilweise noch über die Forderungen der KPD hinaus.

Nachdem die deutsche Spaltung vollzogen und Konrad Adenauer zum drittenmal wiedergewählt worden war, legte schließlich auch die SPD 1959 mit ihrem Godesberger Programm die marxistische Weltanschauung als ihre Grundlage ab.

Erst durch die linksradikale Studentenbewegung kam es in der Bundesrepublik seit etwa 1963 zu einer neomarxistischen Renaissance. Im wesentlichen lassen sich in der Bundesrepublik seit dieser Zeit zwei Strömungen erkennen:

  • eine undogmatisch freiheitliche Vorstellung - insbesondere beim von Rudi Dutschke beeinflussten SDS, Teilen der Jungsozialisten in der SPD und dem Sozialistischen Büro Offenbach;
  • und ein Block verschiedener marxistisch-leninistischer Gruppen und kleinerer Kaderparteien, die sich jeweils einem realsozialistischen Vorbild zuordneten (Sowjetunion, China, Albanien). Dazu gehörte nach dem Verbot der KPD in der Bundesrepublik deren Nachfolge-Partei, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP; in Westberlin SEW), die sich an der Sowjetunion (UdSSR) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) orientierte.

Aus den verschiedenen marxistischen Strömungen und - zumeist studentischen - Gruppen sind vielfältige wissenschaftliche Arbeiten bzw. spezielle Richtungen marxistischer Wissenschaft hervorgegangen, deren primäres Interesse es oft war, die „bürgerliche Wissenschaft“ zu „entlarven“. Diese Gruppen finden sich u.a. in den Sammelbegriffen: K-Gruppen, Neue soziale Bewegungen und Neue Linke wieder. In vielen Bereichen haben jedoch die Vorstellungen eines kritischen Marxismus heute im Alltag und den Wissenschaften Eingang gefunden, ohne dass sich in Deutschland (nach der Auflösung der DDR) spezielle marxistische Wissenschaften als solche erhalten haben.

Andere Staaten

In Österreich gründete sich 1918 mit der KPÖ die erste kommunistische Partei Österreichs. Sie hatte in der 1. Republik kaum Einfluss auf das politische Geschehen, bekam jedoch bei den ersten Parlamentswahlen nach Kriegsende (1954) 5,4% der Stimmen und hatte zu diesem Zeitpunkt 150.000 Mitglieder. 1970 verlor die Partei dann das letzte politische Mitbestimmungsrecht auf Landesebene und zählt heute nur noch ca. 3.500 Mitglieder.

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Pierre Mauroy

Die Geschichte großer marxistischer Organisationen in Frankreich begann 1871 mit der Pariser Kommune, einem sozialistischen Aufstand und Experiment des Zusammenlebens in einer Großstadt, der blutig niedergeschlagen wurde. Aus den nachfolgenden Ereignissen ging die Section française de l'Internationale ouvrière (SFIO, Französische Sektion der Arbeiter-Internationale) hervor, die 1920 zerbrach. Aus Teilen der verschiedenen Flügel entstand dann 1922 die PCF oder Parti communiste français. Nach Wahlerfolgen im Jahr 1924 orientierte man sie inhaltlich sehr am Stalinismus, was zu Wahlniederlagen und Massenaustritten (Höhepunkt 1932) führte.

Nach 1945 blieb die PCF zunächst stalinistisch orientiert und wurde ab 1950 mit Finanzmitteln von der Sowjetunion gefördert. Bei den Mai-Unruhen von 1968 war die KPF gegen die Streiks und verlor deswegen einen Großteil ihrer Wählerbasis. Daraufhin wandte sie sich allmählich von Stalin als Vorbild und der sowjetischen Politik ab. 1981 beteiligte sie sich an der Regierung von Premierminister Pierre Mauroy. Danach verlor sie wieder weitgehend an Einfluss und Wählerzuspruch, besonders seit den Wahlen 2002. Bis heute hat sie noch 135.000 Mitglieder und ist damit die stärkste kommunistische Partei in Frankreich und mit der 1990 in Partito Democratico della Sinistra (PDS) mitgliederstärksten kommunistischen bzw. postkommunistischen Parteien Europas.

