Grenfell Tower

Hochhaus in London
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Koordinaten: 51° 30′ 50,5″ N, 0° 12′ 56,7″ W

Grenfell Tower
Grenfell Tower
Grenfell Tower vor der Modernisierung, 2009
Basisdaten
Ort: London, North Kensington
Bauzeit: 1972–1974
Eröffnung: 1974
Sanierung: Februar 2015 – Juli 2016
Status: Ruine, nach Großbrand am 14. Juni 2017
Baustil: Moderne
Architekt: Nigel Whitbread und Team
Architekten: Studio E LLP (Sanierungs- und Umbaumaßnahmen)
Nutzung/Rechtliches
Nutzung: Geschäfts- und Wohnhaus
Wohnungen: 120
Eigentümer: Royal Borough of Kensington and Chelsea
Bauherr: London Borough of Kensington and Chelsea (LBKC)
Hausverwaltung: Kensington and Chelsea Tenant Management Organization
Technische Daten
Höhe bis zur Spitze: 67,3 m
Höhe bis zum Dach: 67,3 m
Etagen: 23
Konstruktion: Beton
Anschrift
Anschrift: Lancaster West Estate, Grenfell Walk
Postleitzahl: London W11 1TG

Grenfell Tower ist ein Hochhaus mit 23 nutzbaren Stockwerken im Stadtteil North Kensington im Royal Borough of Kensington and Chelsea im Westen Londons, unweit der U-Bahn-Station Latimer Road.[1]

Baugeschichte

In der Nachkriegszeit kam es, wie in vielen Teilen Europas, auch in den Ballungsgebieten des Vereinigten Königreiches zu einem erhöhten Bedarf an günstigem Wohnraum. Zugleich gab es den Wunsch nach einem moderneren Umfeld, die vor den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts erbauten Wohnviertel wurden als defizitär angesehen und galten allen Ortes als Slums. Überall auf den britischen Inseln entstanden bis in die 1970er Jahre neue moderne Wohngebiete, die zu 20 % auch Hochhäuser umfassten. Im Zuge des Stadtteilsanierungsprojektes Lancaster Road West entstand so die mit Mitteln der öffentlichen Hand finanzierte Großsiedlung Lancaster West Estate. Der Bau eines 23-geschossigen Hochhauses, das einzige Hochhaus seines Architekten Nigel Whitbread,[2] wurde 1970 genehmigt und A.E. Symes mit der Umsetzung beauftragt.[1][3] Ab 1972 entstanden so in Phase 1 der geplanten Maßnahmen 120 Ein- und Zweizimmerwohnungen.[4] Der Glenfell Tower getaufte Bau wurde 1974 fertiggestellt. Die Konstruktion besteht aus Stahlbeton mit äußeren Betonstützen und einem Gebäudekern aus Ortbeton.[5] Das Gebäude, in dem etwa 600 Menschen lebten, wird im Auftrag des Eigentümers, der Kommunalverwaltung Kensington and Chelsea London Borough Council, von der Kensington and Chelsea Tenant Management Organisation (TMO) verwaltet.[6]

Im Jahr 2012 wurde mit Hilfe der Architekten von Studio E LLP ein Sanierungsplan für das Gebäude entwickelt, der auch eine Mieterbefragung beinhaltete. Den Wünschen der Mieter nach doppelverglasten Fenstern, einer Wärmeisolierungsverschalung und Gasetagenheizungen in den Wohnungen wurde nachgekommen. Zudem wurden einige leerstehende Gebäudeteile neu zugeschnitten und teilweise als zusätzliche Wohnfläche umgewidmet. Eine Neugestaltung der Wege wurde ebenso durchgeführt. Des Weiteren wurde von den Mietern eine Verbesserung der Sicherheit gewünscht, z. B. in Form von Videoüberwachung und besserer Beleuchtung.[7] Für die Umsetzung der Maßnahmen wurde Rydon Ltd. beauftragt. Die Arbeiten fanden von Februar 2015 bis Juni 2016 statt, die Kosten beliefen sich auf 10 Mio. Pfund, was im Juni 2016 etwa 13 Mio. Euro entsprach.[8] Eine wärmeisolierende Aluminiumverbundverschalung von Arconic wurde durch Harley Facades zu einem Preis von 2,6 Mio. Pfund (3,38 Mio. Euro im Juni 2016) angebracht.[9]