Die Partito della Rifondazione Comunista (PRC) ist die momentan größte kommunistische Partei und Organisation in Italien. Sie hat ihren Ursprung in der Partito Comunista Italiano (PCI), die sich 1921 um Antonio Gramsci, Amadeo Bordiga und Palmiro Togliatti gründete. Nach 1945 hatte die PCI 1,8 Millionen Mitglieder. Damit beeinflusste sie andere marxistische Parteien in Europa - etwa in Frankreich - in Richtung einer Anerkennung der Sozialdemokratie als politischen Aktionsrahmen. Nachdem die Sowjetunion 1990 auseinanderbrach und der Sozialismus gescheitert zu sein schien, formierte sich die PCI 1991 endgültig zu einer sozialdemokratisch und reformistisch orientierten Partei. Das traf jedoch auf breiten Widerstand: innerparteilich bei den Traditionalisten sowie eine Gruppe neuer Linker, die eine Neuorientierung am Marxismus forderten. Daraus ging die Gründung der PRC hervor, die überraschend schnell 100.000 Mitglieder gewann. Die inneren Streitigkeiten setzten sich fort; dennoch gelang der PRC 2001 mit 5 Prozent der Stimmen der Einzug ins italienische Parlament.

International

Die am 28. September 1864 in London gegründete Internationale Arbeiterassoziation (IAA) war der erste internationale Zusammenschluss marxistischer Gruppen, die sich als Internationale Organisation der Arbeiterbewegung verstanden. In ihr waren neben Anhängern des Marxschen Kommunistischen Manifests von 1848 auch weitere Gruppen sehr unterschiedlicher Ansichten vertreten. Infolge eines Richtungskampfes zwischen Karl Marx und dem Anarchisten Michail Bakunin spaltete sie sich auf ihrem Den Haager Kongress von 1872. Da der Marxsche Flügel sich durchsetzte, gründeten die Unterlegenen die Juraföderation. Danach verlor die erste Internationale an Bedeutung und löste sich 1876 formell auf.

1889 wurde die Zweite Internationale gegründet, die praktisch an der Zustimmung der SPD und der französischen Sozialisten zum 1. Weltkrieg zerbrach, aber formell bis heute existiert.

Datei:Logo of the Fourth International.png
Logo der vierten Internationale

1919 initiierte Lenin als Konsequenz aus dem Zimmerwalder Manifest die 3. Internationale (auch Komintern), der mehrere kommunistische Parteien aus Europa angehörten. Ihr Ziel war im betonten Gegensatz zur 2. Internationale unter Berufung auf das Kommunistische Manifest und Lenins Imperialismustheorie die sozialistische "Weltrevolution". Diese sollte durch die "Zerschlagung" bürgerlicher Staatsapparate realisiert werden; ab etwa 1925 gab Stalin als Hauptziel die Bekämpfung des Faschismus aus. Wer ihr beitreten wollte, musste 21 Bedingungen akzeptieren und umsetzen. 1943 löste Stalin sie auf, um die Anti-Hitler-Koalition mit den einst als "Klassenfeind" definierten Westmächten zu stärken.

Nach dem Sieg der Nationalsozialisten in Deutschland und der weitestgehend kampflosen Niederlage der KPD, welche als Ausdruck einer fehlgeleiteten Politik der Komintern angesehen wurde, spaltete sich die einst von Leo Trotzki geführte Internationale Linke Opposition 1933 von der nun als unreformierbar angesehenen Kommunistischen Internationale ab und gründete 1938 die Vierte Internationale. Sie spaltete sich 1953 und vereinigte sich teilweise 1963 wieder. Ihre zahlreichen nationalen Sektionen, u.a. in Sri Lanka (Ceylon), Bolivien, Vietnam, kamen in Europa - außer in Frankreich und zeitweise in Belgien - nirgends über den Status einer kleinen Kader- oder Splitterpartei hinaus. Heute gibt es mindestens drei internationale Organisationen, die sich als die Vierte Internationale verstehen, siehe Liste der trotzkistischen Internationalen.

 
europ. Linkspartei

Die 2004 gegründete Europäische Linkspartei besteht hauptsächlich aus kommunistischen Organisationen. Nach ihrer Gründung wechselten viele Linke u.a. aus der Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken zur Europäischen Linkspartei.

Kritik am Marxismus

Seit der Veröffentlichung der ersten marxistischen Schriften formierte sich Kritik an fast jedem Teilbereich der Theorie. Das liegt vor allem an der Unvollständigkeit seines letzten Werkes und daran, dass er seine Theorien auf begründete Kritik hin auch korrigierte. Z.B. gibt es widersprüchliche Aussagen über die gesellschaftlichen Voraussetzung für eine sozialistische Revolution, wie Marx in seinem Brief an Wera Iwanowna Sassulitsch schreibt. Auch sind manche Formulierungen nicht eindeutig und/oder wurden falsch interpretiert. So schloss Marx aus den Erfahrungen der Pariser Kommune: "dass die Arbeiterklasse die fertige Staatsmaschine nicht in Besitz nehmen und sie für ihre eigene Zwecke in Bewegung setzten kann" (Vorwort zum kommunistischen Manifest,1972). Lenin sah nun darin keine Aufforderung zum Aufbau neuer Strukturen, sondern lediglich zum "Zerbrechen der bürokratisch-militärischen Maschinerie" ("Staat und Revolution"). Auch machte Marx keine konkreten Angaben zur politischen Ordnung eines kommunistischen Staates und ordnete seine Theorie nie historisch genau ein.

Innermarxistische Kritik kommt von seiten marxistischer Strömungen (vor allem der Neomarxisten; siehe Strömungen), die jeweils oft nur Einzelbereiche ablehnen. Vollständige, grundlegende Ablehnung hegen viele Anhänger von grundlegend verschiedenen Organisation, oder Philosophien.

Innermarxistische Kritikansätze

Leo Trotzki kritisierte mit seiner Theorie der "langen Wellen" die Marxsche These vom "tendenziellen Fall der Profitrate".

Neomarxisten lehnten insbesondere die Dogmatisierung des marxistischen Gedankengebäudes als "Proletarische Weltanschauung" ab, die sich vor allem in den Staatsdoktrinen des realen Sozialismus zeigte.

Eurokommunisten und Reformisten hingegen verwerfen Klassenkämpfe als Mittel zur Herbeiführung des Sozialismus und versuchen, demokratische Wege zur Überwindung der Klassengegensätze zu finden. Einige Postmarxisten zweifeln mit der Wertkritik seine Klassentheorie sowie Geschichtsphilosophie an.

Von Marx beeinflusste Denker werfen ihm vor, er habe in seiner Beschreibung des Gebrauchswertes einer Ware dessen Auswirkungen auf einen Umbruch zum Kommunismus überschätzt und die Kultur sowie die Natur kaum in seine ökonomischen Theorien einbezogen. Umstritten sind auch die Voraussetzungen für die Umgestaltung einer sozialistischen Gesellschaft in eine kommunistische. Marx selbst merkte an, dass deren Gelingen erst nach einer weltweiten Revolution möglich sei.

Nichtmarxistische Kritikansätze und Gegenpositionen

Fast jeder nichtmarxistische Kritiker lehnt die Dogmatisierung der Marxschen Theorien als einzige Wahrheit ab und unterstützt zumindest Teile der innermarxistischen Kritik. Darüber hinaus wurde bis auf die Kapitalismusanalyse schon jeder Teil des Marxismus ernsthaft angezweifelt oder abgelehnt.