Warnungen vor Sicherheitsmängeln

Die Bewohner des Grenfell Towers organisierten sich in der Grenfell Action Group[10] und wandten sich seit 2012, als sie in die Planung der Sanierung eingebunden wurden, regelmäßig an die Hausverwaltung, um auf Missstände aufmerksam zu machen. 2013 veröffentlichten sie Teile eines im Vorjahr erstellten Gutachtens, welches signifikante Verstöße gegen Brandschutzvorgaben publik machte. So waren Teile der Brandbekämpfungsausrüstung seit drei Jahren nicht gewartet worden. Ihre Bemühungen dokumentierten sie in einem Blog, wurden aber nicht gehört.[11] So schrieben sie im November 2016:[12]

"It is a truly terrifying thought but the Grenfell Action Group firmly believe that only a catastrophic event will expose the ineptitude and incompetence of our landlord, the KCTMO, and bring an end to the dangerous living conditions and neglect of health and safety legislation that they inflict upon their tenants and leaseholders. We believe that the KCTMO are an evil, unprincipled, mini-mafia who have no business to be charged with the responsibility of looking after the every day management of large scale social housing estates and that their sordid collusion with the RBKC Council is a recipe for a future major disaster."

Deutsche Übersetzung:

„Es ist ein wahrlich erschreckender Gedanke, aber die Grenfell Action Group glaubt fest, dass nur ein katastrophales Ereignis das Unvermögen und die Inkompetenz unserer Vermieter, der KCTMO, entlarven wird und den gefährlichen Lebensumständen und Missachtung der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften ein Ende setzen wird, welche sie ihren Mietern und Pächtern zumuten. Wir glauben, dass die KCTMO eine schlimme gewissenlose Mini-Mafia ist, die ihre Aufgabe nicht in der Verantwortung des Tagesgeschäfts in der Leitung einer sozialen Wohnsiedlung sieht und dass ihr schändliches geheimes Einverständnis mit dem RBKC Council ein Rezept für ein zukünftiges großes Desaster ist.“

„Stay-put“-Regel

Auch nach der Sanierung galt in dem Gebäude als Verhaltensvorgabe eine „Stay Put“-Regel[13], die besagt, dass Bewohner ihre Wohnungen nicht verlassen sollen, solange das Feuer nicht in der eigenen Wohnung oder dem Hausflur vor der Wohnungstür brennt. Es wurden mit dem Umbau feuerhemmende T30-Türen verbaut, die Feuer 30 Minuten lang widerstehen.[14]

Flucht- und Rettungswege

Wiederholt wurde von der Glenfell Action Group darauf hingewiesen, dass Flucht- und Rettungswege nicht freigehalten würden. Als Beispiele gaben sie mehrfach parkende Autos in Feuerwehrzufahrten an und wiesen auch auf Sperrmüll hin, welcher im Eingangsbereich des Hauses von der Hausverwaltung stillschweigend geduldet wurde. Dies geschah nicht unter dem Aspekt der unnötigen Brandlasten, sondern auch mit Verweis darauf, dass das Gebäude nur einen Ein- und Ausgang aufweist.[15]

Großbrand am 14. Juni 2017

Am 14. Juni 2017 brach in dem Gebäude nach Aussage von Augenzeugen im 5. Stock ein Feuer aus, welches sich in kurzer Zeit zu einem Großbrand entwickelte: Um 00:54 Uhr Ortszeit wurde die Feuerwehr wegen eines Feuers gerufen; nach sechs Minuten trafen die ersten Einheiten am Unglücksort ein.[16][17] Insgesamt waren 200 Einsatzkräfte und 40 Löschfahrzeuge im Einsatz.[18] Mindestens zwölf Menschen kamen dabei ums Leben, mindestens 79 Verletzte wurden in Krankenhäusern behandelt. Eine zunächst befürchtete Einsturzgefahr des Gebäudes wurde von einem Experten vor Ort dementiert.[19]