So sei etwa die Hegelsche Dialektik - auf der der historische und der dialektische Materialismus aufbauen - von Grund auf falsch, wie zum Beispiel Karl Raimund Popper in seinem Werk Die offene Gesellschaft und ihre Feinde kritisiert. Marx´ Denken führe in eine "geschlossene Gesellschaft". Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass sie sozusagen am Reißbrett geplant werde von Eliten, die sich im Besitz angeblich wissenschaftlicher Erkenntnisse über die "objektiven Interessen" der Unterworfenen glaubten, auch wenn diese von deren subjektiv empfundenen Interessen deutlich abwichen. Die geschlossene Gesellschaft sei also eine totalitäre Diktatur. In seiner Schrift "Das Elend des Historizismus" kritisierte Popper 1957 die Vorstellung des historischen Materialismus, *dass Geschichte zielgerichtet verlaufe,

  • dass bestimmte Muster in ihr durch bestimmte darauffolgende Muster begründet würden,
  • dass die vermeintlich "objektive" Erkenntnis dieser Grundmuster Prognosen des Geschichtsverlaufs und normative Aussagen darüber erlaube, wie er zu beeinflussen sei.

Insgesamt sei der "wissenschaftliche Sozialismus" aber keineswegs wissenschaftlich, da er nicht falsifizierbar sei. Dies gelte vor allem, wenn marxistische Thesen mit den Mitteln der Ideologiekritik nach außen abgedichtet würden: Skeptikern, die etwa das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate oder die Reduktion aller Geschichte auf die Geschichte von Klassenkämpfen bezweifelten, wird dabei unterstellt, dass ihre Zweifel gar nicht ehrlich wären, sondern nur Ideologieproduktion im Interesse der herrschenden Klasse. Je stärker der Skeptiker auf seinen Bedenken beharre, desto deutlicher glaube der Ideologiekritiker seine vermeintlich dahinter stehenden Absichten zu erkennen. Bedingungen, unter denen er zugeben würde, dass seine Thesen falsch seien, könne er somit nicht nennen. - In dieser Interpretation Poppers erscheint der Marxismus als Pseudowissenschaft. Über seine Thesen und die Wissenschaftlichkeit der dialektischen Methode wurde in den sechziger Jahren der Positivismusstreit ausgefochten.

Andere Kritiker monieren das verengte Kausalverhältnis zwischen Basis und Überbau, wie es unter anderem die Stamokap-Theorie oder in gewissen vulgärmarxistischen Kartelltheorien zu beobachten ist. Hier werden die Institutionen und Träger des Staates zu direkten Befehlsempfängern der Industriellen dargestellt, zu bloßen "Agenten des Monopolkapitalismus". Der deutsche Historiker Gerd Koenen und der amerikanische Politologe Daniel Pipes bezeichnen aus diesem Grunde den Marxismus-Leninismus als eine Verschwörungstheorie.

Kritisiert wird auch, dass der Weg zum Kommunismus über einen mächtigen Parteiapparat (Diktatur des Proletariats) die Gefahr berge, dass die mächtigen Führer keinerlei Strukturreformen im Interesse des Proletariats einleiten, sondern vor allem ihre Machtinteressen verteidigen. Viele Forscher wie z.B. die Herausgeber des Schwarzbuchs des Kommunismus nehmen daher an, dass die millionenfachen Massenmorde marxistischer Tyrannen wie Stalin, Mao oder Pol Pot keine Abirrungen von der eigentlich positiven marxistischen Lehre sondern in ihr selbst angelegt wären.

Marx soll zudem die selbstsüchtige Natur des Menschen unterschätzt haben, die eine kommunistische Gesellschaft schwächen würde und den Kapitalismus stütze. Außerdem vernachlässigte er beim historischen Materialismus die dauerhafte Existenz des Mittelstands und entwertet damit seine Klassenkampftheorie.

Gründe für das Scheitern des real existierenden Sozialismus finden sich unter Realer Sozialismus und Kommunismus.