Die Brandursache ist bisher unbekannt. Die Polizei schloss einen Terroranschlag aus.[20]

Ursache der raschen Ausbreitung des Brandes über viele Stockwerke hinweg war möglicherweise, dass Dämmmaterial in der Fassade nicht den erwarteten Feuerwiderstand hatte.[21][22][23] Ein 2016 veröffentlichtes Papier zog Verbindungen zu verschiedenen Großbränden am Persischen Golf.[24]

Siehe auch

Commons: Grenfell Tower – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Emporis GmbH: Grenfell Tower, London | 135152 | EMPORIS. Abgerufen am 14. Juni 2017 (englisch).
  2. LAncaster West Estate - An ideal for living? Abgerufen am 14. Juni 2017.
  3. ISBN 0-300-05444-0
  4. Grenfell Tower floorplan shows how 120 flats were packed into highrise. In: The Telegraph. (telegraph.co.uk [abgerufen am 14. Juni 2017]).
  5. London tower block’s refurbishment raises fire safety questions. In: Financial Times vom 14. Juni 2017, abgerufen am 14. Juni 2017.
  6. Grenfell Tower. 14. Juni 2017, abgerufen am 14. Juni 2017.
  7. https://www.rbkc.gov.uk/idoxWAM/doc/Other-960664.pdf?extension=.pdf&id=960664&location=VOLUME2&contentType=application/pdf&pageCount=1
  8. Rydon lands Grenfell Tower refurbishment. 14. Juni 2017, abgerufen am 14. Juni 2017.
  9. Grenfell Tower :: Harley Facades Limited. 14. Juni 2017, abgerufen am 14. Juni 2017.
  10. Grenfell Action Group. Abgerufen am 14. Juni 2017 (amerikanisches Englisch).
  11. Another fire safety scandal auf Grenfell Action Group
  12. KCTMO – Playing with fire! Original des häufig zitierten Blogs der Grenfell Action Group, der die Katastrophe erstaunlich genau vorhersagt.
  13. grenfellactiongroup: KCTMO – Feeling the Heat! In: Grenfell Action Group. 14. März 2017, abgerufen am 14. Juni 2017.
  14. https://www.rbkc.gov.uk/pdf/Grenfell%20Tower%20regeneration%20newsletter%20July%202014.pdf
  15. grenfellactiongroup: Grenfell Tower Still A Fire Risk. In: Grenfell Action Group. 24. Januar 2016, abgerufen am 14. Juni 2017.
  16. Hochhaus Inferno in London - Menschen versuchen sich abzuseilen – Trümmerteile stürzen herab, N24, 14. Juni 2017.
  17. Hochhaus in London steht in Flammen: Mehrere Tote. Der Standard, 14. Juni 2017.
  18. Hochhaus in London - Opferzahl bei Großbrand wächst, Luxemburger Wort, 14. Juni 2017.
  19. Zwölf Tote und mindestens 79 Verletzte bei Hochhausbrand in London, Süddeutsche Zeitung, 14. Juni 2017
  20. Löscharbeiten könnten tagelang dauern, MDR, 14. Juni 2017.
  21. telegraph.co.uk vom 14. Juni 2017: Did faulty fridge cause Grenfell Tower fire? The theories fire chiefs will examine.
  22. London fire: Grenfell Tower's design helped spread blaze up the outside, experts say. www.independent.co.uk vom 14. Juni 2017.
  23. metro.co.uk 14. Juni 2017: Grenfell Tower had just had an £8.7m refurb – but was new cladding to blame?
  24. Fire Risks From External Cladding Panels – A Perspective From The UK Blog auf probyn-miers.com vom Winter 2016.