Kritiker

Berühmte (Neo)-liberale Kritiker sind etwa Milton Friedman (Chicagoer Schule) oder Friedrich Hayek und Ludwig von Mises (Österreichische Schule). Kritik übte auch John Maynard Keynes, der den bis heute sehr bedeutenden Keynesianismus schuf und von Friedrich Hayek entschieden abgelehnt wurde. Andere, wie Iring Fetscher und Joseph Schumpeter, setzten sich intensiv mit den Werken auseinander, vertraten jedoch nicht eine entsprechende Gegenposition.

Marxistische Theoretiker und Politiker

Unter Marxismus firmieren inzwischen sehr verschiedene Strömungen, die teilweise nur noch entfernt mit dem Fundament der Werke von Marx und Engels verbunden sind. Diese wurden wiederum durch verschiedene marxistische Theoretiker vertreten und weiterentwickelt, die sich von unterschiedlichen Denkansätzen her seinem vielschichtigen Werk genähert und eine eigene Strömung des Marxismus begründet oder vorhandene Strömungen nachhaltig beeinflusst haben.

siehe: Liste marxistischer Theoretiker und Politiker

Literatur

Werke von Marx und Engels

  • Karl Marx, Friedrich Engels: Werke (MEW = Marx-Engels-Werke; bekannt auch als Blaue Bände). 43 Bände, Dietz Verlag, Ost-Berlin (ab 1989: Berlin) 1956-1990
  • Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. (1844)
  • Karl Marx und Friedrich Engels: Das Kommunistische Manifest.(Originalausgabe 1848). Eine moderne Edition. Mit einer Einleitung von Eric Hobsbawm, Argument Verlag 1999, ISBN 3-88619-322-5
  • Karl Marx: Lohnarbeit und Kapital. Artikel in der Neuen Rheinischen Zeitung, April (1849)
  • Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. (1857/58)
  • Karl Marx: Das Kapital. Band I-III (1. Auflage 1867) Paderborn: Voltmedia, ISBN 3937229345
  • Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. ,1882

Sekundärliteratur

  • Perry Anderson: Über den westlichen Marxismus. Syndikat, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-8108-0074-0
  • Eberhard Braun: Aufhebung der Philosophie: Karl Marx und die Folgen. Metzler Verlag, Stuttgart 1992
  • Cajo Brendel, Anton Pannekoek: Denker der Revolution. Ça Ira, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-924627-75-4
  • Alex Callinicos: Die revolutionären Ideen von Karl Marx. VZGA, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-9806019-2-7
  • Iring Fetscher: Marx. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-04728-4
  • Iring Fetscher: Marx-Engels-Studienausgabe. Fischer-Taschenbücher, Frankfurt am Main 1966, ISBN 3-596-26059-0
  • Helmut Fleischer: Marxismus und Geschichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969, ISBN 3-518-00323-2
  • Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-89657-588-0
  • Gerd Koenen: Marxismus-Leninismus als universelle Verschwörungstheorie. In: Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte,H. 2 (1999), S. 127-132
  • Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution? Leipzig 1899
  • Ernest Mandel: Einführung in den Marxismus. 6. Auflage. Internationale Sozialistische Publikationen, Köln 1998, ISBN 3-929008-04-1
  • Ernst Theodor Mohl, Werner Hofmann, Joan Robinson und andere: Folgen einer Theorie: Essays über Das Kapital von Karl Marx. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, ISBN 3-518-10226-5
  • Oskar Negt: Kant und Marx: ein Epochengespräch. Steidl Verlag, Göttingen 2003, ISBN 3-88243-897-5
  • Anton Pannekoek, Paul Mattick und andere: Marxistischer Anti-Leninismus. Ça Ira, Freiburg im Breisgau 1990, ISBN 3-924627-22-3
  • Karl Raimund Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde: Band 2: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen. UTB Verlag für Wissenschaft, Stuttgart 1992, ISBN 3-8252-1725-6
  • Karl Raimund Popper: Gesammelte Werke: Band 4: Das Elend des Historizismus. 7. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-148025-2
  • Rudolf Bahro: Die Alternative: Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. Europäische Verlagsanstalt, Köln 1977, ISBN 3-434-00353-3
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